Demonic Rewind von Flordelis ([Demonic Reverie]) ================================================================================ Kapitel 3: Das ist mir bewusst. ------------------------------- Als das Büro noch Cerise gehört hatte, war es ein wenig heller gewesen. Nun hingen schwere, schwarze Vorhänge vor dem einen großen Fenster. Die dunklen Holzregale schluckten das trübe Licht des Leuchters. Den einzigen Farbtupfer in diesem Raum bildete ein bunter Blumenstrauß auf einem Beistelltisch, ein rötlicher Schmetterling umflatterte die Blüten. Kieran betrachtete ihn, um sich selbst zu beruhigen, während Parthalan besorgniserregend lang schwieg. Er war sich nicht sicher, wann der Schmetterling das erste Mal aufgetaucht war, aber immer, wenn er das Büro aufsuchen musste, sah er auch diesen. Das Gefühl, dass er nicht wirklich existierte, war zwar stets vorhanden, aber er war noch nie nähergetreten oder hatte mit jemandem darüber gesprochen, um das wirklich zu bestätigen. Vor allem weil es eigentlich offensichtlich war – woher sollte das Insekt denn sonst kommen? „Du sagst, sein Name ist Luan?“ Parthalans Stimme lenkte Kierans Aufmerksamkeit zu dem großen Schreibtisch hinüber. Der Vizeanführer der Dämonenjäger lehnte locker mit der Hüfte an der Tischkante, die Arme vor der Brust verschränkt. Wenn man ihn so von der Seite betrachtete, wirkten seine spitzen Gesichtszüge noch edler, seine eisblauen Augen, die durch eine Brille die Welt betrachteten, waren auf ein Bücherregal an der Seite gerichtet. „Das ist richtig.“ Jedes Mal, wenn Kieran mit ihm sprach, stand er selbst unwillkürlich vollkommen gerade, als wolle er jeden Moment salutieren. Parthalan löste sich von dem Tisch und lief langsam durch den Raum. „Die Person, die uns vor drei Jahren diesen Brief zugespielt hat, hieß ebenfalls Luan. Dieser Name ist nicht zwingend sehr häufig.“ „Das ist mir bewusst. Aber ich fürchte, ich kann nicht sagen, ob es sich um dieselbe Person handelt. Möglicherweise ist es auch nur ein Zufall.“ Parthalan hielt wieder inne und wandte sich Kieran zu. „Hast du in seiner Gegenwart irgendetwas Außergewöhnliches gefühlt?“ Er musste einen Moment überlegen und sich die Begegnung wieder ins Gedächtnis rufen. Nicht, weil er sich nicht mehr sicher war, ob er etwas gefühlt, sondern worum es sich genau gehandelt hatte. Es war so, als wäre er jemandem begegnet, den er seit langem vermisst hatte, ohne es wirklich zu wissen – und gleichzeitig fühlte es sich an, als müsse er enttäuscht von ihm sein. Außerdem war da eine unglaublich anziehende Kraft an ihm gewesen, wegen dem sicher auch die anderen Dämonen in der Gegend es auf ihn abgesehen hatten. Er teilte das Parthalan mit, dieser nickte. „Ich verstehe. Dann muss ich ihn wohl selbst treffen.“ „Wenn Faren keinen Unsinn macht, dürfte er auf der Krankenstation sein.“ Dort benötigte er aber mit Sicherheit gerade Ruhe. Und vor einer Auseinandersetzung mit Konia scheute sogar Parthalan – wenngleich weniger aus Furcht, dass er verlieren könnte und eher mit der Begründung, dass sie noch mehr versteinern könnte. Niemand wollte Konia verlieren und schon gar nicht auf diese Weise. „Dann werde ich ihn morgen aufsuchen. Es ist notwendig, dass wir ihn fragen, woher die Informationen aus seinem Brief stammen.“ „Falls er diesen Brief geschrieben hat.“ Eigentlich zweifelte Kieran nicht daran, aber es schadete mit Sicherheit nicht, wenn er Parthalans Skepsis am Leben erhielt. „Es wäre ein großer Zufall, wenn es sich bei ihm um jemand anderen handelte.“ Kieran schwieg daraufhin, genau wie Parthalan, der mit seinen Gedanken schon wieder an einem gänzlich anderen Ort gelandet zu sein schien. „Parthalan … wie geht es eigentlich Cerise?“ Der andere erwachte sofort aus seinen Gedanken. „Unverändert. Sie befindet sich noch immer im tiefen Schlaf. Der Kampf gegen Armas und Atanas hat ihr zu viel Kraft abverlangt, als dass sie in zwei Jahren heilen könnte.“ „Ich verstehe.