Ich lasse dich darum flehen! von Traumfaengero_- ================================================================================ Kapitel 19: Lass dich lieben! ----------------------------- 19. Kapitel Lass dich lieben! Nur langsam dämmerte sein Bewusstsein auf, denn das erste Empfinden wurde von Schmerz geprägt. Jede Faser seines Körpers schien taub und doch war sie mit diesem dumpfen Druck, diesem erwachendem Schmerz erfüllt. Je mehr er von seiner Umgebung wahrzunehmen begann, desto weiter wurden diese Gefühle in den Hintergrund gedrängt. Dafür ergriff ihn ein Schwall wilder Panik, der sein Denken kurzzeitig aussetzen ließ. Wo war er? Das letzte, an das sich der Blonde erinnern konnte, war der kalte Schnee und eine unbesiegbare Angst, die ihn voller Gier gepackt hatte. Sie würde ihn nicht los lassen, sie hielt ihn fest und breitete sich erneut in seiner Brust aus. Das Herz schlug immer schneller, stellte sich auf einen anstrengenden, quälenden Rhythmus ein. Sehr flach sog er die Luft ein, versuchte keine Geräusche von sich zu geben, falls er nicht alleine war. Schwer kämpfte sein Verstand diese Flut an Hilflosigkeit zurück und versuchte mit Logik an die Sache heran zu gehen. Der Ort, an dem er sich befand, war ruhig. Es war warm und weich und es roch unangenehm. Nun, die Hauptnote war dieser aufdringliche, unangenehme Geruch nach nassem Hund. Darunter befand sich etwas Vertrautes, etwas Bekanntes. Es war der Geruch seiner eigenen Bettwäsche! Beinahe erleichtert begriff er dieses, denn damit waren die Möglichkeiten deutlich begrenzter, wie er hier her kam. Dann war das andere auch nicht der „Duft“ eines nassen Hundes, sondern eines nassen Wolfes! Es gab auch nicht all zu viele Wölfe, die hier sein könnten. Jemand schlug die Seite eines Buches um und damit konnte es nicht die Baba Jaga sein. Dann konnte es nur ER sein! Innerlich kroch die Panik wieder in ihm hoch. Wie sollte er sich denn bitte jetzt verhalten? Er war mal wieder davon gelaufen! Er hatte ihn mal wieder ohne Antworten zurückgelassen und dann hatte dieser Kerl ihn auch noch retten müssen. Konnte er sterben? Hier und jetzt? Bitte! Doch viel Zeit hatte er nicht um sich in diesen Gedanken zu verlieren. Jemand hatte den wechselnden Herzschlag mitbekommen, die sich ändernde Atmung und instinktiv hatte sie erkannt, dass er wach war. Nur einen Moment später stieß Draco ein überfordertes und leicht scherzverzerrtes „Uff…“ aus, als sich der große Körper der jungen Wölfin über die Decke schob und sich platt auf ihn fallen ließ. Er riss die Augen auf und sah schon die feuchte Zunge, die ihm gefährlich nah kam. Bevor er noch seine linke Hand heben konnte, der gesamte rechte Arm war unter Noir begraben, schleckte die Zunge über sein Gesicht. „Nein! Lass das!“ Versuchte er sich zu wehren und kämpfte seine linke aus dem Stoff der Bettdecke frei. Wenigstens war sie nicht mehr nass, anscheinend war nur der Geruch in der Luft geblieben. Schwach drückte er gegen die Brust des Tieres, welches freudig winselnd immer näher kroch. Die Zunge schleckte unaufhörlich über die Wangen, die Nase, die zur Sicherheit geschlossenen Augen. Ob sie Ohr oder Lippen erwischte, war ihr egal. Einfach weiter begrüßen und in jeder Form ihre Freude kund tun! „Aus!“ Doch auch dies half nicht. Erst nachdem die schwarze Wölfin der Meinung war, ihrem Freund ausreichend von ihrer Begeisterung überzeugt zu haben, ließ sie von ihm ab und stieß ein lautes Heulen aus. Verzweifelt versuchte Draco mit dem Handrücken den Speichel aus seinem Gesicht zu wischen, während seine Ohren von ihrem Geheul klingelten. „Du bist ein Vollidiot!“ Erklang plötzlich eine ihm sehr bekannte Stimme und ein heißer Schauer peinlicher Verlegenheit rannte über seinen Rücken und färbte seine Wangen tief rot. „Und das Schlimmste daran ist auch noch, dass du ein Schnulzen lesender Vollidiot bist!“ Mit diesen Worten konnte Draco reichlich wenig anfangen und so warf er einen Blick an der noch immer begeisterten Wölfin vorbei und sah in das leicht belustigte und doch auch irgendwie verstimmte Gesicht des schwarzhaarigen Aurors. Dieser saß am Bettende, hatte ein Kissen gegen die feste Holzstützte gestopft und hielt ein Buch mit rotem Einband in Händen. Es war dieses helle, irgendwie seltsam eklige Rot, welches beinahe einen Hauch von Rosa und Orange in sich führte. „Ein Sommer zu zweit?“ Erklang höhnisch die feste Stimme und eine weitere Welle feuriger Hitze flammte über die bis eben noch blassen Wangen. „Nein! Es ist wirklich nicht so, wie es aussieht! Woher hast du dieses verfluchte Buch?“ Versuchte er sich zu verteidigen und die große Wölfin rutschte etwas zurück, um sich dann breit über seine Beine zu legen. Ihre Ohren standen aufmerksam und wendeten sich immer gerade dem Sprechenden zu. „Lag unten im Salon neben dem Sofa auf dem großen Tisch!“ Meinte Harry noch immer mit diesem provokanten Ton in der Stimme. Er schien in keiner Weise von der Unschuldsbekundung angetan und so schlug er das Buch an der Stelle auf, in der noch immer sein Finger steckte. Mit herablassend überzogener Stimme begann er vorzulesen. „Sie sah tief in seine von Angst geprägten Augen und ein Schauer aus Zufriedenheit und Scham lief über ihren Rücken. Sie hatte ihn einmal mehr in eine Situation gebracht, in der er sich für sie Entschuldigen musste. Wie dumm sie doch war! Jedes Mal wieder…“ „Es reicht! Ich hasse diese Frau! Wie kann man nur so dumm sein wie sie? Kaum hat er sie aus der einen Katastrophe befreit, die sie provoziert hat, stolpert dieses dumme Weibsbild wieder in die nächste!