Nicht dein Leben... von Grayson ================================================================================ 12. --- Den Nachmittag verbrachten Richard, Barbara und ihre Nachbarin Jenny damit alles für den Abend vorzubereiten und obwohl ihnen immer wieder drei Kinder und ein Hund zwischen den Beinen herumwuselten, waren sie gegen 18:00 Uhr mit den Vorbereitungen fertig und ließen sich auf das Sofa fallen. Es blieb ihnen noch genügend Zeit um ein wenig zu plaudern, etwas zu trinken und die Ruhe zu genießen. Da Dean und Michael, Jennys Mann und Nickys Vater, auch heute arbeiteten, würden sie erst gegen 21:00 Uhr vollzählig sein. Für das Fondue stand alles auf dem Esstisch bereit, die Zutaten in verschiedene Gefäße gefüllt, warteten im Kühlschrank auf ihren Einsatz. Gegen 22:00 Uhr würde Ariana die Fischplatte auf den Weg schicken. Zur Hälfte standen die Getränke in dem Getränkefach des Kühlschrankes, und zur anderen Hälfte in einer Klappbox auf der Terrasse. Während Barbara und Jenny sich leise unterhielten, beobachtete Richard die Kinder, die beinah den gesamten Fußboden für sich erobert hatten. Ganz selbstlos hatte Johnny seine Vater gebeten, die große Lego-Truhe aus seinem Zimmer zu holen, damit sie im Wohnzimmer ihre eigene Stadt aufbauen konnten. Mit offenem Mund werkelte Nicky an einem Haus herum. Johnny verteilt die Grundplatten in verschiedenen Farben und legte die Straßen und Kreuzungen aus und Lian stellte schon die ersten fertigen Gebäude auf die Platten: gerade eben ein Polizeirevier, davor verteilte sie kleine Legomännchen in Uniformen, dass sich darunter auch Feuerwehrmänner und Ärzte befanden, schien die Kinder nicht zu stören. Seltsam still verhielten sie sich, anscheinend einig darüber, wer welche Aufgabe erfüllte. Lächelnd schaute Richard dabei zu, wie die Legostadt immer mehr Gestalt annahm. Wenn sie Glück hatten, räumten die Kinder die Spielsachen nachher wieder auf, wenn sie aber Pech hatten, dann würden sie in den nächsten Tagen immer einen großen Bogen um die Stadt gehen müssen. Er trank noch einen Schluck von seinem Bier, dann erhob er sich, nahm seine dicke Jacke, griff nach dem Smartphone und pfiff leise durch die Zähne, damit Jason ihm Gesellschaft leistete. Auf der Terrasse blieb er stehen, wählte Roys Nummer und während er dem Klingeln lauschte, glitt sein Blick über den abgedeckten Pool, das bräunliche Wintergras und die kahlen Bäume, die wie seltsam anmutende Skelette in der Dunkelheit der Winternacht wirkten. „Hallo, Dick!“, vernahm er, nachdem er es eine ganze Weile hatte klingeln lassen, Roys Stimme. „Alles in Ordnung bei euch?“ „Alles Bestens, Roy. Lian geht's gut. Sie betätigt sich als Architektin in Johnnys Legostadt und wir müssen aufpassen, das wir nicht plötzlich Godzilla spielen und alles einreißen.“Auf der Sitzfläche der Schaukelbank, die Sommer wie Winter auf ihrer Terrasse stand, ließ er sich nieder. „Ich wollte mal hören, wie es dir geht und fragen, was deine Träume machen.“ „Ich sag es mal so, Richard, sie werden immer verworrener. Sani, mein spiritueller Führer ist fest davon überzeugt, dass mich Visionen heimsuchen. Unter seiner Anleitung habe ich es heute zum ersten mal geschafft, die Träume hervorzurufen, ohne dabei zu schlafen.