Der Ruf von Bamby ================================================================================ Kapitel 1: 1. Explosionen ------------------------- Es war ein grauer Tag. Die Wolken hingen regenschwer über dem Land. Erste Wasserperlen lösten sich aus ihnen, trafen auf saftiges Gras, rutschten an den dünnen Halmen hinunter und begannen das Erdreich zu tränken. Zuerst wenige, dann folgten dichtere Tropfen. Nur ein schwacher Windhauch fuhr über die weite Wiese und brachte ein seichtes Rascheln in das Geäst der alten Akazie. Bunte Bänder waren an dem schlanken Baum befestigt, welche durch die Nässe schlaff nach unten hingen. So tauchten die, eigentlich farbenfrohen, Bänder in das triste Gesamtbild mit ein und spiegelten die Stimmungslage der Gäste wieder. Heute wollte niemand feiern - ehren und gedenken traf den Sinn der Zusammenkunft wohl besser.   Ein Blick aus müden und geröteten Augen schien die Ansammlung von Hexen und Zauberern zu durchbohren. Da standen sie alle mit trauernden Mienen und in schwarze Roben gehüllt. Stille. Trotz der Massen war kein Laut zu hören. Wahrscheinlich verschluckte der Regen unterdrückte Seufzer und Schniefer.  Ein tonloses "Verzeih“, glitt über die trocknen Lippen des verbliebenen Weasley-Zwillings. Seine Augen richteten sich nun auf das Grab zu seinen Füßen. Dieses Trauerspiel gefiel seiner besseren Hälfte nicht, da war er sich sicher und dennoch konnte er nichts dagegen unternehmen. Keiner hatte die Kraft zu lachen und zu scherzen - nicht einmal er selbst. Dabei wollten sie doch immer Freude in die Welt bringen. Zusammen. Aber heute war es anders. Mit wem sollte George scherzen? Wer sollte ihn so verstehen, wie Fred? Er war nicht allein. Nein. An seiner Seite waren Bill, Charlie, Ron, Ginny und natürlich seine Eltern. Ganz zu schweigen von allen Freunden, Bekannten, seinen ehemaligen Lehrern, Arthurs Arbeitskollegen aus dem Ministerium, Stammkunden aus Weasleys Zauberhafte Zauberscherze, Unbekannte. Traurig, verständnisvoll, mitfühlend, bedauernd sahen sie ihn an und dennoch fühlte er sich alleine. Oder gerade deswegen? In seinem Inneren war es kalt, als fehlte da etwas. Ein Teil seiner Seele schien mit Fred gegangen zu sein. Da war keine geheime Verbindung mehr; niemand schien ihn zu hören und verstehen zu wollen. Alles ging so schnell. Von einer Sekunde auf die nächste konnte er den anderen nicht mehr spüren und seit dem war es in ihm leer. Es schmerzte. Geteiltes Leid, ist halbes Leid - so ein Muggel Sprichwort. Warum fielen ihm die Worte gerade jetzt ein? Der Rotschopf konnte sich dies nicht erklären, aber die Muggel hatten recht. George konnte jede Empfindung mit Fred teilen. Die tollen Gefühle wurden dadurch noch schöner und die schmerzhaften erträglicher. Ein unergründliches Phänomen. Die Muggel sprachen von Zauberei, weil sie diese geheime Verbindung auch nicht besser beschreiben konnten. Aber mit Zauberei hatte es nichts gemein - das konnte jeder Zauberer bestätigen. Genauso wenig, wie sich dieser Schmerz, tief in ihm, wie von Zauberhand lösen würde.   Tränen schlichen sich aus seinen Augen und blieben dennoch unbemerkt. Denn Wassertropfen hatten schon längst die roten Haare durchnässt, fanden an den einzelnen Haarsträhnen keinen Halt und rannen an seiner blassen Gestalt hinab. Aus dem Augenwinkel erkannte er, wie sein Vater den Zauberstab empor hob und eine kleine Lichtkugel in den Himmel steigen ließ. Die Bewegung kam George langsam, träge, fast wie in Zeitlupe vor. Nach dieser Lichtkugel erschien eine weitere und keinen Augenblick später noch eine bis letztendlich ein kleines Meer aus Lichtpunkten über den Köpfen schwappte. Nun musste auch der Weasley-Zwilling den Blick empor heben. Die Lichter waren hübsch anzusehen und um einiges besser, als das schwere Grau der Wolken. Zittrig erhob er selbst seinen Zauberstab. "Hoffentlich ist es bei dir nicht so öde“. Es war ein Flüstern, nicht mehr und trotzdem füllte es für eine kleine Sekunde sein Innerstes mit Wärme aus. Seinen Worten folgte nun auch eine Lichtkugel. Jedoch schoss diese, an den anderen Kugeln vorbei und entlud sich hoch oben zu einem Feuerwerk. Das Krachen, Glitzern, Funkeln, Leuchten erweckte die Gäste aus dieser formellen Starre der Trauer. Heftiges Schluchzen trat an Georges Ohren. Keiner der Gäste konnte mehr an sich halten. Niemand sah bedauernd auf die Weasley Familie, sondern nur noch auf die bunten Strahlen unter dem Wolkenrand. Auf einigen Gesichtern zeichnete sich sogar ein zaghaftes Lächeln ab. Endlich trat Leben und Ehrlichkeit in die Zeremonie ein.    Auch Harry war diese Wendung nicht entgangen. Zuvor war die Luft angespannt. Niemand wollte die bedrückende Stille brechen, es wäre unangemessen. Doch dieses Feuerwerk hielt nun keiner der Gäste für unangemessen. Im Gegenteil. Es funkelte in Gedenken an den Weasley Bruder und zeigte die Lebensfreude, mit welcher Fred jeden der hier Anwesenden faszinierte. Keine Worte dieser Welt hätten das Leben von Fred Weasley besser ausdrücken können. Persönliche Erinnerungen, die jeder von ihnen mit Fred geteilt hatte, erwachten in den Hexen und Zauberern. Die Weasley Zwillinge hatten Harrys Leben geprägt. Etliche Bilder schossen ihm durch den Kopf und immer waren diese mit dem Gefühl eines Hoffnungsschimmers verbunden. Die erste Begegnung am Gleis 9 3/4, die Karte des Rumtreibers, die zahlreichen Aufmunterungen, der Aufstand gegen Umbridges Regime in Hogwarts, die Eröffnung von Weasleys Zauberhafte Zauberscherze waren nur einige der Momente, welche er aufzählen konnte. Harry blickte zu dem verbliebenen Weasley-Zwilling. Ein merkwürdiges Gefühl war es, nicht das unzertrennlich scheinende Doppelgespann zu erblicken. George sah schlecht aus und dies versetzte dem Helden der Zaubererschaft Stiche. Hätte er sich Voldemort zeitiger gestellt, vielleicht würde Fred dann noch Leben. Vielleicht wären dann noch so viel mehr am Leben!   Eine Hand, die sich fester um seine schlang holte Harry aus den düsteren Gedanken. Es war Ginnys Hand. Schnell erwiderte er ihre Geste und strich mit seinem Daumen über den schlanken Handrücken. Traurig lächelte sie ihn nun an und deutete auf Hermine, welche ihren Kopf gegen Rons Halsbeuge presste. Ihr Körper bebte verräterisch, während Ron sie im Arm hielt und auf das frische Grab starrte. Harry konnte nicht sagen, was furchtbarer war. Die Tatsache, dass Fred nicht wieder erwachen würde, oder seine Freunde, die darunter litten. Voldemorts zweite Welle der Herrschaft hatte nicht weniger Tod und Verderben gefordert, als die vorherige. Mit dem endgültigen Tod von Tom Marvolo Riddle war der Albtraum nicht vorbei und es würde wohl Jahre dauern, bis sich eine Normalität auf die Geschehnisse legt.   Harry blickte in den Himmel. Das Spiel aus Licht und Feuer war beendet und die letzten Lichtkugeln entschwanden am Horizont. Der Regen hat sich verzogen. In der Wolkendecke befanden sich kleinere Spalten, durch welche Harry den Himmel erspähte. Leise Trauerbekundungen der Gäste, an die Weasleys gerichtet, konnte der Held vernehmen. Am liebsten hätte er sich nun an dieser Stelle verabschiedet. Diese leidvolle Luft zog sich schwer durch seine Lungen. Aber die Weasleys waren seine Familie, er schuldete es ihnen jedes Leid mit ihnen zu durchleben. Harry staunte wie gefasst Ginny wirken konnte, ahnte er doch, wie es in ihr aussah. Die langen, roten Haare hingen in Strähnen und Augenringe prangerten hervor, dennoch schien ihr Körper völlig ruhig. Erneut war es Ginnys Hand, welche Harry ablenkte. Sie hatte sich ihm nun völlig zugewandt und zupfte ein paar seiner nassen Haarsträhnen zurecht. "Nachher gibt es Kuchen“, erklärte sie weich. Ihm war klar, dass der Informationsgehalt dieser Nachricht nicht sonderlich hoch war und sie ihn damit nur auf andere Gedanken bringen wollte. Sie musste Harrys Blicke bemerkt haben. Sieben Tage seit dem Ende des Krieges am 02.Mai waren vergangen und an jedem einzelnen Tag gab sie auf ihn acht. Als hätte sie Angst, er könnte sich sonst in seinem Kummer ertränken. Dabei sollte er doch stark für sie sein, nicht umgekehrt.   