Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 68: Zerstörte Hoffnung ------------------------------ „Du hast dich noch gar nicht bei mir bedankt“, stellte Syndia fest, ohne ihren Bruder anzusehen. Dieser sah von seinem Mittagessen auf und zog fragend eine Augenbraue hoch. Es war eine Seltenheit, dass Syndia in der Großen Halle zu Mittag aß, da sie oft mit Luca in ihren Räumen gegessen hatte. Doch endlich begann Luca Kontakte in Hogwarts zu knüpfen und aß immer häufiger an den Haustischen. „Wofür sollte ich mich ausgerechnet bei dir bedanken?“, murrte der Tränkemeister und Syndia verdrehte die Augen. „Charmant wie immer, Bruderherz“, sagte sie trocken. „Dafür, dass ich euren Streit geschlichtet habe.“ Sie nickte zu Harry herüber und der Blick des anderen wurde dunkler. „Du kannst froh sein, dass wir dich noch nicht verhext haben“, knurrte er unheilvoll und wollte das Gespräch für sich beenden, indem er sich wieder seinem Essen zuwandte. Syndia hingegen hatte andere Pläne. „Ihr habt euch vertragen, du redest von 'wir'... und wenn ich das richtig sehe, versteht ihr euch besser denn je. Ich finde, das hat ein Danke verdient.“ „Du hast uns einen ganzen Tag lang in einem Klassenzimmer eingeschlossen“, zischte der Slytherin, doch Syndia ließ sich einfach nicht davon beeindrucken. „Ja und der Ordnung in diesem Raum nach zu urteilen, hattet ihr in der Zeit auch eine Menge Spaß. Im übrigen hing die Dauer eures Aufenthaltes nicht von mir ab. Hättet ihr euch sofort ausgesprochen, wärt ihr nach einer halben Stunde schon wieder draußen gewesen.“ „Mit jedem weiteren Wort, das du sprichst, riskierst du einen besonders miesen Fluch, das ist dir hoffentlich bewusst“, knurrte der Slytherin gefährlich leise. „Sei froh, dass wir dich in Ruhe gelassen haben und belasse es dabei, klar?“ „Ich will dich doch nur aufziehen“, grinste die Hexe unbeeindruckt. „Ich freue mich einfach nur für euch.“ „Dann hast du aber eine komische Art das zu zeigen“, grummelte Severus, trank einen Schluck und ergänzte dann irritiert: „Worüber auch immer du dich genau freust.“ „Ich denke, es ist schon Grund zur Freude, dass ihr euch nicht mehr ständig streitet“, trällerte Syndia fröhlich und grinste ihren Bruder verschmitzt an. Dieser sah ausdruckslos zurück, ehe er sagte: „Ich weiß ganz genau, was in deinem Kopf vorgeht.“ „Achja?“, zog Syndia herausfordernd eine Augenbraue hoch. „Und damit verhältst du dich so kindisch wie eh und je.“ „Ich bezweifle, dass ein Kind solche Gedanken hätte.“ „Würde dir pubertierende Göre besser passen?“, spottete Severus, doch Syndia zuckte nur lässig mit den Schultern. Zuckersüß sagte sie: „Wie gesagt, Severus: Ich freue mich für euch.“   Eine weitere Unterrichtsstunde Okklumentik stand an und als Harry Severus' Büro betrat, standen schon zwei dampfende Tassen auf dem Tisch. „Was für ein Service“, begrüßte Harry den anderen grinsend, der das Denkarium hervorholte. „Der rechte ist deiner. Ich hab ihn um ein paar Kräuter ergänzt, die dir bei deinen Konzentrationsproblemen helfen sollten“, erklärte Severus sachlich und begann seine Erinnerungen auszusortieren. „Ich hoffe, er schmeckt trotzdem noch“, sagte Harry und nahm sogleich einen Schluck vom Tee, der seltsam nussig schmeckte. „Bei deiner Geschmacksverirrung“, kommentierte Severus das nur. „Vielen Dank.“ „Gern geschehen.“ Stumm sah Harry zu, wie Severus eine Erinnerung nach der anderen ins Denkarium gleiten ließ. „Sind da... noch viele Erinnerungen an meinen Vater bei?