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Nicht dein Leben...

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Da ich in der normalen Geschichte gerade mal wieder an einem Punkt ins Schleudern geriet, hab ich mal wieder über die Vergangenheit in dieser Zeitlinie nachgedacht... Hoffe Euch gefällt der Rückblick... Komplett anzeigen

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[-3. Wieder mal zu spät dran, Robin?]

[-3. Wieder mal zu spät dran, Robin?]
 

Landeanflug, 9:35 Uhr, Gotham City. Vor sechs Monaten hatte er nicht nur Gotham verlassen, sondern auch Bruce, Alfred, Barbara und Batgirl. Nun kehrte der verlorene Sohn, Freund und Partner zurück. Was würde ihn erwarte?

Im fernen Südostasien und in der Abgelegenheit der verschiedensten Klosteranlagen, die er besuchte und in denen er zurückgezogen lebte, um in die Geheimnisse der uralten Kampftechniken eingeweiht zu werden, hatte er sich nicht immer auf dem Laufenden halten können, dazu kam der fehlende Kontakt zu Bruce. Ab und zu hatte er seinem Adoptivvater eine Mail geschrieben, kurz und nur das Notwendigste enthaltend. Schnell ein paar Sätze, in denen nicht mehr stand, außer, dass es ihm gut ging und auch ansonsten alles in Ordnung war. Genauso unpersönlich antwortet Bruce, ohne ihn mit Neuigkeiten zu versorgen. Anders waren da Alfreds Mails und Briefe. Der Butler hatte ihm beinah jeden Tag geschrieben, hielt ihm auf den Laufenden was Bruce und dessen alter Ego Batman betraf und so erfuhr Dick, dass Bruce sich privat mehr und mehr zurückzog, im Gegensatz dazu aber den Playboy mehr denn je heraushängen ließ und sich von einem Frauenabenteuer in das nächste stürzte. Und Batman, Batman wurde mürrischer, wortkarger und schien brutaler denn je unter seinen Gegnern aufzuräumen. Alfred meinte, dass ihm ein jugendlicher Partner fehlte, genauer gesagt, er, als Robin und dessen Unbeschwertheit, die er sich trotz dem Tod seiner Eltern bewahrt hatte. Selbst Batgirl hatte sich anscheinend von dem Dunklen Ritter abgewandt und zog ihr eigenes Ding durch.

Batgirl. Mit einem Grinsen auf den Lippen, erinnerte Dick sich an den Kuss in der Gasse. Heiß war er gewesen, aufregend und mit einem gewissen Verlangen gepaart. Eigentlich war Dick davon ausgegangen Batgirl nicht vergessen zu können, aber es kam anders. So nach und nach verblassten die Erinnerungen an sie und die lodernde Glut seines Verlangens erlosch. Innerhalb eines Monats war ihm klar geworden, dass er für die unbekannte Schöne einfach nur schwärmte. Er hatte sich wohl als Robin in sie verguckt und nicht als Richard Grayson. Im Laufe der Tage, die er in Bangkok und dann im Norden Thailands in einem kleinen Dorf in der Nähe von Chiang Rai verbrachte, ließen die Gedanken an sie nach. Dafür nahm jemand anderes den Platz in seinem Herzen ein. Barbara Gordon schlich sich in seine Träume und in seine Überlegungen. Sie war es, die er nicht vergessen konnte, was wohl auch daran lag, dass sie sich regelmäßig Mails schrieben und auch an dem letzten Abend, den sie zusammen hatten verbringen können. Noch heute konnte er ihre Hände an seiner Hüfte fühlen, ihre Nähe spüren und den Duft ihrer Haare riechen. Wenn er sich auf etwas in Gotham freute, dann auf die Tochter des Commissioners und Alfred, der ihn in seinem üblichen schwarzen Anzug, nach der Kontrolle, erwartete.

„Alfred!“ Richard winkte der treuen Seele, schulterte seinen Rucksack und hielt direkt auf den älteren Herrn zu.

„Master Richard!“ Ein ehrliches, warmes Lächeln lag auf den vertrauten Gesichtszügen. „Ich freue mich sie gesund und munter begrüßen zu können.“

„Ich freu mich auch, Alfred.“ Und als Bruce Waynes Butler Richard zur Begrüßung die Hand reichen wollte, ergriff dieser die Finger des Mann und zog ihn kurz, aber heftig an sich. „Bruce befindet sich in Tokio?“

„Er reiste heute morgen ab“, bestätigte der langsam ergrauende Mann. „Ich kann allerdings nicht sagen, ob er die Geschäftsreise so plante, um ihnen aus dem Weg zu gehen oder ob es sich um einen Zufall handelt.“

Die Schultern zuckend, nahm Richard es hin. Vor zwei Wochen hatte er Bruce seine Rückkehr mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt stand der Termin in Japan wohl noch nicht fest. War er enttäuscht? Schon, ein wenig, aber auf der anderen Seite, war der junge Mann froh darüber, dass er sich nicht mit Bruce Wayne auseinandersetzen musste. So bekam er genügend Zeit sich neu zu organisieren und wie er Alfred kannte, hatte dieser seine Wünsche berücksichtigt und sich um deren Erfüllung gekümmert.

„Nach Hause?“ Obwohl er die meiste Zeit im Flugzeug geschlafen hatte, fühlte Dick sich ein wenig erschlagen. Nur noch etwas essen, danach ins Bett und ab morgen ein neues Leben beginnen, ein Leben als Richard, nicht mehr als Dick. In den sechs Monaten hatte er sich überall als Richard vorgestellt. Dick gehörte der Vergangenheit an, genauso wie Robin. Er war nicht mehr der Junge, der Bruce und Batman folgte. Er war sein eigener Herr und genauso wollte er nun auch leben. Was er als nächstes tun würde? Definitiv etwas anderes studieren, vielleicht Sportwissenschaften? Sicher war er sich da noch nicht.

