No Princess von Yinjian ================================================================================ Kapitel 2: Backgroundcheck -------------------------- Anna wartete am Schultor. Auf wen wartete sie? „Sie ist auf jeden Fall nicht so, wie auf den Bildern...“ murmelte Toki leise und schaute zum Tor. Der Schülerrat stand in einem schattigen Korridor. Der Unterricht war vorbei. Die Sonne sank langsam gen Horizont. „Stimmt.“ sagte Akira grübelnd, auch wenn er Toki nicht gerne zustimmte. „Sie ist hübsch.“ fuhr Toki fort. Doch auf diese Äußerung bekam er nur ein Schweigen. Nachdem die Männer ihr von der anstehenden Hochzeit erzählt hatten, war an diesem Mittag erneut, aber nur für ein paar Sekunden, Stille eingetreten. „Ist das so?“ Anna hatte ihr Lächeln wiedergefunden, sie klang erfreut. „Viel Glück.“ Und damit war sie gegangen. Menschen in Schuluniformen liefen gebeutelt durchs Tor. Die meisten starrten Anna im Vorbeigehen an, Jungen wie Mädchen, und machten einen Bogen um sie. Einige blieben stehen, wollten etwas sagen, doch gingen weiter. Viele ignorierten sie auch einfach nur. Der Junge von vorhin, Adam, lief nun auf sie zu. Die Herren des Schülerrats konnten nicht hören, was sie in der kurzen Unterhaltung sagten. „Ist das ihr Freund…?“ Toki klang ein bisschen genervt, als er das sagte und Anna und Adam beim Weggehen beobachtete. Seine Finger liefen an der Glasscheibe hinunter. „Und wenn schon.“ kommentierte Akira nun mit einem Seufzen. Auch Liam wandte jetzt den Blick vom Tor ab und setzte sich auf eine Bank, die neben dem Fenster stand. „Auch wenn sie cool tut, ich wette, in Wirklichkeit ist sie eine kleine, zerbrechliche Prinzessin.“ säuselte Kai nun und strich mit seinen schmalen, langen Fingern über das Glas des Fensters. „Sie war so weich...“ „Du bist pervers.“ fauchte Mirai angeekelt und schloss die Augen. „Wieso hat sie überhaupt das Schweinchen vorgeschickt? Sie hat null Respekt vor Autorität.“ Er streckte die Beine aus und versank in seinem Sitz. „Weißt du...“ sagte Kai, eher zu sich, als zu irgendjemand anderem. „Wir könnten sie einfach mal heut' Nacht besuchen. Ein bisschen erschrecken. Zu ihrem Fenster reinklettern und sie festhalten und sie knebeln. Dann hat sie Angst und weint wie ein kleines Mädchen.“ Seine Augen weiteten sich und je mehr er sprach, desto mehr schien auch das Schwarz in seinen Augen tiefer und tiefer im fahlen Weiß seiner Haut zu versinken. Kurz trat Stille ein. Stille, als würde man über den Vorschlag nachdenken. „Wie gesagt, pervers.“ Es gingen Gerüchte um. Am nächsten Tag noch mehr, als zuvor. Sie war wieder zurück. Und diesmal hatte sie sich mit dem Schülerrat angelegt. Als Anna zur Schule kam, war der Radius, in dem die Schüler einen Bogen um sie machten, noch um einige Zentimeter gewachsen. Sie war es gewohnt. Adam war heute schon früher da, weil er zum Training musste. Anna hatte keine AG, sie fand es schön, so früh wie möglich aus der Schule zu verschwinden. Es waren schon genug wandelnde Probleme unterwegs, sie musste sich der Öffentlichkeit nicht noch mehr preisgeben. Tatsächlich schien die 15-Jährige Ärger quasi anzuziehen. Es verging kaum eine Woche ohne Zwischenfall. Der schlimmste von allen lag wohl 3 Jahre zurück, als eine Gruppe von Jugendlicher sich auf dem Spielplatz breit machte… 'Denk' nicht daran.' ermahnte sie sich selbst. Obwohl sie wie ein Stein geschlafen hatte, war Anna dennoch müde. Ihr sonst fröhlicher, belebter Teint war heute ein bisschen blasser als sonst. Tatsächlich hatte sie gestern Abend noch einen Anruf erhalten. Ihr Vater, der sich seit Jahren weder gemeldet hat, noch hat blicken lassen, fand es wohl an der Zeit, die Beziehung mit seiner Tochter wieder aufzufrischen. „Es stimmt. Einer von ihnen wird dein Mann werden.