“ Empörte sich der ehemalige Slytherin, dessen Ohren mittlerweile ebenso glühten. Mit einem Räuspern versuchte er sich zu zügeln, doch nun war er aufgebracht und wütend. „Diese Rebecca ist wirklich das dümmste Weibsbild, über das je geschrieben wurde.“ Fauchte er beinahe und Harry schlug das Buch wieder zu. „Dann hast du noch nicht „Biss zum Morgengrauen“ gelesen! Die Hauptdarstellerin ist genauso dumm wie diese Rebecca hier. Isabella oder auch Bella genannt verliebt sich in einen Vampir und baut nur noch Mist, muss ständig von ihm gerettet werden, nur um rein gar nichts daraus zu lernen!“ Ein Schauer lief dem Auror über den Rücken und nun hob sich die rechte, blonde Augenbraue fragend. „Woher kennst du so ein Buch?“ Harry warf das Werk der Schande neben sich auf das Bett, dort wo eine zusätzliche Decke für Noir lag. Diese war jetzt schon mit einigen, schwarzen Wolfshaaren verziert, weitere verteilte sie gerade jetzt im restlichen Bett. „Hermine hat es gelesen und sich in einem Fort darüber aufgeregt. Aber sie konnte weder aufhören zu meckern, noch das Buch aus der Hand legen, bevor es zu Ende war. Ron ist beinahe durchgedreht und ich habe versucht meine Besuche möglichst kurz zu halten. Angeblich soll es noch eine Fortsetzung geben.“ Stieß der Schwarzhaarige nun resigniert mit einer Mischung aus Frustration aus. „Und wie heißt die dann? Biss zur Mittagsstunde? Und dann kommt noch ein dritter Teil Biss zum Abendbrot?“ Draco lachte laut und Harry stimmte mit ein. „Nein, nicht Abendbrot. Das wäre nicht romantisch genug. Aber Abendrot klingt gut!“ Griff er den Faden auf und schüttelte dann den Kopf. „Oh, das Schlimmste weißt du ja noch gar nicht. Edward Cullen, unser vampirischer Vollidiot, seines Zeichens bedauernswerter Trottel, glitzert im Sonnenschein!“ Die grauen Augen blinzelten und Draco wirkte verwundert. Mittlerweile hatte er begonnen Noir zu kraulen und sah verwirrt zu dem Auror hinüber. „Er ist ein Vampir?“ Fragte er nach und bekam ein Nicken als Bestätigung. „Und glitzert in der Sonne?“ Wieder ein Nicken und dann stieß der Blonde die Luft aus. „Bram, es tut mir wirklich leid! Ich weiß, du musst dich in deinem Grabe umgedreht haben, als dieses Schandwerk erschienen ist. Manchmal bin ich wirklich dafür, dass wir die Bücherverbrennung wieder einführen!“ Gab er leidlich von sich und der Schwarzhaarige benötigte einen Moment, bis er die Anspielung zu Bram Stoker verstand. „Wie geht es dir?“ Fragte der Auror mit einem Mal unerwartet und die Verlegenheit glänzte in den grauen Augen erneut auf. Für eine kurze Weile musste sich der Blonde sammeln und zuerst über diese Frage nachdenken. Er war verlegen, sehr verlegen und er wusste noch immer nicht, wie er sich Harry gegenüber verhalten sollte. Der lockere Auftakt ihrer Unterhaltung hatte ihm gut getan, ihn etwas entspannen lassen, auch wenn seine Wangen noch immer brannten. Dafür spürte er in seinem Körper nur noch einen tauben, dumpfen Schmerz, der wahrscheinlich eine Nachwirkung der Unterkühlung war. Sein Magen und seine Gedärme verkündeten einen leicht bitteren Hunger, waren allerdings mit etwas zu essen überfordert. Seine Gedanken kreisten über die Szene in der Küche und so lenkte er sich von seinem körperlichen Befinden ab. Tränen waren über seine Wangen gelaufen, er hatte sich benommen wie ein dummes, kleines Kind! Mit einem Schlucken versuchte er zu verdrängen, was er gesagt hatte und damit auch die Frage, was der Schwarzhaarige gehört hatte. Offenkundig den Schluss und vielleicht noch mehr. War er überhaupt gegangen oder hatte er die gesamte Zeit hinter der Tür gestanden? „Ich entnehme deinem entsetzen Gesichtsausdruck einmal, dass es dir zwar gut geht, aber du gedanklich bei unserer letzten „Begegnung“ festhängst. Wenn man deine Flucht denn so nennen kann.“ Wieder schoss die Röte in die ohnehin schon dunklen Wangen und die rechte Hand verkrampfte sich fest im Stoff der Bettdecke, die linke versuchte weiter durch das schwarze Fell zu streichen. Harry war diese Reaktion aufgefallen und mit einem Seufzen sprach er weiter. „Bevor du dir jetzt überlegst, was ich weiß und was nicht, sage ich es lieber gleich. Von eurem Gespräch habe ich alles gehört, ich hatte irgendwie so eine Vorahnung, dass ich nur mit einem Vorwand weggeschickt wurde. Danach habe ich mit deiner Lehrmeisterin gesprochen und sie hat mir denke ich alles erzählt, was du mir ganz sicher nicht sagen wolltest.“ Schlagartig verkrampfte sich auch die linke Hand, hatte sich zuvor aber aus dem rauen Fell gezogen, um der Wölfin keinen Schmerz zuzufügen. Ein leichtes Beben ergriff den Blonden und flach sog er die Luft ein. Würden die grauen Augen jetzt zu ihm aufsehen, hätte Harry sicher die schiere Angst in ihnen erkennen können. „Ich gebe zu, dass ich das alles nur teilweise verstehe.“ Setzte er erneut an und Noir hob ihren Kopf. Wieder war ihr Freund so angespannt und wieder schien dieser Kerl dafür verantwortlich zu sein. Dieses Mal fletschte sie leise die Zähne und starrte aus ihren gelben Augen hinüber zu dem angeblichen Feind. „Aber ich bin noch da und ich habe nicht vor wieder zu gehen.“ Nun klang seine Stimme selbst unsicher, er wusste nicht, wie er am besten vorgehen sollte. Er wusste ja nicht einmal, was er genau sagen wollte. „Du hast Recht, ich kenne dich nicht und du kennst mich nicht. Keiner von uns beiden kann behaupten, dass er den anderen so liebt, wie er ist. Hat dich das damals aufgehalten? Hast du wirklich gewusst, wer ich bin? Hast du dir vorgestellt, dass ich jemals aus freien Stücken mit dir schlafen würde?“ Nun schluckte der Blonde und versuchte den Blick zu heben. Der erste Anlauf wirkte schwächlich, doch dann blickten ihn die grauen Augen direkt an. „Nein, das habe ich nicht erwartet. Aber wirkte der Zaubertrank nicht noch?