„Nach Hause“, nickte Alfred. „Ich war so frei und habe alles für eine Salami und eine Thunfisch-Pizza vorbereitet. Als Dessert gibt es Tiramisu. Ich dachte, dass sie nach sechs Monaten in Asien und Südostasien, Appetit auf etwas richtig ungesundes haben.“

„Wie recht du hast, Alfred.“ Lachend lief Richard Richtung Parkplätze los und freute sich auf die selbstgebackenen Pizzen von Alfred, nach all dem Reis, dem Gemüse und dem vielen Hühnchen. Thailand war toll gewesen, nicht umsonst schrieb man diesem Land die beste Küche der Welt zu, aber in Kambodscha und Laos spürte er, dass dies immer noch dritte Welt Länder waren und ein Problem mit abwechslungsreichen Essen besaßen. Von daher hatte er ab und zu die anstrengende Reise mit einem kleinen Bus auf sich genommen, um in die nächst größere Stadt zu fahren, wo er dank der französischen Kolonialzeit Baguette und Croissant bekam.

Einige Zeit später saßen die beiden so unterschiedlichen Männer zusammen in dem kleinen, gemütlichen Wohnzimmer, nicht in dem großen, welches Bruce bevorzugte. Leise prasselte der offene Kamin vor sich hin, strahlte seine Wärme aus und Richard, der die Füße auf die Couch gezogen hatte und die Pizzaschachtel auf dem Schoß liegen hatte, blickte in die gelb-orangenen Flammen, die mit ihren gierigen Fingern nach den Holzscheiten, die Alfred eben erst aufgelegt hatte, fassten.

Leise, der Stimmung angepasst, berichtete der ehemalige Artist von dem Moloch Bangkok, den Garküchen, den Einkaufstempeln, den Menschen und der unglaublichen, nicht greifbaren Atmosphäre. Er erzählte von den Klongs, die er er besuchte, vom Königspalast und all den anderen Sehenswürdigkeiten, von dem Trubel im Nachtleben, den hübschen Frauen und den Ladyboys, den Kathoeys. Lächelnd, in seinen Erinnerungen versunken, beschrieb er, wie er im Norden des Landes gegrillte Schlange probierte, wie er Heuschrecken und anderes Getier aß, wobei die fetten, weißen Maden, so gar nicht seinem Geschmack entsprachen, viel zu mehlig und trocken.

Nachdem er über zwei Stunden lang Alfred die wichtigsten Ereignissen erzählte, beschloss er schlafen zu gehen. Gähnend erhob er sich, dann begab er sich nach oben. Es fühlte sich eigenartig an, wieder durch die ruhigen, immer ein wenig düster wirkenden, Gänge zu laufen. Erinnerungen holten ihn ein, Gefühle überschwemmten ihn, Kleinigkeiten, von denen er dachte, sie längst vergessen zu haben, erwachten in ihm zu einem neuen Leben - der Tag an dem er von Bruce den Bilderrahmen mit dem Foto seiner Eltern erhielt und Bruce ihm dabei erklärte, dass sie immer bei ihm sein würden, tief in ihm drinnen, tief in seinem Herzen verankert, dass er nur an sie denken müsste, wenn sie ihm fehlten, dass er die Trauer zulassen sollte, selbst wenn sie schmerzte und dass er sich seiner Tränen nicht schämen bräuchte. Damals war er Bruce für die ehrlichen, offenen Worte dankbar gewesen. Heute wusste er, dass Bruce sich an seine eigenen Ratschläge mitnichten hielt.

Das erste, was er tat, als er sein altes Zimmer betrat, war das Foto seiner Eltern aus dem Rucksack zu holen. Ein klein wenig zerknittert und an der linken Seite leicht eingerissen, hatte das Bild die Reise ansonsten gut überstanden. Noch immer stand der leere Bilderrahmen dort, wo er ihn vor seiner Reise abgestellt hatte. Mit einem wehmütigen Lächeln gab Richard dem Bild seinen alten Platz wieder. Danach kippte er den Inhalt seines Trekkingrucksacks einfach auf das frisch bezogene und ordentlich gemachte Bett. Obwohl er hundemüde war, sortierte er den Inhalt in aller Ruhe. Die dreckige Sachen landeten einfach auf dem Fußboden, seinen Discman, den Fotoapparat, diverse CDs und die Batterien landeten erst mal auf dem Schreibtisch, die Waschtasche stellte er ins Bad, nachdem er die Dreckwäsche im Wäschekorb versenkte.

Nun lagen nur noch seine Mitbringsel auf dem Bett, für Alfred eine Auswahl an getrockneten Kräutern aus Thailand, ordentlich in kleine Tütchen verpackte und direkt aus dem Wat, in dem er sich beinah einen Monat aufhielt, um sich in die Geheimnisse des Krabi Krabong einweihen zu lassen. Für Bruce hatte er ein altes Buch über die Geschichte Siams mitgebracht. Am schwersten war ihm die Suche nach einem Geschenk für Barbara gefallen. Letztendlich hatte er sich für einen kleinen Elefanten entschieden, fein gearbeitete und aus Duftholz geschnitzt. Dies würde sein sofortiges Geschenk sein, anders sah es da schon mit dem kleinen, silbernen Anhänger aus, der sicher verwahrt, in einer kleinen runden Schachtel lag. Nachdenklich betrachtete er die winzige Fledermaus mit den ausgebreiteten Schwingen. Barbara würde seine Verbündetet werden, zumindest, wenn ihre Vertrautheit, die sechs Monate getrennt sein, überstanden hatte. Nur ein Treffen würde ihm die entsprechende Antwort geben können. Das Kribbeln in seinem Magen zeugte davon, wie sehr ihm seine Lieblingsbibliotheksangestellte fehlte, und als hätte Barbara gespürt, dass er an sich dachte, läutete das Telefon in seinem Zimmer.

„Grayson“, meldete er sich, nachdem er die kleine Schachtel in der Schublade seines Nachttisches verstaute.

„Hallo Dick.“

Eine Gänsehaut rann ihm den Rücken hinab, als er die samtweiche Stimme vernahm. „Ich wollte dich auch gerade anrufen.“ Mit dem schnurlosen Telefon verzog er sich auf sein Bett, streckte sich aus und machte es sich gemütlich. Zum Glück konnte niemand sehen, wie er nervös mit der Ecke des Kopfkissens spielte. Aufgeregt schlug das Herz in seiner Brust.

