Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 79: Abschied -------------------- Am nächsten Morgen zeigte sich der Frühsommer in seiner schönsten Pracht und Harry wusste nicht so ganz, ob er es als Tribut oder als Beleidigung an Dumbledore sehen sollte. |Die Stimmung beim Frühstück war gedrückt und als McGonagall sich erhob, folgten ihr die Schüler stumm nach draußen. So viele Menschen waren gekommen, von denen Harry keine Ahnung hatte, wer sie waren und andere, die er kannte, ließen Zorn in ihm aufkeimen. So auch Umbridge, die eine scheinheilige Trauermiene aufsetzte oder Rita Kimmkorn, die ihren Notizblock in der Hand hielt. Doch auch die Mitglieder des Phönixordens waren gekommen und Hagrid hatte sogar seinen Bruder Grawp mitgebracht, der von den anderen argwöhnisch im Auge behalten wurde. Harry allerdings konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als Grawp den weinenden Hagrid so heftig tätschelte, dass sein Stuhl in die Erde einsank. Egal was die anderen dachten, Harry wusste, dass Dumbledore nichts gegen die Anwesenheit von Hagrids Halbbruder gesagt hätte. Die Meermenschen sangen knapp unter der Oberfläche ein Lied für Dumbledore, das wie aus einer anderen Welt zu kommen schien. Sogar die Zentauren waren gekommen und lauschten vom Rande des Waldes aus den Worten des kleinen Mannes, der vorne seine Rede hielt, von der Harry aber kaum etwas verstand. Geistesabwesend beobachtete Harry die Menschen, die Zentauren, Grawp, Hagrid und schließlich die Meermenschen, die nun ihre Köpfe aus dem Wasser hoben, um ebenfalls zu lauschen. Der Gryffindor erinnerte sich daran, wie Dumbledore beim Trimagischen Turnier am Rande des Sees gehockt und mit der Anführerin der Meermenschen auf meerisch gesprochen hatte. Warum hatte er ihn nie gefragt, wann er das gelernt hatte? Warum hatte er all die Gelegenheiten, die er hatte, nicht genutzt, um Dumbledore besser kennenzulernen? Warum hatten sie immer nur über Harrys Leben gesprochen? Harry schluckte schwer, als sich seine Kehle zuschnürte. Ja, immer war es um Harry gegangen. Um sein Schicksal, seine Probleme, seinen Schmerz... und nun zählte Dumbledore ebenfalls zu den Menschen, die sich vor Harry gestellt hatten. Seine Mutter, sein Vater, sein Pate und jetzt Dumbledore. Das musste endlich aufhören. Er konnte nicht zulassen, dass noch jemand für ihn starb. Er musste diesen Krieg endlich beenden, so schnell wie möglich. Hermine hatte sich leise schluchzend an Ron gelehnt, dem ebenfalls Tränen übers Gesicht liefen. Auch Ginny, die neben Harry saß, weinte stumm vor sich hin|², aber Harry selbst konnte das nicht mehr. Auch wenn er ein beklemmendes Gefühl in der Brust hatte, er hatte gestern auf dem Turm seinem Kummer genug Raum gegeben. Viel mehr sorgte seine Trauer jetzt für nagende Schuldgefühle. |Der Aufschrei von etlichen Leuten holte Harry aus seinen Gedanken. Der Tisch, auf dem Dumbledore gelegen hatte, war in Flammen aufgegangen und hinterließ ein weißes Grabmal. Die Zentauren ließen einen Pfeilregen auf die Wiese niederprasseln, der erneut für Unruhe in der Menge sorgte.