“ Der provokante Scherz hatte weniger Kraft, als je ein Angriff zuvor. Aber da war wieder dieses Funkeln, dieser leichte Zug in dem von Verlegenheit gerötetem Gesicht, der auf die Gefahr hinwies, die der Blonde in sich barg. Harry hob die Augenbrauen und grinste dreist bis über beide Ohren. „Ach komm, als hättest du mir das geglaubt. Natürlich hat die Wirkung zu dem Zeitpunkt schon lange genug nachgelassen, damit ich einfach hätte gehen können. Ich hatte nur nicht den Mut dazu die Wahrheit zu sagen.“ Seine Worte ließen ein Erstaunen in dem vernarbten Gesicht aufflackern und dann schüttelte er leicht den Kopf. „Wie können zwei Menschen eigentlich so feige und so mutig zu gleich sein? Als wäre ich mutig genug gewesen, dir die Wahrheit über meine Gefühle zu gestehen.“ Nun setzte sich der Schwarzhaarige um, zog die Beine an und überkreuzte sie. „Jetzt wird es spannend!“ Kommentierte er die beginnende Ehrlichkeit und dann erklang ein herablassendes, wenn auch schwaches Lachen in seinen Ohren. „Hast du dir wirklich die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen? Ist das jetzt niedlich oder erschreckend?“ Mit dieser Provokation brachte er die ausgeprägten Gesichtszüge zu einem verstimmten Ausdruck und mit einem leichten Lächeln sprach er weiter. „Ob ich dich wirklich so sehr hasse? Nein, im Gegenteil! Zu diesem Zeitpunkt kreisten all meine Gedanken nur um dich, du hast mich in deinen Bann gezogen und nicht wieder losgelassen. Sehnsuchtsvoll habe ich von dir geträumt und meine Phantasien spielten mir zu gerne einen Streich, wenn ich ein flüchtiges Lächeln auf deinen Lippen sah, welches vielleicht mir gegolten haben könnte. Also nein, im Gegenteil, ich habe dich geliebt! Mehr geliebt, als mein Leben!“ Die grünen Augen blinzelten, Draco hatte sich leicht vorgebeugt und dann schluckte Harry. Nur einen Moment später schoss das Blut in seine Wangen und die Hitze kroch bis unter die Haarwurzeln. „Ähm…“ Begann er stotternd, doch auch ein weiteres Blinzeln ließ ihn nicht die gewünschte Kontrolle über seine Gedanken zurückgewinnen. „Ich…“ Der Auror schluckte und sein Herz entschied mit einem Mal über all die aufbrausenden Gefühle, die sich nun in seiner Brust breitmachen wollten. Plötzlich war da nur diese Wärme, diese angenehme, herrliche Wärme, die einem den Kopf verdrehte und alles auf dieser Welt mit einem Hauch Güte und Liebe versah. Verlegen rieb er sich mit der rechten Hand über den Nacken und räusperte sich. „Ähm… ja, also, ich habe mir wirklich den Kopf darüber zerbrochen. Ich dachte mir schon so etwas, aber… ich meine,… es war ja nur diese eine Nacht und dann warst du weg. Es gab ja nie etwas, dass mich hätte verdächtig werden lassen… ich meine… nicht… also…“ Doch er brach ab und als er mit wild klopfendem Herzen aufsah, erblickte er nicht das spöttische, herablassende Gesicht, welches er erwartet hatte. Da war ein warmer, sanfter Zug in den grauen Augen, den er nie zuvor gesehen hatte. Ein schüchternes Lächeln lag auf den schmalen Lippen und eine unbeschreibliche Erleichterung breitete sich in seinem Herzen aus. Er ließ seine Hand noch immer im Nacken ruhen und starrte nun mit einem ebenso schüchternen Lächeln auf die andere, die auf seinen gekreuzten Knöcheln lag. So schön der Moment auch war, keiner von ihnen schien nun den Faden wieder aufnehmen zu können, dafür stand zu viel zwischen ihnen. Sie mieden den Blick des anderen und mit einem Räuspern legte Harry nun seine rechte Hand auf das passende linke Gegenstück. Dann war es Draco, der ein kurzes Stöhnen von sich gab und die Augen zusammen kniff. Sein Kopf begann zu schmerzen, als hätte jemand eine Nadel von hinten hinein gestoßen. Anscheinend war sein Körper zu sehr mit der Unterkühlung beschäftigt, die er ohne Zweifel haben musste. Er presste die rechte Hand auf seinen Hinterkopf und hielt die Augen weiterhin geschlossen. Natürlich stellte Harry die unpassendste Frage des Abends. „Ist alles in Ordnung?“ Nachdem er tief ein und aus geatmet hatte, der Schmerz in seinem Hinterkopf langsam nach ließ, öffnete er eines der grauen Augen und meinte mit leicht angeschlagener Stimme. „Ist das dein Ernst?“ Er war zu lange mit einer grobschlächtigen Hexe unter einem Dach gefangen, als dass er auf solche Umgangsformen achtete. Dass es ihm beschießen ging, musste sogar der medizinisch unfähige Kerl erkennen. „Natürlich ist nicht alles in Ordnung. Mein Kopf rächt sich jetzt für die…“ Doch weiter kam er nicht, ein weiterer Stich brach sich kalt von hinten durch seine Schädeldecke. Mit einem leicht verärgerten, wenn auch verständlichen Ausstoßen der Luft deutete der Schwarzhaarige auf den kleinen Nachttisch und schwieg. Es dauerte, bis der ehemalige Slytherin diese Bewegung erkannte und folgte dem ausgestreckten Finger. Mit einem Blinzeln versuchte er zu verstehen, was dort auf dem Tisch stand. „Trink mich, wenn du Kopfschmerzen hast!“ Durfte er sich jetzt verarscht fühlen? Es war die gleiche Flasche, der exakt gleiche Flakon, den er am Morgen dort platziert hatte und der nun anscheinend wieder gefüllt worden war. „Keine Sorge, es war nur mein Plan und ihre Umsetzung. Ich habe immer noch keine große Ahnung von Zaubertränken und das wird sich wohl auch niemals ändern.