Demonic Rewind von Flordelis ([Demonic Reverie]) ================================================================================ Kapitel 24: Es wird Zeit, dass du deinen Meister findest. --------------------------------------------------------- [LEFT]Luan hatte das Gefühl eines Déjà-vus. Schon einmal war Cathan mit ihm aus Abteracht geflohen, damals gegen den Befehl von Vane, auf der anderen Zeitachse. Es war eine Ewigkeit her. Aber gleichzeitig war es ihm gerade in dieser Situation derart nah.[/LEFT] [LEFT]Die Straße über die Cathan lief war erstaunlich verlassen. Es war spät, aber doch nicht derart, dass niemand zu sehen sein dürfte. Da Luan nicht laufen musste, sondern von Cathan auf den Armen getragen wurde, blieb ihm ausreichend Möglichkeit dazu, sich umzusehen. Aber der Stadtteil, der ein Wohnbezirk sein musste, war so ruhig, dass es Luan fröstelte.[/LEFT] [LEFT]„Wohin gehen wir?“, fragte er leise, um die Stille nicht zu sehr zu stören. Dabei stellte er sich vor, dass unzählige winzige Organismen in den Schatten lauerten, darauf wartend, dass jemand den Frieden störte, nur um diesen Verbrecher dafür auf grausame Weise zur Rechenschaft zu ziehen.[/LEFT] [LEFT]Cathan warf einen kurzen Blick auf ihn hinunter, dabei wirkte er anders als sonst. So wie auch schon zuvor auf der Krankenstation. Sein Gesicht war hart, seine Augen ohne jede Emotion. Was war mit ihm geschehen? War das auch Luans Schuld?[/LEFT] [LEFT]Erst als Cathan wieder in die Entfernung sah, antwortete er ihm: „Wir werden bald ankommen. Dann ist es vorbei.“[/LEFT] [LEFT]„Was ist vorbei?“[/LEFT] [LEFT]„Alles.“[/LEFT] [LEFT]Das eröffnete nur neue Fragen für Luan, statt seine alte zu beantworten. Aber die Endgültigkeit in seiner Stimme verriet, dass er diese auch gar nicht weiter quittieren wollte.[/LEFT] [LEFT]„Hast du Parthalan gefragt, ob wir überhaupt gehen dürfen?“[/LEFT] [LEFT]Cathan stieß ein amüsiertes Lachen aus. Dieser Laut fuhr Luan wie eisiger Stahl in die Brust.[/LEFT] [LEFT]Doch ehe er einem beginnenden Verdacht nachgehen konnte, wurde seine Aufmerksamkeit bereits von einem roten Ball, der vor ihnen über die Straße rollte, beschlagnahmt.[/LEFT] [LEFT]Das erste Lebenszeichen anderer Personen. Luan war überrascht, dass es sich gerade um diese Uhrzeit um ein kleines Mädchen handelte. Das lange rosa Haar flatterte, während sie auf Cathan zurannte. „Entschuldigung, Mister. Abby wollte nicht stören.“[/LEFT] [LEFT]In ihren hellgrünen Augen konnte Luan ein eigenartiges Glitzern sehen, das nicht zu einem normalen Menschen passen wollte, schon allein weil es auch auf diese Entfernung deutlich zu erkennen war.[/LEFT] [LEFT]„Warum bist du denn noch wach?“, fragte Cathan an seiner Stelle. „Sollte ein kleines Mädchen wie du nicht schon längst im Bett sein?“[/LEFT] [LEFT]„Uhm.“ Sie neigte den Kopf, die Stirn nachdenklich gerunzelt. „Nein, das muss es nicht. Abby ist schließlich kein normales kleines Mädchen.“[/LEFT] [LEFT]Cathan begriff noch vor Luan, was das bedeuten sollte. Er wirbelte herum und streckte einen Arm aus, um etwas abzufangen. Aber davon bekam Luan nichts mit, als er mit den Knien schmerzhaft auf dem Boden aufprallte. Mit Tränen in den Augen blickte er zur Seite, wo er nur einen verschwommenen Fleck wahrnehmen konnte.[/LEFT] [LEFT]„Netter Versuch“, sagte Cathan, ohne Notiz von Luans Sturz zu nehmen. „Aber ihr könnt mich nicht aufhalten.“[/LEFT] [LEFT]„Glaubst du das wirklich?