Regen von namu ================================================================================ Kapitel 1: Regen ---------------- Marinette starrte auf die beschlagene Scheibe des Zuges ohne sie oder die verschwommen dahinter vorbei ziehende Landschaft wirklich wahr zu nehmen. Gedanken verloren zeichnete sie eine Katze in das Wasser und seufzte. Sie hatten sich nicht mehr gesehen. Schon seit drei Jahren hatten sie sich nicht mehr gesehen. Hawk Moth war besiegte und es gab keinen Grund mehr für sie Ladybug zu sein. Ohne es zu merken wanderte ihre Hand zu ihrem Ohrstecker. Ihr Miraculous war nichts anderes ein paar normaler Ohrringe. Tikki war in jener Nacht verschwunden in der auch Ladybug und Chat Noir verschwunden waren und egal wie sehr Marinette auch verzweifelt nach ihr Ausschau gehalten hatte – Herr Gott sie hatte sogar blechweise Kekse gebacken um ihren Kwaami aus ihrem Versteck zu locken – doch sie war nie zurück gekehrt. Marinette seufzte und schieg aus dem Zug. Der Gare du Nord war an diesem Novemberabend verhältnismäßig leer und sie zog sich den Schal enger um die Schultern als sie sich langsam auf den Weg zu ihrem Apartment machte. Sie war jetzt fünfundzwanzig Jahre alt, ihr Designstudium verlief gut, sie war kreativ und tat genau das was sie immer hatte machen wollen, doch sie fühlte sich leer. Sie schloss die Tür zu ihrer leeren Wohnung auf und wurde von Stille empfangen. Trostlos ließ sie ihre Tasche neben der Tür auf den Boden fallen und öffnete ihren Mantel als ihr die beißende Kälte in der Wohnung auffiel. Seufzend ging sie in ihr Schlafzimmer und fasste an den Heizkörper. Eiskalt. Die Heizung war also wieder ausgefallen. Also auch keine heiße Dusche. Bedrückt beschloss sie sich einfach direkt ins Bett zu legen, in ihrem dicken Pullover aus Schaafs Wolle und den dicksten Socken die sie finden konnte. Ihre Stimmung war am Tiefpunkt. Sie war alleine und einsam, ihre Freunde schienen sie nicht zu erreichen, oder viel mehr, sie kannten nur Marinette, sie kannten Ladybug nicht, hatten sie nie gekannt und konnten nicht wissen, dass in dieser Nacht vor drei Jahren ein Teil von ihr verstorben war. Marinette vergrub das Gesicht in ihrem Kissen und ließ den aufwallenden Tränen freien Lauf. Es war auch im November gewesen. Damals war sie so froh gewesen, so froh, weil sie dachte, dass sie zu einem stressfreieren Leben zurückkehren würde, doch es war auch ein einsames Leben. Chat Noir und Ladybug gehörten zusammen, das hatte sie nun verstanden. Ein einzelner Superheld zu sein war einsam und es fraß einen von innen heraus auf, so wie es jetzt sie auffraß. Geteiltes Leid ist halbes Leid hatte ihre Mutter immer gesagt und sie hatte damit Recht behalten wie Marinette jetzt wusste. Sie schluchzte und weinte sich in den Schlaf. Sie erwachte von dem pochenden Geräusch des Regens an ihrer Fensterscheibe. Ihre Tränen waren versiegt und zurück geblieben war das Gefühl der Leere, dass sie mittlerweile so gut kannte. Sie sollte glücklich sein, ihr Studium lief gut, mit ihren Designprojekts verdiente sie nebenher gutes Geld und ihrer Familie und ihren Freunden ging es gut, sie trafen sich regelmäßig doch nichts davon erreichte sie wirklich. Nichts davon drang bis zu ihr durch. Langsam stand sie auf und blickte hinaus in den Regen. Ihr Atem schlug sich auf der Fensterscheibe nieder und wieder begann sie unbewusst sein Gesicht in das Kondenswasser zu malen. Sie fragte sich was er gerade machte, wie es ihm wohl ging. War er glücklich? Hatte er Freunde die auf ihn Acht gaben so wie sie? Seufzend drehte sie sich von der Fensterscheibe weg und erblickte den schwarzen Regenschirm den sie damals auf der High School von Adrien bekommen hatte, doch