“ Der schwarzhaarige Auror grinste frech und Draco lehnte sich zurück. Er griff nach der Flasche und öffnete sie skeptisch. Er roch kurz an ihr und der vertraute Duft von Sandelholz entstieg dem Flaschenhals. Noch immer nicht ganz überzeugt, wollte er die Flasche anheben, als ein neuer stichartiger Schmerz durch seinen Kopf jagte. Ok, es konnte ja nicht noch schlimmer werden! Mit diesem Gedanken setzte er den Flakon an und leerte ihn in einem einzigen Zug. Wie auch die Male zuvor bei seinem Freund breitete sich die Flüssigkeit mit einer angenehmen Entspannung in ihm aus und milderte nach und nach all die tauben Schmerzen in seinen Gliedern. Schließlich drang die Wirkung auch bis in seinen Kopf vor und sorgte dafür, dass der Druck abgebaut wurde. Ein erleichtertes Seufzen entkam ihm, als der kleine Trank seinen Zweck in ganzer Fülle erledigt hatte. „Ich hätte da so einen Vorschlag für den weiteren Ablauf des Abends.“ Meinte der Auror plötzlich und musterte das langsam wieder heller werdende Gesicht, aus dem die verlegene Röte schwand. „Ich kümmere mich um etwas zu essen und du ziehst dich um, machst dich fertig und schickst deiner Mutter noch eine Eule. Ich habe ihr versprochen, dass ich ihr Bescheid gebe, wenn ich dich gefunden habe, aber sie würde sich sicher viel mehr über einen Brief von dir freuen.“ Eine gewisse Unsicherheit klang in seiner Stimme mit und Draco fragte sich, woher sie kam. „Ich denke nicht, dass sie sich über einen Brief von mir freuen würde.“ Brummte der Blonde so und allein der Gedanke, diese Idee umzusetzen, ließ sein Herz höher schlagen. Er hatte sich sieben Jahre nicht bei ihr gemeldet und nun wusste sie auch noch, dass er mit… dass er mit Potter geschlafen hatte! „Das wird sie! Als ich ihr das alles erzählt hatte, meinte sie mit fester Stimme, dass ich dir auf jeden Fall ausrichten soll, dass sie dich immer noch liebt und du jeder Zeit zu ihr kommen kannst! Sie erinnert mich übrigens jedes Jahr am gleichen Tag mit einer schneeweißen Eule daran, dass ich ja nicht auf die Idee komme, es zu vergessen. In ihrem letzten Brief hat sie mir dezent gedroht, dass sie mich in ihrem Kerker einsperren und langsam zu Tode quälen wird, wenn ich sie belügen würde. Sie kann sich, glaube ich, nicht vorstellen, dass ich dich bisher immer noch nicht gefunden habe. Aber sie ist ziemlich stolz darauf, dass du mich wie einen völligen Idioten dastehen lässt.“ Nun war da ein flüchtiges Lächeln auf den schmalen Lippen und doch konnte er den Mann nicht überzeugen. So seufzte Harry und suchte nach den passenden Worten. „Ich habe ja nie einer Mutter einen Brief geschrieben, aber du kannst ihn ja kurz halten und ihr sagen, dass es dir gut geht, dass ich dich gefunden habe und du mich stellvertretend für sie noch ein wenig folterst, weil ich ihr so schonungslos die Wahrheit gesagt habe. Ich glaube nicht, dass da sonderlich mehr rein müsste.“ Die grauen Augen musterten ihn genau, als versuche er die wahren Gedanken hinter der sonnengebräunten Stirn zu erfassen und die Falle zu erkennen, die ihm hier vielleicht gestellt wurde. Dennoch ergriff auch ein uneingeschränktes Gefühl unerwarteter Hoffnung sein Herz. Sie war seine Mutter und er sehnte sich so lange schon nach ihr. Aus einer Art Verzweiflung hatte er sie und seinen Vater aus seinen Gedanken verdrängt, kaum eine Erinnerung an die beiden zugelassen. Nun schienen sie plötzlich wieder so nah und wenn es wirklich keine Lüge darstellte, wenn sie ihn wirklich noch liebte… dann musste er ihr schreiben! „Gut…“ Begann er langsam und nickte dabei leicht. „Gut, dann setzten wir diesen Plan um.“ Entschied er noch immer unsicher und fragte dann. „Du kommst in meiner Küche zurecht?“ Die grünen Augen sahen ihn leicht spöttisch an und ein herausforderndes Lächeln lag auf seinen Lippen. oooOOOooo Langsam begannen seine Gedanken Ideen zu produzieren, die ihm nicht gefielen. Er hatte die Küche mittlerweile wieder aufgeräumt, alles gesäubert und den Tisch gedeckt. Auf dem Herd stand eine einfache Kartoffelsuppe, die vor sich hin köchelte und in vielleicht 10 Minuten fertig wäre. Wie lange war er nun schon hier? Er hatte bestimmt zwei Mal die Standuhr drüben im Salon zur halben Stunde schlagen hören und dazwischen hatte sie verkündet, dass es 18 Uhr wäre. Wie lange konnte man zum Umziehen und Schreiben eines Briefes benötigen? Vielleicht war er aber auch duschen und selbst er genehmigte sich im Winter manchmal eine längere Dusche. Es war legitim 15 Minuten zu duschen. Die grünen Augen starrten zur Küchentür. Harry stand mit verschränkten Armen gegen die Küchenzeile gelehnt. Gut, Draco war unterkühlt, vielleicht duschte er ja länger. Konnte ja nicht jeder in 5 Minuten fertig sein und langes Duschen zwischen 8 und 10 Minuten ein kategorisieren! Manchmal fragte sich Harry, wie viele Angewohnheiten er nach Hogwarts wieder aus seinem „Elternhaus“ übernommen hatte. Obwohl er schon zu Schulzeiten nicht gerade lange duschte. Ron hingegen liebte es. Er konnte problemlos 20 Minuten unter dem warmen Wasser verbringen, sich dann in seinen Bademantel einmummeln und voller Freude behaupten. „Es ist so herrlich, wenn beim Duschen nicht drei Mal an die Tür geklopft wird und laut gebrüllt, dass man sich beeilen soll!“ Mittlerweile hatten sie eine Wohung mit Badewanne, denn Hermine hielt ihm regelmäßig Vorträge, dass er nicht so viel Wasser verschwenden sollte. Ihr zukünftiges Haus würde jedoch noch ein zweites Badezimmer besitzen müssen, hatte die brünette Hexe gesagt. Jetzt verstand Harry auch das gesteigerte Interesse an einem Hauskauf besonders in der Nähe ihrer Eltern. Wenn Hermines Vermutung richtig war und sie wirklich schwanger wäre, käme nur ein Haus in der Nähe ihrer Eltern in Frage, sonst würden die Grangers nie etwas von ihren Enkeln sehen. So in Gedanken versunken schreckte er auf, als im Flur ein lautes Poltern zu hören war. Krallen schrammten über Holz und das unkontrolliert und schnell. Dabei schien ein schweres Gewicht von Treppenstufe zu Treppenstufe zu rutschen. Am liebsten wäre er sofort zu Noir hinaus gelaufen, denn wenn sie kam, kam sicher auch Draco. Angestrengt lauschend konzentrierte er sich auf die Schritte, die nun unten am Ende angekommen waren und beinahe panisch stolperte er selbst zum Tisch hinüber und griff nach einem der Teller. Zuerst kam der schwarze Wolf hinein gerannt, rutschte wie immer über den Boden und wirkte dabei aufgedreht fröhlich. Kurz flohen seine Gedanken zu Hermine, die sicher einen guten Antirutschzauber kannte, damit die arme Noir nicht immer Schwierigkeiten mit ihren Hinterbeinen hatte. Als dann endlich der Blonde in der Küchentür stand, stellte er den Teller, der schon die ganze Zeit dort verbracht hatte, wieder auf seinen Platz zurück und lächelte. „Hast du lange warten müssen?