“ Die Stimme klang nach Kieran, aber sie war monoton, leblos. Es musste der Kieran einer anderen Welt sein – Kieran Haze, einer der Weltenzerstörer.[/LEFT] [LEFT]Luan erinnerte sich an ihn. Er war einer der Guten geworden, gemeinsam mit Morte und Ares. Warum griff er dann Cathan an?[/LEFT] [LEFT]Während die beiden sich aufeinander konzentrierten, spürte Luan plötzlich, wie er von jemandem vorsichtig wieder hochgehoben wurde. Er wischte sich über die tränenden Augen; sein Blick klärte sich, so dass er den schwarzhaarigen Mann, der ihn aus dem Gefahrenbereich beförderte, erkennen konnte: „Ares?“[/LEFT] [LEFT]„Es ist eine Weile her.“ Diese beherrschte, ruhige Stimme, in der immer noch Trauer widerhallte.[/LEFT] [LEFT]Es schien ihm wie eine Ewigkeit, seit sie sich zuletzt begegnet waren. Aber dürften sie überhaupt hier sein?[/LEFT] [LEFT]„Was macht ihr hier?“[/LEFT] [LEFT]Ares warf einen Blick über seine Schulter. „Wir sorgen dafür, dass diese Welt nicht auch ein Opfer des Weltenverschlingers wird.“[/LEFT] [LEFT]Luan blinzelte verwirrt. Er sah ebenfalls zu Cathan zurück, der sich noch immer gegen Haze zu verteidigen versuchte. Dieser schleuderte seinem Feind aus seinen Armen entstehende Klingen entgegen; Abby hüpfte immer wieder zwischen ihnen umher, erschuf Löcher in der Straße, um Cathan hineinfallen zu lassen. Doch er wich ihren Hindernissen spielend aus, gleichzeitig wischte er die Schneiden mit Handbewegungen einfach beiseite.[/LEFT] [LEFT]„Aber das ist Papa“, erwiderte Luan schwach, wieder in sein altes Muster zurückfallend. „Er ist kein Weltenverschlinger.“[/LEFT] [LEFT]„Lass dich von seinem Aussehen nicht irreführen.“ In einiger Entfernung hielt Ares wieder inne. Sie standen nun neben einer größeren Mülltonnenbox aus einfachem Beton. Hier setzte er Luan vorsichtig auf den Boden zurück. „Warte hier. Oder renn weg, wenn der Kampf überhand nimmt. Aber versuch nicht, dich einzumischen.“[/LEFT] [LEFT]Damit wandte er sich ab, doch Luan hielt seinen Arm fest. „Warte! Bitte tu ihm nicht weh. Papa meint es bestimmt nicht böse.“[/LEFT] [LEFT]Ares sah ihn nicht an, aber die Frustration war deutlich spürbar. „Ich sagte dir bereits, dass du dich nicht von diesen Äußerlichkeiten beeinflussen lassen sollst. Auch wenn er aussieht wie Cathan, so ist er doch jemand anderes.“[/LEFT] [LEFT]„Aber es ist trotzdem Papas Körper.“[/LEFT] [LEFT]Für einen flüchtigen Moment glaubte Luan, Ares würde sich losreißen und weggehen, aber stattdessen stieß er nur ein Seufzen aus. „Verstanden. Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber beweg dich bis dahin nicht.“[/LEFT] [LEFT]Seine Stimme war frostig und doch besorgt. Deswegen nickte Luan, dann ließ er ihn los. Ohne weitere Umschweife kehrte Ares mit großen Schritten zu Haze zurück, der sich nun seinerseits gegen Cathans Angriffe zu wehren versuchte. Er benutzte einen Schlagstock um den bläuliche Blitze und Funken zuckten, statt seiner üblichen Lanze; spätestens bei diesem Anblick wäre es Luan auch ohne Hilfe klar gewesen, dass es sich wirklich nicht um Cathan handelte.[/LEFT] [LEFT]Seine geschmeidigen Bewegungen, mit denen er sich Haze näherte, um ihn anzugreifen und sich dann wieder zurückzuziehen, wirkten wie ein Tanz, dessen Choreografie von jemandem stammte, der normalerweise einen ganz anderen Körper gewohnt war; deswegen trafen ihn manche der von Haze ausgehenden Klingen, streiften seine Haut, ohne ihn tief zu verletzen. Dennoch schmerzte es Luan, mitansehen zu müssen, wie nun auch noch Ares in den Kampf eingriff. Zum Ausgleich tauchten jedoch vier schemenhafte Wölfe auf, die aus Wolken zuckender blauer Blitze zu bestehen schienen. Gemeinsam stießen sie ein gellendes Heulen aus, dann stürzten sie sich auf Ares und Abby, worauf sich zumindest deren Aufmerksamkeit auf die Abwehr verschob.