“ „Wie viel Peyote hast du dafür konsumieren müssen?“, grinste Richard. Für eine Weile herrschte Schweigen am anderen Ende. Es schien so, als würde Roy tatsächlich darüber nachdenken, welche Antwort er auf diese Frage geben sollte. Ein: „Ähm“, war alles was Johnnys Vater darauf zu hören bekam, dann fuhr Roy, ohne darauf einzugehen, fort: „Manche Bilder lösen Angst in mir aus, andere stimmen mich traurig oder sorgen für ungewolltes aufgeregtes Herzklopfen. Ich sehe nur Bruchstücke. Die Visionen scheinen nicht zeitlich sortiert zu erscheinen. Ich kann mir ihre Zusammenhänge nur wage zusammenreimen.“ „Dann erzähl mal, was du so siehst!“ Richard spürte die freche Hundeschnauze, die ihm immer wieder gegen das Knie stupste. Ein eindeutiges Zeichen dafür, das Jason seine Aufmerksamkeit verlangte und so versenkte er die Finger in dem weichen, warmen Fell. Ein heiseres Lachen erklang durch den Hörer. „Du würdest es mir sowieso nicht glauben.“ „Bist du dir da sicher?“ Damit er Roy besser lauschen konnte, lehnte Richard sich zurück. Ihn störte es nicht, dass Jason zu ihm auf die Bank sprang, sich neben ihn legte und den Kopf auf seinen Schoß bettete. „In Ordnung, aber nicht lachen. Wo fange ich am besten an?“ „Am Anfang?“ Bildhaft sah Richard seinen besten Freund vor sich, wie er mit untergeschlagenen Beinen auf dem Bett in seinem Hotel saß oder einfach nur da lag, eine Hand unter dem Kopf gelegt. „Es gibt keinen Anfang. Ich erzähl einfach mal das, was mir in den Sinn kommt. In meinen Visionen war ich Privatdetektiv und lebte in LA. Davor war ich Undercoveragent beim CBI, dabei habe ich wohl Cheshire, also Jade kennen und lieben gelernt. Es ist verrückt, es fühlt sich so an, als hätte jemand mein Leben vollkommen neu geschrieben und verändert, aber irgendwie nicht im positiven Sinne. Ich glaube, ich habe sogar mal einen Pfeil auf Ollie abgeschossen und ihn im Rücken getroffen, dazu kommt die Heroinabhängigkeit.“ „Wie fühlst du dich dabei?“ Mit einer gewissen Unruhe in sich, hatte Richard seinem Freund gelauscht. „Wie ein Fremder... Ich glaube so geht es Menschen, die ihr Gedächtnis verloren haben und von, für sie, wildfremden Menschen ihr Leben erzählt oder auf Photos und Videos gezeigt bekommen. Du spielst übrigens eine große Rolle in meinem Selbstfindungstrip.“ „Dann lass mal hören! Ich bin neugierig.“ Gespannt wartete Richard mit klopfendem Herzen ab. Würde er jetzt einiges mehr erfahren? „Wir bildeten ein Team, du, ich und noch drei andere. Wir nannten uns Teen Titans. Ich kenne die anderen Mitglieder nicht. Ich kann mich nicht erinnern ihnen jemals im wahren Leben begegnet zu sein. Einer nennt sich Aqualad und nun wird es total verrückt. Er ist Atlanter, ja, du hörst richtig, er kommt aus Atlantis und kann, wie ein Fisch, unter Wasser atmen. Dann ist da noch Kid Flash, ein Teenie mit Supergeschwindigkeit und Wonder Girl, eine Amazone. Sie gab unserem Team sogar den Namen und ich, ich habe wohl eine heftige Romanze mit ihr gehabt.“ Metawesen, schon wieder. „Klingt alles ziemlich abenteuerlich.“ „Wem sagst du das, Richard. Ich durchlebe es jeden Tag und ehrlich, ich kann es kaum erwarten, mehr zu erfahren.