Ein gequältes Lächeln umspielte seine Lippen. "Das klingt gut“, erwiderte er. Harrys Blick wanderte über Ginnys Schulter wieder zu seinen Freunden. Doch Ron´s Aufmerksamkeit schien weder auf dem Grab, noch auf Hermine, die sich langsam gefangen hatte, zu liegen. Er fixierte einen Gast, welcher nun vor Arthur und Molly stand und ihnen seine Trauerbekundung in Form eines kleinen Briefes reichte. Mr. und Mrs. Weasley schienen leicht überfordert mit der Situation, bedankten sich dennoch so, wie bei jeder bisherigen Trauerkarte und nahmen den Brief entgegen.    Die Augen seines besten Freundes hatten sich zu kleinen Schlitzen verzogen und er teilte wohl die Meinung der anderen Trauergäste. Ein Raunen zog sich durch die Reihen, nachdem der unerwartete Gast aus dem Schutz der Masse trat. Selbst Harrys Augen weiteten sich ungläubig. Dumpf lauschte er den Gesprächsfetzen anderer Hexen und Zauberer, während er den besonderen Gast genau beäugte.  "Was will der denn hier?“, "Ein Todesser!“, "Seinen Ruf kann der so auch nicht mehr retten!“, "Das Ministerium ist bestechlich!“, flüsterte es aufgebracht aus allen Richtungen. Einige erhoben sogar ihren Zauberstab, dazu bereit, die Situation eskalieren zu lassen. Bei Merlin, Harry hatte in den letzten Monaten so einiges erlebt und dachte, ihn könne nichts überraschen. Aber dieser Besucher stellte seine These völlig um. Eine Mischung aus Erstaunen und Abneigung vernebelten seinen Geist.   Ron war der erste, der in eine direkte Konfrontation mit dem Besucher trat. Seine Stimme klang ungehalten und wutentbrannt baute er sich vor dem Eindringling auf. "Malfoy! Wir nehmen keine Almosen an! Verschwinde lieber, bevor dich die Dementoren erwischen! Askaban ruft!“ Ron´s Stimme beschallte die gesamte Wiese, sodass dieses Grundgemurmel eingestellt wurde und alle Augenpaare auf ihn gerichtet schienen. Angesprochener wirkte erstaunlich defensiv, konnte einen abschätzigen Blick auf Ron jedoch nicht unterlassen. "Kannst du nicht lesen Weasley? Verfolge doch bitte genauer die Klatschblätter. Dann wüsstest du, es gibt keinen Grund für einen Aufenthalt in Askaban.“ Die kalten, grauen Augen des Platinblonden entfachten nun endgültig das Feuer in Ron´s Irriden.  "Ich liefer denen gleich ´nen Grund!“, stürmte Ron mit geballten Fäusten auf den jungen Malfoy zu.   Harry erwachte aus seiner Starre, überbrückte schnell die wenigen Schritte und hielt Ron am Arm zurück. "Der ist die Aufregung gar nicht wert Ron“, begann er seinen besten Freund zu beruhigen. Ron jedoch wandte sich wütend um. "Harry, der ist ein Todesser!“, quietschte der Rotschopf in einer gefühlten Oktave höher und gestikulierte wild. Die Nerven lagen nach den jüngsten Ereignissen bei allen blank. Harry umklammerte Ron´s Handgelenke und bekam so erneut die Aufmerksamkeit seines besten Freundes. "Bitte nicht jetzt, Ron. Es ist Freds Beerdigung.“ Die letzten Worte flüsterte er nur noch; trotzdem lag ein gewisser Nachdruck in seiner Stimme. Der Körper vor ihm gab den Widerstand auf und schluckte. "Hast ja recht“, murmelte Ron mit gesenktem Haupt und drückte sich an ihm vorbei.   Jetzt stand Harry dem Blonden gegenüber. "Es ist besser wenn du jetzt gehst, Malfoy!“, zischte der Kriegsheld etwas zorniger, als beabsichtigt. Angespannt erwartete er einen zynischen Kommentar Seitens Malfoys, den dieser mit Sicherheit schon auf der Zunge hatte. Doch nichts dergleichen passierte. Nur ein undefinierbarer Ausdruck schwang in dem Blick des Slytherins mit, welchen Harry erhaschen konnte, bevor jener disapparierte. Alle Anwesenden, einschließlich Harry waren nicht minder verwundert. Hatten sie sich auf eine längere Auseinandersetzung eingestellt. Dankbar stellte Harry fest, dass diese nicht von Nöten war.  Kapitel 2: 2. Fragen -------------------- Mittlerweile war es dunkel. Eine größere Öllampe spendete gerade so viel Licht, um die Kammer spärlich auszuleuchten. Das Zimmer war voller Dinge, die sich über die Jahre angesammelt haben. Dabei schien keines dieser Sachen einen genauen Platz zu besitzen. Schulbücher lagen verstreut, links in der Ecke befand sich ein Haufen mit diversen Kleidungsstücken und die Schranktür daneben stand einen Spalt weit auf, aus welchem ebenso Pullover quollen.    Knarzend schob sich die breite Holztür auf. Eine erschrockene Frauenstimme quiekte. "Ron! Hier sieht es aus, wie nach einem Einbruch! Und was soll das werden?“. Hermine zeigte auf einen Schokoladenfrosch. Fast wäre sie auf diesem ausgerutscht, weswegen sich der panische Laut aus ihrer Kehle gelöst hatte. Ronald Weasley ging unbeeindruckt an seiner Freundin vorbei und hob den Frosch auf. "Den hab` ich schon gesucht! Keine Panik, die hüpfen nur einmal“, grinste Ron und biss in ein Schokoladenbein. "Ron! Du bist furchtbar!“, entrüstete sich die Brünette. "Das Genie findet sich erst im Chaos zurecht“, nuschelte Angesprochener mit vollem Mund und wedelte ein paar Kleinigkeiten von seinem Bett. "Das nennst Du aufräumen? Und überhaupt geht das Sprichwort ganz anders“, Hermine trat nun doch in das Dachgeschosszimmer und ließ sich neben Harry und Ginny nieder. Die beiden hatten sich an dem streitenden Liebespärchen vorbei gedrückt und nun auf dem großen, rötlich-gemusterten Teppich Platz gefunden.    Harry rieb sich die Schläfe, er hatte Kopfschmerzen bekommen. Die Trauerfeierlichkeit nahm nach Malfoys auftauchen ein rasches Ende. George war allem Anschein nach gegangen, als der seltsame Besucher ins Rampenlicht trat. Nachdem die Gäste dann ihre Meinungen über Draco Malfoy ausgiebig diskutierten, hatte Arthur beschlossen alle nach Hause zu schicken. Im Fuchsbau angekommen, vermied jeder über die eben geschehenen Vorkommnisse zu sprechen. An der großen, individuellen Tafel in der vollgestellten Küche hatten sich alle zusammengefunden und begannen mit der Kaffeezeit. Mollys Kuchen stellte sich als Seelenbalsam heraus, weswegen sich zögerlich die Stimmung am Tisch erhellte. Wann Harrys Kopfschmerzen genau eintraten konnte er nicht sagen. Wahrscheinlich nachdem dritten Becher Ginepro, den Molly nach dem Kuchen auftischte. Dieser Wacholderlikör war ihre Spezialität und schmeckte einfach fantastisch. Gerade dies war das gefährliche an Mollys Trunk. In netter Gesprächsatmosphäre konnte schnell eine Flasche geleert werden. Als betrunken würde sich Harry nicht beschreiben - eher benebelt. Doch die ausgelassene Stimmung seiner beiden, besten Freunde, konnte er gerade nicht ertragen.    Ginny schenkte ihrem Bruder deswegen einen säuerlichen Blick. Natürlich hatte sie Harrys genervte Körperhaltung wiedermal richtig interpretiert. Ron und Hermine sahen sich an, mussten kurz auflachen und wandten sich sogleich mit einem entschuldigenden Blick zu dem zweiten Pärchen im Raum. So schlimm der Krieg auch gewesen ist, sie haben das Leben dadurch wertschätzen gelernt.    Ron setzte sich seiner Schwester gegenüber. Auch er hatte einen, oder vielleicht zwei, Becher Wacholderlikör getrunken und endlich konnte er aussprechen, was ihm die ganze Zeit auf der Seele brannte. Denn jetzt waren sie unter sich. "Was zum Kuckuck wollte Malfoy bei uns?“. In seinen Augen glitzerte zutiefst Abscheu. "Ich meine, dem wird nicht plötzlich die Barmherzigkeit gepackt haben!“. Die Freunde tauschten zustimmende Blicke aus. Keiner konnte sich dieses Verhalten erklären. Gerade Draco Malfoy, der Spaß darin fand, andere Hexen und Zauberer als minderwertig zu degradieren, sollte aus freien Stücken zu einer Weasley Zusammenkunft kommen?    "Der hat was geplant!“, verkündete Ron etwas lauter. Nun mischte sich ein belustigter Blick von Hermines Seite ein "Und was soll er geplant haben Ron?“. Der Rotschopf zog die Stirn in Falten, dann erhellte sich sein Blick und die Augen glitzerten aufgeregt. "Der Brief! Der ist bestimmt verflucht, so wie bei der Halskette und Katie Bell damals!