Nicht dein Leben... von Grayson ================================================================================ 4. -- Nachdem Richard und Tim zwei verfrorene, nasse Spielkameraden, die anscheinend die gesamte Zeit über im Schnee tollten, trocken legten, Bruce sich nicht mehr hinter der gestrigen Ausgabe des „Gotham City Herald“ versteckte und die beiden Frauen einen leichten Feldsalat mit Mozzarella und Granatapfel gezaubert hatten, schafften sie es tatsächlich, gegen 13:00 Uhr, gemeinsam an dem festlich gedeckten Tisch zu erscheinen. Das Gesprächsthema des Nachmittags bildete Tims und Arianas Verlobung. Gemeinsam wurde geplant und überlegt. Es wurden Ratschläge und gute Tipps gegeben, bis Ariana darum bat, endlich über etwas anderes zu sprechen und so wand man sich der Politik, der Kultur und der Musik zu. Der Einzige, den dies alles nicht zu interessieren schien, war Johnny, der still aß und den Blick über die Anwesenden schweifen ließ, dabei tief in seine eigenen Überlegungen versunken. Ab und zu ließ der Junge heimlich etwas von dem Gänsefleisch unter den Tisch fallen, damit Jason nicht wie ein Hund darben musste. Johnny wusste ganz genau, dass Jason nicht am Tisch gefüttert werden sollte, aber er befand sich ja nicht zu Hause, sondern bei dem immer etwas mürrisch und ernst dreinschauenden Bruce Wayne, der so was wie sein Großvater sein sollte. Alfred mochte Johnny viel mehr, als den großen Mann, der der Adoptivvater seines Vaters war. Auch jetzt zwinkerte der Butler ihm zu. Alfred schien der einzige zu sein, der bemerkte, was sich unter dem Tisch abspielte. So sollte ein Großvater, Johnnys Meinung nach sein, gemütlich, liebevoll, interessiert an ihm und nicht wie Bruce Wayne, der ihn zwar wahrnahm, aber nie mit ihm scherzte, ihn mal drückte oder gar mit ihm spielte. Und so war Richards Sohn froh darüber, als sie sich nach dem ausgezeichneten, üppigen Essen in das große Wohnzimmer begaben. Im Kamin flackerte ein warmes orangenes Feuer. Und wie heute morgen zu Hause, lagen unter dem geschmückten Weihnachtsbaum, an dem sogar echte Kerzen befestigt waren, bunte Geschenke für ihn. „Johnny!“ Es war Tim der zu dem Jungen trat, als dieser unschlüssig vor dem Baum saß und sich anscheinend nicht getraute, eines der Geschenke zu öffnen. Noch immer in seine eigene Welt versunken kraulte Johnny seinen besten Freund und grub die Finger tief in das goldfarbene Fell. „Bist du gar nicht neugierig?“ „Doch“, murmelte der Sechsjährige, aber der Gedanke, dass seine Eltern seine Superhelden sein sollten, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen und wenn er seinen Gedanken weiter folgte, dann musste Onkel Tim Red Robin sein und sein Großvater Batman? Unwillig schüttelte er den Kopf. So sehr er sich auch immer wünschte, seinen Helden einmal wirklich zu begegnen, so sehr wünschte er sich jetzt, dass sie ihm die Wahrheit sagen würden. Er war doch kein kleines Kind mehr. Sein Daddy sagte doch ständig Großer zu ihm, wieso also hielten sie es vor ihm geheim? Am liebsten wäre Johnny aufgesprungen, um ganz laut zu schreien: ich weiß wer ihr seid, aber er schwieg. „Na los, Kleiner, nun pack schon aus!“ Wie sein Vater wuschelte Onkel Tim ihm durchs Haar. Eigentlich mochte Johnny dies, aber heute nicht und so zuckte er zurück, strich sich das Haar wieder glatt und funkelte seinen Onkel an. „Okay“, murmelte er dann doch und zog das erste kleine Päckchen, mit Rentieren mit roter Nase als Motiv auf dem Papier, zu sich. „Das nicht, Johnny, das ist für deine Mom!“ hielt Ariana den Jungen zurück, der sich daraufhin erhob und das Präsent zu seiner Mutter brachte. „Also nicht wirklich für dich“, lachte Tims Verlobte. „Es hieß ja, Geschenke nur für Kinder.