“ Still ließ Richard seine Hand auf Jasons Kopf liegen. Veränderte Zeitlinien, hämmerte es immer wieder in seinem Kopf. „Ach, ehe ich es vergesse. Erinnerst du dich? Ich habe dir zu Weihnachten von einer außerirdischen Prinzessin erzählt.“ Obwohl Roy es nicht sehen konnte, nickte Richard bestätigend. „Sie kommt vom Planeten Tamaran, nennt sich Starfire und heißt Koriand'r. Ein ziemlich heißes Geschoss, wenn du mich fragst. Sitzt du, Dick?“ „Tue ich“, bestätigte der Schwarzhaarige und fragte sich, was Roy ihm als nächstes erzählen würde. „Ich war zwar nicht wirklich anwesend, als Starfire dich küsste, um unsere Sprache zu lernen, aber dies löste wohl etwas in dir aus. Du wolltest sie sogar heiraten.“ „Wollte?“, echote Richard und schüttelte den Kopf. Was kam noch? Hatte er in der anderen Zeitlinie vielleicht mit ihr Kinder? „Wolltest, ja. Ihr wolltet euch gerade euer Eheversprechen geben, als euer Pfarrer von Raven, einem Teammitglied von uns, getötet wurde.“ Das war dann doch etwas viel des Guten. Er, eine andere heiraten? Niemals. Unvorstellbar für den glücklichen Ehemann und stolzen Vater. Bisher hatte er seine Entscheidung, Barbara zu heiraten nie bereut. Sie passten so gut zusammen, ergänzten sich und konnten sich in allen Lebenslagen aufeinander verlassen. Richard wollte nicht mal daran denken, eine andere, als sein Batgirl zu lieben. „Dick, bist du noch da?“ Räuspernd meldetet Richard sich: „Ja.“ „Atmen, mein Freund. Die Beziehung zwischen Starfire und dir war nach dem Vorfall nie wieder wie davor.“ „Weißt du was mit Babs ist?“ Unbewusst hatten Richards Finger, die das Smartphone hielten, sich schmerzhaft um das Gehäuse geklammert. „Nein, keine Ahnung. Sie ist wohl Batgirl, aber das zwischen euch, hat anscheinend die Teeniephase nicht überstanden.“ „Roy, das klingt alles so unglaublich phantastisch, dass es beinah schon wieder wahr sein könnte“, überlegte Richard laut. „Wie meinst du das?“ „Nichts, Roy, gar nichts. Ich hab nur nachgedacht.“ Nein, er würde Roy noch nichts von Red Hood erzählen. Er war viel zu neugierig darauf mehr zu erfahren. Er konnte Roy in alles einweihen, wenn er wieder da war. Wenn er es ihm jetzt sagte, dann würde sein Freund sich in den nächsten Flieger setzen und er nie erfahren, was sich in der anderen Zeitlinie alles zugetragen hatte. „Falls wir uns heute nicht noch mal sprechen sollten, wünsche ich dir noch einen schönen Abend. Konsumier nicht zu viel Peyote und komm gut ins neue Jahr.“ „Ebenso. Grüß Barbara, gib ihr einen Kuss von mir und kannst du mir mein kleines Mädchen noch mal geben!“ „Mach ich.“ Richard erhob sich, zog die Terrassentür auf, ließ Jason ins Haus und folgte dem Hund ins Warme. „Lian, dein Vater!“ Wie ein Wiesel so flink, eilte Roys Tochter zu ihm, nahm ihm das Telefon ab und verzog sich damit auf die Treppe, damit sie in Ruhe und vor allen Dingen alleine mit ihrem Dad sprechen konnte. „Bei Roy alles in Ordnung?“ „Ja, alles in Ordnung.“ Nachdenklich hing Richard dem eben in Erfahrung gebrachten nach. Er beugte sich zu seiner Frau hinab, hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte: „Mit einem Gruß von Roy.“ Er legte die Jacke ab und schüttelte innerlich den Kopf. Nein, er würde niemals eine andere heiraten. Barbara war sein Leben, sein Glück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)