“ Das war der einzige Grund, wegen dem er sich gerade nur mit dem Vizeanführer unterhalten konnte. Der mysteriöse Briefschreiber – der vielleicht dieser Luan war – hatte ihnen mitgeteilt, welche Feinde es für Abteracht und die Welt im Gesamten gäbe und wo sie zu finden seien. In der Hoffnung auf eine friedliche Lösung und vermutlich nicht gänzlich überzeugt, hatte Cerise sowohl Atanas, den damaligen Anführer der Traumbrecher, als auch Armas, den späteren Anführer der Chaosbrecher, aufgesucht – nur um herauszufinden, dass jedes Wort der Wahrheit entsprach. Um jeglichen Schaden von ihren Jägern fernzuhalten, hatte Cerise sich der Bedrohung allein gestellt. Am Ende war sie, mit ein wenig Hilfe, siegreich gewesen, aber seitdem schlief sie im Kern von Abteracht. „Also wird sie nicht so bald wieder aufwachen?“, hakte Kieran nach. „Bislang sieht es nicht danach aus.“ Parthalan wandte sich wieder ab und lief einige Schritte von ihm weg, direkt auf ein Bild zu, das mitten im Bücherregal stand, und Cerise umrundet von mehreren Jägern vor zehn Jahren zeigte. „Wir können von Glück reden, dass Aludra dazukam, um Cerise zu helfen.“ Kieran war sich nicht sicher, ob man dabei von Glück sprechen konnte. Aber das bezog sich für ihn vermutlich nur auf alles, was sie im Anschluss noch mit sich gebracht hatte, also erhob er keinen Einspruch. „Ich sehe auch jeden Tag vorschriftsgemäß im Blumenladen vorbei“, sagte er stattdessen. „Atanas hat nach wie vor seine Erinnerungen nicht zurückerhalten. Es sieht nicht so aus, als müssten wir uns deswegen Sorgen machen.“ Aludra war eine Dämonenjägerin und ihre besondere Gabe beinhaltete, dass sie Erinnerungen beeinflussen konnte. Also hatte sie einfach Atanas' Gedächtnis bearbeitet, so dass er nun glaubte, schon immer Besitzer eines Blumenladens gewesen zu sein. Natürlich nachdem sie ihm sämtliche Fähigkeiten eines Traumbrechers abgenommen hatten. Armas, der hoffnungslose Fall, dagegen war Cerises Zorn zum Opfer gefallen. „Gut, danke, Kieran. Gibt es sonst noch etwas?“ „Nein, das war alles.“ Parthalan nickte ihm zu. „Dann war das für heute alles. Danke für deinen Bericht. Du solltest dich jetzt ausruhen gehen. Denk daran, wir wollen nicht, dass du zu viel Energie verbrauchst.“ Für den Hauch eines Augenblicks glaubte Kieran, Sorge in dem Gesicht des anderen zu sehen. Es genügte ihm als väterliche Geste, mehr verlangte er nicht, egal welchen Hintergrund die Besorgnis auch haben mochte. Er verabschiedete sich von Parthalan, verließ das Büro – und traf davor direkt auf Faren, der ihm bereits entgegenlächelte. „Na? Deinen Bericht überstanden?“ Es war eindeutig Freude, die er darüber empfand, dass Faren hier auf ihn gewartet hatte, aber das wollte er dem anderen sicher nicht zeigen, deswegen ging er direkt an ihm vorbei, um zu seinem Zimmer zu gehen. „Ich habe kein Problem mit Parthalan. Also gibt es nichts zu überstehen.“ Faren beeilte sich, ihm rasch zu folgen, was aber auch nicht weiter schwer war für ihn – immerhin hatte er die längeren Beine. „Yeah, ich weiß. Du bist der einzige, der sich so gut mit ihm versteht. Wahrscheinlich weil ihr beide ähnlich ernst seid und nie entspannt.“ „Das ist doch überhaupt nicht wahr.“ Faren wuschelte ihm mit einer Hand spielerisch durch das Haar, bis Kieran empört demonstrierte, erst dann hörte er lachend wieder auf. „Komm schon, du chillst nie. Dabei hättest gerade du das mal nötig.“ Kieran hoffte, dass sein Blick, den er Faren widmete, genervt genug wirkte, damit dieser es endlich sein ließ. Allerdings erntete er nur ein weiteres Lachen, als Faren die Hände hinter seinem Kopf verschränkte. „Sag mir lieber, ob du Luan auf die Krankenstation gebracht hast.“ „Jawohl, Sir“, antwortete Faren spöttisch. „In einem Stück, gesund, heil und ohne dass ich von Dr. D. zerfleischt werde.“ „Wahrscheinlich würde sie dich schon mehr mögen, wenn du endlich aufhören könntest, sie so zu nennen. Sie hat auch einen richtigen Namen.“ „Aber der ist langweilig.