“.    Harry überlegte, was Malfoy davon haben sollte, die Weasleys mit einem Fluch zu belegen und schüttelte schlussendlich den Kopf. Seine Stimme klang etwas träger, dem Alkohol geschuldet, aber trotzdem verständlich. "Das ergibt keinen Sinn. Malfoy ist mit einem blauen Auge aus seiner Todesser-Verhandlung gekommen. Das Ministerium wird ihn beobachten. Er ist nicht dumm! Eine so offensichtliche Strafhandlung - vor den Augen mehrerer Ministeriumsbeamte - würde ihm keine Punkte bringen.“    Ginny und Hermine nickten zustimmend und sie konnten Ron´s Ideen förmlich fliegen sehen. "Wenn er leichtsinnig geworden ist?“, gab Ron seine Gedanken preis, "Sein Vater wurde weggesperrt, vielleicht will er meinen Dad mit nem Imperio dazu bringen, Malfoy Senior aus Askaban zu holen!“.    Schnell nahm sich Hermine diesem Thema an. "Das überschreitet die Kompetenzen deines Vaters, er käme nicht einmal unter einem Imperiusfluch an Lucius Malfoy heran. Harry hat recht, Draco ist nicht dumm und viel zu feige, so einen Plan überhaupt ansatzweise zu denken.“. Ein verbittertes Knurren entfloh Ron´s Kehle und er verschränkte die Arme. "Trotzdem! Ich sag euch, der plant was. Ich brauch diesen Brief!“. Die Entschlossenheit sprudelte aus jeder Faser seines Körpers. Seine Freunde wussten, Ron würde heute keine Ruhe geben, bevor sie nicht den Brief geöffnet hatten.    Also bildeten sie zwei Gruppen. Ginny blieb mit Ron im Zimmer, während Hermine und Harry sich in die Wohnküche schleichen wollten. Dieses kleine Abenteuer versetzte die Freunde fast wieder in ihr erstes Jahr auf Hogwarts. In der Nacht durch Gänge schleichen und sich keiner all zu großen Gefahr bewusst sein, war nach allen Ereignissen eine Abwechslung. Zwar hatte Ron protestiert, immerhin war es seine Idee, da wollte er den Wisch auch besorgen. Aber er war zu aufgebracht. Die Mission wäre mit Ron von Mr. und Mrs. Weasley nicht unbemerkt geblieben und unangenehmen Fragen hätten sie sich stellen müssen. Also passte Ginny auf ihren Bruder auf und Hermines Augen glitten über den Stapel Trauerbekundungen. Harry hatte neben ihr keine Lust eine gefühlte Ewigkeit die Briefe auszukundschaften. Er musste handeln. Zügig wühlte er sich durch den Papierberg und hielt wenig  später einen kleinen Umschlag in der Hand. Es stand kein Name auf dem Umschlag, aber der Schwarzhaarige war sich sehr sicher, dieser Brief stamme aus dem Hause Malfoy. Der Umschlag fühlte sich seidiger und dennoch stabiler an, als die anderen Papiere. Ebenso besaß der Brief Kein Normformat. Etwas kleiner war jener. An der linken Seite befanden sich zwei silberne Streifen. Im Kerzenschein glitzerten sie edel. Harrys Brust schwellte an, als Hermine einen lobenden Blick zu ihm warf. Ohne Alkoholeinfluss wäre es bestimmt nicht so lustig, dachte sich der Kriegsheld und grinste, wie ein Bub.    Nachdem die beiden mit dem Brief in der Hand in Ron´s Zimmer traten, forderte dieser das Papier sofort ein. Ehrfürchtig betrachtete er sich den Gegenstand in seiner Hand, bevor er zu Hermine theatralisch meinte. "Wenn ich verflucht werde, Schatz versprich mir, erzieh unsere Kinder zu großen Zauberern!“. Die Brünette verpasste ihm einen Stoß in die Seite. "Spinner! Wir haben noch keine Kinder und außerdem wirst du schon nicht verflucht.“. Im letzteren Punkt war sich Ron nicht sicher, aber langsam drehte er den Brief in seiner Hand und löste die Ecke, welche nur in den Umschlag gesteckt wurde.    "Ein Brief, auf welchem sich ein Fluch befindet, wäre bestimmt besser verschlossen.“, neckte Hermine. Doch Ron ließ sich dadurch nicht stören. Er kniff die Augen zusammen und zog mit einer fließenden Bewegung den Pergamentbogen aus dem Umschlag. Danach starrte Ron auf das Papier.    Als er nach einer kurzen Ewigkeit nichts sagte, wurden Harry und auch die beiden Hexen leicht nervös. "Und? Was schreibt er?“ Hermines Stimme klang vorsichtig und dennoch schwang eine gewisse Neugierde in ihr. Der rote Schopf wandte sich nur genervt von dem Papier ab. "Nichts!“, stöhnte Ron, "Der Geizhals hat nicht mal nen paar Galleonen rausgerückt!“. Er warf sich auf den Rücken und starrte an den Holzbalken seiner Zimmerdecke.    Verwundert ergriff nun Harry das Pergament. Es fühlte sich genau so fein und teuer an, wie der Umschlag zuvor. An der Seite war eine Rose eingraviert und mit feinen silbernen Strichen ergab sich ein Schriftzug, den Harry laut vorlas.  "Der Tod ist wie ein Horizont - nichts anderes, als die Grenze unserer Wahrnehmung. Während wir um jemanden trauern, freuen sich andere, ihn hinter der Grenze wieder zu sehen.“    Ron setzte sich auf. "Wie poetisch!“, spie er sarkastisch aus, "Was will ein Todesser schon von Trauer wissen!“. Harry starrte auf diese Zeilen, als wäre ein Geheimnis in ihnen verborgen. Er ignorierte die Wortwechsel seiner Freunde. So schlecht fand er die Worte nun auch nicht. Sicher, sie waren schlicht und unpersönlich, aber passend. Was sollte Malfoy auch für große Worte schreiben. Harry empfand sogar die Worte als tröstend. Aus Malfoys Feder hätte er solche optimistischen Worte nicht erwartet. Obwohl - optimistisch war nicht treffend. Der Spruch nahm mehr die Ehrfurcht und die Angst vor dem Tod. Weshalb erschien dem Helden der Zaubererschaft gerade jetzt wieder der Blick des Blonden vor seinem inneren Augapfel, bevor jener disapparierte?    Der Schwarzhaarige konnte das mulmige Gefühl nicht beschreiben. In diesem Blick lag etwas bedrückendes? Hätte er Malfoy nicht sofort wegschicken sollen, sondern ihn fragen, was er eigentlich wollte? Harry schüttelte den Kopf. So ein quatsch! Was sollte dieser denn wollen? Warum sollte er Harry dies erzählen! Auf einer Trauerzeremonie. Sein Auftauchen war geschmacklos.    Ginny nahm Harry das Pergament aus der Hand. "So wie du hier drauf starrst, scheint der Brief ja doch mit einem Zauber belegt“, scherzte sie und schob den Bogen fein säuberlich zurück in den Umschlag. "Wir sollten allmählich schlafen.“, ergänzte sie dann, "Es war ein langer Tag.“.    Einvernehmliches Nicken und ein herzhaftes Gähnen Seitens Ron, schienen ihr Antwort genug und die beiden Mädchen verließen das Zimmer. Zwar war Ron mit Hermine zusammen und er mit Ginny, dennoch, im Fuchsbau war die Schlafaufteilung klar definiert. Hermine in Ginnys Zimmer und er bei Ron. Jedoch war Harry heute über einen Männerabend nicht so erfreut. Ginny hatte recht. Es war ein langer Tag gewesen und er war erschöpft. Sein Freund gähnte zwar, wollte aber nicht vom Thema Malfoy ablassen. Zum Ärger Harrys.    "Eh Harry, psst, konntest du eine Botschaft aus dem Brief erkennen?“, hakte jener nach. Doch er schüttelte nur den Kopf und baute sich seinen Schlafplatz. Ron philosophierte stattdessen weiter. "Ich nämlich auch nicht! Der ist gut; oder vielleicht auch schlecht, wenn wir seine Botschaft nicht entziffern können“. Die Kopfschmerzen, welche Harry zuvor plagten, wurden prägnanter und er fuhr seinen besten Freund etwas lauter an, als beabsichtigt, "Du erzählst Müll. Schon mal dran gedacht, dass er einfach nur sein Beileid aussprechen wollte?“.    "Es ist Malfoy!“, quietschte Ron, "Er ist ein Todesser!“. "Er war ein Todesser, Ron“, gab Harry genervt zurück und verkroch sich unter einer etwas älteren, aber gemütlichen Decke, "und nicht mal ein guter“.   Der entrüstete Schnaufer entging ihm nicht, dennoch entschied er sich nichts mehr zu argumentieren. Ron löschte säuerlich das Licht, kurz danach erklang das Rascheln einer Decke und ein entschlossenes Brummen. "Todesser fristen nicht ihr Dasein, Harry, und erst recht kein Malfoy!