[/LEFT] [LEFT]Während Luan diese Kämpfe beobachtete – und sich dabei fragte, wie es sein konnte, dass niemand aufgrund des Lärms in den Häusern erwachte –, überlegte er, wer diese Abby sein sollte. Er hatte sie nie zuvor gesehen, aber sie kämpfte gemeinsam mit den beiden als wäre sie stets ein Teil von ihnen gewesen – und keiner von ihnen störte sich an ihr. Ares gelang es sogar, die Aufmerksamkeit eines ihrer Wölfe auf sich selbst zu ziehen, damit sie nur noch mit einem konfrontiert war. Dieser eine verbiss sich dafür gerade in ihren Arm, worauf schwarzer Rauch hervorquoll.[/LEFT] [LEFT]„Lass los!“, meckerte sie dabei, ohne zu zeigen, dass sie Schmerzen litt.[/LEFT] [LEFT]Ares hatte derweil keine Probleme mit seinen eigenen Angreifern. Mittels braunen Ranken, die einfach aus der Straße brachen, gelang es ihm spielend, die Wölfe zu fesseln und damit handlungsunfähig zu machen. Dann kostete es ihn nur zwei Handstreiche, um sie in Luft aufzulösen. Es wurde Luan deutlich, wie es Ares früher gelungen war gemeinsam mit Morte und Haze Welten, Welten zu zerstören.[/LEFT] [LEFT]In Cathans freier Hand erschien ein weiterer Schlagstock, mit dem er Ares' plötzlichen Angriff abhielt. Nun an zwei Fronten kämpfend wurde sein Tanz ein wenig ungelenkiger und fahrig. Immer öfter waren Fehler in seinen Schritten feststellbar, die ihn weitere Verletzungen kosteten. Bislang war aber noch keine wirklich schwer, der einzige Fakt, der half, dass Luans Puls nicht weiter anstieg.[/LEFT] [LEFT]„Ihr geht mir auf die Nerven“, kommentierte Cathan plötzlich. „Verschwindet endlich und mischt euch nicht in meine Angelegenheiten ein!“[/LEFT] [LEFT]Ein starker Windstoß aus dem Nichts ergriff sowohl Ares als auch Haze und schleuderte sie beiseite. Zufrieden wandte Cathan sich von ihnen ab und kam wieder auf Luan zu. Dieser legte automatisch eine Hand auf sein Herz und wich angsterfüllt zurück. Doch noch bevor Cathan in seine Nähe kommen konnte, erschien plötzlich eine andere Person vor ihm. Sie wandte ihm den Rücken zu, aber dennoch erkannte er das lange schwarze Haar und die blasse Haut, die er an ihren Armen sehen konnte. Cathan wusste wohl ebenfalls, um wen es sich bei ihr handelte, denn er fror in seinen Bewegungen ein. Dann stieß er jedoch ein spöttisches Lachen aus. „Wirklich? Das haben wir doch schon hinter uns. In der letzten Welt hat es euch auch nicht viel gebracht.“[/LEFT] [LEFT]Luan stutzte. In der letzten Welt? Was meint er?[/LEFT] [LEFT]Er konnte Mortes Gesicht nicht sehen, aber an der Art, wie sie ihren Kopf zur Seite neigte, wusste er, dass sie unschuldig lächelte. „Du bist zu süß, Verschlinger.“[/LEFT] [LEFT]Ihre in der Luft tanzende Stimme versprach wunderbare Dinge und trug gleichzeitig Sarkasmus mit sich, der sich einem einzuschleichen versuchte, so dass man sich nicht einmal davon angegriffen fühlen konnte. Selbst bei Cathan schien das zu helfen, denn er schmunzelte amüsiert, doch der Ausdruck wirkte falsch, verzogen, als trüge er nur eine Maske, die nun nicht mehr passte.[/LEFT] [LEFT]„Ich habe nicht vergessen, was geschehen ist.“ Morte deutete mit einem Arm zur Seite. „Deswegen habe ich diesmal noch jemanden mitgebracht.