|² Augenverdrehend nahm Harry das zur Kenntnis. Als ob die Zentauren so schlecht zielen könnten. Sowohl die Zentauren als auch die Meermenschen zogen sich zurück und auch in die Menschenmenge kam Bewegung. Syndia und Severus kamen an ihrer Reihe vorbei und wirkten gefasster, als so manch andere. Sofort musste Harry an die Beerdigung ihrer eigenen Mutter denken, bei der sie von ihrem Vater nicht hatten weinen dürfen. Wenn man von diesem kleinen Detail wusste, wirkte der Anblick der Snapes völlig anders. Und dass Harry sie anders betrachtete, zeigten deutlich die schiefen Blicke einiger Gäste, die wohl eher skeptisch waren, dass ausgerechnet der Lehrer, der ehemals ein Todesser war, keine Träne vergoss. Knurrend nahm der Gryffindor das zur Kenntnis, dabei den Gedanken ignorierend, dass er Severus' Verhalten vor einem Jahr auch noch als verdächtig empfunden hätte. Severus' Blick streifte seinen und Harry musste schlucken. Sie sahen sich kurz ernst an, ehe der Slytherin den Blickkontakt brach und Syndia zum Schloss begleitete. Harry biss sich auf die Lippe und senkte den Blick zu seinen Händen. So sehr diese Beerdigung seinen Entschluss auch gefestigt hatte niemanden mehr zu gefährden, es tat trotzdem weh Severus zu sehen und zu wissen, dass sie erstmal getrennte Wege gehen mussten. Da Harry es gerade nicht ertragen konnte, seine Freunde so trauern zu sehen, erhob er sich und schlenderte um den See herum. Ein Spaziergang war vermutlich wesentlich hilfreicher, als nur herumzusitzen. Nur leider dauerte es nicht lange, bis sich noch jemand aus der Menge löste und scheinbar zufällig in seine Richtung kam: Scrimgeour. Ächzend wandte Harry sich ab und wartete darauf, dass der Zaubereiminister ihn einholen würde. |„Harry! Ich hatte gehofft, dass wir ein Wort miteinander reden können... Gestatten Sie, dass ich Sie ein kleines Stück begleite?“ „Ja“, murrte Harry so neutral wie möglich. „Harry, das war eine schreckliche Tragödie. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie entsetzt ich war, als ich davon hörte. Dumbledore war ein sehr großer Zauberer. Wir hatten unsere Meinungsverschiedenheiten, wie Sie wissen, aber niemand weiß besser als ich...“ „Was wollen Sie?“, konnte Harry dieses geheuchelte Mitleid nicht mehr ertragen. Scrimgeour warf ihm einen verärgerten Blick zu, ehe er sich zusammenriss. „Sie sind natürlich tief erschüttert. Ich weiß, dass Sie Dumbledore sehr nahe standen. Ich schätze, Sie waren sein Lieblingsschüler überhaupt. Das Band zwischen Ihnen beiden...“ „Was wollen Sie?“, unterbrach Harry ihn erneut und blieb sogar stehen, um Scrimgeour böse anzufunkeln. Der Minister ließ sich nicht einschüchtern und sagte mit forschendem Blick: „Man sagt, dass Sie bei ihm gewesen waren, als er die Schule in der Nacht seines Todes verließ.“ „Wer sagt das?“ „Jemand hat einen Todesser auf dem Turm geschockt, nachdem Dumbledore gestorben war. Außerdem waren zwei Besen dort oben. Das Ministerium kann eins und eins zusammenzählen, Harry.“ „Freut mich zu hören“, erwiderte Harry nur spöttisch. „Nun, wo ich mit Dumbledore hingegangen bin und was wir gemacht haben, ist meine Angelegenheit. Er wollte nicht, dass es irgendjemand erfährt.“ „Solche Treue ist natürlich bewundernswert“, wurde Scrimgeour langsam ungeduldig, „aber Dumbledore ist nicht mehr, Harry. Er ist nicht mehr.“ „Ich habe Ihnen trotzdem nichts zu sagen.|³ Es gibt einfach Dinge, die für niemanden außer mir von Belang sind. Ich hatte gehofft, dass Sie das nach Ihrer Befragung über Necrandolas endlich verstanden hätten.“ |Scrimgeour malte offenbar kurz mit den Zähnen, ehe er gefasst sagte: „Nun, was meinen Wunsch, den ich Ihnen Weihnachten unterbreitet habe, angeht...“ „Dazu kennen Sie meine Antwort ebenfalls“, fiel Harry ihm gleich ins Wort und wusste, dass er langsam zu unhöflich wurde, aber das war ihm völlig egal. „Haben Sie Stan Shunpike schon freigelassen?