Demonic Rewind von Flordelis ([Demonic Reverie]) ================================================================================ Kapitel 8: Natürlich. --------------------- Es war natürlich nicht Konias erste Begegnung mit Vane, aber das erste Mal, dass sie derart viel Zeit mit ihm im selben Raum verbrachte. Früher hatte sie nie wirklich einen Grund dafür gesehen, länger bei ihm zu sein. Als sie ihn nun aber mit dem neuen Wissen betrachtete, kam sie nicht umhin, die Stirn zu runzeln. Warum hatte ihr altes Ich sich in ihn verliebt? Es war nicht so, dass es nichts an ihm gäbe, was sie interessierte. Sie war – wie auch schon bei der ersten Begegnung – fasziniert von seiner Stimme, musste beständig ihre Augen von seinen Haaren losreißen, die sie unbedingt einmal anfassen wollte. Zumindest beim ersten Mal hatte sie das noch mit ihrer wissenschaftlichen Neugier begründet. Immerhin wirkte er nicht wie jemand, der sehr viel Sorgfalt in die Haarpflege steckte, aber doch sahen sie so weich und fest aus, dass man sie einfach anfassen wollen musste, um herauszufinden, ob man nicht nur von seinen Augen betrogen wurde. Vielleicht müsste sie aber doch einsehen, dass etwas anderes dahintersteckte, jedenfalls wenn sie Luans Aussagen trauen durfte. Da Jii sich aber sofort mit dem Experiment einverstanden erklärt hatte, musste da etwas Wahrheit dahinterstecken. Die größere Frage war dann aber: Nur weil sie in einer anderen Zeitachse mit diesem Mann verheiratet war, könnte das auch hier funktionieren? Sollte es funktionieren? Vielleicht waren sie durch die drei Jahre auch bereits derart in andere Richtungen gewachsen, dass sie gar nicht mehr kompatibel wären. Aber ausprobieren wollte sie es dennoch. Einfach nur um festzustellen, ob sie auch glücklich werden könnte – und ob eine Komplettheilung ihres desolaten Zustandes funktionieren könnte. „Du wirst das Herz also untersuchen, Jii?“, mutmaßte Vane. Konia schielte zu dem Gefragten hinüber, der allerdings den Kopf schüttelte. „Nein. Ich bin sehr beschäftigt. Auch mit der Hilfe von Iris.“ Er nickte zu Zareen hinunter. Sie saß immer noch auf seinem Schoß und war nun dazu übergegangen, seine Hände zu nehmen und diese immer wieder leise klatschen zu lassen. Ihrem zufriedenen Lächeln nach zu urteilen, bereitete ihr das wirklich Freude. Neben den Uhren hatte er wirklich jede Menge mit seiner kleinen Familie zu tun. Glücklicherweise nahm ihm seit einiger Zeit Iris Farone als Vizedirektorin zumindest den Teil der Arbeit ab, der mit Schülern und Unterlagen zu tun hatte. Soweit Konia wusste, war Iris eine Hüterin von Athamos, die bereits zu Atanas' Anfangszeiten eine solche gewesen war und bis zu Jiis Direktorenschaft tief und fest in Sicherheit geschlafen hatte. Aber was genau die Aufgabe eines Hüters war, wusste Konia nicht so recht, nur dass Jii und Vane ebenfalls zu solchen zählten. Jii nickte zu Konia hinüber. „Sie wird sich darum kümmern. Konia ist eine bessere Forscherin als ich, also bist du bei ihr in besten Händen.“ Vanes Blick wanderte tatsächlich zu ihren, auf ihrem Schoß liegenden, Händen hinab. Sein Gesichtsausdruck an sich veränderte sich kein bisschen, aber er zog die Brauen zusammen, woran sie zu erkennen glaubte, dass er darüber nachdachte, weswegen sie nur einen Handschuh trug. „Lass dich nicht davon entmutigen, dass sie nicht mehr vollkommen fit zu sein scheint“, sagte Jii, der den Gesichtsausdruck weiter interpretierte. „Ihr Gehirn arbeitet immer noch hervorragend und die Kommunikation mit ihr dürfte dir auch nicht schwerfallen.“ „Hm?