“[/LEFT] [LEFT]Luan sah zur Seite nur um einen hellen Schein wahrzunehmen. Im nächsten Moment stieß Cathan einen dumpfen Laut aus. Als Luan wieder zu ihm blickte, bemerkte er, dass der Mann auf dem Boden lag. Doch schon eine Sekunde später, sprang er auf die Füße zurück. Er schnaubte wütend, mehr genervt als verletzt. „Wie viele Personen wollt ihr noch gegen mich aufwenden?“[/LEFT] [LEFT]Langsame Schritte, die einen übernatürlichen Rhythmus vermittelten, näherten sich ihnen. Noch bevor Luan sie sah, wusste er, dass es Seline war, der dieser majestätisch anmutende Gang gehörte. Einige Meter entfernt von Cathan blieb sie stehen, einen Arm locker in die Hüfte gestemmt. Sie musterte ihn aufmerksam. „Also ist es wahr, dass der Weltenverschlinger die Körper anderer einnimmt, um seine Ziele zu erreichen?“[/LEFT] [LEFT]In einer theatralischen Geste hob er die Arme. „Was macht das schon? Die Dämonen in euch machen dasselbe.“[/LEFT] [LEFT]„Das zeigt nur, dass du keine Ahnung von dem hast, was unsere Dämonen ausmacht“, erwiderte Seline. „Du kannst nicht mit deiner Logik in eine fremde Welt kommen, und erwarten, dass sie dennoch greift. Es wird Zeit, dass du deinen Meister findest.“[/LEFT] [LEFT]Während sie das sagte, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. An ihrem linken Arm erschienen kaum sichtbare hellblaue Klingen. Sie lösten sich von ihr, um sie stattdessen schwebend zu umkreisen. Es erinnerte Luan an früher, als er ebenfalls die Atem-Prägung besessen hatte, doch bei Seline erschien sie ihm irgendwie … passender. Vielleicht lag das aber auch nur daran, weil sie die richtige stolze Haltung dafür einnahm.[/LEFT] [LEFT]Cathan wich ein wenig zurück, doch Ares und Haze, die wieder aufgestanden waren, näherten sich ihm, weswegen er innehielt. Er seufzte schwer. „Fein, dann bringen wir es hinter uns. Ich habe noch andere Dinge zu erledigen.“[/LEFT] [LEFT]Nach dieser Aufforderung legte Morte den Kopf ein wenig in den Nacken und begann zu singen. Luan verstand die Worte nicht, doch das war auch nicht notwendig. Sie entfalteten sich in der Nachtluft wie ein Schmetterling, der gerade aus seinem Kokon schlüpfte und seine schillernden Flügel das erste Mal ins Licht hielt. Wie dieses Bild vor Luans innerem Auge begannen Selines Klingen die Farben zu wechseln. Das zarte Hellblau vertiefte sich, wich einem zarten Lila, das sich verdunkelte, sich mit Rot abwechselte, Orange, Gelb, Grün, Blau. Der Farbwechsel geschah immer schneller, bis es schließlich so aussah als ob sie alle durch die Klingen hindurchflossen. Seline überbrückte die Distanz zu Cathan. Ein Tritt von ihr eröffnete den neuen Kampf.[/LEFT] [LEFT]Er wich ihr aus, während er gleichzeitig Angriffe von Ares und Haze abwehrte. Noch dazu gab es nun auch die acht Klingen, die unabhängig von Seline agierten; sie schwirrten umher, zogen farbige Schweife nach sich und zielten dabei stets auf seinen Oberkörper oder seine Beine. Seine Bewegungen waren nicht mehr derart elegant wie zuvor, sondern zeigten nun deutlich, dass er sich anstrengen musste, aber nach wie vor gelang es ihm, allem auszuweichen oder es abzuwehren. Morte sang immer weiter.[/LEFT] [LEFT]Luans Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Am liebsten hätte er Seline darum gebeten, den Kampf zu beenden und Cathan zu retten, aber warum sollte sie auf ihn hören, wenn sie es schon nicht von sich aus tat?