“ Fragte Draco und sein Blick wurde von der Bewegung eingefangen. „Nein, nein, bin gerade erst fertig geworden.“ Log der Schwarzhaarige und schien ihm ersten Moment überzeugend zu sein. Doch seine Nervosität schien ihn zu verraten. Als die grauen Augen sein Gesicht fanden, musterten sie es misstrauisch und dann trat ein breites Grinsen auf die schmalen Lippen. „Ok, wie lange hat der Teller da schon gestanden?“ Schlagartig wurde der sonnengebräunte Auror rot auf den Wangen, die Hitze zog sich bis zu den Ohren hin. Mit einem Räuspern versuchte er die Verlegenheit zu unterdrücken, doch dieses gelang ihm nur schwer. „Vielleicht habe ich schon einen Moment darüber nachgedacht, warum du solange brauchst.“ Gestand er nun und erkannte das leichte Kopfschütteln des anderen. Die blonden Haare waren nun offen, noch immer leicht feucht und bildeten so kleine, dicke Strähnen. Es dauerte nicht lange und sie saßen sich gegenüber am Tisch, die schwarze Wölfin zwischen ihnen. Ihr zweiter Lieblingsplatz, er kam gleich nach dem vor dem Kamin, war der unter dem Tisch, wobei Füße eine angenehme Schlafmöglichkeit boten. Ob es die betreffenden Besitzer dieser Körperteile interessierte oder nicht, war ihr dabei egal. Voller Freude nahm sie beinahe den gesamten Platz unter dem Tisch ein und Harry war erstaunt, wie ein auf den ersten Blick so kleines Tier so viel Raum einnehmen konnte. Vorsichtig versuchte er seine Füße nicht zu bewegen und fragte nach dem Brief, der hoffentlich geschrieben wurde. Verlegen ließ Draco seinen Löffel sinken, starrte in die einfache Suppe und schluckte noch einmal. „Ja,… ja, ich habe ihr geschrieben. Ich weiß gar nicht mehr genau was eigentlich. Ich war so aufgeregt und nachdem ich die ersten fünf Briefe nach ‚Liebe Mutter‘ und drei weiteren Worten zerknüllt habe, habe ich einfach aufgeschrieben, was mir durch den Kopf ging. Ich glaube, es war so in etwa das, was du mir vorgeschlagen hast. Ich habe ihr erzählt, dass ich einen Ort gefunden habe, an dem ich mich sicher fühle und von Noir. Ich habe von der Baba Jage berichtet, dass sie mir sehr geholfen hat, nachdem ich auf Bellatrix gestoßen bin. Na ja, und dass du mir gesagt hast, dass ich mich bei ihr melden soll.“ Dass es ihn in Verlegenheit brachte und offenbar sehr beschäftigte, konnte Harry sehen. Wahrscheinlich schwang auch die Angst einer Reaktion, einer negativen Antwort ihrerseits mit in diesen Gefühlen. „Ich habe ihr auch gesagt, dass sie die Eule behalten soll, sie könne mich auf diese Weise immer erreichen.“ Mit einem aufmunternden Lächeln meinte der Schwarzhaarige, dass er dann vielleicht schon bald eine Antwort bekäme und sie sicher nicht schlecht ausfallen würde. Wie sehr er von Petunia beeinflusst worden war, bemerkte er nicht. Zuerst hatte er die leeren Teller in die Spüle stellen wollen, doch kaum hatte er sich von dieser abgewandt, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Zum Glück war auch der blonde Zauberer der Meinung, dass dreckiges Geschirr sofort gesäubert gehört und so blieb dem Auror der wahre Grund seines Unwohlseins verborgen. Der Zwang selbst hatte sich über all die Zeit gut verstecken können. Obwohl Harry auch gehofft hatte, dass er mehr über dieses Haus erfahren würde, zogen sich die beiden mit einem Becher Tee in der Hand zurück in den Salon. Es war ein ansehnlich großer Raum, der im hinteren Teil ein Esszimmer beherbergte. Er war mit dunklen Möbeln ausgestattet, der runde Tisch, dessen Fläche mit alten Kratzern übersät war, stand nackt mit seinen sechs gepolsterten Stühlen vor den Fenstern mit ausfallenden Vorhängen. Draco erklärte ihm, dass beinahe alles hier in diesem Haus schon vorhanden gewesen war. Es stand leer, schien auf jemanden zu warten, der diesem Gebäude wieder neues Leben einhauchte. Der ehemalige Slytherin vermutete, dass es das Haus des Magiers gewesen war, welcher damals den Wald verflucht hatte. Besonders hier im Salon waren die Möbel alle fein ausgearbeitet und mit geschwungenen Elementen versehen. Auch die beiden, mit grünem Stoff überzogenen Sofas, die mit drei weiteren Sesseln ergänzt wurden, wirkten wie Stücke aus einem vergangenen Jahrhundert. Dort, wo keine Fenster waren und keine hohen Schränke die Wand bestimmten, fanden sich Gemälde von Landschaften und Tieren wieder. Das Bild eines Waldes mit einer Gruppe Rehe, die hin und wieder die Köpfe hoben und zu dem kleinen Fluss liefen, der sich durch die Bäume schlängelte, wirkte wie ein Fenster in diesen verfluchten Wald hinein. Am besten gefiel Harry aber ein Gemälde, welches mit der Jahreszeit ging. Jetzt war der Hügel, welcher die rechte Seite bestimmte und sich dann in einem Wald verlor, von Schnee bedeckt und die kargen Äste der Bäume ragten in den Himmel. Der Mond blickte immer wieder zwischen den dicken Wolken hervor und erhellte die dunkle Szenerie. „Wie die Decke der großen Halle.