“, war das einzige, was Vane von sich gab, aber immerhin sah er endlich wieder direkt in Konias Gesicht. Bislang hatte sie nichts gesagt, besonders während seiner eigenen Untersuchung Luans war das ja überflüssig gewesen. Aber nun schien es die beste Gelegenheit zu sein, wieder zu sprechen: „Er meint damit, dass wir beide ähnlich rational sind.“ Jedenfalls ging sie davon aus, dass er es so ausgedrückt hätte. Es klang immerhin netter als emotionale Krüppel, als solcher war sie aber auch schon bezeichnet worden. „Sie trauen sich das wirklich zu?“, fragte Vane. „Ist das eine Kritik, weil ich eine Frau bin?“ Es war keine empörte Frage, mehr ein interessiertes Nachhaken. Vanes Gesichtsausdruck blieb erstaunlicherweise immer noch vollkommen unverändert, aber sie glaubte, an seinen Augen erkennen zu können, dass er reichlich verwirrt war. Und Jii sah das wohl ähnlich, da er zu einer Erklärung ansetzte: „Viele Menschen in der Gesellschaft glauben, dass Frauen weniger können als Männer. Konia hat das ebenfalls schon erlebt.“ Wenn auch nicht so häufig, wie es anderen Frauen geschah. Meist ließen die Leute sie mit ihren Meinungen in Ruhe, vermutlich weil ihr absolut ruhiges Wesen und ihre fehlenden Emotionen manche denken ließen, sie benehme sich männlich. Vane nickte, es sah fast so aus, als vermerke er das irgendwo in seinem Gedächtnis, dann wandte er sich wieder Konia zu. „Das meinte ich aber nicht mit meiner Frage. Sie bezog sich eher darauf, dass ich Ihnen nicht viel werde helfen können. Die Nähe zum Herzen würde meine alten Instinkte in mir wecken.“ „Das ist mir bewusst.“ Vane warf einen kurzen Blick zu Jii hinüber, der allerdings leise mit Zareen sprach, in einer Art Singsang, als spielten sie irgendein Spiel, dessen Regeln Konia nicht kannte. „Ich verstehe“, sagte Vane schließlich, den Blick wieder ihr zuwendend. „Aber wissen Sie denn, wonach Sie bei dem Herz suchen müssen?“ „Nein“, gab sie unumwunden zu. „Ich hatte vor, die Untersuchung erst einmal allgemein zu halten. Wie oft bekommt man schon die Gelegenheit, das Herz eines Weltenbrechers zu untersuchen?“ Er stimmte ihr nickend zu. Vollkommen überzeugt wirkte er aber immer noch nicht. Vielleicht ahnte er ja auch, dass das eigentlich ein Experiment war, in dem er das Versuchskaninchen spielte. Auch Jii bemerkte, dass es Vane nicht wirklich zu gefallen schien. „Hast du irgendwelche Einwände dagegen?“ „Nicht wirklich. Ich habe nur gerade überlegt, ob das überhaupt notwendig ist, da Atanas die Zerstörung der Welt nun ja nicht mehr anstrebt.“ Mit einer solchen – zugegeben logischen – Erwiderung hätte keiner von ihnen gerechnet. Sogar Jiis Mundwinkel sanken noch ein wenig weiter nach unten, hinter seiner Stirn schien es zu arbeiten. Konia überschlug schnellstens alle Möglichkeiten in ihrem Kopf und kam damit früher zu einem Ergebnis als er: „Nur weil eine Gefahrenquelle ausgeschlossen wurde, bedeutet das nicht, dass nicht eine weitere erscheinen kann, die versucht, den Weltenbrecher und seine Macht zu missbrauchen.“ Sie glaubte, sehen zu können, wie Jii erleichtert aufatmete, sofort setzte er in ihrem Fahrwasser die Argumentation fort: „Oder Atanas erhält seine Erinnerung zurück. Dann muss er quasi nur die Hand ausstrecken, um doch noch seinen Plan zu erfüllen.“ Überzeugt wirkte er immer noch nicht, deswegen setzte Konia direkt nach: „Außerdem lässt meine Neugierde als Forscherin es nicht zu, dass ich das Herz einfach in Ruhe lasse. Ich habe sehr viele Dämonen bereits mikroskopiert, aber noch niemals etwas derart Außergewöhnliches.“ Wäre das Experiment nicht, wäre das für sie ein ausreichender Grund, um den Stein zu untersuchen. Und für Vane schien das auch der entscheidende Grund zu sein. Seine Augenbrauen entspannten sich wieder. „Das ist verständlich für mich. Dann würden Sie mich auf dem Laufenden halten?