[/LEFT] [LEFT]Das ist alles meine Schuld, fuhr es ihm durch den Kopf. Wenn ich nicht die Zeit zurückgedreht hätte, wenn ich nicht nach Abteracht gekommen wäre, dann wäre das alles nicht passiert.[/LEFT] [LEFT]Er richtete sich zur vollen Größe auf, wofür er den Rücken durchdrückte. Es fühlte sich eigenartig an, so zu stehen, nicht den Kopf ein wenig einzuziehen, doch er konnte sich das nicht mehr leisten. Es war seine Verantwortung, alles wieder geradezubiegen.[/LEFT] [LEFT]Gerade als er seinen Mund öffnete, erklang eine andere Stimme, nicht weit entfernt von ihnen: „Dad!“[/LEFT] [LEFT]Darunter mischte sich eine andere, die allerdings ganz ähnlich klang: „Papa!“[/LEFT] [LEFT]Ciar und Kieran kamen in ihre Richtung gelaufen. Luans Herz vollführte einen Sprung, obwohl keiner von beiden wegen ihm hier war. Aber auch bei Cathan schien es eine Reaktion zu geben. Er hielt beim Kämpfen inne, die anderen drei glücklicherweise ebenfalls, sogar Mortes Gesang verstummte. Cathans Blick wanderte zu Ciar und Kieran, die inzwischen schon fast bei ihnen waren. Aufgrund der Entfernung konnte Luan nicht hören, was er sagte, als er seine Lippen bewegte. Dann griff er sich an den Kopf als habe er Schmerzen, und wich zurück. Die beiden Nachkömmlinge hielten inne, als sie das bemerkten. Selines Klingen schwirrten um sie herum, drehten sich manchmal um sich selbst, immer noch bereit bei der kleinsten Gefahr anzugreifen.[/LEFT] [LEFT]„Das ist nicht gut“, brachte Cathan angestrengt hervor.[/LEFT] [LEFT]Dem folgte ein schweres Keuchen, dann brach etwas aus seinem Rücken hervor. Nein, nicht etwas, sondern jemand. Es war eine Frau, die Luan nicht erkannte. Sie wich sofort nach hinten, wobei ihr Rock leise raschelte. Kaum war sie gänzlich aus Cathans Körper heraus, stürzte dieser zu Boden – und wurde gerade noch von Kieran aufgefangen. Er kniete sich auf den Asphalt, ohne Cathan loszulassen, Ciar begab sich sofort neben die beiden. Die Aufmerksamkeit aller anderen war auf die Frau gerichtet, die sich mit der Hand durch das kurze braune Haar fuhr und ein Seufzen ausstieß. „Zu schade, dieser Körper war ideal.“[/LEFT] [LEFT]Morte schnaubte leise. „Jetzt übernimmst du schon die Körper von Nornen, um deine Ziele zu erreichen? Zu feige, deinen richtigen Leib zu verlieren?“[/LEFT] [LEFT]„Ich bin nur am Spaß interessiert“, erwiderte die Angesprochene schmunzelnd. „Wie gemein von dir, mir das zu verwehren.“[/LEFT] [LEFT]Seline ging einige Schritte auf die Unbekannte zu. „Wer auch immer du bist, dein Werk ist vorüber. Ich nehme dich hiermit fest.“[/LEFT] [LEFT]„Denkst du, das beeindruckt mich?“, fragte diese spöttisch, mit einer Selbstsicherheit, die Luan noch nie bei einer Person erlebt hatte. „Andere haben es auch schon nicht geschafft, mich aufzuhalten. Aber versuch es ruhig.“[/LEFT] [LEFT]Ein Sprung, dann befand sich die Unbekannte plötzlich über ihnen in der Luft, wo sie nur noch als orange-glühender Punkt zu erkennen war. Seline schmunzelte lediglich. Ihre Klingen begaben sich in eine Position, die der einer Treppe ähnelten, so dass sie einfach nur hinaufsteigen musste. Wann immer ihr Fuß eine Klinge verließ, schwebte diese rasch nach oben, um dort eine der nächsten Stufen zu bilden. So schnell wie sie dabei lief, war von ihr bald nichts mehr zu sehen außer ein blaues Glühen, das sich dem orange-farbenen näherte.[/LEFT] [LEFT]„Sie spielt mal wieder die Heldin“, bemerkte Morte schmunzelnd, immer noch nach oben sehend.[/LEFT] [LEFT]„Das konnte sie schon immer gut“, bestätigte Ares.