“, fragte er vorsichtig nach. „Nein, die an deine Eltern sind da nicht mehr bei“, erklärte Severus und stellte das Denkarium zur Seite. Grübelnd nickte Harry. „Das heißt nicht, dass dir ganz aus Versehen ein Schildzauber über die Lippen kommen darf.“ „Und was ist mit ganz mit Absicht?“, grinste Harry und erhielt einen tadelnden Blick. „Ja, schon gut, keine Sorge. Auch wenn ich nicht weiß, wie ich dich sonst abwehren soll.“ „Mit deiner Willenskraft, ganz einfach.“ „Mag sein, dass das bei dir einfach klingt“, zog Harry zweifelnd die Stirn in Falten. „Den Ork hast du auch aus deinem Geist verdrängt.“ „Ja, aber du bist nunmal kein Ork.“ „Herzlichen Dank.“ „Das ist doch selbstverständlich.“ „Von dir Komplimente zu hören? Ganz sicher nicht.“ Harry lachte auf. „Wenn die Aussage 'Du bist intelligenter als ein Ork' schon als Kompliment gilt, dann ist sowas ja gar nicht so schwierig, wie ich dachte.“ „Du hast einfach nur Glück, dass ich weiß, wie du es gemeint hast.“ „Oder wir sind inzwischen auf einem Gesprächslevel angekommen, wo jede Aussage, die auch nur ansatzweise nett ist, schon als Kompliment zählt“, spekulierte Harry fröhlich weiter. „Das schließt meine Behauptung nicht aus“, zog Severus eine Augenbraue hoch und Harry gab sich schulterzuckend geschlagen. „Ist der Tee leer?“ „Ich soll den jetzt schon komplett leer trinken?“, fragte Harry erstaunt. „Er schmeckt dir also wirklich nicht, was?“, stellte Severus fest. „Du weißt Tee gar nicht zu würdigen.“ „Ich bin eher ein Kaffee-Fan muss ich gestehen“, murmelte Harry und sah in seine noch halbvolle Tasse. „Und sowas schimpft sich Brite?“ Als Antwort streckte Harry dem anderen nur die Zunge entgegen. Gespielt ungeduldig sagte Severus: „Jetzt sieh zu! Wir können heute nicht allzu lange machen, ich muss noch Hausaufgaben korrigieren.“ Kopfschüttelnd erwiderte Harry: „Kein Spaß am Unterrichten, kein Spaß am Korrigieren. Warum wird jemand wie du überhaupt Lehrer?“ Severus warf dem Gryffindor einen kurzen Blick zu, ehe er erzählte: „Ich bin nur Lehrer geworden, weil Dumbledore es so wollte. Seit ich die Fronten gewechselt habe, habe ich die Position, um besser als Spion arbeiten zu können. Ich kann schnell und unauffällig mit Dumbledore Kontakt aufnehmen, während der Dunkle Lord dachte, ich würde Dumbledore für ihn ausspionieren.“ Verstehend nickte Harry. Das erklärte zumindest, wie ein Lehrer Kinder so hassen konnte. „Und jetzt, wo du nicht mehr spionieren kannst?“, fragte Harry vorsichtig und wusste, dass diese Frage heikel war. „Jetzt ist Hogwarts für mich genauso ein sicherer Ort, wie für dich“, spottete Severus, zeigte aber deutlich, dass er nicht besonders glücklich mit den Umständen war. Spontan fiel Harry Sirius ein, wie er, nutzlos für den Orden, ebenfalls an einem sicheren Ort hatte ausharren müssen. Severus hatte ihn damals deswegen aufgezogen und nun war er selbst in so eine Situation geraten. Harry hätte dem anderen das jetzt vorwerfen können, doch er wusste, dass das nicht das klügste wäre und so biss er sich auf die Zunge. Dennoch konnte er sich eines nicht verkneifen. „Wenigstens sind wir dort gefangen, wo wir uns zu Hause fühlen.“ „Ja, wer weiß wie lange noch“, murmelte Severus leise und stellte seinen eigenen Tee beiseite. „Endlich fertig?“ „Jaaa“, murrte Harry und nahm einen letzten großen Schluck, bevor er die leere Tasse auf dem Schreibtisch abstellte. „Kann losgehen.“   Zeige mir, was Draco Malfoy in dir versteckt. Zeige mir, was Draco Malfoy in dir versteckt. Erwartungsvoll öffnete Harry die Augen, doch wie er schon erwartet hatte, war die Wand zum Raum der Wünsche noch immer kahl. „Das darf doch nicht wahr sein!“, knurrte der Gryffindor und trat frustriert gegen die Mauer, wovon er nur einen stechenden Schmerz im Zeh davontrug. „Au! So ein Mist!