„Ich wollte nur mal hören, ob du gut gelandet bist.“

„Bin ich. Bin gerade am auspacken.“ Sein Blick glitt zu der Funkuhr, die über seinem Schreibtisch hing. Noch nicht mal 19:00 Uhr, eigentlich noch keine Uhrzeit, um ins Bett zu gehen. Außerdem war seine Müdigkeit plötzlich wie weggeblasen. „Hättest du Zeit für einen Kaffee?“

„Immer“, lachte die rothaarige Frau am anderen Ende der Leitung. „Wann und wo?“

„Vielleicht auch eine Kleinigkeit essen?“

„Gern...“

„Okay, ich spring fix unter die Dusche. Sagen wir gegen halb neun im 'San Sebastian'. Beruf Dich auf mich oder Bruce, dann bekommst du einen Tisch, falls du vorher da bist.“

„Klingt gut. Ich warte dann dort auf dich.“

„Bis gleich.“ Das: ich freu mich, konnte er sich gerade noch verkneifen. Lächelnd und aufgeregt wie ein kleiner Junge zu Weihnachten, beendete er die Verbindung und raffte sich auf. Scheiß auf den Jetlag. Er wollte Barbara sehen.

Hektik überkam ihn, als er ins Bad eilte und sich unter die warmen Wasserstrahlen der Dusche verzog. Eigentlich hatte er eher an eine Runde in der Wanne gedacht, nachdem er ein halbes Jahr lang, auf beinah jeglichen Komfort verzichten musste, aber das konnte er morgen noch immer nachholen. Die Wanne lief ihm nicht davon, aber vielleicht Barbara.

Erfrischt und nicht mehr nach langem Flug riechend, schlüpfte er in frische Sachen, rasierte sich und betrachtete sich im leicht beschlagenen Spiegel. Blaue Augen strahlten ihn an. Grinsend wuschelte er sich mit den Fingern durch das länger gewordene schwarze noch feuchte Haar. Ihm gefiel es. Hoffentlich mochte Barbara seine neue Frisur, die ja eigentlich keine war, auch. Wenn er wirklich pünktlich sein wollte, dann musste er jetzt wohl oder übel zum Föhn greifen.

Kurz danach eilte er in die Garage. Alfred hatte die Plane von seiner Kawasaki entfernt. Das Bike glänzte wie neu und er war sich sicher, dass sie in dem halben Jahr seiner Abwesenheit gewartet worden war, von dem besten Butler der Welt. Sacht glitten seine Finger über den Tank.

„Grüßen sie Miss Gordon!“ Unbemerkt, wie immer, war Alfred hinter ihm aufgetaucht.

„Mach ich, Alfred. Genießen sie den freien Abend!“

Auf diesen Rat ging Alfred nicht weiter ein, stattdessen sagte er: „Ich werde mit einer Überraschung auf sie warten.“

„Lieber nicht, Alfred. Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme.“

„Dann erhoffen sie sich mehr von ihrer Verabredung?“

„Alfred!“ Verblüfft durch die Frage, schaute Richard den Vertrauten an. Tat er das? Erwartete er tatsächlich mehr von diesem Abend? Tief in sich, anscheinend. Dennoch hieß es erst einmal abwarten. Immerhin hatte er Barbara über sechs Monate nicht mehr gesehen. Auch, wenn sein Herz gerade aufgeregt schlug, wusste er nicht, ob dies nachher, wenn er ihr gegenüberstand noch der Fall sein würde.Vielleicht machte er sich ja auch nur etwas vor. Ihm war es, als er sich in der Ferne befand, wichtig gewesen, einen Fixpunkt zu besitzen, etwas, auf das er sich freuen durfte, wenn er zurückkehrte.

Obwohl Barbara und er, wann immer es möglich war, telefonierten, hatte er keine Ahnung, ob sie in der Zeit nicht jemanden kennenlernte. Er hatte sich nie getraut zu fragen. „Ich werde sehen, was der Abend bringt.“

Er schloss den Reißverschluss der dicken Lederjacke, setzte den Helm auf, zog die Handschuhe über und bemerkte, wie sehr ihm in Asien ein Motorrad gefehlt hatte. Er spürte die Aufregung in sich. Endlich wieder zwei Räder unter dem Hintern. Okay, zugegeben, das Kribbeln konnte auch gut mit Babs zu tun haben.

„Master Richard!“

Fragend blickte Richard noch einmal zu Alfred, nachdem er auf seiner Z Platz genommen hatte.

„Ihre Kawasaki verfügt unterdessen über ein paar mehr PS. Ich war so frei, den Drosselsatz zu entfernen.“

Mit keiner Silbe hatte Dick daran gedacht. 106 PS unter dem Hintern. Nun freute er sich nur noch mehr darauf sein Bike zu fahren. „Manchmal frag ich mich, wie viele Seiten deine To-Do-Liste umfasst. Du vergisst niemals auch nur eine Kleinigkeit.“ Grinsend schloss er das Visier. „Bis dann.“

Es tat so unglaublich gut, wieder mit dem Motorrad in Gotham unterwegs zu sein. Zuhause. Wollte er diese Stadt wirklich verlassen? Ja, er hatte sechs Monate Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Seine erste Wahl war auf Star City gefallen, seine zweite auf Blüdhaven. Blüdhaven würde wohl siegen, nicht zu weit entfernt, um eingreifen zu können, falls tatsächlich einmal Not am Manne sein sollte, aber fern genug, um Bruce nicht ständig über den Weg zu laufen. Ihm war nicht wirklich klar, was geschah, dass Bruce und er sich nur noch gegenseitig nervten? Gut, sie teilten nicht immer eine Meinung, aber dies schien für ihn nicht wirklich der Auslöser gewesen zu sein. Vielleicht lag es tatsächlich nur daran, dass er unterdessen erwachsen war und sein eigenes Weltbild entwickelte. Er wollte nicht der düstere Held sein, den man entweder liebte oder hasste. Richard wollte nicht, dass die Bewohner Gothams in Angst vor ihm lebten. Er wollte nicht eine ganze Stadt einschüchtern, nur die Kriminellen.

Noch immer sah er die aus Angst geweiteten Augen des kleinen Jungen vor sich, als Batman dessen Vater, nicht gerade auf zimperliche Art und Weise, überwältigte, nur weil er in der Wohnung Crystal hortete und dieses auf der Straße vertickte. Der Mann wollte auch nur für seine Familie sorgen. Bruce Brutalität hätte nicht sein müssen. Er war sich sicher, der Vater wäre auch so mitgekommen, alleine schon, um seinen Jungen zu schützen. Zudem war der Mann nur ein kleines Licht in der Kette des Drogenhandels gewesen und hatte sich im Gefängnis das Leben genommen. Über ihn war das GCPD auch nicht an die Drahtzieher gekommen. Es gab nur wieder eine Waise mehr in der Stadt. Richard hatte Kontakt zu dem Waisenhaus aufgenommen, versucht herauszufinden, in welcher Pflegefamilie der Vierjährige untergekommen war, aber ohne Erfolg. Die Unterlagen zu diesem Vorgang waren auf unerklärliche Weise verschwunden.