“ meinte er nur knapp zur Vorstellung des Schülerrats. Ansonsten blieben seine Aussagen vage. „Nimm es nicht so ernst.“ hatte Annas Mutter dann gelacht, nachdem die Blondine den Hörer aufgelegt hatte. Ihre Mutter war wie eine Göttin für Anna. Man sah, dass ihre Falten geprägt von Sorgen waren, und dennoch lächelte sie ihre Kinder stets an. Ihr Haar, das meistens in einen Knoten gebunden war, um die Hausarbeit zu erleichtern, wurde allmählich über die Jahre grau. Ihre Haut wurde schlaffer. Sie wurde dünner. Und trotzdem gab es für Anna keine hübschere Frau auf der Welt, als sie. „Mama… Was fandest du nur so gut an Papa, dass du mit ihm Kinder zeugen konntest?“ seufzte Anna an diesem Abend genervt und leicht angeekelt, aber ihre Mutter lachte nur. „Wie kannst du sowas sagen? Alleine, dass ich so ein wunderschönes, kluges Mädchen, wie dich gezeugt habe, ist doch schon Grund genug.“ sie drückte ihre Tochter liebevoll. Die Rippen, die sich Anna an diesem Abend unter der Kleidung in ihre Brust bohrten, taten schon fast weh, so stark war die Umarmung. Ihre Mutter hatte wirklich viel abgenommen… „Anna.“ Eine Stimme rief sie zurück in die Gegenwart. Sie drehte sich um, um die Quelle zu finden. Toki stand da. Die Schuluniform stand ihm gut, auch wenn die karierte Hose etwas zu lang war, weshalb sie an den Fußen umgeschlagen worden war. „Du bist…?“ „Toki. Von gestern. Schülerrat.“ Er hielt sich knapp, aber ein Blick in sein Gesicht verriet Anna, dass er nicht kurz angebunden war, sondern nur leicht schüchtern, und vielleicht… aufgeregt? Anna lächelte. Das war ein bisschen süß. Normalerweise wurde sie nicht einfach so angesprochen, vor allem nicht auf dem Weg zur Schule. „Hi, Toki.“ begrüßte sie ihn. „Wegen gestern… Tut mir Leid, dass die anderen so grob zu dir waren.“ sein Lächeln verbog sich in ein unangenehmes, beschämtes Grinsen. Er blickte zu Boden. Tat es ihm wirklich Leid? „Bin's gewöhnt.“ Anna ging weiter zum Hauptgebäude. Der Campus war groß – Die Schule hatte ein Hauptgebäude, zwei Nebengebäude, eine Sporthalle und einen Wintergarten. Der Wintergarten war hauptsächlich für Biologie und die Garten AG zu nutzen, ansonsten hatte kein Schüler außerhalb der Unterrichtszeit Zutritt, nur der Schülerrat. Toki lief ein bisschen schneller, um Anna einzuholen. Tatsächlich war er nur zwei Zentimeter größer als Anna und das lag vielleicht auch nur an seinem fluffigen, blondem Haar. Während er aufholte, grüßten ihn ein paar Mädchen. „Weißt du...“ fing er an, als er endlich neben Anna her lief, „Ich hatte mich gefreut, dich kennen zu lernen.“. Anna lachte kurz. „Ist das schon der Abschied?“ „Nein...“ auch Toki lachte. „Aber als gestern - Kiki hieß sie? - bei uns auftauchte, war ich etwas geschockt. Sie hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem süßen Mädchen auf den Fotos.“. Anna blieb stehen. Fotos? Was für Fotos? Sie drehte sich zu Toki um, der ebenfalls verdattert stehen blieb. Ihr Blick bohrte sich fragend in seine Brust. „Oh, uns wurden Fotos zugeschickt, als du vielleicht um die acht Jahre alt warst.“ Sie sagte nichts. Toki starrte sie an. Ihre Augen verrieten ihm, dass ihre Gedanken nur so hin und her rasten, aber er konnte nicht mit Sicherheit sagen, was es war, worüber sie so intensiv nachdachte. „Oh? Versuchst du etwa, dir einen Vorteil zu erschleichen?“ Toki blickte über die Schulter. Kai stand hinter ihnen, auch wenn er einige Sekunden zuvor noch nicht in Blickweite gewesen war. Kais Hand legte sich unter Annas blonden Zopf, führten ihre Haare an sein Gesicht und ließen sie durch seine blassen, langen Finger gleiten. „Vanille...“ seufzte er leise und lächelte. „Guten Morgen.“ erwiderte Anna stumpf. Sie ließ sich nicht davon beeindrucken. „Hallo Kai...“ quiekte ein anderes Mädchen schüchtern und wurde rot, als er ihr zuwinkte. „Kai… Fass sie nicht einfach so an.