“ Meinte er nachdenklich und beobachtete einen Fuchs, der seinen Kopf hinter einem Baum hervor steckte und dann einmal quer über das gesamte Bild lief. Da blieben sogar Fußspuren im Schnee zurück! Eine ganze Weile unterhielten sie sich über eine Mischung aus Nebensächlichkeiten und vergangenen Geschehnissen. Noch immer wussten sie nicht richtig miteinander umzugehen, doch das Gespräch wurde immer offener und Harry spürte, wie es ihnen dabei immer leichter fiel. Gerne erzählte er von Blaise, der ein halbes Jahr bei ihm gewohnt hatte und dann in der Geschichte der Welt unterging. Dafür erfuhr er von Dracos Hang zu nicht so kitschigen Liebesromanen, der die Vorstellung einfach genoss, dass Nichts auf dieser Welt so bedeutend war wie die wahre, reine Liebe. Mitten in den Erzählungen über die Lehrstunden der Baba Jaga, begann der Schwarzhaarige zu gähnen und es fiel ihm Zusehens schwerer den Worten zu folgen. Plötzlich zuckte er zusammen und begriff, dass er mitten im Gespräch eingeschlafen war, wenn auch nur für wenige Sekunden. „Du solltest schlafen gehen, es war ein anstrengender Tag.“ Klang die ruhige, viel zu freundliche Stimme des Blonden in seinen Ohren und müde rieb sich Harry über die Augen. „Nein, ich…“ Doch der Rest des Satzes wurde von einem Gähnen überlagert. „Willst du schon schlafen gehen?“ Fragte der Auror so provokant, wie es ihm in diesem Zustand möglich war und erkannte das Kopfschütteln. „Dann bleib ich auch noch wach!“ Bestimmte er wie ein trotziges Kind und wurde doch sofort durchschaut. „Na gut, wenn du so viel Angst davor hast, alleine ins Bett zu gehen, kannst du ja noch einen Moment hier auf dem Sofa schlafen.“ Misstrauisch sahen ihn die grünen Augen an, doch allein der Gedanke an eine warme Decke, die körperliche Erleichterung, wenn die Müdigkeit seine Muskeln zur Entspannung zwang, ließen ihn erneut gähnen. „Ich….“ Begann er noch mit einem Protest, doch Draco deutete nur rüber zur Decke, die hinter ihm ordentlich gefaltet über der Sofalehne hing. „Ich hatte vor noch etwas zu lesen, das ich übersetzen will. Das kann ich aber auch hier machen.“ Schlug Draco nun erneut vor und bemerkte, wie der Widerstand seines Gegners immer geringer wurde. „Du bist gleich wieder da?“ Fragte Harry noch einmal und rieb sich über die Augen, die zu brennen begonnen hatten, wobei er die Brille leicht nach oben schob. Nur einen Moment schlafen, ein Wenig, nicht mehr. „Ja, ich bin gleich wieder da! Versprochen!“ Als die Stimme in seinen Ohren widerhallte, griff er schon nach der Decke hinter sich, die Augen geschlossen. Seine Finger fuhren über den alten Stoff und tasteten nach der weichen Wolle. Als er sie endlich zu fassen bekam, zog er kräftig an der Decke, die schwer über die Lehne rutschte. Dass der Blonde sich noch erhob, bekam er mit, denn dieser zog ihm sanft die Brille von der Nase. Eines der grünen Augen öffnete sich halb, die vollen Lippen zogen sich zu einem vergnügten Lächeln in die Höhe, als er den Kuss auf seiner Stirn spürte. Erschöpft ließ er sich einfach zur Seite fallen, breitete die Decke so gut es ging aus, doch im Grunde war ihm das egal. Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als er mit den beiden Büchern im Arm wieder zurück kehrte. Harry hatte den Zipfel der Decke mit beiden Armen umklammert, den Kopf darauf gebettet und sein rechtes, oben liegendes Bein hing vom Sofa herunter. Obwohl er wirklich nur kurz gegangen war, schlief der Auror schon tief und fest. Es war seltsam plötzlich nicht mehr alleine zu sein. Mit diesem Gedanken breitete er die Decke gänzlich über dem Schwarzhaarigen aus und schob das rechte Bein vorsichtig wieder zurück. Das alte Buch und das kleine Notizheft hatte er auf den Tisch gelegt. Mit einer kleinen Handbewegung ließ er 8 der 12 Kerzen des großen Kronleuchters über ihm erlöschen und umrundete dann das Sofa um die Vorhänge zu schließen. Draußen hatte der Schnee gänzlich aufgehört zu fallen und eine dicke Schicht bedeckte den gesamten Wald, als wolle sie alles darunter begraben. Sehen konnte er kaum etwas, nur gelegentlich kam der Mond hinter den Wolken hervor, sonst war es stockduster. Zufrieden zog er die schweren Vorhänge zu und setzte sich neben den Schlafenden. Seine Gedanken waren aufgewühlt, sie hatten nicht wieder über das gesprochen, was die alte Hexe Harry erzählt hatte und nun, da seine Gedanken wieder freien Lauf hatten, krochen die alten Ängste hervor. oooOOOooo Sein Rücken schmerzte und sein linker Arm fühlte sich taub an. Diese Empfindungen wurden irgendwann so deutlich, dass sie ihn aus seinem Schlaf rissen. Vielleicht hatte auch die Uhr ihren Anteil daran, denn sie schlug mittlerweile wieder zur halben Stunde, nur war es dieses Mal 23:30 Uhr. Wie konnte man eine große Pendeluhr haben, die wirklich alle halbe Stunde ihre unverfrorene Meinung in die Welt posaunen musste? Ein Schlag für jede halbe und die passende Anzahl für jede ganze Stunde. Wenigstens schlug sie um 23 Uhr nur 11 Mal und nicht 23 Mal!!! Müde richtete sich der Schwarzhaarige auf, streckte sich langsam und brachte die verspannten Muskeln im Rücken vorsichtig in Bewegung. Dann fuhr er sich massierend mit beiden Händen über den Nacken und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er war bei Draco! Sie hatten sich lange unterhalten und dann war er eingeschlafen! Und offenbar nicht nur er! Mit einem frechen Grinsen öffnete er die Augen und blickte zur Seite. Seinem verschwommenen Blick konnte er entnehmen, dass auch der ehemalige Slytherin den Verlockungen der Müdigkeit nicht widerstehen konnte. Er saß neben ihm auf dem Sofa, den Kopf auf die Brust gesunken und kein Buch mehr in Händen haltend. Von dieser spitzbübischen