Nach diesem Vorfall hatten Bruce und er sich mörderisch in die Haare bekommen. Richard verteidigte seine Einstellung gegenüber Unschuldigen und Kindern, aber Bruce wollte all seine Einwände nicht hören, brummte nur etwas von Lektion fürs Leben und davon, dass der Junge sich erinnern würde, egal, was er in seinem zukünftigen Leben anstellen würde.

Nein, jetzt wollte Dick nicht weiter darüber nachdenken, auf ihn wartete Barbara. Diesmal kam Ramirez direkt auf ihn zu, nachdem er vorfuhr und nahm ihm die Kawasaki ab, um sie auf den Parkplatz des Restaurants zu fahren. Julio, ihr Kellner von damals, bemerkte ihn, nachdem er eintrat, winkte ihm und nickt in Richtung der abgetrennten kleinen Tische.

„Danke, Julio.“ Es dauerte einen Moment, bis Richards Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnten. Sein Blick glitt über die Tische, die verteilt in den gemütlichen, kleinen Ecken standen und dann entdeckte er sie - Barbara Gordon. Leuchtend rot flammte ihr Haar auf, als sich das flackernde Licht der Kerzen, die vor ihr auf dem Tisch standen, in den Strähnen brach. Die schlanken Finger um ein Glas mit Wasser gelegt, schien sie tief in Gedanken versunken.

Ein freudiges Lächeln stahl sich auf Richards Lippen, als er sie von seinem Standpunkt aus, für einen Moment lang, beobachtete. Es tat gut, sie zu sehen und das leichte Ziehen in seinem Magen, deutete darauf hin, wie gern er sie wirklich mochte. Ja, er freute sich auf diesen Abend. Die Gespräche, wenn sie sich Aug in Aug gegenüber saßen, hatten ihm wirklich gefehlt, auch die vertraute Nähe. Ungeachtet seines klopfenden Herzens trat er näher und blieb unmittelbar vor dem Tisch stehen. Noch immer blickte sie nicht auf, gefangen in ihrer eigenen Welt. Aus der Jackentasche zog er den kleinen, noch in Folie eingeschweißten, Elefanten aus Adlerholz und stellte ihn ihr direkt neben das Wasserglas.

Endlich regte Barbara sich. Ihr Blick hob sich, richtete sich auf ihn.

„Dick!“ Polternd fiel der Stuhl hinter ihr um, als sie aufsprang, um ihm in die Arme zu fallen. Zumindest dachte er dies, aber er schien sich zu täuschen. Mitten in der Bewegung hielt sie inne, sah ihn einfach nur an, wobei ein warmes Rot ihre Wangen überzog.

„Babs!“ Er schob sich an ihr vorbei, schon ein wenig enttäuscht darüber, dass sie ihr eigentliches Vorhaben nicht in die Tat umsetzte und stellte den Stuhl wieder hin. Bevor Barbara jedoch wieder Platz nehmen konnte, beugte er sich zu ihr und hauchte ihr, mit heftig klopfendem Herzen, einen Begrüßungskuss auf die Wange. Weich und warm fühlte sich ihre Haut unter seinen Lippen an und er hätte schwören können, dass kleine elektrische Ladungen zwischen ihnen hin und her sprangen.

„Wollen wir uns setzen?“, erkundigte er sich leise, da Barbara noch immer keine Anstalten machte sich zu rühren. Jetzt jedoch kam Leben in sie.

Nachdem sie beide saßen, schauten sie sich nur an. Es herrschte Schweigen, keine unangenehme Ruhe, eher gegenseitiges Einverständnis diesen Moment auszukosten.

Strahlten ihre Augen schon immer in einem so intensiven Grün? Glänzte ihr Haar schon immer so rot? Dick wusste es nicht. Vielleicht hatte auch nur die Entfernung und die Zeit des Getrenntseins, seine Erinnerungen getrübt.

Während er die Frau vor sich betrachtete, lauschte er in sich, vertraute auf die Gefühle, die ihn durchtobten und sah, wie sie nach dem geschnitzten Elefanten griff.

„Ich hab ihn in Mae Sot gekauft, direkt an der Grenze zu Myanmar“, erklärte er. „Schnuppre mal dran!“

„Riecht süßlich, wie Parfum“, bemerkte sie und stellte das Mitbringsel wieder auf den Tisch.

„Hmm, die ätherischen Öle, die aus dem Holz gewonnen werden, finden Anwendung in der Parfumindustrie“, fuhr er fort und war dankbar dafür, dass die kleine Mauer der Unsicherheit, die sich in den sechs Monaten aufgebaut hatte, zusammenbrach. Es fühlte sich plötzlich so an, als hätten sie gerade gestern Abend hier gesessen und ihre Pasta mit Trüffeln gegessen.

Leise unterhielten sie sich. Barbara erzählte und erzählte, berichtete, was sich alles in Gotham ereignete, erzählte von ihrem Studium, von den Veranstaltungen, die sie mit ihrem Vater besuchte, von den Treffen mit Bruce Wayne bei diversen Wohltätigkeitsfesten und erwähnte so ganz nebenbei, dass Batmans junger Partner vor einigen Monaten einfach so von der Bildfläche verschwand und von den verrückten Vermutungen, was mit Robin geschehen sein könnte. Sie frischte sein Wissen in Sachen Football und Baseball auf, wer in welches Team wechselte, wer verletzt und wie die Saison verlaufen war.

Richard genoss es einfach ihrer sanften Stimme zu lauschen und mit den Augen ihren Bewegungen zu folgen, wenn sie sich mit den schlanken Finger Haarsträhnen aus der Stirn strich. Er war ihr für den Redefluss dankbar, so musste er sich nämlich keine Universitätsgeschichten aus den Fingern saugen. In seinen Mails war es leicht gewesen, sie anzulügen, aber hier so offen, so persönlich und ganz ohne Schutz des anonymen Netzes, würde es ihm schwer fallen.