“ „Natürlich. Ich werde Ihnen regelmäßig meine Aufzeichnungen senden. Und falls ich auf etwas besonders Interessantes stoße, sage ich Ihnen sofort Bescheid.“ Obwohl sie laut Jiis Aussagen ohnehin auf nichts stoßen und Luan das Herz früher oder später zurückgeben wird. Aber das musste sie Vane ja noch nicht mitteilen. Er erfuhr früh genug davon, sobald das Experiment beendet war, egal mit welchem Ausgang. „In Ordnung, dann wäre ich gern beteiligt. Falls es auch keine Mühe bereitet, werde ich Luan gern öfter untersuchen. Auch einmal in Athamos.“ „Ich werde mit Parthalan darüber sprechen“, versicherte Jii. „Aber ich denke nicht, dass er dagegen etwas einzuwenden hat.“ Konia glaubte das auch nicht. Parthalans einzige Bedingung wäre sicher, dass man darauf achtet, dass Luan nicht fliehen kann, aber diese Gefahr dürfte sich mit Jiis Teleportationsfähigkeit ja leicht umgehen lassen. Vane nickte noch einmal und machte sich eine weitere Notiz auf seinem Klemmbrett. „Benötigt ihr sonst noch etwas? Sonst würde ich wieder nach Athamos zurückgehen.“ „Das war wirklich alles, danke, Vane.“ Er nickte noch einmal, erzeugte einen Riss – und verschwand durch diesen so schnell wie er gekommen war, ohne jede Verabschiedung. Konia sah einen kurzen Augenblick auf den Riss, der verschwunden war, als erwartete sie, dass er jeden Moment wieder auftauchte. „Das lief gut“, stellte Jii fest. „Dann hat das Experiment jetzt wohl angefangen.“ Dabei war sich Konia mittlerweile gar nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee gewesen war. Nicht wegen Vane, der davon gar nichts wusste, sondern eher wegen ihr. Wollte sie eine derartige Änderung denn wirklich? Immerhin konnte sie nach ihrer Heilung nicht einfach Danke sehr sagen und wieder gehen, wenn es wirklich zu Liebe und Glück führen sollte. … Allerdings wusste sie ja auch nicht so wirklich, wie das alles funktionierte. Könnte ein Dämon sich überhaupt verlieben? Vielleicht hätte sie vorher darüber nachdenken und ihre Zweifel ausloten sollen. Mit gerunzelter Stirn sah sie zu Jii hinüber. „Für dich ist das Experiment doch noch wesentlich größer oder?“ Er erwiderte ihren Blick vollkommen ungerührt – was ein reichlich belustigender Anblick war, da Zareen immer noch mit seinen Händen klatschte und dabei weiter den Sprechgesang vor sich herbrabbelte. Aber er tat Konia gegenüber so, als wäre das kleine Mädchen gar nicht da. „Tatsächlich“, antwortete er, statt es von sich zu weisen. „Genau genommen ist es in dieser Zeitachse nur eine Wiederholung des Experiments unter anderen Bedingungen, um meine These zu testen. Als Forscherin dürftest du das verstehen.“ Das tat sie tatsächlich. Aber sie verstand noch etwas anderes. Jii würde es vermutlich nie zugeben, dafür war er ein wenig zu stolz und zu sehr auf seine kühle Distanziertheit bedacht, aber neben seinem Willen zur Forschung, führte auch noch etwas anderes zu seinem Wunsch, die beiden in dieser Zeitachse zu verkuppeln. Sie beobachtete, wie Jii sich wieder auf Zareen konzentrierte, seiner Tochter zulächelte, als sie zu ihm hinaufsah, wie man ihn nur selten lächeln sah. Er, dieser einst von Hass und Rachsucht zerfressene Mann, war glücklich in seiner Rolle als Vater. Und er wollte dieses Glück auch für seine Freunde, für Konia und Vane, so wie es in der anderen Zeitachse war. Zum ersten Mal in ihrem Leben – und seit dem Tod ihres menschlichen Wirts – war Konia nicht nur überzeugt, dass sie Freunde besaß, sie glaubte auch, dass sie Glück hatte. Und aus diesem Grund schob sie alle Zweifel von sich und beschloss, dieses Experiment wirklich durchzuziehen, in der Hoffnung, dass es genau so ausging wie in der anderen Zeitachse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)