“. Kapitel 3: 3. Propaganda ------------------------   Ein dumpfes Plopp dröhnte durch die Graslandschaft Wiltshires, gefolgt von einem entkräfteten Stöhnen. Gras knickte ab, als zwei Knie gegen den Boden sanken und eine Hand sich in das Grün bohrte, um den Sturz abzufangen. Bei Weitem war es nicht sein erstes apparieren, doch in letzter Zeit kostete diese Art des Reisens ihm mehr Kraft, als üblich. Er war schon damit zufrieden, im ganzen sein Ziel erreicht zu haben. Taumelnd drückte er sich vom Boden wieder ab, nur um in eine sitzende Position zu gelangen. Die langen Beine überschlug er elegant, nachdem seine Arme ihm hinter dem Rücken Halt gaben und er den Kopf in den Nacken legte.    Die Umgebung schien unter ihm zu wanken, weshalb er sich noch etwas fester in das feuchte Gras krallte. Konzentriert atmete er durch. Was erhoffte er sich von dieser Aktion? Fast fluchtartig hatte er die Trauerzeremonie verlassen. Auf Befehl Potters hin! Seit wann ließ sich ein Malfoy kommandieren? Jetzt musste sich Potter doch noch größer fühlen. Was für eine Erniedrigung! Aber was blieb ihm übrig? Hätte er einen Aufstand angefangen, wäre es nur noch peinlicher für ihn geworden. Dem chaotischen Haufen aus Hexen und Zauberern hätte er nichts entgegenbringen können. Überhaupt - auf eine Weasley Zeremonie zu gehen, war schon peinlich. Wenn das sein Vater wüsste - er wäre sicher enttäuscht.    Dracos Gesichtszüge umspielten ein eisiges Lächeln. Wenigstens konnte sein Vater in Askaban nicht ahnen, wie schwach sich sein Sohn verhielt. Er hat nicht sich, sondern den Namen Malfoy, bloßgestellt. Zumindest was davon noch übrig war. Das Ableben des dunklen Lords wurde vom Tagespropheten in alle Welt propagiert und Draco erinnerte sich, zuerst eine gewisse Erleichterung gespürt zu haben. Wurde seine Familie in den letzten Monaten doch regelrecht von jenem terrorisiert.    Schmerzhaft zog sich seine Stirn in Falten. Aber schon mit dem nächsten Artikel wurde klar, was diese Nachricht für Auswirkungen hatte. Kingsley Shacklebolt nahm seine neue Aufgabe als Zaubereiminister sehr ernst und fing an die Korruption und die reinblütige Politik des Ministeriums zu bereinigen. Damit wurde ebenso eine regelrechte Jagd auf alle verbliebenen Todesser und Anhänger des dunklen Lords eröffnet. Die Tätigkeiten in der Aurorenzentrale wurden sofort aufgenommen und so war es nicht verwunderlich, als keinen Tag später Auroren Malfoy Manor einnahmen. Immerhin wurde bekannt, der Lord habe sich dort sein Hauptquartier eingerichtet. Zudem war die traditionsbewusste, magische Familie leichter aufzuspüren, als andere dunkle Zauberer. Die Malfoys zählten nun zu den bekanntesten Todessern, was der Tagesprophet weiter zu schüren verstand. Zumindest sein Vater und er wurden in niedriger Art und Weise karikiert. Als ob die Verhandlungen nicht schon zehrend genug waren.    Malfoy Junior schloss die Augen.  Da saß er, allein, auf dem Anklagestuhl. Er achtete nicht auf die Worte der Strafanklage, sondern war damit beschäftigt seine Fassung zu wahren. Die schweren Bänke der Zaubergamotmitglieder stiegen in einem Halbrund vor ihm auf, wodurch das Gamot noch bedrohlicher herabblicken konnte. Nur die pflaumenblauen Roben der Mitglieder nahmen ihm etwas die Furcht, empfand er diese doch als äußerst unvorteilhafte Bekleidungsstücke. Als er aufgefordert wurde zu der Anklage Stellung zu beziehen, sah Draco dem Zaubereigamot entgegen. Nervös verkrampften sich seine Hände, die unter den magischen Fesseln der Armlehnen des Anklagestuhls, leicht zu schmerzen begannen. Er hatte das Gefühl kein Wort über seine trocknen Lippen zu bekommen und wusste ebenso nicht, was er eigentlich sagen sollte. Seine Mutter hatte mit ihm zwar im Vorfeld gesprochen, aber sein Kopf war jetzt wie leer. Umso erstaunter war der Blonde selbst, als er seine Stimme hörte - klar und monoton. Das Veritaserum, welches ihm vor der Verhandlung eingeträufelt wurde, schien ausgezeichnete Arbeit zu leisten. Draco erklärte genau, wie er den Todessern einen Zugang nach Hogwarts ermöglichte. Aber auch, dass er den Wünschen des dunklen Lords nicht, zu dessen Zufriedenheit, nachkommen konnte. Er hatte seinen Schulleiter nicht getötet; er hatte Harry Potter nicht verraten. Vor allem Letzteres wurde ihm strafmildernd angerechnet. Das Wohl des Auserwählten zu garantieren, war von großem, öffentlichen Interesse. Zudem war das Gamot überzeugt, der junge Malfoy wurde von seinem Vater manipuliert und kam nur so zu dem dunklen Mal. In Dracos nicht ganz freiwilligem Anflug von Ehrlichkeit widersprach er dieser These zwar und meinte, aus freien Stücken in den Kreis der Todesser getreten zu sein. Doch auch, wie ihm eingebläut wurde, es sei eine große Ehre das Mal tragen zu dürfen. Er würde dem Namen Malfoy nicht gerecht, wenn er sich dieser Ehre nicht bewusst wäre. Genau diese ehrliche Erklärung stützte den Tatbestand, er sei von seinem Vater manipuliert. Nicht zu letzt auf Grund seiner gerade mal 17-jährigen Lebenserfahrung, wurde er freigesprochen.    Der Platinblonde erinnerte sich an diesen Moment noch genau. Er empfand nichts. Keine Freude machte sich in ihm breit. Die Fesseln ließen von seinen Handgelenken ab und er konnte den Verhandlungssaal frei verlassen. Dennoch keimte Unbehagen in ihm auf. Vor der schweren Tür empfing ihn seine Mutter. Sie blieb reserviert, strich ihm zaghaft über die Wange und er spürte ihre Erleichterung. Zeitgleich wurde sein Vater vor das Zaubereigamot gestellt. Mit einem Krachen schloss sich die große Tür erneut. Draco konnte seiner Mutter nicht in die Augen sehen, als er noch immer monoton begann, "Die werden Vater inhaftieren“.   Keuchend fiel der junge Malfoy zurück in weiches Gras und verbarg sein Gesicht unter seinem rechten Arm. Natürlich hatte ihn sein Gefühl nicht betrogen. Sie konnten sich nicht einmal mehr von dem Vater und Ehemann verabschieden, bevor jener nach Askaban überführt wurde. Lucius Malfoy hatte sich zu viel zu schulden kommen lassen.    Draco hatte seinen Vater immer bewundert, zu ihm aufgesehen, aber ihn mindestens genauso stark gefürchtet. Er konnte keinen Tagespropheten ansehen, ohne dass nicht ein Artikel von seiner Familie handelte. Jeder Artikel entzündete Wut. Sie beschrieben die Dinge nicht so, wie sie waren. Sein Vater war ein stattlicher Mann, doch Draco konnte oft genug die Angst seines Erzeugers fühlen, wenn ihn der dunkle Lord zu sich rief.    Ihm wurde heiß und seine Gedanken kreisten. Wenigstens sollen, nach neuesten Erkenntnissen, keine Dementoren mehr in Askaban eingesetzt werden. Vielleicht war es dort ja gar nicht mehr so schrecklich, wie angenommen? Der Blonde schüttelte sich. Bestimmt erging es seinem Vater jetzt schlechter, als er es sich ausmalen konnte. Es war nicht fair! Lord Voldemort wurde der Tod vergönnt, während seine Familie buchstäblich in einer weltlichen Hölle aus Verurteilungen schmoren durfte. Draco war sich nicht mal sicher, ob der Lord tatsächlich verschwunden war. Er hatte es nicht mit eigenen Augen gesehen und konnte sich fast nicht vorstellen, wie der Potter Junge, den Lord besiegen sollte. Ja, Potter war der Auserwählte. Das musste er als 11-jähriger begreifen. Den Celebrity-Status nutzte Potter schon damals aus. Gegen sämtliche Regeln verstoßen und trotzdem am Ende des Schuljahres den Hauspokal ergattern. Dabei hielt das Haus Slytherin zuvor einen langjährigen Rekord. Aber wie sollte der einen so mächtigen und dunklen Zauberer besiegen? Potters Noten waren nichts besonderes, seine Kräfte wirkten auf den Blonden nie großartig. Potter hatte nur immer verdammt viel Glück. Reichte Glück dafür aus?    Um dieser Frage nachzugehen, besuchte er die Weasleys. Malfoy ging nicht der Nächstenliebe geschuldet zu der Trauerzeremonie. Ihm hatte kein plötzliches Beileid ergriffen. Das Leid anderer konnte ihm herzlich egal sein! Nein, Fred Weasley interessierte ihn nicht im Geringsten. Er wollte mit eigenen Augen den Helden der Zaubererschaft sehen und sich von dessen Überleben überzeugen. Was zur Folge haben musste, dass diese Artikel des Tagespropheten auf der Wahrheit beruhten.    Der dunkle Lord wurde von einem 17-jährigen besiegt. Vielleicht hatte er sich heimlich sogar erhofft, Potter selbst würde ihm dies bestätigen - ihm die Worte sagen, an denen er zweifelte.    