Irgendwann warf er einen Blick auf die Uhr. Beinah Mitternacht. Schon vor einer Stunde war im 'San Sebastian' Küchenschluss gewesen. Die Teller vor ihnen schon lange weggeräumt und die Flasche Wein beinah leer. Er hatte nur zum Essen ein Glas Wein getrunken, sich danach an Wasser gehalten, da er ja mit dem Motorrad hier war.

Barbara und er schienen die letzten Gäste zu sein. Julio stand, sich sichtlich langweilend, an dem Tresen und schaute zu ihnen.

„Wollen wir noch woanders hin?“, fragte er, während einer Gesprächspause. „Ich glaube, Julio ist froh, wenn er Feierabend machen kann.“

Durch seinen Satz aufmerksam geworden, schaute Barbara auf ihre Uhr. „Schon so spät“, murmelte sie, ehe ihr Blick sich regelrecht in seinen zu fressen schien. „Ich muss morgen zeitig raus.“

„Also nicht weiterziehen?“ Schade, er hätte nur zu gern noch ein paar Stunden mit ihr verbracht, egal wo.

Sie nahm ihr Glas und schaute ihn über den Rand hinweg an, während sie den letzten Schluck trank.

„Soll ich dich bringen?“

„Darauf hab ich spekuliert“, lachte sie warm und griff neben sich unter den Tisch. Zum Vorschein, kam sein alter Helm. „Magst Du mir irgendwann noch ein paar Fotos zeigen?“

Sie hatte seine Einladung nicht vergessen. Nun war guter Rat teuer. Ja, er hatte einige Fotos gemacht und ein paar davon konnte er tatsächlich, ohne Lügen zu müssen, vorzeigen, aber es waren halt nicht genug und schon gar keine Bilder von Kommilitonen, der Uni oder wilden Studentenpartys und so erklärte er notgedrungen: „Ich muss die Bilder erst mal entwickeln lassen, dann sichten, sortieren und eine Auswahl treffen.“ Um einer Vertiefung des Themas zu entgehen, winkte er nach Julio, damit er bezahlen konnte.

Sein Kontostand war in den sechs Monaten nicht wirklich geschrumpft. Nach drei Monaten, als er sich gerade in Japan aufhielt, hatte Bruce ihm Geld überwiesen, obwohl er nicht darum bat. Er hatte das Geld, stur wie er sein konnte, wieder zurückbuchen lassen, nur um eine Woche später festzustellen, dass es sich wieder auf seinem Konto befand. Er hätte das Spiel mit Bruce bis heute durchziehen können. Keiner von ihnen hätte den Platz als Sieger verlassen und so beließ er es dabei und mal ehrlich, dass Geld in sein Treffen mit Barbar zu investieren, erschien ihm passend.

Er zahlte und half ihr in die dicke Jacke. Es war März. Das Wetter deutete zwar schon auf den nahenden Frühling hin, aber Nachts war es noch empfindlich kalt und plötzlich war es wieder da, dass aufgeregte Flattern in seinem Magen. Er konnte es kaum noch erwarten, ihre Hände an der Hüfte zu spüren und so ließ er sich Zeit, als er sie nach Hause fuhr. Er blieb unter der vorgeschriebenen Richtgeschwindigkeit und genoss Barbaras Nähe.

Irritiert und mit Wehmut nahm er später zur Kenntnis, dass ihr Auf Wiedersehen vor dem Haus kurz und schmerzlos ausfiel. Barbara schien es mit einem mal sehr eilig zu haben. Er wusste nicht, was die Hektik auslöste und hoffte, dass es nichts mit ihrem gemeinsamen Abend zu tun hatte.

Nachdenklich machte er sich auf den Heimweg.
 

***
 

Wayne Manor lag im Dunkel, als er den Weg hinauffuhr und die Kawasaki an ihrem Platz, in der riesigen Garage, abstellte.

Seine Gedanken kreisten, wie nicht anders zu erwarten, um Barbara. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken sich in sein Robin-Kostüm zu werfen und auf Patrouille zu gehen. Einfach nur, um den Kopf freizubekommen. So richtig behagte ihm die Idee aber nicht und so verwarf er sie. Es war spät und er seit beinah vierzig Stunden auf den Beinen. Er würde nicht konzentriert genug sein und ein Fehlgriff konnte ihn das Leben kosten. Alles was er daher noch tun würde, war, sich eine Flasche Wasser holen und danach ins Bett fallen.

Leise lief er durch die finsteren Gänge. Er benötigte kein Licht. Er wusste ganz genau, wo welche Möbel standen, wo sich Stufen befanden und Türschwellen. In der riesigen alten Küche angekommen, begab er sich zu der große Vorratskammer, in der sie nicht nur die Getränke aufbewahrten und griff nach einer Flasche.

„Master Richard!“

„Alfred...“ Erschrocken wirbelte der junge Mann herum, blickte zu dem Butler, der einen Morgenmantel übergezogen hatte und Hausschlappen trug. „Wieso schläfst du nicht? Batman, Schrägstrich, Bruce befindet sich doch gar nicht in der Stadt.“

„Ich muss ihnen etwas zeigen.“

„In Ordnung.“ Die Finger um die Flasche gelegt, folgte er neugierig der guten Seele des Hauses in dessen Gemächer.

Auf dem alten, sehr edlen Sekretär wirkte der Laptop ein wenig fehl am Platz. Ein Programm war geöffnet. Der Grundriss eine Loftes war auf dem Bildschirm zu erkennen.

„Während sie sich in diverse Kampftechniken einweisen ließen, habe ich mich auf die Suche nach einer passenden Wohnung für sie begeben und bin fündig geworden.“

Parkthorne Avenue, Blüdhaven las Richard auf den Maklerunterlagen, die neben dem Laptop auf dem Tisch lagen.

„Auf ihren Namen angezahlt, aber das Geld ist noch geblockt.“

Wie erstarrt blickte Dick auf die Mappe vor sich. Er konnte nicht glauben, was er sah was er las, es nicht fassen. Mühsam schluckte er.