“ „Danke!“ Aus leicht zusammengekniffenen Augen schaute Barbara ihren Sohn, dessen seltsames Verhalten ihr nicht entgangen war, an. Sie machte es sich auf dem riesigen braunen Ledersofa gemütlich und entfernte das bunte Papier. Ein paar winzige Turnschuhe fielen ihr entgegen und als würde das Kind in ihrem Leib spüren, dass es ein Geschenk für es war, fing es kräftig an zu treten. Barbara griff nach Arianas Hand, legte diese auf ihren runden Bauch und lachte. „Es sagt danke.“ Lächelnd fühlte Ariana den Tritten nach. „Und ihr wollt wirklich nicht wissen, was es wird?“ „Nein“, antworteten die werdenden Eltern wie mit einem Mund. „Bei Johnny wussten wir es doch auch nicht“, erklärte Barbara. „Außerdem hat dies einen großen Vorteil. Niemand schenkt einem rosafarbene oder hellblaue Babysachen.“ Wie zum Beweis hielt sie die winzigen grünen Turnschuhe hoch. „Na los, Johnny, du bist dran“, erinnerte Tim seinen Neffen. Passend zu seinem Baseballhandschuh fand Johnny Basebälle unter dem Baum, drei Stück an der Zahl, einen Plüsch-Golden-Retriever, einer weltweit bekannten Plüschtiermanufaktur und ein neues Head-Set für seine X-Box, damit er sich auch weiterhin online mit Tim unterhalten konnten, wenn sie gemeinsam eines von Johnnys Legospielen zockten. Johnnys Head-Set knackte und brummte seit einer geraumen Weile und man konnte tatsächlich den Anflug eines Lächelns auf dem kindlichen Gesicht erkennen. Das letzte Paket enthielt die Batgirl-Action-Figur, die der Junge sich so sehr gewünscht hatte. Jeder der Anwesenden im Raum schien die Luft anzuhalten, als Johnny das Papier entfernte und danach auf sein Geschenk schaute. Der Junge sprang nicht wie heute morgen kreischend durch den Raum. Er nickte nur, murmelte ein: „Dankeschön“, und erkundigte sie bei seinem Onkel, ob er nach oben gehen durfte um zu spielen. „Was hat er denn?“, fragte Tim während er die Reste des Geschenkpapiers aufhob und die Geschenke auf einem Sideboard ablegte, nachdem Johnny den Raum verlassen hatte. Richard zuckte mit den Schultern. „Heute morgen schien seine Welt noch in Ordnung zu sein, aber seit er baden war, schweigt er vor sich hin. Vielleicht wäre er lieber zu Hause oder drüben bei Nicky spielen. Ich kann es nachvollziehen. Als einzige Kind unter lauter Erwachsenen, da kann es ganz schön langweilig werden.“ „Ich geh mal zu ihm.“ Tim folgte dem Grayson Sprössling und holte ihn auf der Treppe, die nach oben führte, ein. Er griff den Jungen an der Taille, drehte ihn zu sich und schloss ihn in die Arme. „Hast du Bock eine Runde zu zocken?“ „Keine Lust“, grummelte Johnny, schlang aber die Arme um seinen Onkel. „Ich weiß, alleine zu sein ist nicht schön.“ Sanft glitten Tims Finger durch das wirre Haar des Kindes. „Onkel Tim, kann ich dich etwas fragen? Aber du darfst nicht böse sein.“ Vor dem Jungen ging der dunkelhaarige Mann in die Knie. Aufmerksam schaute er Johnny in die blauen Augen. „Du darfst mich alles fragen, Kleiner und keine Sorge, ich werde bestimmt nicht böse sein.“ Oh weh, was hatte der Kleine nur wieder angestellt, dass er sich nicht an seine Eltern wandte. „Daddy, ist er...“ Verlegen biss Johnny sich auf die Unterlippe und zappelte von einem Fuß auf den anderen. „Was ist mit deinem Daddy?“ „Ist Daddy...“ Johnny schaffte es nicht, die Frage aller Fragen zu formulieren. Viel zu groß war die Angst, zu erfahren, dass sein Vater tatsächlich Nightwing war oder eben doch nicht. Das Kind war sich nicht wirklich sicher, über was seine Eltern heute morgen genau gesprochen hatten. „Ach nichts, Onkel Tim.