[/LEFT] [LEFT]Haze tätschelte derweil dem rosa-haarigen Mädchen den Kopf, worauf es stolz lächelte.[/LEFT] [LEFT]Luan hätte am liebsten gefragt, weswegen sie alle hier waren, wie sie das geschafft hatten, doch etwas anderes war wichtiger. Er sah zu Cathan hinüber, der sich kaum regte, während er dort auf dem Asphalt lag, immer noch von Ciar und Kieran umgeben, die sich nicht im Mindesten für den drohenden Kampf über sich interessierten. Ohne eine Erlaubnis von irgendjemandem abzuwarten, huschte Luan zu ihnen hinüber, um sich dort ebenfalls zu setzen. „Ist alles okay?“[/LEFT] [LEFT]Glücklicherweise gab Cathan ihm darauf indirekt eine Antwort. Er wandte den Kopf, um Kieran und Ciar anzusehen, ein feines Lächeln lag auf seinen Lippen. „Ihr seid gekommen.“[/LEFT] [LEFT]Die beiden warfen sich einen kurzen Blick zu, ehe sie sich wieder ihrem Vater zuwandten.[/LEFT] [LEFT]„Natürlich sind wir das“, sagte Ciar, immer noch recht unterkühlt, aber dennoch war Sorge in seiner Stimme zu hören. Er sah wieder Kieran an. „Das ist wahrscheinlich das einzige, was wir gemein haben.“[/LEFT] [LEFT]Der andere sagte darauf nichts, seine Gedanken drehten sich wohl eher um Cathan. Dieser stieß ein leises Lachen aus. „Ihr seid beide meine Söhne, daran wird sich nichts ändern. Egal, wie sehr ihr es leugnen wollt.“[/LEFT] [LEFT]Ciar schnaubte theatralisch. „Als ob das was bringen würde. Ich hab es schon aufgegeben.“[/LEFT] [LEFT]Sogar Kieran musste plötzlich schmunzeln. „Sieht so aus, als muss das so sein.“[/LEFT] [LEFT]Er warf einen Blick zu Luan, dessen Herz darauf einen Sprung vollführte. Auch wenn nicht halb so viel Liebe darin steckte wie in den Blicken seines Kierans, war es ein wundervolles Geschenk für ihn, denn endlich lag in seinen Augen keine Gleichgültigkeit und kein stummer Vorwurf mehr, sondern etwas wie Dankbarkeit.[/LEFT] [LEFT]Aus diesem Gefühl wurde er rasch herausgerissen, als Ciar ihm gegen die Stirn tippte. „Und du sagst gefälligst nächstes Mal etwas, wenn du entführt wirst. Wie konntest du das zulassen?“[/LEFT] [LEFT]Luan rieb sich die Stelle, die von Ciars Zeigefinger schmerzhaft malträtiert worden war. „Es war doch Cathan. Ich konnte nicht wissen, dass er etwas Böses wollte.“[/LEFT] [LEFT]„Dein Vertrauen will ich haben.“[/LEFT] [LEFT]Ehe Luan etwas erwidern konnte, erklang über ihnen ein lauter Knall. Synchron sahen sie hinauf, wo die glühenden Punkte in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit aufeinanderprallten, nur um dann auseinanderzufahren und den Vorgang zu wiederholen.[/LEFT] [LEFT]„Solltest du ihr nicht helfen?“, fragte Kieran.[/LEFT] [LEFT]Ciar winkte ab. „Die kriegt das schon allein hin. Sie ist nicht umsonst ein Wunderkind.“[/LEFT] [LEFT]Statt zu seufzen, wie er es gern getan hätte, legte Luan eine Hand auf sein Herz. Ihm blieb nur zu hoffen, dass Seline diesen Kampf wirklich überstand, ohne zu viel Schaden zu nehmen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Bislang konnte sie sich nicht über irgendwelche Verletzungen beklagen, vielmehr störte Seline sich daran, dass all ihre Angriffe von ihrer Gegnerin negiert werden konnten – und das scheinbar vollkommen problemlos. Bei jedem kurzen Aufeinandertreffen lächelte die andere vergnügt, als nähme sie nur aus Spaß an diesem Kampf teil. Als sie voneinander entfernt wieder einmal innehielt, stieß sie sogar ein zufriedenes tiefes Seufzen aus. „Das ist wirklich lustig. Selbst als Traumbrecher kämpfst du so wie immer. Du hast absolut keine Variation.