“ grummelte Toki genervt. „Wieso? Du hast ihre Haare gestern auch angefasst.“ Toki wurde leicht rot. „Aber nicht mit so einer perversen Absicht wie du.“ entgegnete er angewidert. „Aha? Ich dachte du wolltest dich für deine Prinzessin aufsparen? Ich wette, dir wurde ganz warm, als du sie berührt hast...“ kicherte Kai. „Was sagst du da?“ Toki klang aufgebracht. Anna blieb erneut stehen und drehte sich den beiden zu. „Ich bin keine Prinzessin.“ Es war mittlerweile elf Uhr. Anna war nicht in ihrer Klasse aufgetaucht, nicht einmal zur ersten Stunde. Toki wusste das, er hatte nach ihr gefragt. Sie war nicht da. Seufzend und bedrückt ging er zum Raum des Schülerrats. So lange hatte er gewartet… So lange … In zwei Tagen hatte er sie schon zweimal gesehen. Er war glücklich, dass das Schweinchen sich nicht als Anna entpuppt hatte, sondern als ein Ablenkungsmanöver. Endlich konnte er ihr nahe sein. Aber wieso fühlte er sich jetzt trotzdem noch so weit von ihr entfernt? Er öffnete die großen Eichentüren. Nur Ren war da. „Wo sind die anderen?“ Ren schwieg. Er schrieb irgendetwas auf. Wortlos sank Toki in einen der Stühle und zog sich einige der Papiere ran. „Weiß nicht.“ sagte Ren knapp, als er den Absatz beendet hatte. Toki konnte sich noch nie gut mit den anderen unterhalten. Tatsächlich waren sie fast genau so distanziert wie Anna. Wahrscheinlich war Toki auch der einzige, der sich in seiner Klasse wirklich gut eingelebt hatte. Viele seiner Klassenkameraden hatten ihn auf seine Haar- und Augenfarbe angesprochen. Verständlich, da das herkömmliche Braun in beiden Kategorien viel häufiger war. Nur wenige fielen hier in der Schule durch ihre Äußerlichkeiten auf. Dadurch wurde auch Toki zum Aufmerksamkeitsziel. Erneut öffneten sich die Türen und Akira kam rein. Er war verschwitzt. „Sport?“ fragte Toki bei seinem Anblick. Akira ließ sich in einen der Stühle fallen und zog eine Wasserflasche aus der Tasche. Nachdem er große, kräftige Schlucke davon getrunken hatte, rang er nach Luft und quetschte ein „Ja“ heraus. Ren schrieb weiter. „Gleich ist Pause.“ murmelte Toki nachdenklich. „Halt die Klappe.“ schnauzte Akira. Wieder ging die Tür auf, der Rest versammelte des Schülerrates versammelte sich im Raum. Die Türen wurden abgeschlossen. Erst jetzt legte Ren seinen Füller weg und blickte vom Papier auf. Akira zog die Vorhänge zu und erneut legte sich der Raum in angenehme Dunkelheit. „Dann lasst uns besprechen, worauf wir uns einlassen.“ begann Ren ernst und seine Stimme war wieder so tief und bedrohlich, dass niemand das Wort ergreifen wollte. Er zog eine Akte aus einem der Regale und rief einen Personenbogen auf. „Anna Kurasawa. 15. Geboren am 5.Mai 2000. Ging bis 2012 hier in der Stadt zur Schule, wurde dann suspendiert wegen einer Schlägerei. Die Anzahl der Verwundeten betrug 8 Personen. Sie war nicht verletzt. Anscheinend hat sie allein gehandelt. Lebt mit ihrer Mutter. Eltern sind geschieden und leben getrennt. Noten sind eher über dem Durchschnitt. Hat den Ruf einer Schlägerbraut. Zur Zeit keinen festen Freund.“ Die Herkunft der Quellen war fraglich. „Was ist mit dem Typen von gestern?“ knurrte Mirai genervt. „Adam oder wie er hieß...“. Ren blätterte durch die Akte. Viele der Mitglieder von Annas Truppe waren dort aufgeführt. Aber nicht Adam. „Keine Angaben.“Akira seufzte genervt. „Müssen wir uns Sorgen machen?“ fragte Toki unsicher. „Warum sollten wir? Er ist nur irgendein Typ, den sie kennt.“ erwiederte Kai. „Viel wichtiger ist die Frage, ob sie noch Jungfrau ist.“ fügte er mit einem schamlosen Lächeln hinzu. Ren blickte erneut auf Annas Bogen. „Bisher hatte sie wohl noch keine Beziehung und nach dem Vorfall vor drei Jahren hat sich wohl auch keiner in ihre Nähe getraut.