“ Scrimgeours Augen formten sich zu Schlitzen. „Ich sehe, Sie sind...“ „Durch und durch Dumbledores Mann“, ergänzte Harry den Satz. „Ganz genau.“ Der Minister funkelte ihn nochmal böse an, ehe er sich mit einem Schnauben wegdrehte und davonging.|³ Ächzend wandte Harry sich um und ließ seinen Blick über den glitzernden See wandern. Warum konnte Scrimgeour ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Warum musste er immer bei seinen schrecklichsten Erlebnissen nachbohren? Quälte er ihn mit Absicht so, oder war er tatsächlich so blind und bemerkte es gar nicht? „Das Einfühlungsvermögen eines Erumpent“, ächzte Harry leise und strich sich plötzlich unwillkürlich durchs Haar, als ihm bei seinem eigenen Satz Bilder durch den Kopf schossen. Verdammt, er war heute wohl doch ein wenig von der Rolle.   Hier standen sie also, vermutlich das letzte Mal. Am Bahnhof von Hogsmeade. Schüler liefen wild durcheinander und suchten ihr Gepäck, verabschiedeten sich und suchten sich ihre Plätze in einem Abteil. Besonders die jüngeren Schüler wirkten aufgeregt, so war dies hier doch nichts anderes, als ganz normale Sommerferien für sie. Sie würden Hogwarts in wenigen Monaten wiedersehen und ihre größte Sorge war derzeit, ob sie mit den richtigen Leuten ein Abteil teilen konnten. Die Glücklichen. Neben ihnen fühlte Harry sich irgendwie alt und sorgenschwer. Noch nie war ihm so deutlich bewusst geworden, dass er kaum was von seiner Kindheit gehabt hatte. Wie denn auch, wenn ihn zuerst die Dursleys so eingeschränkt und Voldemort ihn ab seinem elften Lebensjahr ständig auf die Probe gestellt hatten. Irgendwie hatte er die Gelegenheiten, Kind zu sein, verpasst. Viele Lehrer schienen zu ahnen, dass Harry nicht vorhatte, nächstes Jahr wiederzukommen und traten auf den Gryffindor zu, um sich von ihm persönlich zu verabschieden. Flitwick schüttelte ihm eifrig die Hand, während er ihm mit einem fast mitleidvollen Blick alles Gute wünschte, McGonagall bat ihn, nichts zu unternehmen, bis er etwas vom Phönixorden hören würde und schließlich zog Hagrid ihn in eine halsbrecherische Umarmung. „Wir sehen uns bald wieder, Harry“, versprach er und versuchte aufmunternd zu lächeln, was gar nicht so einfach war, da er von der Beerdigung noch ganz mitgenommen aussah. Am liebsten hätte Harry ihm etwas tröstendes gesagt, doch ihm wollte nichts einfallen, was nicht doch nur wieder für trauriges Schweigen gesorgt hätte. Erlöst von diesem Zwiespalt wurde Harry durch Syndia und Luca, die nun auch lächelnd auf ihn zutraten. „Bis denn, Harry“, grinste Luca breit und winkte eifrig, während Syndia den Gryffindor schmunzelnd umarmte. „Pass auf dich auf“, sagte sie ihm und löste die Umarmung sogleich, um Harry in die Augen sehen zu können. „Wir werden uns bald wiedersehen, das verspreche ich dir.“ „Pass du auch auf dich auf“, erwiderte Harry und ließ seinen Blick unsicher über die Menge schweifen. „Severus ist also nicht hier?“, fragte er leise. „Er hasst Abschiede vor Publikum“, erklärte Syndia und deutete mit einer kleinen Kopfbewegung Richtung Bahnhofsgebäude. Fragend sah Harry dort herüber und entdeckte Severus halb hinter der Ecke versteckt an der Mauer lehnend. Seine Augen waren unentwegt auf Harry fixiert und als dieser ihn gefunden hatte, nickte er ihm ernst zu. Harry schluckte und nickte ebenfalls kurz unauffällig. „Ich geh mal davon aus, dass er dir bereits vernünftig Tschüss gesagt hat“, warf Syndia ihrem Bruder einen kurzen Blick zu. „Ja. Hat er“, nickte Harry und versuchte tapfer zu lächeln, doch Syndia durchschaute ihn sofort. Fürsorglich strich sie ihm durchs Haar. „Keine Sorge, es ist kein Abschied für immer. Das verspreche ich dir.