Doch alles was sich ihm bot, war eine bemitleidenswerte Veranstaltung. Im Nachhinein betrachtet, hätte Draco doch ein paar Galeonen in seine Trauerkarte stecken sollen. Dann wäre eine nächste Weasley Familienfeierlichkeit bestimmt pompöser. Obwohl - diese angeblichen Reinblutzauberer hatten keinen Geschmack. Selbst mit Gold würden sie nichts geschmackvolles veranstaltet bekommen. Der Slytherin hatte sich am letzten Abend genau überlegt, wie er die Trauerbekundung schreiben sollte und kam zu dem Schluss, die eigentlich üblichen Galeonen würden ein falsches Bild vermitteln. Am Ende würde noch im Tagespropheten stehen, er wolle sich die Freundschaft zum Auserwählten und seinen minderbemittelten Freunden erkaufen!  Draco verstand nichts von Mitgefühl, aber er war ein Meister im Täuschen. Wusste er doch ganz genau um jede Wirkung bescheid, welche eine Handlung hervorrufen konnte. Die Trauerkarte war nur dazu da, um einen Zugang zu Potters jämmerlichen Freunden zu schaffen. Nur drei diskrete Worte wollte er mit dem Gryffindorhelden wechseln. Eine Chance. Er handelte aus purem Selbsterhalt. Denn der Malfoy Sprössling fürchtete jeden Schatten, erschreckte sich vor noch so kleinen Geräuschen. Er glaubte Naginis Rascheln zu hören, wenn der Wind das Gras streifte. Vermutete die wilden Locken seiner wahnwitzigen Tante hinter allen Ecken. Es musste aufhören!  Ihm war klar, dass der Kriegsheld es sich nicht nehmen ließ, bei so einer Trauerzeremonie seinen Großmut öffentlich aufzudrängen. Aber Draco verzog verbittert die Gesichtszüge. Die angeblich doch ach so gute und tolerante Seite guter Zauberer und Hexen, waren auch nichts weiter, als kleine Biester, die sich den Tagespropheten durchlasen und einen freigesprochenen Todesser erneut verurteilten. Nach dieser Erfahrung zu schließen, konnte er es vergessen sachlich mit Potter über das Ableben des dunklen Lords zu sprechen. Potter würde ihm nicht zeigen, wie er diese Wundertat vollbracht hatte. Der Kriegsheld wandelte noch unter den Lebenden. Dies konnte Draco aus seinem Besuch mitnehmen und es musste ihm wohl als Beweis reichen.    Müde setzte er sich auf. Sein Körper hatte sich vom Apparieren vollständig erholt und nicht weit von dieser Wiese, auf welcher er gelandet war, konnte er Malfoy Manor erahnen. Das pompöse Gebäude lag immerhin unter Schutzzaubern, die es vorwiegend vor nicht magischen Wesen geheim halten sollten. Am Horizont waren die letzten Strahlen der Abendsonne zu erhaschen. Wie tief war er nur gesunken. Er verschwendete doch tatsächlich seine Zeit mit Gedanken an Potter! Der Tag war sinnlos.    Wütend stand er auf, klopfte sich angewidert etwas Schmutz aus den Sachen und stolzierte erhobenen Hauptes in das Gebäude, das sich sein zu Hause schimpfte. Die Tür zur mächtigen Empfangshalle schwang auf. Er wollte es nicht sehen. Die Halle, durch die bis vor wenigen Tagen noch der dunkle Lord gewandelt war. Zügigen Schrittes durchquerte er diese, achtete nicht auf die Treppen, den steinernen Fußboden und den langen, dunklen Korridor, welcher zu seinem Zimmer führte.    Es knallte.    Narcissa Malfoy, geb. Black, sah von dem Weinglas in ihrer Hand auf, in welchem sie die dunkelrote Flüssigkeit fasziniert betrachtete.    Ihr Sohn war zurück. Kapitel 4: 4. Bad news are good news ------------------------------------     Reges Treiben drang an Harrys Ohr, welches ihn aus seinem Schlaf holte. Der Fuchsbau war nie ein besonders leiser Ort. Grummelnd zog er die antike, aber dennoch weiche Decke ein Stückchen höher und hoffte so, dem Lärm zu entgehen. Er hatte nicht sonderlich gut geschlafen. Doch wenn die Tatsache berücksichtigt wird, dass er die letzten Monate eigentlich nie einen guten Schlaf bekam, war diese Nacht wohl regelrecht erholsam. Zügig ist er eingeschlafen, bestimmt dank Mrs. Weasleys selbstgebrauten Wacholderlikör. Mit Alkohol im Blut sollen Muggel schneller eindämmern und Zauberer waren davor sicherlich ebenso nicht gefeit. Aber es heißt auch, mit diesem Gebräu könne der Betroffene nicht sonderlich gut durchschlafen.    Mit einem Seufzen drehte sich Harry auf die Seite und betrachtete seinen noch schlafenden, besten Freund. Irgendwann, der Schwarzhaarige konnte keine genaue Uhrzeit ausmachen, erwachte er, als Ron grunzende Geräusche von sich gab.    Ab diesem Zeitpunkt war seine Nachtruhe vorbei. Die Gedanken kreisten um die, vor allem jüngsten, Ereignisse. Zu Voldemorts neugewonnenen Lebzeiten schlief er schlecht, da der Ausgang dieser Schreckensherrschaft ungewiss schien. Nach Ableben Voldemorts konnte er nicht schlafen, weil seine toten Freunde ihn in seinen Träumen heimsuchten.    Wann hatte dies endlich ein Ende? Harry musste zugeben, seine Nächte im Wandschrank unter der staubigen Treppe der Dursleys waren dagegen wahrlich erstrebenswerter. Freds Trauerzeremonie musste ihn mehr getroffen haben, als er selbst annahm. Diese bedrückende, vor Trauer triefende Stimmung senkte sich noch immer schwer auf sein Gemüt und ließ einen dicken Kloß im Hals zurück. Das Bild der vielen, kleinen Lichtkugeln, schwirrte erneut in seinem Kopf herum. Dann das Feuerwerk und Malfoy.    Kopfschüttelnd setzte sich Harry auf und die Decke rutschte bis zu seinen Hüften, entblößte den ausgelaugten Oberkörper. Er wollte jetzt nicht schon wieder an diesen blonden Schnösel denken! Hatte er doch gut zwei Drittel seiner Wachphase in dieser Nacht damit zugebracht, sich erneut den Kopf zu zerbrechen, warum ein Malfoy wohl erschien. Nüchtern betrachtet ergaben alle theoretischen Annahmen keinen Sinn. Als es vor dem Fenster schon wieder heller wurde, ist Harry dann über seinem Grübeln eingeschlafen.    Die alte Holztür gab ein Knarzen von sich und ein Rotschopf drückte sich durch den Spalt, bevor sie sich zu ihrem Kriegshelden hinunter lehnte. Sanft drückte sie ihm einen flüchtigen Kuss auf. "Du siehst wiedermal furchtbar aus.“, tadelte Ginny ihn anschließend gespielt vorwurfsvoll, "Was hast du die Nacht getrieben?“. Ihre schlanke, kühle Hand strich frech an seiner Brust entlang, was ihm eine kleine Gänsehaut bescherte.    "Geschlafen“, gab Harry nun grinsend von sich und umschloss Ginnys Hand mit seiner. Hielt jene aber noch dicht an seinen Körper gepresst. Die jüngste der Weasley Familie kommentierte nur mit einem "So, so“ und verschloss erneut Harrys Lippen mit ihren. Sein Herz schien einen Freudentanz zu vollführen, so schnell wie es jetzt schlug. Er intensivierte den Kuss und brachte seine Zunge mit in das Spiel. Ginny gefiel dies, denn ihre verbliebene Hand krallte sich nun in Harrys strubbelige Haarpracht und zog ihn bestimmend einen weiteren Zentimeter heran, was Harry ein ersticktes Keuchen entlockte.    "Boah! Am frühen Morgen, wer soll da denn schlafen können!“, erklang plötzlich eine Beschwerdemeldung an die beiden Liebenden gerichtet und erschrocken fuhren sie auseinander. "Harry, ehrlich mal, Du kannst doch nicht vor meinen Augen einfach so meine kleine Schwester abknutschen!“. Ron schälte sich aus seinem Bett und reckte sich ausgiebig der Zimmerdecke entgegen.    "Es wird auch Zeit das du aufstehst!“, grinste Ginny ihrem Bruder entgegen, welcher nun düsterer dreinblickte. Doch dem wich schnell ein schelmischer Ausdruck und Ron hüpfte in einen rostbraunen Pullover und eine gräuliche Hose, nachdem sein Schlafanzug zu Boden fiel. "Ich werde jetzt frühstücken“, verkündete er zufrieden und verließ keine Sekunde später das Zimmer.    Erleichtert stieß Harry die Luft aus. Er hatte gedacht, Ron schliefe noch fest, sonst hätte er sich nicht so deutlich Ginny hingegeben. Seine Wangen mussten verräterisch glühen, denn seine Freundin überbrückte den kleinen Abstand zwischen ihnen und strich über seine Wange. "Lass uns auch runter gehen!“, lächelte sie. "Aber zieh dir vorher noch etwas über.