selbst das brachte sie kaum müde zum Lächeln. Sie war an einem absoluten Tiefpunkt angekommen. Im Stillen hatte sie sich schon lange gewundert wie lange ihre Freunde es wohl noch mit ihr aushalten würden, denn sie hatte schon lange nicht mehr das Gefühl zu ihnen zu gehören. Sie war zu einer unbeteiligten Beobachterin geworden, nichts weiter. Sie schüttelte den Kopf und legte sich fröstelnd wieder ins Bett. Man konnte die Vergangenheit nicht zurückholen. Der eigentliche Grund weshalb sie am Eifelturm vorbei ging war das im anliegenden Part stattfindende Fotoshooting von Adrien. Alya und Nino hatten sie gebeten ihm etwas Warmes zu trinken vorbei zu bringen, ein weiterer offensichtlicher Versuch sie zusammen zu bringen, doch für so etwas fehlte Marinette schon lange die Energie. Dennoch hatte sie sich in die Küche gestellt und Chai Tee gemacht, es war Chats Lieblingsgetränk in der kalten Jahreszeit gewesen, sie hatte ihn shcon damals oft gemacht und nun war es häufig das einzige Getränk, welches sie mit etwas Wärme zu füllen vermochte, und da ihr Studio ohnehin in der Nähe war konnte sie ihm die Thermoskanne dann doch vorbei bringen. Doch als sie am Eiffelturm vorbei kam waren mit einem mal alle Gedanken an Adrien aus ihrem Gehirn gewischt. Drei Jahre war es jetzt her, dass sie das letzte Mal mit Chat dort oben gestanden hatte, dort hatten sie sich verabschiedet. Die Schlange war kurz, so viel kürzer als sonst und sie wusste nicht warum, doch mit einem Mal verspürte sie das dringende Bedürfnis dort hoch zu steigen. Der Aufzug brachte sie die ersten paar Etagen hoch, dann entschied sie sich die Stufen zu nehmen. Es war noch immer bitter kalt, doch ihr Ziel war nicht die Spitze sondern eine kleine versteckte Plattform auf halber Höhe und dort würde sie nur über die Treppe hinkommen. Außerdem würde der Aufstieg sie warm halten. Sie war die Einzige, die die Stufen nahm. Alle anderen quetschten sich lieber in den stickigen Aufzug als er weiter fuhr und es beruhigte sie in gewisser Weise, denn so würde niemand sehen, was sie vorhatte. Es dauerte lange bis sie auf der richtigen Etage angekommen war – wie viel einfacher war dies gewesen als sie nur ihr Yo-Yo schwingen musste! Doch schließlich erreichte sie die halbhohe Gittertür, ignorierte das „Unbefugten ist der Zutritt verboten“ Schild gekonnt und stieg einfach darüber hinweg. Melancholisch, fast schon andächtig strich sie über die vertrauten Metallstreben die fast drohten ihr an den Fingern fest zu frieren. Langsam drehte sie sich um und erblickte die altbekannte Skyline von Paris, diesmal bei Tage und nicht wie so oft bei Nacht. Und zum ersten Mal seit langem kochten all die altvergessenen Emotionen wieder in ihr hoch, ließen sie in die Knie gehen und sie presste sich die Hand vor den Mund um nicht laut zu schluchzen. Sie würde alles was sie in den letzten Jahren erreicht hatte ohne zu zögern hergeben, wenn sie dafür nur noch einen Moment mit ihm hätte. Sie wusste nicht wie lange sie dort so saß, doch sie wurde plötzlich aus ihrer Starre gerissen als sie zwei Hände auf ihre Schultern legten. „Marinette?“, fragte jemand und sie blickte auf in die grünen Augen eines sehr besorgt aussehenden Adrien Agrestes. „Adrien.“, murmelte sie und wischte sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. „Bist du ok?“, fragte er während er sie mit einem schnellen Blick scannte. „Was machst du denn hier?“, fragte sie. „Ich bin hier früher oft hergekommen.“, murmelte er und trat wieder einen Schritt zurück nachdem er sich versichert hatte, dass ihr auch wirklich nichts zu fehlen schien. „Aber dein Fotoshooting.“, flüsterte sie. „Hab mich davon geschlichen.