“ Bevor Timothy seinen Neffen weiter befragen konnte, vernahmen sie das Läuten an der Tür. Mit eiligen Schritten durchquerte Alfred die Empfangshalle, trat an die Gegensprechanlage und blickte auf den Monitor, bevor er auf dem Bedienungs-Panel das Symbol mit dem Lautsprecher berührte. „Alfred, ich bin es, Roy.“ „Ich öffne ihnen das Tor, Mister Harper.“ Plötzlich kam Leben in Johnny. Die eben noch melancholisch wirkenden Augen des Jungen strahlten. „Lian“, rief er und löste dabei die kräftigen Hände seines Onkels von seiner Hüfte. Der Junge stürmte die Stufen hinab, eilte durch die Halle und drängelte sich an Alfred vorbei, ehe er mit etwas Mühe die große, schwere Tür öffnete, um hinaus auf die Freitreppe zu gelangen, die zu dem Anwesen hinaufführte. Als Johnny den dunklen Mietwagen entdeckte, der den Kiesweg hinaufgefahren kam, konnte ihn nichts mehr aufhalten. Sobald der Wagen zum Stillstand kam, riss er die hintere Türe auf und wartete nicht erst ab, bis Lian ausstieg. Er kletterte zu ihr in den Fond und schloss das schwarzhaarige Mädchen, mit den schmalen Mandelaugen in die Arme. „Junge Liebe“, lachte der Vater des Mädchens, bevor er ausstieg. „Was verschafft uns die Ehre ihres Besuchs, Mister Harper?“ erkundigte Alfred sich von der Treppe. „Richard meinte, ich sei jederzeit herzlich willkommen.“ Auf der anderen Seite des Wagens öffnete der rothaarige Mann die hintere Tür und schaute zu den Kindern auf den Rücksitz. „Los, raus mit euch! Drinnen ist es bestimmt gemütlicher.“ Hand in Hand und fröhlich lachend, liefen Johnny und Lian in das große Haus. Von dem Rücksitz nahm Roy eine dick gefütterte, schwarze Lederjacke und zog sie über. „Soll ich einparken, Alfred?“ „Ich kümmer mich darum, Mister Harper. Gehen sie ruhig rein. Sie finden Richard im Wohnzimmer des Westflügels. Johnny weiß wo.“ Alfred hielt dem alleinerziehenden Vater seine Hand hin, damit er den Wagenschlüssel entgegen nehmen konnte. „Alfred!“ Lachend warf Roy den Schlüssel über das Wagendach in Richtung des älteren Mannes, der den Schlüssel geschickt auffing. „Keyless, Alfred.“ Als Roy die Empfangshalle von Wayne Manor betrat, überkam ihn wie immer ein Gefühl von Ehrfurcht. Sein Blick glitt zu seiner Tochter, die eben etwas in Johnnys Ohr flüsterte, worauf dieser freudig lachte. Ja, die Kids verstanden und mochten sich. In der Halle stehend schaute der Gast aus Star City sich um, bevor er jedoch den Weg in den Westflügel einschlagen konnte, erschien Timothy Drake auf der Treppe, die nach oben führte. „Hey Tim!“, grüße er. „Kannst du mir verraten, wo ich lang muss?“ „Hallo Roy!“ Tim nickte dem rothaarigen Mann zu, ehe sie sich die Hand zur Begrüßung reichten. „Lian, erst Guten Tag sagen, dann kannst du mit Johnny verschwinden.“ „Seht mal, wen ich mitgebracht habe“, sprach Timothy, nachdem er die Tür aufgezogen und den Blick in den Gang freigab. „Überraschung...“ Schalkhaft blitzen die blauen Augen unter den roten Haarsträhnen, die Roy locker ins Gesicht fielen, auf. „Ich störe hoffentlich nicht.“ „Niemals“, lachte Richard, der sein Bierglas wegstellte, sich von dem Sofa erhob und auf seinen besten und ältesten Freund zuging. „Schön dich zu sehen.“ Kurz zog er den gleichgroßen Mann für eine Begrüßung unter Männern an sich, bevor die beiden Männer von vier kleinen Händen zur Seite gedrängt wurden und Johnny und Lian in das Wohnzimmer stürmten. „Mom, dürfen Lian und ich hochgehen?“ fragte Johnny, während Roys Tochter Ariana und Bruce Wayne begrüßte. „Dürft ihr.“ Da war er wieder, Barbaras kleiner Wirbelwind, mit einem strahlenden Lächeln auf den feingeschnittenen, weichen Zügen. „Wir kommen mit hoch.“ Ariana erhob sich von den Sessel, auf dem sie saß und wandte sich an Barbara: „Du hast doch die neuen Zimmer noch nicht gesehen, oder?“ Hosted by Animexx e.V. 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