Freude beflügelt, griff er leise nach seiner Brille, die er auf dem niedrigen Tisch vor dem Sofa ausgemacht hatte. Nun wurde die Welt wieder schärfer und ein Blick auf die Standuhr verriet ihm, zu welcher Stunde es halb geschlagen hatte. Meine Güte, war es schon spät! Obwohl… sie waren, nun, er war, ja auch erst gegen Mittag aufgestanden und Draco hatte zwischendurch auch drei Stunden geschlafen. Tee! Tee war ein guter Gedanke! So schob er die Decke leicht zur Seite, hob das Buch auf und schlich auf seinen dicken Socken hinaus. Welcher Zauber das auch immer war, aber er liebte diesen warmen Fußboden. Selbst die Fliesen in der Küche waren nicht kalt. Im Gegensatz zu Draco musste er den Kessel selbst befüllen und zu seiner Freude brannte noch immer ein angenehmes Feuer im Kamin. Harry beeilte sich und versuchte dabei so leise wie möglich zu sein. Er wollte den Schlafenden nicht wecken und als ein herrlicher Rooibos-Chai Tee in den schwarzen Bechern duftete, schlich er sich auf Zehenspitzen wieder zurück ins „Wohnzimmer“. Im Türrahmen blieb er stehen und als sein Blick auf den blonden Mann fiel, hielt er inne. Eigentlich wollte er nur kurz anhalten, um sich den besten Weg zu überlegen die Tür zu schließen. Doch eine unerwartete Antwort sprang ihn dabei so offensiv an, dass sein Herz wild zu klopfen begann. Als seine grünen Augen über die in sich zusammengesunkene Gestalt wanderten, die feinen, schlanken Finger, aus denen das Buch zu Boden gerutscht war, verstand er die Worte Hermines, die sie ihm vor so langer Zeit gesagt hatte. Es ging nicht um seinen Verstand, damit hatte die Alte Recht. Es ging um sein Herz. Und sein Herz hatte Hermines Worte verstanden. Sie ergänzten sich perfekt! Sie vervollständigten einander! Leise schluckte er und spürte dieses aufwühlende Gefühl in seiner Brust. Es war ein angenehmer Druck, der sich immer weiter ausbreitete und dann einen schweren Klos in seinem Hals bildete. Obwohl er gestern sauer auf Draco gewesen war, hatte er diesem vertraut. Er vertraute ihm jetzt und wenn er über all das nachdachte, was sie in diesen vielleicht 24 Stunden gemeinsam getan hatten, ergänzten sie sich in allem. Seit seinem Sieg über den Dunklen Lord, seit seinem überstandenen Todesfluch hatte er sich nicht so geborgen gefühlt, nicht so sicher, nicht so… zu Hause! Ja, genau das war es, trotz all der Zweifel, der Ängste, der Fragen, er hatte sich von Anfang an zu Hause gefühlt. Genau wie in dieser einen Nacht. Als der Zaubertrank nachgelassen hatte, als er sich auf all das eingelassen hatte, war da dieses eine Gefühl, welches er seit Jahren suchte. Seine Gedanken schweiften zu der Unterhaltung zurück, die er mit Blaise geführt hatte. Es war nicht die Ehrlichkeit, nicht der Sex… er konnte damals nicht bestimmen, nach was er sich genau sehnte. Was hatte ihm dieser junge Mann gegeben, das ihn bis heute mit einer unerfüllten Sehnsucht quälte? Mit einem Blinzeln versuchet er die aufkommenden Tränen zu verdrängen. Bei allen verfluchten Göttern dieser Welt, was war denn jetzt bitte los? Aber dieses Gefühl, diese tiefe Erkenntnis berührte ihn so stark, dass es ihm schwer fiel die Tränen zurückzuhalten. Er atmete flach ein und aus, versuchte sich zu beruhigen. ~Warum ich sie so liebe? Es fühlt sich einfach an, als ist es das Normalste der Welt!~ Nevilles Worte kamen ihm in den Sinn und er musste ihm zustimmen. Ja, genau so fühlte es sich an hier zu sein! Trotz all der Zweifel und Ängste, trotz all der ungeklärten Fragen und dem ständigen Gedanken, diesen Mann gar nicht zu kennen. Es fühlte sich an, als wäre es das Normalste der Welt! „Wie lange willst du da noch stehen?“ Platze plötzlich die müde Stimme in dieses Gefühlschaos und Harry zuckte zusammen. Die grauen Augen hatten sich nicht geöffnet, waren eher zusammengekniffen und Draco versuchte langsam wach zu werden. Er zog die Schultern an, ballte die wohl kühlen Finger zusammen, um sie danach gegeneinander zu reiben. „Oh, ich…“ Kurz überlegte Harry und dann grinste er bis über beide Ohren. „Ich war nur am Überlegen, wie ich dich am Besten wecken kann. Ich habe mich dazu entschieden einfach zu warten, bis du den Tee riechst!“ Stichelte er nun und kam näher, das gewaltige Grinsen konnte er nicht unterdrücken. Wann hatte er sich in den letzten Jahren so glücklich gefühlt? „Rooibos-Chai?“ Fragte Draco erstaunt und blickte aus verschlafenen Augen zu dem Auror auf. Dankbar lächelte er und griff mit beiden Händen nach dem Becher, der ihm gereicht wurde. „Woher wusstest du das?“ Noch immer breit grinsend setzte sich Harry neben ihn und meinte herausfordernd. „Was? Dass es dein Lieblingstee ist?“ Er bekam nichts weiter als ein Nicken, denn noch immer schien Draco mit der Müdigkeit zu kämpfen. Meine Güte, wie konnte man so „süß“ aussehen? Allerdings war sich Harry auch im Klaren darüber, dass er diesen Gedanken niemals aussprechen sollte. Die blonden Haare hingen etwas wild um die Schultern, die Augen waren halb geschlossen und alles an dem Mann wirkte selig zufrieden mit dem Tee in den Händen. „Es war die Dose, die direkt neben den Bechern stand, noch vor der Dose mit der Vanille und sie war am meisten abgegriffen.“ „Gut kombiniert, aber was ist dir passiert, dass du strahlst wie ein Honigkuchenpferd?“ Neckte nun Draco ihn und nahm genießend einen Schluck Tee, schloss die Augen und lauschte dem Atem des anderen. „Ich habe endlich ein Geheimnis gelüftet!