„In ihren Briefen schrieben sie, dass sie mit dem Gedanken spielen nach Blüdhaven zu ziehen.“

„Alfred, ich...“ Er griff nach den Unterlagen. „Ich bin sprachlos.“

„Sie erwähnten zwar erst nach Star City zu gehen, um mit Roy zusammenzuziehen, aber ich glaube, ihr Herz schlägt eher für diese Gefilde. Wenn sie mir erlauben dies zu sagen? Außerdem befinden sich hier ihre Freunde, eine hübsche Rothaarige nicht zu vergessen. Überlegen sie es sich! Es fehlt nur noch ihre Unterschrift.“

Noch immer, wie vor den Kopf geschlagen, vertraute Dick seinen Gefühlen und schloss Alfreds Hand fest in seine. „Wie soll ich dies jemals...“

„Sie müssen nicht“, lächelte der ältere Herr. „Das ist noch nicht alles. Ich habe in der Zeit ihrer Abwesenheit noch viel mehr getan.“ Alfred entzog dem ehemaligen Zirkuskind seine Finger. „Wenn sie mir noch einmal folgen würden.“

Obwohl Richard hundemüde war und eigentlich nur ins Bett kriechen wollte, folgte er dem Butler in die Höhle. Ein Schauer rann ihm über den Rücken, als er nach sechs Monaten das Dunkel der Höhle wieder betrat. Er ließ den Blick schweifen, nachdem das indirekte Licht aufflammte. Links von sich entdeckte er sein altes Robin-Outfit, ordentlich einer schwarzen Schaufensterpuppe angezogen und sicher hinter Glas verwahrt.

„Was?“ Er trat näher und blieb staunend davor stehen, da er sich sicher gewesen war, dass Bruce alle Hinweise auf ihn aus der Höhle verbannte.

„Sie sind ein Teil von Master Bruce, von Batman, werden es immer sein. Sie haben ihm gefehlt, auch wenn er dies nie zugeben würde. Sie kommen dem, was ein eigener Sohn ist, am nächsten.“ Mit diesen Worten verschwand Alfred und ließ einen, immer nachdenklicher werdenden jungen Mann zurück.

Als Alfred zurückkehrte, hielt dieser einen Karton fest, die Art von Karton, die man erhielt, wenn man in einer Nobelboutique edle Designerstücke erwarb. „Ihre neue Identität“, erklärte Alfred und reichte ihm das Päckchen. „Sie schickten mir ihre ersten Entwürfe und baten mich um meine Meinung. Dies ist das Ergebnis.“

Dick ahnte, was er vorfinden würde, wenn er den Deckel abnahm und so fiel es ihm schwer, dass Zittern seiner Finger zu verbergen, als er den Karton öffnete. Vor ihm lag fließender, weicher, aber strapazierfähiger schwarzer Stoff mit blauen Elementen.

„Ich habe ihr gewünschtes Schwingensymbol ein wenig verändert und erweitert. Es befindet sich auf Brust und Rücken und hoffe es entspricht ihrer Vorstellung.“

„Alfred...“ Und wieder stand Richard sprachlos da.

„Fehlt nur noch ihr neuer Name.“

„Den verrate ich, nachdem ich mich umgezogen habe.“

„Handschuhe, Stiefel, Gürtel und weiteres Zubehör finden sie in der Umkleide.“

Richard konnte gar nicht schnell genug aus seinen Sachen kommen. Er wollte unbedingt fühlen und sehen, was Alfred für ihn schuf. Eng schmiegte der weiche Stoff sich an seine Haut und wärmte ihn. Er fühlte sich sofort wohl darin. Probehalber ging er in die Knie und streckte sich. Nirgendwo schnitt der Stoff ein, er passte sich seinen Bewegungen an. Genauso hatte er es sich vorgestellt. Passend zu seinem neuen Outfit fand er eine blaue Maske, blauschwarze Stiefel und blaue Handschuhe. Vollständig ausgestattet konnte er sich Alfred präsentieren.

„Du hast dich selbst übertroffen...“ Richard war sich fast sicher, dass er eben den selben Gesichtsausdruck vor sich hertrug, wie ein Kind, das zu Weihnachten, das heißersehnte Spielzeug unterm dem Weihnachtsbaum vorfand.

„Freut mich, wenn es ihnen gefällt.“

„Gefallen?“ Einen Blick auf den großen Bildschirm werfend, betrachtet Dick sein etwa unscharfes Spiegelbild. „Das beschreibt bei weiten nicht, was ich gerade empfinde. Es fühlt sich nicht nur gut an, Alfred. Ich hab das Gefühl, nie etwas anderes getragen zu haben. Es ist, als hätte ich etwas verlorenes, das ich sehr vermisste, wiedergefunden habe.“ Mit einem mal war Richard klar, dass er tatsächlich einen neuen Lebensabschnitt begann. Er würde die Wohnung in Blüdhaven nehmen, würde als sein neuer alter Ego über Blüdhaven, mit seinen gerade mal knapp fünfhunderttausend Einwohnern wachen und endlich aus Batmans Schatten treten.

„Eine Frage, habe ich noch an sie, Master Richard. Wie wollen sie sich nennen?“

„Nightwing...“
 

Sechs Tage später
 

Fertig. Endlich alle Umzugskisten ausgepackt. Mit einem befreienden Seufzen ließ Dick sich auf das Sofa fallen, legte die Füße auf den kleinen Wohnzimmertisch und lehnte sich zurück.

Zuhause, dies war sein Zuhause. Niemand da, ganz alleine, einfach tun lassen können, wozu man gerade Lust verspürte. Er war Alfred für seine Hilfe und tatkräftige Unterstützung dankbar.

Richard ließ den Blick schweifen, über den Fernseher auf dem Rack an der Wand gegenüber, zu der offenen Küche, die sich rechts von ihm befand, direkt neben der Glasfront und der Tür, die auf einen großen Balkon führte. Hinter ihm, noch abgetrennt durch einen einfachen Raumteiler, stand sein Bett, ein Kleiderschrank und eine einfache Regalwand, deren Fächer sich im Laufe der Zeit sicherlich noch füllen würden.