“   Ertappt nickte Harry zügig und fischte nach seinem T-Shirt von gestern Abend. Dieses musste heute noch einmal reichen. Ihm fiel erst jetzt auf, dass Ginny schon völlig gekleidet vor ihm saß. Geduscht hatte sie auch, denn der Duft von frischem Zitronengras ging von ihr aus. Eigentlich erwartete Harry schon fast eine Rüge für sein gewähltes Tagesoutfit, doch nichts dergleichen geschah.    Tumult ging von der Wohnküche aus. Hand in Hand gingen sie Beide zum reich gedeckten Frühstückstisch und setzten sich auf die zwei freien, ungleich aussehenden Stühle. Sie wurden erwartet.    "Harry! Hast du schon gesehen?“. Ron wedelte den neuen Tagespropheten stolz durch die Lüfte, während Hermine nur den Kopf schüttelte und einen entschuldigenden Blick zu ihren Freunden warf.    "Kinder, esst erst einmal!“, versuchte Mrs. Weasley das aufkeimende Thema zu unterdrücken und ließ eine Kaffeekanne zu Ginny und Harry schweben. Dezent überfordert sah Harry zwischen der Kanne, welche die braun-schwarze Flüssigkeit in seine Tasse füllte, und Rons Enthusiasmus hin und her.          Der Duft von frischem Gebäck erfüllte die Räumlichkeit. Eine hagere Hand verharrte mit dem versilberten Teelöffel in der, mit schwarzem Tee gefüllten, Porzellantasse.  Die Stirn in Falten gelegt betrachtete Narcissa Malfoy die Schlagzeile des Tages.    Eine Hauselfe, die ihrer Herrin gerade den Tagespropheten überreichte, sah beschämt zu Boden und wartete schon auf die  Bestrafung - versuchte erst gar keine Emotion in dem kalten Blick der Hausherrin zu suchen. Mrs. Malfoy verbot, seit den Verhandlungen vor dem Zaubereigamot, den Tagespropheten in ihrem Anwesen. Verbreitete das Schundblatt doch nur Halbwahrheiten. Früher hatte es sie nicht sonderlich gestört. Aber da ging es auch noch nicht explizit um ihre Familie. Sie hoffte die öffentliche Erregung gegenüber ihrem Namen würde sich legen, nachdem die Verhandlungen beendet waren. Doch schon wieder musste sie ihren Sohn auf dem Titelblatt erspähen. Jedoch wusste sie nicht rechtens, wie sie diesen Artikel zu beurteilen hatte. Von Neuem überflogen ihre Augen die dickgedruckten Worte der Headline.    Unerwünscht:  Todesser stört Trauerzeremonie   Unter diesen Zeilen prangerte ein Foto auf welchem man Draco und den jungen Potter gut erkennen konnte. Dem Artikel zu entnehmen, war ihr Sohn also gestern auf einer Trauerzeremonie.    Nicht auf irgendeiner.    Auf der von Fred Weasley.    Den Teelöffel legte die blonde Hexe an den Rand der Tasse ab. Egal wie sie das Blatt in ihren Händen wandte, der Sinn wollte sich ihr nicht erschließen. Natürlich konnte sie nicht leugnen, wie entsetzlich der Verlust des eigenen Kindes für die Weasleys sein musste. Hatte sie vor ein paar Tagen doch auch Todesängste um ihren Sohn gehegt.    Aber sie kannte Draco. Er pflegte keine innige Freundschaft mit den Weasleys, was sie durchaus befürwortete. Also was brachte ihren Sohn dazu eine erneute  Schlagzeile zu riskieren? Sollte sie sich sorgen?    Draco hat sich verändert. Schon während der Herrschaft des dunklen Lords wurde er distanzierter. Narcissa konnte ihm sein Verhalten nicht vorwerfen; er hätte nicht in so jungen Jahren schon mit dem dunklen Mal gezeichnet werden dürfen. Doch sie dachte nach dem Ende des Krieges, würde sich alles etwas normalisieren.    Wahrscheinlich brauchte er nur Zeit.    Sie konnte in seinen Gedanken nicht mehr so offen lesen, wie früher. Wusste sie nicht einmal, wo sich Draco die letzten Tage herum trieb, wenn er denn sein Zimmer verließ. Zum gemeinsamen speisen erschien er, seit ihr Mann festgenommen wurde, nicht mehr. Ihr Sohn hatte zu viel Respekt vor seinem Vater, um dem Essen fernzubleiben. Bei ihr traute er sich so ein Verhalten wohl ehr, mutmaßte Narcissa bitter und schlug der zitternden Hauselfe den Tagespropheten ins Gesicht, die durch den Schlag einen Schritt nach hinten taumelte.    "Wegräumen!“, erklang ihre kalte Stimme und sie deutete auf den Frühstückstisch. Ihr Tee war nun lauwarm geworden und damit ungenießbar. Grund genug die Tafel aufzuheben. Da sie aus dem Zeitungsblatt nicht schlauer wurde, beschloss sie direkt ihren Sohn zu konfrontieren. Auch weil dieser der Bitte des Frühstückens nicht entgegen kam. Es mussten andere Seiten aufgezogen werden. Er war immer noch ihr Kind und als solches hatte er ihre Worte genauso zu respektieren, wie die seines Vaters!    Fest klopfte sie an die ehrwürdige Holztür, die den Zugang zu ihrem Sohn versperrte. "Draco“. Ihre Stimme war nicht laut, zeigte nicht, welcher Vulkan sich in ihr aufbaute. Jene klang vielmehr reserviert, dennoch schwang ein fordernder Unterton mit. "Öffne selbst, oder ich übernehme das.“    Sie wartete eine halbe Minute. Als aus dem Raum kein Laut drang, erfüllte Narcissa ohne weitere Ankündigung ihre Drohung. Infolge eines ausgesprochenen Alohomora-Zaubers klickte das Schloss innerlich einmal kurz auf, doch die Tür öffnete sich nicht.    Fast wären ihr die Gesichtszüge entgleist. Sie kam jedoch nicht umher die wachsenden Fähigkeiten ihres Sohnes anzuerkennen. Natürlich würde sich eine Colloportus-versiegelte Tür nicht so einfach öffnen lassen. Narcissa steckte ihren Zauberstab wieder ein und ihre Lippen umspielten ein spöttisches Lächeln.    "Ich weiß wo Du gestern warst, Draco! Vertraust Du dich neuerdings den Weasleys an?“          Eine Tür knallte zu. George hatte das Frühstück verlassen und Harry konnte seine Reaktion völlig nachvollziehen. Ron war so rücksichtsvoll wie eine Alraune beim Umtopfen. Harry hatte mittlerweile Ron den Tagespropheten abluchsen können, welcher nun unter seinem Teller verweilte. Durchlesen musste er sich den Artikel nicht mehr. Ron hatte die ganze Familie ausgiebig über den Inhalt aufgeklärt. Dabei glitzerte Genugtuung in seinen Iriden, denn der gesamte Artikel war vielmehr eine Schmähkritik an Draco Malfoy, als eine Auseinandersetzung mit seinem eigentlichen Auftauchen bei der Feierlichkeit.    Das Rita Kimmkorn überhaupt noch als Redakteurin arbeiten durfte, verwunderte Harry. Aber er musste zugeben, ihre furiosen Artikel packten die magische Leserschaft. Durchaus besaß sie eine Gabe zum Schreiben und diese brachte ihr genügend Aufträge ein. Dennoch war es geschmacklos die Trauerzeremonie nur auf das  Erscheinen eines Besuchers zu degradieren. Unter diesem Aspekt sollte das letzte Fest für Fred nicht in Erinnerung verweilen.    Dies verstand auch Ron und gebot schlussendlich seinem Eifer um Malfoy Einhalt. Doch die Diskussion war für ihn damit noch nicht beendet. In der Zaubererschaft würde nun dieses Ereignis sofort mit einem Todesserauftritt in Verbindung gebracht und das stimmte Ron schon wieder wütend auf den Blonden. Ron und Hermine tauschten ihre Meinungen aus. Mrs. Weasley reichte Arthur eine gefüllte Brotdose, bevor jener sich verabschiedete und seiner Arbeit im Ministerium nachging.    Harry stützte seinen Ellenbogen auf die Tischplatte und lehnte seinen Kopf gegen die Hand. Am liebsten wäre er zusammen mit Arthur Weasley ins Ministerium gegangen, als sich der erregten Stimmung im Fuchsbau weiterhin zu stellen. Er wollte sich ohnehin so schnell wie möglich der Aurorenabteilung vorstellen und seine Ausbildung als solcher beginnen. Doch das Autorenamt im Zaubereiministerium führte erst wieder ab August die Aufnahmeprüfungen durch. Nur weil er Harry Potter war, wurden keine Ausnahmen gemacht.       Mr. Weasley hatte ihm erklärt, dass er mit 17 wohl der jüngste Auror in der Geschichte wäre und sich deswegen lieber ausreichend auf die Charakter- und Belastungstests vorbereiten solle, als vorschnell zu handeln. Von Mrs. Weasley wollte er erst gar nicht anfangen. Diese hielt seinen Zukunftsplan für nicht ausgereift. Sie war der Meinung er wäre noch zu jung, um sich so einer gefährlichen Arbeit zu stellen. Doch gefährlicher, als Voldemort die Stirn zu bieten, konnte es ja gar nicht werden, grummelte der Schwarzhaarige damals als Antwort in sich hinein.    