“ Mit einem Seufzen gab Kieran dieses Thema auf und legte schweigend den restlichen Weg zurück. Es gab keine Einzelquartiere in Abteracht. Betrat man eine der Türen im Wohntrakt, kam man in einen Gruppenraum, der über alle Annehmlichkeiten verfügte, die man benötigte. Eine Sitzecke, inklusive eines Fernsehers mit integriertem DVD-Player, eine Kochnische mit dazugehörigem Esstisch. Eine abgelegene Tür führte ins Badezimmer, vier andere Türen jeweils zu einem Einzelzimmer. Aber wie man es drehte und wendete, man kam nicht umhin, einen Gruppenraum mit einem anderen zu teilen. Und bei Kieran war es unglücklicherweise Faren. Er wollte eigentlich direkt in sein Zimmer durchgehen, aber Faren war schneller und stellte sich so, dass er nicht an ihm vorbei durch die Tür gehen konnte. Als er den Blick hob, bemerkte er, dass Faren wirklich besorgt aussah. „W-was ist?“ „Kieran, die Begegnung heute hat dich ziemlich getroffen, oder?“ Er wandte den Blick ab. „Ach was. Das musst du dir einbilden.“ Daraufhin spürte er aber nur, wie Faren ihm gegen die Stirn tippte. „Ich kenne dich besser als jeder andere. Ich sehe es, wenn etwas in dir vorgeht. Auch wenn ich nur noch ein Auge habe, bin ich nicht blind~.“ Kieran ergriff Farens Handgelenk und senkte es gemeinsam mit seiner eigenen Hand, ehe er sein Gegenüber wieder direkt ansah. „Bitte … du weißt, dass ich ...“ „Ich weiß. Und ich habe dir schon gesagt, dass es okay ist. Ich erwarte nichts von dir. Ich bin nur um dich besorgt und möchte wirklich, dass du dich nicht selbst kaputt machst. Auf diesem Weg bist du aber gerade – und das möchte ich verhindern.“ Diese Worte müssten eigentlich sein Herz berühren, aber sie schafften es nicht an den Ketten vorbei, die es gefangen hielten. Die Ketten, die mit Schuld beschriftet waren. „Wenn ich schneller gewesen wäre, an diesem einen Tag, könntest du noch mit beiden Augen sehen und du müsstest nicht hier sein.“ „Was ist denn so schlimm daran, hier zu sein?“ Faren beschrieb mit seiner freien Hand einen unbestimmten Bogen. „Es gibt hier gutes Essen, es ist warm und die Leute sind cool drauf. Und das mit meinem Auge … ach komm, wärst du dagewesen, um es zu verhindern, hätte mein Vater vielleicht noch etwas viel Schlimmeres getan. Du hast gesehen, wozu er in der Lage war, beim Versuch, dich zu töten.“ Kieran öffnete bereits den Mund, um etwas zu sagen, aber Faren fiel ihm ins Wort: „Nein, es wäre nicht besser, wenn du tot wärst. Egal, was die Lanes getan haben, ich bin froh, dass du noch lebst. Parthalan ist froh, dass du noch lebst. Dr. Dragana ist froh, dass du noch lebst. Und weil die anderen beiden es dir nicht zeigen, muss ich es umso deutlicher tun. Auch als Freund~.“ Kierans Griff lockerte sich, so dass Faren seine Hand wieder freibekam und ihn stattdessen an den Schultern fassen und zum Sofa dirigieren konnte. „Und ich fange an, dir das noch deutlicher zu zeigen, indem ich dich jetzt zwinge, mit mir zusammen einen Film anzusehen. Da kommst du ein bisschen runter, entspannst dich und kannst dann nachher besser schlafen. Ich habe sogar extra deinen Lieblingsfilm besorgt~.“ Kieran stolperte hinter ihm her. „Lieblingsfilm?“ Er wusste doch nicht wirklich, welchen er am meisten mochte, oder? Falls doch, hoffte er, dass er einfach im Boden versinken könnte. Am Sofa angekommen, drückte Faren ihn auf dieses nieder – und präsentierte ihm die DVD-Hülle, die Kieran gleichzeitig zwei Dinge mitteilte: Faren wusste wirklich gut über ihn Bescheid und man konnte leider nicht einfach im Boden versinken. Stattdessen legte er sich eine Hand vor das Gesicht, um nicht zu zeigen, wie verlegen ihn das machte. „Ich wünschte, die Erde täte sich auf ...“ „Weswegen denn? Das ist doch ein Film für die ganze Familie~.“ Kieran sah ihn nur durch den Spalt zwischen zwei seiner Finger hindurch an. „Meinst du?“ „Absolut~. Ich habe ihn auch schon gesehen. Er ist großartig, kein Wunder, dass du ihn so sehr magst. Auch wenn ich beim ersten Mal doch ein wenig irritiert war.“ Er schmunzelte. „Aber nichtsdestotrotz ist es ein echt toller Film. Und deswegen schauen wir ihn uns jetzt zusammen an. Danach lasse ich dich auch schlafen. Deal?“ Kieran musste unwillkürlich lächeln und das ließ ihn erröten. Aber immerhin wollte er nicht mehr im Boden versinken, er schaffte es sogar, die Hand wieder runterzunehmen und in die von Faren einzuschlagen. „Deal.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)