No Princess von Yinjian ================================================================================ Kapitel 1: Die Königin und ihre Prinzen --------------------------------------- „Wie war's?“ Sie war angekommen. Vögel zwitscherten. Die Klasse, die Sport hatte, machte sich auf den Weg zur Umkleide. Es war ein ruhiges, schattiges Plätzchen hinter der Schule beim Gartenhaus, wo sich alle niedergelassen hatten. Immer noch nach Luft ringend hob das dicke Mädchen ihre Hand, um zu bedeuten, dass sie eine Pause brauchte. Sie war entkommen. „Das erste Mal, dass du so schnell gerannt bist?“ eine klare, helle Stimme richtete sich an sie. „Sorry.“ Man konnte das Schmunzeln deutlich hören. Die Dicke kam zu Luft und fing endlich an zu sprechen, anscheinend hatte sie wieder die Nerven, penetrant und gemein zu klingen: „Anna, wieso sagst du mir, dass ich sowas tun soll? Ist das dein Ernst?“. Sie richtete sich an die Person, die sie angesprochen hatte. Ein schlankes, blondes Mädchen, mit hellblauen Augen. Sie war groß. Sie war eine Schönheit. Und sie war die wirkliche Anna. „Wieso? Warum sollte ich an meinem 1. Tag zum Schülerrat gehen? Ich hab' keine Lust, schon wieder rauszufliegen. Außerdem wolltest du doch in unsere Truppe aufgenommen werden, oder? Sieh es als eine Art 'Mutprobe'.“ Anna klang genervt – verständlich, wenn die nervige Stimme einer nervigen Person anfing, nervige Anschuldigungen zu machen. Anna erhob sich aus dem weichen, saftigen Gras, das hier hinten wuchs. Die „Truppe“ bestand zur Zeit aus mehr Jungs als Mädchen. Einige Kommentare flogen durch die Luft. „Sei nicht so grimmig, Kiki.“ erneut lächelte sie. Es war das Lächeln eines Engels. „GRIMMIG?“ Die Stimme, die man als 'penetrant' kannte, erhob sich nun zu einem 'komplett nervtötend'. „Die wollten mich ausziehen! Ganz ehrlich, was machst du dir eigentlich für Feinde, Anna?! Ich wusste nicht, dass ich mich auf sowas einlassen muss, um zu euch zu gehören! Ihr seid doch komplett bescheuert!“ Tränen liefen über die Wangen der kleinen, dicken Kiki. Anna legte ihre Hände auf die runden, weichen Schultern der Anwärterin und blickte ihr tief in die Augen. „Ausziehen…?" wiederholte sie leise fragend. Kikis verschwommene Augen blickten direkt in Annas. Von Tränen erfüllt nickte sie langsam. Annas Hand ließ langsam von Kiki los und wanderte zu ihrem Kopf. Sie tätschelte Kiki leicht. „Tut mir Leid… Ich wusste nicht, dass es so weit kommt.“ Sie schien es wirklich zu bedauern. „Anscheinend haben sie dir nicht ganz abgekauft, dass du dich als mich ausgibst." sie lachte kurz. „Aber Kiki...“ ihre Stimme wurde wieder leiser, deutlicher, gefährlicher. „Hast du mich gerade 'bescheuert' genannt…?“. Es schien, als würde der Hintergrund ausgeblendet. Die Sonne hörte auf zu scheinen. Die Vögel hörten auf zu zwitschern. Man hörte kein Kichern mehr, keine Kommentare. Alles wurde still und wartete auf Kikis Antwort. Kikis pinkes, von Leben erfülltes Gesicht wurde plötzlich weiß wie der Mond und von Kratern der Angst übersät. Sie wagte sich nicht etwas zu sagen. „Wie heiße ich…?“, Annas Stimme wurde immer leiser und immer eindringlicher. Angst? Kiki hatte im Raum des Schülerrats Angst gehabt. Aber hier, im Hinterhof der Schule, mit Fluchtwegen, mit Zeugen, mit Klassenräumen gefüllt mit Schülern in der Nähe, die sofort jeden Schrei gehört hätten, hier war es purer Terror. „A-Anna...“ Die Stimme war so leise und zerbrechlich, dass es einem fast das Herz brach. „Wie bitte…?“ Anna sprach so leise, dass es dem Zischen einer Schlange glich. „Meine… Meine Königin… Anna." Schweiß und Tränen vermischten sich in Kikis Gesicht. Annas Finger, die sich in Kikis Haaren vergruben hatten, wurden lockerer, sanfter, und glitten von ihrem Kopf hinunter. „Ja.