Seit vier Tagen wohnte er nun schon in Blüdhaven und hatte die ersten nächtlichen Erkundungstouren hinter sich gebracht und war in seinem neuen alten Ego als Nightwing auf der Bildfläche erschienen. Dabei hatte er sogar die ersten Kleinkriminellen an das hiesige Police Departement übergeben können. Er schien in seiner neuen Heimat angekommen zu sein. Nun musste er nur noch entscheiden, was er mit seinem Leben als Richard Grayson anstellen würde. Zwei Ideen ließen ihn nicht in Ruhe, geisterten immer wieder durch seinen Kopf: entweder weiter studieren, am liebsten Sportwissenschaften und Trainingswissenschaften oder aber eine Ausbildung beim BPD beginnen. Beides barg seine Vor- und Nachteile. Er würde in einem günstigen Moment mal mit Alfred darüber reden, und wenn er dann immer noch keine Entscheidung treffen konnte, würde ihm sicherlich Barbara behilflich sein. Apropos Barbara. Er hatte sich für Samstag mit ihr verabredet, da er ihr bisher noch nicht mitteilte, dass er in einer Hauruckaktion Gotham verließ. Er musste es ihr erzählen.

Alfred hatte die Wohnung wirklich passen ausgewählt. Hinter einem der Regale, gab es einen kleinen weiteren Raum, der anscheinend einmal als Abstellraum geplant war. Ihm leistete der Raum gute Dienste und dank einer kleinen technischen Spielerei, würde niemand, der ihn besuchte, hinter sein gut gehütetes Geheimnis kommen. Er musste einfach nur den winzigen Schalter, der sich in der Schublade seines Nachttisches befand, betätigen und das Regal würde zur Seite schwingen und den Blick auf seine Ausrüstung freigeben.

Er freute sich auf die Nacht. Nach drei Erkundungsnächten, war ihm die nähere Umgebung schon in Fleisch und Blut übergegangen.

Er zog sich um, löschte das Licht und verschwand über den Balkon auf dem Dach.

Blüdhaven roch anders und fühlte sich anders an, aber ihm gefiel es. Blüdhaven schien bunter und lebensfroher als Gotham, aber auch hier herrschte die Unterwelt. Er würde viel zu tun haben. Während sie in Gotham die Kriege zwischen den verschiedensten Gangs weitestgehend eindämmen konnten, tobte hier der Kampf in vollen Zügen. Die Triaden gegen die Yakuza, dieser wieder gegen die italienische Mafia und diese gegen die Albaner und die Russen.

Bevor er sich jedoch mit den Köpfen des organisierten Verbrechens anlegen konnte, musste er erst einmal die Strukturen in dieser Stadt durchschauen und da würden ihm die Kleinganoven behilflich sein. Wenn er diese verfolgte und stellte, würde er nach und nach die Informationen bekommen, die er benötigte und zur Not ging er undercover.

Heute zog es ihn Richtung Notaufnahme, vorbei an der Polizeiwache in seinem Viertel und der Feuerwehr. Er versteckte sich nicht wirklich. Sollte Blüdhaven ruhig merken, dass sie, wie ihre Nachbarstadt Gotham, einen Beschützer besaß. Es kursierten eh schon die ersten Fotos von ihm. Spekulationen machten sich breit, seine Ankunft verbreitete sich wie ein Lauffeuer, aber bisher war es ruhig geblieben. In die Nachrichten hatte er es noch nicht geschafft, aber dies war nur eine Frage der Zeit. Spätestens, wenn Batman in Blüdhaven aufschlug und dies jemand bemerkte, würde der Teufel los sein.

Bis heute hatten weder Alfred, noch er, Bruce, von den neugeschaffenen Tatsachen, in Kenntnis gesetzt. Richard wollte es seinem Adoptivvater selbst mitteilen, das war er ihm schuldig. Obwohl er sich ziemlich sicher war, dass Bruce, auch im fernen Tokio, ganz genau wusste, was in Gotham vor sich ging und dass er erst recht alles wusste, was seine Familie, also Alfred und ihn betraf.

Gegenüber des BPD bezog Nightwing seinen Posten. Ganz ehrlich, ihm fehlte seine Identität als Robin nicht wirklich. Er vermisste Robin nicht, auch nicht das bunte Kostüm und schon gar nicht das Cape, welches ihn eigentlich immer nur in seinen Bewegungen einschränkte. Zum ersten mal in seinem Leben hatte er den Eindruck wirklich frei zu sein und dieses Gefühl genoss er in vollen Zügen.

Am liebsten hätte er einmal ganz laut aufgeschrien, als er sich von dem Dach schwang, um das nächste, ein wenig tiefer gelegene zu erreichen. Sein Weg führte ihn direkt zum Hospital. Er wollte sich die Umgebung anschauen und sich Routen einprägen, nur für den Notfall. Er sollte seine neue Heimat, wie das Innere seiner Hosentasche kennen. Diese Aufgabe würde er in den nächsten Nächten sehr ernst nehmen.

Aus den Augenwinkeln nahm er einen Schatten, auf dem Haus, auf der anderen Straßenseite wahr. Als er seine Aufmerksamkeit jedoch darauf richtete, konnte er niemanden entdecken.

Wurde er verfolgt? Er würde es bemerken und so setzte er seinen Weg fort, behielt jedoch die Umgebung im Auge. Drei Blöcke, vier Blöcke, nichts, es blieb ruhig. War vielleicht wirklich nur ein Bewohner des Hauses gewesen, eventuell auf der Jagd nach einem Schnappschuss von ihm.

Da lag sie endlich vor ihm, hell erleuchtet, die große Notaufnahme und da war er wieder, der Schatten, verschwand eben im Dunkel, weit genug entfernt vom Helikopterlandeplatz.

Nightwing hielt inne, zog sich hinter eine Klimaanlage zurück und schaute hinüber. Jetzt erkannte er die einsame Gestalt, die sich wieder bewegte und zu ihm blickte - Batgirl. Was tat sie in Blüdhaven? Ihr Revier war Gotham und mit Sicherheit gab es dort genug zu tun oder stellte sie sein Begrüßungskomitee dar?

Vor ihr musste er sich nicht verstecken. Ihr war es sicher nicht verborgen geblieben, dass es nun einen Maskierten in Blüdhaven gab. Wollte sie nach dem Rechten schauen? Überprüfen, ob er eine Gefahr darstellte?

Viel Überzeugungsarbeit würde er nicht leisten müssen, außerdem freute er sich, sie gesund und munter wiederzusehen und es tat gut zu wissen, dass auch in Batmans Abwesenheit jemand Augen und Ohren offen hielt.