“[/LEFT] [LEFT]Wie bei jedem Innehalten kam Seline auf einer ihrer Klingen zu stehen, die sich für sie vergrößert hatte; die anderen sieben schwebten um sie herum. Ihre Feindin schien jedoch keinerlei Hilfsmittel zu benötigen, um sich in der Luft zu halten.[/LEFT] [LEFT]„Morte hat mir von dir erzählt“, erwiderte Seline, statt auf die Provokation einzugehen.[/LEFT] [LEFT]„Oh, wirklich?“ Die andere klang amüsiert. „Was hat sie dir gesagt? Dass ich sie in der letzten Welt geradewegs zermalmt hätte, wenn ihr dämlicher Kerl nicht dazwischengegangen wäre? Tja, dafür hat es dann eben ihn erwischt.“[/LEFT] [LEFT]Derartige Details hatte Morte verständlicherweise ausgelassen. Aber darum ging es Seline auch gar nicht: „Sie sagte, du seist ein Weltenverschlinger. Und dazu habe ich eine Frage.“[/LEFT] [LEFT]Ihre Feindin blinzelte überrascht. „Oh? Frag einfach, vielleicht antworte ich.“[/LEFT] [LEFT]Selbst in dieser Situation wollte sie sich noch als überlegen darstellen. Aber davon durfte sie sich nicht beeindrucken lassen. Seline deutete ein Kopfschütteln an. „Warum tust du das?“[/LEFT] [LEFT]Die andere dachte einen Moment schweigend nach. Die Klingen der Atemprägung ordneten sich derweil auf Selines stummen Geheiß neu.[/LEFT] [LEFT]„Was würde es ändern, wenn ich es dir erzähle?“, kam schließlich die gelangweilte Antwort. „Wenn dich meine Motivation überzeugt, würdest du mir dann erlauben, fortzufahren? Mir vielleicht sogar helfen?“[/LEFT] [LEFT]„Egal aus welchem Grund du es tust, ich könnte es dir weder erlauben, noch dazu beitragen.“[/LEFT] [LEFT]Ihre Feindin zuckte mit den Schultern. „Dann muss ich es dir auch nicht erzählen.“[/LEFT] [LEFT]„Schade.“ Seline schnalzte mit der Zunge. „Aber nun auch nicht weiter wichtig. Schließlich hast du nicht an deine Rückendeckung gedacht.“[/LEFT] [LEFT]Im nächsten Moment durchbohrte eine ihrer Klingen den Körper der anderen. Dabei floss kein Blut, denn die Atem-Prägung war geistiger Natur – und sog nun die Seele der Feindin in sich auf.[/LEFT] [LEFT]„Hat eine andere Seline diese Strategie auch einmal benutzt?“[/LEFT] [LEFT]Der selbstsichere Gesichtsausdruck ihres Gegenübers wandelte sich in eine zornige Grimasse. Ihre Augen schienen wütende Funken zu sprühen. „Miststück! Du hast mich reingelegt!“[/LEFT] [LEFT]Kleine Blitze zuckten in ihrer Atmosphäre, die sich rasch ausbreitete, bis sie fast Seline erreichte. Die verbliebenen sechs Klingen sammelten sich vor ihr und bildeten mit den Spitzen nach innen zeigend einen Kreis, das Leuchten intensivierte sich, während sie einen Schild aufbauten.[/LEFT] [LEFT]Auf einen Schlag entlud sich die Kraft der Feindin in einer Versammlung von Blitzen, mit Seline im Zentrum des Sturms. Elektrizität leckte an ihrer bloßen Haut, die unangenehm kribbelte, versengte ihre Haarspitzen, sodass ihr ein unangenehmer Geruch in die Nase stieg, und ließ feine Risse auf ihren Brillengläsern entstehen. Doch sie rührte sich nicht. Weiterhin aufrecht hinter ihrem Schild stehend ertrug sie stoisch den Ansturm, der sie nur am Rande erreichen konnte – bis ein lautes Knacken in ihrem Inneren widerhallte.