“ Begann der Schwarzhaarige vielsagend und als die grauen Augen ihn wieder über den Teebecher hinweg anblickten, wurde sein Grinsen noch breiter. Mit einem Funkeln stellte er seinen Teebecher ab und griff nach dem anderen. Beide landeten auf dem kleinen Tisch neben den Büchern und nur einen Moment später saß Harry breitbeinig auf dem Schoß des Blonden. Er legte seine Arme über dessen Schultern und beugte sich langsam vor. Die Röte stieg sofort in die blassen Wangen und sanft trafen sich ihre Lippen. Dracos Hände spürte er warm auf seinem Rücken, als dieser ihn noch näher an sich zog. Harrys Herz klopfte wild und der Kuss schmeckte süß nach Tee. Noch wagte er nicht diesen zu vertiefen. Kurz löste er ihn, sah in die glänzenden grauen Augen, in denen nun keine Müdigkeit mehr zu erkennen war. Die Hitze brannte nicht nur auf seinen Wangen, auch in seinen Lenden spürte er das erste Pochen. Er wollte diesen Mann! Er begehrte ihn und als sich ihre Lippen erneut trafen, war der Kuss begierig und voller Sehnsucht. Er spürte deutlich, wo sich das Blut in seinem Körper hinbewegte, die Gier zu einer Lust wurde und … … sein Kopf aussetzte. Es war nicht dieses angenehme, berauschende Aussetzen, über welches man sich freute. Es war dieses schreckliche, schwindelerregende Gefühl, dass einem die Beine wegzog und Übelkeit aus dem Bauch aufsteigen ließ. Mit einem Stöhnen löste er den Kuss und kniff die Augen zusammen. Warum jetzt? „Dir ist schwindlig oder?“ Fragte Draco mit einem belustigten Klang in der Stimme und der Auror gab nur ein ungnädiges Knurren von sich. Der ehemalige Slytherin räusperte sich und meinte dann offen. „Nach all dem, was gestern und heute passiert ist, kommt dein Körper nicht so gut mit der Umlagerung einer solchen Menge Blut zurecht.“ Eines der grünen Augen öffnete sich und sein Herz begann noch schneller zu schlagen. Er schluckte und mit einem Grinsen meinte Draco. „Ja, ich weiß, wo sich gerade dein Blut gesammelt hat!“ Mit einem peinlich verlegenen Ausruf ließ er den Kopf sinken und drückte seine Stirn gegen die rechte Schulter des blonden Mannes. Die warmen Hände lagen noch immer auf seinem unteren Rücken und dann spürte er die schmalen Lippen an seinem Hals. Draco küsste ihn sanft, ließ sich dabei ausreichend Zeit und flüsterte dann gegen das vor Scham erhitze Ohr. „Vielleicht stimmt es dich freudiger, wenn ich dich heute Nacht nicht ins Gästezimmer verbanne und du noch einmal die Gelegenheit bekommst, mir meine Bettdecke streitig zu machen…“ Nun pochte sein Herz so laut, dass er jeden Schlag in seinen Schläfen spüren konnte. „Ja… ja… doch… das würde mich freudiger stimmen.“ Meinte er leise, ein Krächzen hatte sich in seinen Rachen geschlichen und als er den Kopf leicht zurück zog, um in die grauen Augen zu blicken, fragte sich die leise Stimme in seinem Hinterkopf, wo da der Haken war. Es gab keinen, ganz gleich, wie sehr seine misstrauische Stimme sich auch Mühe gab. Harry rutschte aus der angenehmen Sitzhaltung wieder zurück auf das Sofa und sie tranken ihren Tee noch aus. Es war ein angenehm prickelndes Gefühl, denn sie saßen Schulter an Schulter gelehnt dicht nebeneinander. Noir verabschiedete sich für die Nacht und verschwand im Dunkel, nur ein Heulen erfüllte noch die kalte Luft. Harry stand schon auf der Treppe und lachte provokant, während er sich am Treppengeländer festhielt. „Pass bloß auf, nachher bringt sie dir noch einen gejagten Hasen mit nach Hause.“ Stichelte er und die Hitze stieg in die blassen Wangen des ehemaligen Slytherin. Im Bad versuchte er möglichst nicht an die Bilder zu denken, die er der Wölfin schon zu verdanken hatte. „Hör b'oß auf! Dat hat sie schon alles gemacht!“ Beschwerte er sich, während er versuchte nichts von der Zahnpasta zu verlieren. Grinsend lehnte Harry an der Wand, schwieg lieber und konzentrierte sich auf das Zähneputzen, bevor er noch eine Katastrophe in Weiß durch ein ausfallendes Lachen fabrizierte. Es war seltsam ungewohnt hier neben ihm in diesem kleinen Badezimmer zu stehen und doch wollte er jetzt nirgendwo anders lieber sein. An diesem Abend war ihm vieles egal. Draco hatte noch einen Blick auf die Wunde an seinem Arm werfen wollen und stellte fest, dass sie wie zu erwarten verheilt war. Zwar konnte man die Stelle noch gut sehen, sie war rosa und deutlich empfindsamer, aber das würde sich in den nächsten Tagen legen. Die Infektion war ausgeklungen, das war das Wichtige. Zum Glück hatte der dezent Sauberkeitsfanatische das Bett schon frisch überzogen und sie mussten nicht mit einer Unmenge an Wolfshaaren kuscheln. „Warum bin ich gestern eigentlich nicht im Gästezimmer gelandet?“ Fragte er neugierig, spürte jedoch schon die Müdigkeit erneut Anlauf nehmen. Sie kroch regelrecht rasend auf ihn zu und wollte ihn packen. „Ich war zu faul das Gästezimmer erst herzurichten.“ Brummte Draco verlegen und mit einem Gähnen begann der Auror zu grinsen. „Wehe, da liegt morgen wieder so ein dummer Brief von dir!“ Stichelte er als Dank und rutschte etwas näher. Es war warm unter der Decke und dieses Bett war unglaublich weich. Es war eines dieser Sorte, aus dem man gar nicht mehr heraus wollte. Es schien einen wahrhaftig gefangen zu nehmen und wiegte einen unglaublich schnell in den Schlaf. Als läge ein Zauber auf ihm. „Komm her!“ Hörte er plötzlich die belustigte Stimme und nur einen Moment später spürte er die schlanken, straken Arme, die nach ihm griffen. Wer hätte das gedacht? Er lag schon wieder hier! So nah bei ihm! Und sie hatten sich geküsst! Dieser Gedanke jagte ein breites Grinsen über seine vollen Lippen. So schnell würde er diesen Kerl nicht wieder gehen lassen! Möge da kommen, was wolle! „Gute Nacht, Harry!“ Waren die letzten Worte, die er noch hörte und sein Verstand begriff, dass sich die warmen Lippen zu einem sanften Kuss auf seine Stirn gelegt hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)