Beruhigt stellte Dick fest, dass er innerlich ganz gelassen blieb, dass sein Herz nicht mehr im Stakkato schlug und sein Magen sich nicht zusammenzog. Diese Nichtreaktionen seines Körper, bewiesen ihm, dass er damals doch nur von Batgirl schwärmte.

Er tat es ihr gleich, verließ seine Deckung und erreichte kurz darauf das Dach der Notaufnahme.

„Na, wieder mal zu spät dran, Robin?“

Nein, das konnte nicht... Es war, als würde jemand eine eiserne Klammer um sein Herz legen. In seinem Magen zog es. Der Satz, die Ausdrucksweise, die Art der Betonung... Konnte es wirklich sein? Er kannte diesen Satz nur zu gut, hatte ihn zwei Jahre lang immer wieder gehört. Es war Barbaras ganz persönlicher Running Gag gewesen, wann immer er in der Universitätsbibliothek auftauchte. Niemand anderes würde mit diesem amüsierten Tonfall diese Frage stellen. Vor ihm konnte nur Barbara stehen, auch wenn ihre Stimme, dank Stimmenverzerrer, tiefer und rauer klang. Und als dieses Wissen bei ihm auf fruchtbaren Boden fiel, vertraute er blind seinem Instinkt.

Mit ein paar Schritten stand er vor seinem Batgirl. Er bremste sich nicht, hielt sich nicht zurück. Alles in ihm schrie nach dieser Frau. Seine Hände legten sich, wie damals in der Gasse, an ihre Taille. Fest zog er sie näher an sich, ehe er die Lippen vor sich sanft eroberte, aber anders als damals, traf er sofort auf Widerstand. Umgehend zog sich Batgirl zurück.

„Meine Prinzipien haben sich während deiner Abwesenheit nicht verändert, Robin. Wie nennst du dich jetzt?“ Ungeniert ließ sie den Blick über ihn schweifen, musterte ihn von oben bis unten. „Echt heißes Outfit...“

„Nightwing“, nannte er leise seinen neuen Namen.

„Nightwing, also.“ ihre Hand legte sich flach auf seine Brust. Sanft zeichnete sie sein neues Symbol nach, ehe sie ihn umrundete, dabei die Hand weiterhin über den weichen Stoff gleiten lassend, ehe sie wieder vor ihm stehen blieb. „Und wenn du noch so heiß aussiehst, Nightwing, muss ich dich enttäuschen. Ich will noch immer wissen, wen ich küsse und demjenigen dabei in die Augen schauen können. Ich kenne dich nicht, weiß nicht, wer sich hinter der Maske verbirgt und ich habe noch weniger Ahnung davon, wie du wirklich tickst. Nimm es mir nicht übel, aber ohne ein Kennenlernen, wird das nie etwas. Außerdem gibt es jemanden in meinem Leben, der mir sehr wichtig ist.“

Richard schluckte. Es gab jemanden in ihrem Leben, aber sie hatte ihm gegenüber doch nie jemanden erwähnt, nicht einmal Andeutungen gemacht. Dabei war er sich sicher, dass sie ihm davon erzählt hätte. Weil es niemanden gibt, rief tief in ihm eine leise Stimme, niemanden außer dich. Lag es im Bereich des Möglichen? Sollte er dieser jemand sein?

„Ich bin mir sicher, dass du mehr über mich weißt, als du ahnst“, erklärte er leise. „Mag ja sein, dass Batgirl nichts für den Superhelden empfindet, aber ich hoffe, dass du den Mann unter der Maske magst.“ Er konnte regelrecht die Fragezeichen in ihrem Gesicht erkennen. „Ich bin kein Unbekannter und wenn mein Gefühl mir nicht nur Streiche spielt, dann...“ Seine Finger griffen nach der Maske, die sie trug. „... bin hoffentlich ich der Mann, der dir wichtig ist.“

Ein Zittern lief durch ihren Leib, ehe sie am gesamten Körper versteifte. Einzig ihre Hände bewegten sich noch. Sie wollte ihre Demaskierung verhindern.

„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich dich die letzten Monate vermisst habe, Babs...“ Vorsichtig lüftete er ihre Maske. Langes, welliges, rotes Haar ergoss sich wie eine Flut. Grüne Augen starrten ihn ungläubig an.

„Du sagtest damals, nicht ohne ein Date. Ich kann nur hoffen, dass das Treffen am Mittwochabend im 'San Sebastian' Date genug für dich war...“ Unbeschreibliche und auch unbekannte neue Gefühle, pulsierten durch seinen Körper.

„Dick...“

Nickend fanden seine Hände wieder ihre Taille und seine Lippen die ihren, dann spürte er, wie sie sich regelrecht an ihn klammerte und den Kuss leise keuchend erwiderte.
 

Ende

© by Grayson

September 2016



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Ryukin
2016-11-08T18:50:09+00:00 08.11.2016 19:50
Ui echt heiß, die Demaskierung! Mir gefällt die Idee, wie sie mit der Hand das Symbol nachzeichnet. Wie sie dafür einmal um ihn rumgehen muss. Echt toll! Deine Geschichte spielt sich wie ein Film in einem Kopf ab!
Antwort von:  Grayson
23.11.2016 14:10
Schön, wenns gefällt... ich hab echt überlegt, ob ich die Szene ein wenig heißer gestalte und nicht unbedingt beim Kuss abblende *g*... aber dann hätte ich das Rating der Story ändern müssen und das wollte ich nicht... wer weiß, vielleicht packt es mich ja mal und ich schreib ne heiße Szene zwischen den beiden, irgendwo auf nem Dach, im Sommer, hmm, vielleicht eben jener Volltreffer *lach*... Interesse?
Von:  Ryukin
2016-10-31T17:15:40+00:00 31.10.2016 18:15
Süß wie Alfred alles organisiert hat. Er ist mehr Vater als Bruce! Man fühlt, wie Nightwing überwältigt ist! So muss den Rest noch lesen :-D !
Antwort von:  Grayson
23.11.2016 14:07
Huhu... Irgendwer muss ja für einen da sein... Und für Dick ist es zu dem Zeitpunkt eben Alfred... Ich fands irgendwie passend, dass Alfred ein wenig hinter Bruce Rücken hantiert *g*... naja, so ganz stimmt das ja nicht, ich meine vor Bruce, oder besser Batman bleibt ja nichts verborgen... Dennoch lässt er die beiden ja mache...


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