“, sagte er und zuckte die Schultern. Aha. Das tat er also immer noch. Wie lange war es her, dass sie das letzte Mal wirklich mit Adrien geredet hatte? „Aber was machst du hier?“, fragte er. „Ich hab mich hier früher oft mit einem Freund getroffen.“, sagte sie leise. Ohne den überraschten Blick in seinen Augen zu bemerken. „Und warum bist du jetzt hier?“, fragte er. „Keine Ahnung.“, murmelte sie und sah wieder auf die Skyline von Paris. In der Ferne konnte sie den Arc de Triomphe ausmachen. „Ich hatte einfach so ein Gefühl. Vielleicht…“, sie brach ab. „Vielleicht was?“, fragte Adrien sanft. Marinette schlang die Arme um sich. „Vielleicht wollte ich nur wissen, ob das alles real war.“ Adrien bemerkte ihr zittern und drückte sie sanft aber bestimmt am Rand der Plattform auf den Boden. „Hier, nimm die!“, sagte er und drückte ihr im nächsten Moment eine etwas verschlissene, rote Decke mit schwarzen Punkten in die Hand. Marinette starrte einen Moment lang auf die Decke, dann wickelte sie sich fest darin ein und konnte die Tränen die erneut anfingen über ihre Wangen zu laufen kaum stoppen. „Wo hast du die her?“, flüsterte sie und ihre Stimme brach. „Die hat eine Freundin von mir damals hier deponiert.“, sagte Adrien und Trauer schwang in seiner Stimme mit. Trauer, doch auch Verzweiflung. Tiefe Traurigkeit. „Ich habe sie vor drei Jahren verloren.“, setzte er leise hinzu und setzte sich neben sie, legte sich eine schwarze Decke mit dem Abdruck einer grünen Katzenpfote über die Beine und sah hinaus auf Paris. „Ich hab sie bis heute nicht gefunden.“ Marinette krallte ihre Finger in die Decke und wusste nicht ob sie diesmal tatsächlich vor Freude weinte. Langsam öffnete sie ihre Umhängetasche und zog die Thermoskanne mit dem Chai Latte hervor. „Die wollte ich dir eigentlich zum Fotoshoot bringen.“, sagte sie. „Danke“, sagte Adrien, überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel. „Das kann ich bei dem Wetter wirklich gut gebrauchen.“ Vorsichtig goss er sich eine Tasse ein und hielt sie ihr auch auffordernd entgegen, doch sie wehrte mit einem schwachen lächeln ab und sah zu, wie er sie vorsichtig mit beiden Händen umfasste und dann genüsslich den Duft des Tees einzog. Seine Augen waren geschlossen als er das tat, doch als er sie wieder öffnete konnte sie den Schimmer des Wiedererkennens darin sehen, bevor er noch einmal tief die Luft einsog und dann vorsichtig den Tee kostete. Sein Blick wanderte zu ihr, tastete ihr Gesicht ab, gefüllt mit so vielen Emotionen, dass sie nicht hätte sagen können, welche am stärksten vertreten war. Dort war Glück, Unglauben, Erleichterung, vermischt mit Spuren von Trauer. Doch ganz besonders Erleichterung. „Ich wusste nicht, dass die Decken immer noch hier sind.“, startete sie den schwachen Versuch eines Witzes als der Becher Tee schon vergessen in die Ecke flog, der Tee tropfte durch das Gitterrost auf dem sie saßen und Adrien sie fest in die Arme schloss. „Nach drei Jahren!“, flüsterte er. Sie grub die Finger in seine Jacke. „Kitty!“, flüsterte sie. „Endlich!“ Und sie blieben einfach dort sitzen, spürten kaum die Kälte, gewärmt von den Ereignissen der Vergangenheit und den Versprechungen der Zukunft. Bonus: „Na endlich!“, seufzte ein schwarzer Kwaami und ließ sich mit einem Stück Käse auf einer Querverstrebung nieder. „Wurde aber auch Zeit! „Sei nicht so gemein, Plagg!“, wurde er auch sogleich gerügt. „Was denn?“, verteidigte sich der schwarze Kwaami. „Sie haben immerhin lange genug gebraucht!“ „Sie haben nur etwas Zeit gebraucht bis sich ihr größter Herzenswunsch klar manifestiert hatte.“, hielt Tikki dagegen. „Na jetzt ham‘ sie‘s ja endlich, das bedeutet wir können aufhören uns zu verstecken.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)