“ Toki sah ihn entgeistert an: „Du willst mir doch wohl nicht sagen, dass bisher niemand versucht hat, mit ihr auszugehen?“ Rens Blick wandte sich zum ersten Mal vom Papier ab und ruhte nachdenklich auf Toki. „Viele haben es versucht.“ erwiderte er dann leise, diesmal war seine Stimme nicht so tief und eindringlich. „Aber jedes Mal haben sie die selbe Antwort bekommen. 'Ist mir egal'.“ Akira lachte. „Was ist sie? Die Eiskönigin? Es gab bisher wirklich keinen, der ihr irgendwie gefallen hat?" fassungslos und mit einem weiterem Lachen lehnte er zurück. Ren legte die Akte zur Seite. „Scheint so.“ Schweigen breitete sich aus. „Es ist gut, dass sie noch Jungfrau ist...“ sagte einer von ihnen. Alle stimmten zu. „Es ist April… Das heißt, sie hat in ein paar Wochen Geburtstag, oder? Dann wissen wir es mit Sicherheit...“ Erneutes Schweigen. „Ich find sie gut.“ murmelte Akira. „Ja.“ stimmte ihm Kai zu. „Es wird Spaß machen, sie zu beschmutzen.“ Toki blickte nachdenklich und besorgt zur Seite. „Sie muss uns ihr Herz schenken, nicht wahr...“ murmelte er vor sich hin. Ren schloss die Augen. „Sie scheint nicht besonders angetan zu sein von uns.“ „Oder von irgendwem.“ fügte Mirai hinzu. „Irgendwie ist es aufregend.“. „Glaub bloß nicht, dass ein Macho wie du eine Chance bei ihr hast.“ grinste Kai hämisch und zuckte mit den Schultern. „Ihr habt doch wirklich alle keine Ahnung, wie man Mädchen dazu bringt, sich in einen zu verlieben.“ „Oh bitte.“ erwiderte Mirai. „Sie ist ein pubertäres Mädchen, dass noch nie einen Freund hatte. Wenn man ihr oft genug sagt, dass man sie liebt, wird sie wie Wachs in den Händen.“ „Glaubst du das wirklich?“ Liam, ein Mann von wenig Worten, schaute Mirai fragend an. Dieser konnte nichts entgegnen. Nein, so einfach würde es nicht werden. „Warum sind wir gestern nicht einfach zu ihr nach Hause gegangen? Ich wollte sie im Nachthemd sehen...“ Kai klang ein bisschen genervt. Akira seufzte. „Wir haben noch Zeit.“ Kai wirkte noch mehr genervt. „Ich will nicht mehr warten.“ „Anna, da ist Kiki.“. Es war Mittagspause. Die Gang war wieder im Hinterhof versammelt. Adam deutete auf den Schulhof und man sah eine sichtlich beunruhigte und nervöse Kiki durch die Menschenmenge wandern. „Hat sie sich noch mal bei einem von uns gemeldet seit gestern?“ Die meisten schüttelten den Kopf. Heute waren mehr Leute als üblich beim Treffpunkt. Die meisten waren besorgt, dass der Schülerrat hier unangemeldet aufgetaucht war. „Ich kann's nicht glauben, dass sie sich an unsere Queen ranmachen.“ sagte Yuki genervt. Yuki war seit dem Vorfall vor drei Jahren nicht von Annas Seite gewichen, außer wenn die Klassenräume es verboten hatten. „Die strotzten nur so vor Arroganz.“ Er klang angewidert. Anna verschlang ihr Putenbrustsandwich. „Was wollten die eigentlich von dir?“ fragte Mika, eins der wenigen Mädchen, dass Anna als Freundin bezeichnen konnte. „Ging um die Schlägerei gestern morgen.“ log Anna im Gegenzug. „Bitte? Was kannst du denn dafür, dass dich irgendwelche Typen auf'm Weg zur Schule anbaggern? Sie sollten wissen, mit wem sie sich anlegen können und mit wem nicht.“ Man merkte deutlich, dass auch Mika genervt war, „Ohne Mist, wäre Adam nicht da gewesen...“ doch Adam unterbrach sie. „Aber ich war da. Alles gut.“ Anna lachte. „Ist süß, dass ihr euch so für mich sorgt. Aber das braucht ihr nicht. Ich komm auch alleine klar.“. „Sag sowas nicht, Anna...“ Mika klang traurig, krabbelte über das Gras zu Anna und umarmte sie. „Wir wissen alle, was du für uns getan hast.“ Dankbar tätschelte Anna Mikas Rücken und aß den letzten Bissen ihres Brotes, dann stand sie auf. „Muss los.“ erklärte sie knapp und packte sich ihre Tasche. „Was? Wohin?“ Auch Adam war aufgesprungen. „Geschäftlich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)