“ Man hörte das Lächeln. Kiki, die aus Angst auf den Boden gestarrt hatte, wagte sich nun wieder nach oben zu schauen. Anna lächelte. Es war ein warmes Lächeln und dennoch wusste die Anwärterin nun, dass mit Anna nicht gut Kirschen essen war. Anna ließ schließlich ganz von Kiki ab. Die Gefolgsleute, die im Schatten eines großen Ahornbaumes saßen, standen nun auf, einer nach dem anderen. Es waren um die sechs. „Scheint, als wärst du nicht schnell genug gerannt. Am besten gehst du jetzt.“ Kiki starrte Anna an, doch deren Augen waren nicht auf das Pummelchen gerichtet. Sie sahen an ihr vorbei. Kiki spürte es. In ihrem Nacken sträubten sich die Haare. Warum wurde ihr so kalt, obwohl es später April war? Langsam, bedächtig, angsterfüllt drehte sich Kiki um. Da standen sie. „Du bist also nicht Anna, hm?“, eine tiefe, hasserfüllte Stimme versetzte Kiki zurück in den Raum des Schülerrats. Die sechs jungen Männer standen nur einen halben Meter hinter ihr. Wann waren sie ihr so nahe gekommen? Mirais Hand legte sich langsam auf Kikis Schulter. „Willst du vielleicht erklären, was passiert ist?“ Er klang nicht nett. Und er war nicht nett. „Geh jetzt, Kiki.“ sagte Anna erneut, diesmal mit sehr viel mehr Autorität in ihrer Stimme. Wie ein Reh, das von Scheinwerfern erfasst wurde, starrte Kiki Mirai an. Er drückte ihr wortlos den abgerissenen Kragen in die Hand. Es schien kein Licht in diesen braunen Augen. Wortlos wandte sich Kiki ab und verschwand. „Nun denn, womit kann ich helfen, Herren vom Schülerrat?“ Anna lächelte. „Wir haben dich ausrufen lassen, Anna.“ sagte Ren kalt, nun, da Kiki weg war. Flüstern erhob sich. Ab und zu Kichern. Kai sah zu den anderen, die sich am Ahornbaum getummelt hatten. „Geht, das ist privat.“ Aber sie machten keine Anstalten zu gehen. „Schon okay, Leute. Ich glaub, ich weiß worum es hier geht.“ sagte Anna seufzend und entspannte die Atmosphäre etwas. Murmelnd begannen die anderen zu gehen, nur einer blieb zurück. „Bist du dir sicher, Anna?“ Ein großer Junge, vielleicht um die 17, stellte sich zu ihr und blickte sie angespannt an. Er hatte schwarze Haare, nicht so schwarze wie Ren, eher mitternachtsblau und hellblaue Augen. Er schien einen leichten Sonnenbrand auf der Nase zu haben. „Ja.“ erwiderte Anna vertrauensvoll. „Geh ruhig, Adam.“ Er schien unzufrieden zu sein. „'kay.“ gab er monoton nach. Der Schülerrat wartete, bis alle weg waren, bis auf die eine. Toki starrte Anna mit großen Augen an. Mirais Gesicht entspannte sich und zeigte ein Lächeln, das schwer zu deuten war. Liam schwieg, aber auch seine Augen waren unabwegt auf Anna gerichtet. „Du bist also die echte Anna?“ Kais sanfte Stimme schmiegte sich fast an Annas Gesicht. Er war ihr so nahe gekommen, dass sie seinen Atem auf der Haut spürte. Er war angenehm kühl. Toki starrte sie weiterhin an. Ren drückte Kai leicht beiseite, um selbst einen guten Blick auf Anna kriegen zu können. Toki fing an, um Anna herum zu laufen. Auch Akira schien etwas hibbelig zu sein, ließ jedoch einen gewissen Abstand zu ihr. „Ja.“ Ein Lächeln. Die Stimme, die so klar war, wie die Luft am frühen Morgen nach einem Regen. Doch Anna drehte sich um und lief zum Baum. „Wenn's um die Sache von heute Morgen geht… Sie haben angefangen.“ Sie bückte sich, um ihren liegengelassenen Baseballschläger aufzuheben. Langsam drehte sie ihn in ihren weichen Händen, um den Dreck abzuwischen. „Es geht nicht um heute Morgen.“ erwiderte Ren knapp. Falls es je einen Anflug eines Lächelns gegeben hatte, war er nun wieder weg. „Sondern…?