Harry wollte nicht mehr warten! Er war schon 17 und fühlte sich mit seiner Lebenserfahrung mindestens wie 117! Das musste reichen. Zudem würde er den Sommer über die wichtigsten Todesserinhaftierungen verpassen und hier nur sinnlos herum sitzen.    Sein Blick blieb abermalig am Tagespropheten hängen, welcher unter seinem Tellerrand hervor blitzte. Die Aurorenabteilung brauchte mit Sicherheit jetzt Unterstützung, nicht erst im Herbst, wenn sie sich mit kleinen Ratten wie Malfoy aufhalten ließen. Da draußen waren noch unzählige Anhänger Voldemorts, die im Verborgenen wer weiß was planen konnten. Doch die wichtigste Meldung des Tages war Draco Malfoy!    Spöttischen Blickes umkreisten seine Fingerspitzen das abgedruckte Bild auf dem Zeitungsblatt. Beinahe empfand er Mitleid mit dem Blonden. Da traute sich dieser doch tatsächlich ausnahmsweise mal Luft auf der hellen Seite zu schnuppern und so eine dahergelaufene Rita Kimmkorn wies ihn zurück. Im Nachhinein betrachtet war es sogar recht mutig von Malfoy alleine dort aufzukreuzen. Egal welche Beweggründe ihn nun getrieben hatten.    Harry zuckte zusammen, als Ginnys Hand an seinem Rücken entlang strich und ließ von der größten und bedeutendsten  Tageszeitung der magischen Welt ab; blickte fragend seine Freunde an.    "Harry, wir hatten besprochen nachher bei Gringotts vorbeizusehen und die Knuts, Sickel und Galleonen aus den Trauerbekundungen ins Verlies zu schließen. Die Bank soll wieder sicher sein.“, klärte ihn Hermine auf, "Kommst Du mit?“. Harry hatte keine Lust auf eine Reise zur Winkelgasse und erst recht nicht unter Zauberer zu gehen. Er konnte sich jetzt schon die stechenden Blicke farbig ausmalen. Am besten er läge sich vorher noch Autogrammkarten zu!    "Er kommt mit!“, beschloss Mrs. Weasley, nachdem alle auf eine Antwort von Harry warteten. Der Held der Zaubererschaft schüttelte entschuldigend den Kopf und versuchte vorsichtig zu widersprechen. "Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn ich~“,    "Natürlich ist es eine gute Idee!“, unterbrach ihn sein bester Freund, "Man Harry, ich dachte die Tagträume hingen mit Voldemort zusammen, aber jetzt bist du immer noch so. Du kommst mit!“.  Kapitel 5: 5. Wellen --------------------       Kalt waren die grauen Augen auf den dunklen Marmorfußboden gerichtet. Sein Herz schlug, als hätte es gerade einen Marathon abgeschlossen und er konnte nicht verhindern, wie sich winzige Schweißperlen an seiner Schläfe stauten. Nur die Fassung wahren; rief er sich die Aufforderung seiner Mutter ins Gedächtnis.    Er starrte auf die grauen und schwarzen Maserungen, welche ein doch schon malerisches Bild in Stein ergaben. Fast hätte er meinen können, die Muster würden sich bewegen, als sich die unangenehme Stimme in sein Bewusstsein drückte.    "Erheb Dich, Draco!“, befahl jene und eine gewisse Vorfreude schwang darin mit. Angesprochener zuckte leicht zusammen, bevor er zügig seine kniende Position verließ und Haltung annahm. Unsicher trafen seine Iriden auf den scheinbar belustigten Blick seines Gegenübers - seines Lords. "Nun Draco, ich denke, Du bist bereit und wirst nicht so eine Enttäuschung, wie Lucius!“. Die Worte klangen spottend, aber der Blonde verschloss sämtliche Emotionen hinter dem Grau seiner Seelenfenster. Unterdrückte das aufkeimende Unbehagen. Zum einen wollte er einfach vergessen, wie es seinem Vater wohl in Askaban ergehen musste; zum anderen hatte er Angst. Angst vor dem dunklen Lord und Angst davor, was gleich folgen würde.    Er spürte die Blicke der anwesenden Todesser in seinem Nacken - insbesondere den seiner Tante. Sie musste ihn feurig mustern; dies verrieten allein schon ihre vor Ungeduld triefenden Quietscher, welche sich in Dracos Ohren schrill verfingen. Bei Salazar, wie konnte so eine unbeherrschte Hexe nur mit ihm verwandt sein!    "Mäßige Dich, Bellatrix!“, schnitt der diffizile Tonfall des dunklen Lords seiner Tante die Luft ab. "Wir wollen doch Dracos Gedanken nicht zerstreuen.“. Malfoy Junior erschauderte bei dem Klang seines Namens und lugte gehemmt zu seiner linken Seite. Nie hätte er vermutet, wie viel Energie ihm ein simpler Blickkontakt mit dem dunklen Lord abverlangen würde.    Seine Sicht traf auf die eines weiteren Anhängers und der Blonde konnte kurz Erstaunen in den Pupillen des Anderen wahrnehmen, bevor die Augäpfel erstarrten und den Glanz verloren. Entgeistert verfolgte er den Zusammenbruch des erschlaffenden Körpers. Nur langsam konnten seine Synapsen das Bild mit einem ausgesprochenen Avada Kedavra in Verbindung bringen.    "Tz, tz Draco. Deine Aufmerksamkeit lässt heute zu wünschen übrig. Dabei liegt doch solch ein großes Vergnügen vor uns.“.   Die zwitschernde Stimme erschien Draco so abstrus, nachdem gerade jemand ermordet wurde. Allem Anschein nach konnte der dunkle Zauberer auch noch seinetwegen das Ableben verzeichnen. Dabei hatte er nichtmal bewusst auf diese Person gesehen. Mechanisch nahm er jedoch erneut Haltung ein und verbeugte sich entschuldigend vor seinem Meister. „"Verzeiht mir, Herr.“ - Worte die in seinem Rachen kratzten.    Doch dem dunklen Lord schienen diese zu genügen. Jener klatschte augenblicklich in die Hände. „"Nun, wir wollen keine weiteren, kostbaren Minuten verschwenden. Draco, deinen Arm!“.  Fahrig legte der junge Malfoy die Haut seines linken Unterarms frei und verbann für einen Moment sämtliche Zweifel. Wenn er leben, seinen Vater befreien und die Ehre der Malfoys wahren wollte, musste er gehorchen. Er wurde auserwählt!    Die geschichtsträchtige Zauberstabspitze - Eibenholz täuschend, als wäre es pures Elfenbein - traf auf die blasse Haut. In seinen Geist drängte sich die ehrfürchtige Stimme. „"Draco, schwörst Du bedingungslosen Gehorsam und unabdingbare Treue, mir, Deinem einzig wahren Herren? Du erfüllst Deine dir zugedachten Aufgaben tadellos und ohne jeglichen Zögerns? Hingebungsvoll, unter Einsatz deines Lebens?“. Paralysiert besah sich Angesprochener die Spitze des Zauberstabs und erwiderte den einstudierten Wortlaut. „   "Ja Herr. Der Sinn meines Lebens liegt allein darin, Euch zu dienen!“.    Ein höhnisches Lächeln umspielte die Gesichtszüge des dunklen Lords und der Zauberstab ließ brennend die Proteus-verzauberte Gravierung in das weiße Fleisch gleiten.    Schmerz - mehr konnte der Slytherinschüler nicht ausmachen. Ein unsagbarer Schmerz zog marternd durch den Kreislauf. Sein Blut schien ihn kochend zu verzehren, während sein Blick an keinem Fixpunkt Halt fand. Es blieb ihm verwehrt zu schreien, dafür durchfuhr ihn ein exaltiertes Schütteln und er bemerkte unerwartet den weichen Untergrund.    Außer Atem versuchte er sich zu orientieren. Luft - er brauchte Luft!  Hastig stolperte er in eine aufrechte Position und befreite mit schnellen Händen seinen Oberkörper von dem befremdlich scheinenden, schwarzen Hemd. Sogleich hinterließ die kühle Raumtemperatur Spuren auf dem schweißgebadeten Körper. Doch der frische Schauer wischte seinen Albtraum fort.    Draco saß auf seinem zerwühlten Kingsize Bett und allmählich konnte er den Traum von der Realität trennen. Schwer atmete er aus. Das Erlebte war damals der Anfang vom Ende. Nach seinem offiziellen Beitritt in den Kreis der Todesser wurde sein Leben komplizierter.    Erwartung, Druck, Enttäuschung bekamen neue Definitionen.    Hegte sein Vater früher in Draco Erwartungen, waren diese der stumpfen Etikette eines Reinblüters geschuldet und meist schulischer Natur. Doch der dunkle Lord forderte den bedingungslosen Gehorsam seiner Anhänger stets ein. Wurde der Lord enttäuscht, waren die Folgen existenzieller Natur. Der Malfoy Sprössling fürchtete jeden Ruf des dunklen Lords. Er hatte sich diesem verpflichtet. Aber eine besondere Auswahl an Lebenswegen war ihm schlichtweg nicht vergönnt.    