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich befand sie sich im freien Fall und konnte nur noch beobachten, wie ihre Feindin rasch immer kleiner wurde und dann verschwand. Die Klingen waren allesamt zu ihrem linken Arm zurückgekehrt, wo sie wieder in ihren unsichtbaren Zustand zurückgekehrt waren, doch das von ihnen ausgehende schmerzhafte, geradezu lähmende Pulsieren genügte, um ihr zu sagen, dass etwas mit mindestens einer von ihnen nicht stimmte. Aus einem ihr unerfindlichen Grund versetzte sie das wesentlich mehr in Panik als die Tatsache, dass sie dem Boden entgegenfiel und jeden Moment aufschlagen könnte. Als Jägerin war sie immer darauf vorbereitet gewesen, in Ausübung ihrer Pflicht den Tod zu finden; die Guten starben schließlich jung, und sie war überragend. War sie deswegen so gefasst?[/LEFT] [LEFT]Ich wünschte nur, ich könnte ihn noch einmal sehen …[/LEFT] [LEFT]Sie schloss ihre Augen, um sein Bild in ihrem Geist zu beschwören, damit sie sich selbst zumindest diesen Wunsch noch erfüllen konnte, bevor sie aufschlug.[/LEFT] [LEFT]Aber noch bevor dies geschehen konnte, schlangen sich warme Arme um ihren Körper und stoppten ihren unkontrollierten Fall unvermittelt. Sie schlug die Augen auf, in der Erwartung, vor dem Totenwächter selbst zu stehen, doch stattdessen erkannte sie Russels Gesicht viel zu nah an ihrem.[/LEFT] [LEFT]„Gerade noch rechtzeitig“, sagte er lässig, als rette er jeden Tag mindestens drei fallende Frauen. „Hätte nicht gedacht, dass ich dich mal retten müsste, Prinzessin.“[/LEFT] [LEFT]Da sie nun wusste, dass Russel verantwortlich war, verstand sie auch, dass er mithilfe seiner Windmagie wesentlich langsamer zur Erde fiel, geradezu schwebte. Sie räusperte sich. „Ich bedanke mich erst, wenn wir wirklich unten sind und du mich nicht fallen gelassen hast.“[/LEFT] [LEFT]Er lachte durch die Nase. „Ich bin nicht mehr so ungeschickt wie früher. Ich stürze beim Landen nur noch jedes dritte Mal.“[/LEFT] [LEFT]Trotz der Schmerzen musste sie leise lächeln. Dann blickte sie jedoch mit sorgenvoller Miene wieder nach oben. „Wo ist sie hin?“[/LEFT] [LEFT]„Sie ist durch eine Art von Portal verschwunden“, erklärte er ernst. „Keine Ahnung, was sie plant, aber zumindest wollte sie heute niemanden töten.“[/LEFT] [LEFT]Dabei wäre es ihr auf jeden Fall gelungen, das war auch Seline klar. Dieses Verhalten warf mehr Fragen auf, statt Antworten zu liefern. Dabei hatte sie gehofft, nützlich sein zu können.[/LEFT] [LEFT]Überraschend vorsichtig kam Russel schließlich auf dem Boden auf, und er ließ sie tatsächlich nicht fallen. Behutsam stellte er sie wieder auf ihre eigenen Beine, die sich zwar noch weich anfühlten, aber nicht unter ihr nachgaben. Sie quittierte sein Verhalten mit einer hochgezogenen Augenbraue, sagte aber nichts weiter dazu. Ein kurzer Blick auf die Anwesenden verriet ihr, dass es allen gutzugehen schien, sogar Cathan, der noch immer auf dem Boden lag, aber nicht verletzt aussah.[/LEFT] [LEFT]Morte kam mit gerunzelter Stirn zu ihr herüber. Nachdem sie ihr beteuert hatte, dass es ein eigenartiges Verhalten für den Weltenverschlinger war, einfach zu verschwinden, musterte sie Seline. „Ich bin froh, dass dir nichts weiter passiert ist. Aber mir wäre wohler, wenn du jetzt mit mir zu Vane gehen würdest.“[/LEFT] [LEFT]„Ja, ich denke …“ Ehe Seline ihren Satz beenden konnte, spülte eine Welle von Schmerz über sie hinweg. Vor ihren Augen versank die gesamte Welt in einem schwarzen Meer, das sogar die Geräusche mit sich zu nehmen schien. Undeutlich nahm sie noch wahr, wie ihre Beine unter ihr nachgaben und sie in dem Ozean versank, in dem auch endlich ihre Schmerzen von der Strömung fortgerissen wurden.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)