“ Wieso? Wieso nur glaubte niemand der Anwesenden, dass Anna keine Ahnung hatte? Toki schluckte. Liam, der an der Wand gelehnt hatte, näherte sich jetzt dem Mädchen. Auch wenn sie groß war, er war deutlich größer. Auch Ren ging nun einen weiteren Schritt auf die gefürchtete Anna zu. Angespannte Stille. Die Anspannung, die den Raum des Schülerrats vielleicht aufgrund der Fenster nicht verlassen konnte, war nun hier, im Freien, so dick, so spürbar, dass sie einem den Atem nahm. Und doch ließ sich Anna nicht einschüchtern. Niemand wollte es sagen. Doch Toki, der bisher nur vor sich hin starren konnte, ging näher auf sie zu. „Wir...“ fing er an, doch machte Halt. Annas Augen wanderten zu ihm. Sie schienen auf der selben Höhe zu sein. Wieso verschlug es ihm die Sprache? Er war bei weitem der redseligste des Schülerrates. Wieso konnte er also nicht aussprechen, was der Grund für ihr Erscheinen war? Stille. Langsam kam das Zwitschern der Vögel wieder zurück. Eine Glocke ertönte. Sie schien so weit weg zu sein… Anna lehnte den Baseballschläger an die Wand. „Mittagspause ist vorbei.“ Man hörte, wie sie lächelte. Ohne auch nur einem Anflug von Angst oder Scham begann sie, zu gehen. Doch sie kam nicht weit – sie wurde festgehalten. Wie aus Reflex hatte Akira den schmalen Arm des Mädchen gepackt und zog sie zurück. Als wären mit einem Schlag aller wieder bei der Sache, schienen die jungen Männer ihre Gedanken wieder auf den eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit zu richten. Doch anstatt Anna nur festzuhalten, führte Akira sie noch tiefer in den Hinterhof, fernab von jeglichen Blicken der Schüler in den Klassenräumen, zum Gartenhäuschen. Alle folgten ihm. Sie bildeten eine Mauer aus Körpern und ließen Anna nicht mehr gehen. „Was soll das?“ Sie lachte ein bisschen. Nein, sie war überhaupt nicht wie Kiki, die beim kleinsten Anflug von Gewalt schon fast anfing, zu weinen. Akira starrte sie an. Mirai Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Ooh, das ist gut.“ grinste Kai leise. Auch er grinste nun, sogar Toki konnte sich ein aufgeregtes Lächeln nicht verkneifen. Kai ging ebenfalls auf Anna zu und hielt ihren anderen Arm, zwar nicht so grob wie Akira, aber mit einer genau so gleichen Autorität. „Ich will auch...“ flüsterte der Junge mit den violetten Haaren. Doch Annas Lächeln verblasste nicht. „Wieso sind ihre Haare blond…?“ fragte Toki bedächtig und ging um Anna herum. Ihre Haare waren in einem langen Pferdeschwanz gebunden, nur ihr Pony und ein paar Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Langsam drehte Anna ihren Kopf nach hinten und sagte: „Ich hab sie mir gefärbt.“ „Lasst sie los.“ brummte Ren nun und Anna wurde aus den Griffen befreit. Die Herren gingen ein paar Schritte zurück. ´ „Tut mir Leid für ihr Benehmen.“ knirschte Ren genervt, aber gefasst. „Kommen wir nun zur Sache. Du weißt es vielleicht nicht, weil du seit langem nicht mehr in der Schule warst, aber wir sind die Vertreter der Schülergesellschaft. Ich bin Ren, das ist Akira, Toki, Kai, Liam und Mirai.“, mit Handgesten stellte er diejenigen vor, von denen er sprach. „Ich weiß das schon.“ sagte Anna knapp, aber freundlich. „Wie kann ich helfen?“. Ohne von dieser Freundlichkeit eingeschüchtert zu werden, fuhr Ren fort. „Ich weiß nicht, ob du von deinem Vater schon benachrichtigt wurdest, aber er hat uns gebeten hierher zu kommen und uns vorzustellen.“ Das Lächeln brach. Annas Freundlichkeit wich ihr aus dem Gesicht. „Oh?“. Eine eiserne Kälte lag nun in der Stimme des Mädchens. „Und wieso das?“ Die jungen Männer reihten sich nebeneinander auf und verbeugten sich leicht. „Du wirst einen von uns heiraten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)