“ „Dann musst du aber gut auf ihn achten“, erwiderte Harry ernst. Sanft lächelnd sagte Syndia: „Natürlich, mach dir da keine Sorgen. Wir werden uns alle spätestens an deinem Geburtstag wiedersehen.“ Harry zwang sich zu einem leichten Lächeln und nickte erneut. Es war aufbauend das von Syndia zu hören, aber er wusste auch, dass sie das nicht so einfach versprechen konnte, wie sie es gerade tat. Bis zu seinem Geburtstag war es noch etwas hin und bis dahin konnte viel passieren. Natürlich wusste Syndia, was Harry gerade dachte und lächelte ihn nur aufmunternd an. „Bis dann“, sagte sie abschließend und gab Harry einen Kuss auf die Stirn. „Ja. Bis dann“, erwiderte Harry leise und ging dann zu Ron und Hermine herüber, die an der Zugtür auf ihn warteten. Auch ihre Gesichter waren ernst und Harry wusste, dass ihnen die gleichen Gedanken durch den Kopf gingen wie ihm. „Komm, wir suchen uns hier vorne ein Abteil“, schlug Hermine vor und zu dritt gingen sie ins nächstbeste Abteil, das noch leer war. Da viele Schüler von ihren Eltern abgeholt worden waren, war der Zug verhältnismäßig leer und sie fanden noch im selben Wagon ein Abteil für sich. Harry setzte sich stumm ans Fenster und sah auf den Bahnsteig hinaus. Sein Blick glitt wieder zum Gebäude, wo Severus noch immer unverändert stand und ihn beobachtete. Harry presste die Lippen aufeinander und hob dann zögerlich die Hand. Auch Severus machte eine kurze Geste zum Abschied, behielt ansonsten aber seine Maske auf. Seine Augen waren mal wieder unergründlich, aber irgendwie wusste Harry, dass es ihm nicht viel anders ging, als ihm selbst. Sie hatten so viel zusammen durchgestanden, hatten in diesem Jahr so viel Zeit miteinander verbracht... es schmerzte, dass sie sich nun für eine ganze Weile nicht mehr sehen würden. Und doch dachte Harry, dass es vielleicht notwendig war, mal auf Abstand zu kommen. Er für seinen Teil würde Schwierigkeiten damit haben, Severus so zu begegnen, als hätte er keine Gefühle für ihn, die über Freundschaft hinausgingen. Hoffentlich konnte Harry die Ferien nutzen, um sein eigenes Gefühlschaos ein wenig abzukühlen und sich eine gute Maske für den Orden aufzubauen. Die Ereignisse der letzten Monate zogen an Harrys innerem Auge vorbei und er hatte einen Flashback nach dem anderen. Es war kaum zu fassen, wie gut er Severus in dieser kurzen Zeit kennengelernt hatte, was er alles über ihn erfahren und was sie alles zusammen erlebt hatten. Sie waren sogar beide für den jeweils anderen gestorben, wer konnte bitte soetwas von sich behaupten? Oh Merlin, und sie hatten sogar schon beide zusammen unter der Dusche gestanden. Ein Schmunzeln huschte auf Harrys Gesicht, wofür Severus nur die Augenbraue hob, was Harrys Grinsen verbreiterte. Severus so in gewohnter Manier zu sehen, erwärmte irgendwie Harrys Herz. Ja, er würde Severus vermissen, sehr sogar. Die Türen schlossen sich mit einem lauten Knall und ein Ruck ging einmal durch den ganzen Zug, ehe er sich langsam in Bewegung setzte. Harrys Blick blieb dabei weiterhin an Severus geheftet, bis der Zug an Fahrt aufnahm und ihm die Sicht zum anderen versperrt wurde.                                 ... to be continued ...   FORTSETZUNG: https://www.animexx.de/fanfiction/387743/?js_back=1 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)