Bitter inspizierte er seinen linken Arm und fuhr vorsichtig mit dem Zeigefinger der rechten Hand über die Begrenzungen seines Males. Es schmerzte. Seine Sinne schienen noch dem eben geträumten verfallen zu sein. Anders konnte er sich diese brennende Qual nicht erklären. Mit jedem Zentimeter, den er an seiner Haut entlang tastete, wurde die Tätowierung heißer. Scharf sog er die Luft ein. Das konnte nicht sein! Der dunkle Lord war tot. Wie sollte also das Mal schmerzen können. Oder war die Verbindung zu den anderen Todessern noch aktiv? Rief da etwa jemand die ganze Mannschaft zusammen? Aber was hatte es ihn zu interessieren. Aus der Perspektive der anderen Anhänger zählten er und seine Familie zu Verrätern.    Also biss er fest die Zähne aufeinander, schloss die Augen und fing an zu zählen. Irgendwann musste das Stechen schließlich nachlassen.    „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieb~“    "Draco! Versuchst Du mich zu ignorieren? Du hast deinen Schwur geleistet.“, fuhr ihn missbilligend die bekannte Stimme an.    Dracos Augenlider flogen auf und das erste, was seinen Blick traf, war der massive Bettpfosten aus Schwarznuss. Wie angewurzelt blieb er auf dem Bauch liegen und lauschte in die Stille. Was war passiert? Hat eben der dunkle Lord wahrhaftig zu ihm gesprochen? Das ist unmöglich! Potter hat ihn getötet!    Ein barsches Klopfen an seiner Zimmertür ließ ihn von neuem zusammen fahren.    "Draco. Öffne selbst, oder ich übernehme das.“.    Ganz eindeutig die Stimme seiner Mutter. Vorsichtig hob der Platinblonde den Schopf, besah sich das Zimmer und blieb an der Tür hängen. Niemand, außer ihm, befand sich hier. Kein dunkler Lord. Nur seine Mutter randalierte am Türschloss und die Erinnerungen an den gestrigen Abend flammten auf.    Er beglückwünschte sich selbst, dass er seine Zimmertür nicht nur normal verschlossen, sondern zusätzlich Colloportus-versiegelt hatte. Wollte er sich erst gar nicht ausmalen, was für ein klägliches Bild er in diesem Moment abgeben musste. Bis auf die Schuhe, Sakko und seine Krawatte war er noch in voller Montur gekleidet und er fühlte sich trotz des Schlafes nicht erholt. Immerhin hätte er bis vor ein paar Minuten noch schwören können, der dunkle Lord sei zurückgekehrt. Jedoch zeigte sein Arm keinerlei Anzeichen, jemals geschmerzt zu haben. Zudem verbarg der Ärmel seines schwarzen Hemdes das dunkle Mal. Sollte dieses Kleidungsstück nicht schon längst in irgendeiner Ecke liegen? Verständnislos schüttelte er den Kopf. Was war das nur für eine grausige Nacht! Er sollte zu keiner zweitklassigen Trauerzeremonie mehr erscheinen.   "Ich weiß wo du gestern warst, Draco! Vertraust Du dich neuerdings den Weasleys an?“.    Erschrocken setzte er sich auf. Hatte er doch seine Mutter draußen vor dem Zimmer vergessen. Vielmehr schockierte ihn aber die Tatsache, woher sie plötzlich wissen wollte, was er gestern getrieben hatte. Träumte er noch immer? Seine Mutter konnte genauso wenig dieses Wissen besitzen, wie Lord Voldemort auferstanden sein soll. Falls er noch immer träumte, dann sollte er doch bitte jetzt erwachen. Es wäre eine Katastrophe, wenn er seiner Mutter erklären müsste, was ihn zu den Weasleys getrieben hatte. Sie würde es nicht verstehen.    Draco konnte vor der Tür das Klackern von Absätzen vernehmen, die sich entfernten. Ist er tatsächlich um die Konfrontation herum gekommen? Auf dem Flur war kein Laut mehr zu vernehmen. Die Chancen unbemerkt in sein eigenes Badezimmer zu gelangen, standen also recht gut. Zwar mied er einen Blick in den großen Spiegel, welcher neben einem schwarzen Bücherregal prangerte, doch allein die Tatsache, dass er sich unwohl fühlte, drängte ihn zu einer Morgenwäsche.   Fast hätte sich seine Laune gehoben, wäre in diesem Augenblick nicht mit einem Plopp die Hauselfe aufgekreuzt. Gereizt beäugte er das kleine Geschöpf, welches daraufhin unsicher die Händchen knetete. "Vergebt, dass Disly stört. Disly sollte nach dem jungen Herrn sehen. Der junge Herr sieht nicht gut aus. Kann Disly etwas für den jungen Herrn tun?“.    Für Dracos Geschmack waren das drei Sätze am Morgen zu viel. „"Du wagst es ein Urteil über MEIN Äußeres zu bilden? Was maßt du dir an; wertloses Stück!“. Demonstrativ schritt er an der Hauselfe vorbei, fischte den Zauberstab von der Anrichte neben dem Bett und entriegelte seine Zimmertür.    Das war doch nicht zu fassen, jetzt schickte ihm seine Mutter auch noch Hauselfen hinterher!  Kein Zauberer kann nach dem Aufstehen den Anblick von Hauselfen ertragen. Schon gar nicht, wenn sie duzende Male um Verzeihung bitten und sich selbst bestrafen wollen, wie Disly gerade. Dann kann so ein hauseigener Sklave den Herrn um den Verstand bringen.    Auf der Türschwelle drehte er sich noch einmal um. Wenn das Wesen nun hier war, konnte es sich in der Tat als nützlich erweisen. "Disly, Badewasser!“, grollte seine Stimme durch den Raum und die Hauselfe verstand sofort. Bereits als er in das Bad trat, empfing ihn das Gluckern von Wasser und Disly schien überglücklich, gebraucht zu werden. Verstehe einer diese Geschöpfe.    Sehnlichst streifte Draco die, nun mehr als schmierigen, Kleidungsstücke von sich. Doch bevor er sich gänzlich entblößte, schickte er die Hauselfe weg. Erst als die Tür zufiel, sog er den geliebten Badeduft aus frischen Rosen gepaart mit einer Nuance Minze in sich auf. Sogleich fand sein Körper in dem angenehm temperierten Wasser Platz und langsam lockerten sich seine Glieder. Wie er seiner Mutter gegenüber treten sollte, musste er später spontan entscheiden. Zuerst wollte er das Bad genießen, welches er auch redlich verdiente.    Gemächlich tauchte er tiefer. Wasser benetzte zuerst seinen Bauchnabel, die Rippen, bis seine Brust hin zum Schulterblatt eintunkte. Beinah nahm er eine liegende Stellung ein und beobachtete die kleineren Wellen, welche zwischen seinem Körper und der Fassung des Beckens schaukelten.    "Draco ~“, ein verhaltenes Wispern erreichte seine Sinne und wüsste er es nicht besser, hätte er gesagt, jemand würde seinen Namen flüstern. Aber die Gemäuer waren alt und er hatte zu wenig Schlaf bekommen. Es lag demnach nahe, dass durch irgendwelche undichten Ritzen der Wind sang. Erneut tönte ein „"Draco ~“ in der Atmosphäre. Jedoch war jenes prägnanter als zuvor und hallte an den steinernen Wänden wieder. Der entstandene Singsang zwang ihn nun doch prüfend das Bad zu untersuchen. Sein Ergebnis fiel aber wie erwartet aus. Er war alleine und sollte nicht zu viel hinein interpretieren!    Resigniert, da er das Badewasser nun nicht mehr genießen konnte, angelte er ein Seifenstück vom Beckenrand. Dieses glitt dem Slytherin allerdings rapid aus der Hand, denn der Wasserhahn sprang an. Aus dem Schlund der silbrig glänzenden, schlangenförmigen Apparatur entlud sich ein funkelnder Strahl silberner Flüssigkeit. Sobald dieses Elixier aber auf die Wasseroberfläche traf, durchzogen schwarz-rauchige Fäden das Becken.    Wie in Zeitlupe quollen die Fädchen auf Draco zu, der wie erstarrt auf das Szenario sah. Ein Sammelsurium missgestalteter Memoiren loderte auf. Es keifte; lachte; stöhnte; schrie den 17jährigen an.    „"Feigling!“   „"Narcissa, ihr solltet Euch glücklich schätzen!“   „"Malfoy, Du Verräter!“   „"Sie ahnen nicht wozu ich fähig bin! Sie wären schockiert, wenn Sie´s wüssten!“   „"Gut gemacht, Draco!“   „"Ich will Ihre Hilfe nicht; wollen Sie das nicht verstehen?!“   „"Avada Kedav~ “ / "Neiiiiiin!“   Draco kniff panisch die Augen zusammen. Je fester er indes die Hände auf seine Ohren presste, umso lauter wurden die Erinnerungen.    „"Er hat nicht den Mumm dazu, genau wie sein Vater!“   „"Goyle!“   „"Versaaaager~“   Der Kopf pochte und die Luft wollte seine Lungen nicht mehr erreichen. Sein Brustkorb fühlte sich viel zu eng an. Wie sollte so genügend Sauerstoff hinein passen?  Immer tiefer versuchte er zu atmen. Schneller, stoßweise, so dass ihn ein Husten überfiel und sich seine Hände um die Ohren krampften. Ungeachtet dessen, tanzten helle und dunkle Körnchen vor seinem gesenkten Augenlid. So lange, bis schlagartig alles still wurde.           Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)