“ Während er seinen Fuß ausschüttelte und versuchte den Schmerz loszuwerden, lehnte er sich gegen die Fensterbank und sah seufzend zur gegenüberliegenden Wand. Er hatte schon alles mögliche ausprobiert und nichts hatte geklappt. Langsam war er mit seinem Latein am Ende. 'Was Malfoy baut, was Malfoy plant, was Malfoy versteckt...', überlegte der Gryffindor verbissen. Vielleicht war Malfoy selbst das Problem. Vielleicht funktionierte es besser, wenn er versuchte, ihn aus seinem Wunsch herauszuhalten. Entschlossen lief Harry wieder die Wand auf und ab. Ich brauche einen Raum, in dem ich etwas verstecken kann. Ich brauche einen Raum, in dem ich etwas verstecken kann. Beim dritten Mal öffnete Harry die Augen und sah zu der Tür, die erschienen war. Mit klopfendem Herzen öffnete er sie, betrat den Raum und... seufzte laut auf. Er war in einer riesigen Halle, in der sich so viele Gegenstände auftürmten, sodass es aussah, als bildeten sie die Hochhäuser einer ganzen Stadt. Offenbar hatten viele Generationen von Hogwartsschülern hier Sachen versteckt, die niemand zu Gesicht bekommen durfte. Selbst wenn Malfoy wirklich in diesem Raum tüftelte, war es unmöglich herauszufinden, woran. Die Schultern hängen lassend, ging Harry durch einige der Gänge und musste trotz seiner Enttäuschung doch staunen. |Demolierte Möbel, schwarzmagische Bücher, Fangzähnige Frisbees, giftig aussehende Zaubertränke, Juwelen, Umhänge... Das waren alles Dinge, die ohne Zweifel allesamt verboten waren. Als Harrys Blick auf eine blutbefleckte Axt fiel, musste er trocken schlucken und ging lieber schnell weiter, allerdings war ihm nicht weniger mulmig, als er kurz darauf vor einem ausgestopften Troll stand. Was waren das nur für Menschen gewesen, die solche Gegenstände hier versteckt hatten? Jedenfalls waren auch ganz harmlose Schüler unter ihnen gewesen, denn Harry konnte viele Scherzartikel zwischen den Bergen aus Gerümpel erkennen, einiges davon war sogar von den Weasley-Zwillingen. Harry musste sogar selig lächeln, als er das kaputte Verschwindekabinett entdeckte, in dem Fred und George Montague letztes Jahr versteckt hatten. Seinen Unmut schon vollkommen vergessend, schlenderte Harry neugierig weiter und wunderte sich über so manche Gegenstände. Beispielsweise über eine schlichte Büste, die zwar ziemlich hässlich war, aber an sich harmlos wirkte. Irgendwie tat sie Harry leid und so setzte er ihr ein Diadem auf, dass er aus einem Haufen Blechkannen zog. Doch wirklich besser sah sie dadurch auch nicht aus. Schulterzuckend stöberte Harry weiter und öffnete den von Blasen überzogenen Schrank, der daneben stand. Darin befand sich ein Käfig mit einem schon lange toten Haustier, das nur noch aus Knochen bestand.|² Harry riss die Augen auf und erstarrte zur Salzsäule, jedoch nicht wegen dem grausamen Schicksal, den das Tier ereilt hatte. Nein, was ihn so schockierte war, dass es fünf Beine hatte. Blitzartig bildete sich vor Harrys innerem Auge ein Bild: Struppiges, rot-braunes Fell, Stacheln auf dem Rücken, gelbe Augen, spitze Reißzähne. Erschrocken taumelte er ein Stück zurück und konnte den Blick nicht von diesem Skelett abwenden, während er von den Erinnerungen an den Kampf gegen den Quintaped überwältigt wurde. Er ballte die Hände zu Fäusten und riss sich zusammen. Hatte er diese Phase nicht längst hinter sich gelassen? Damit musste endlich Schluss sein! Entschlossen drehte Harry sich um und ging zurück. Seine Laune zum Stöbern war ihm vergangen und so versuchte er den Weg zurück zur Tür zu finden. Ziemlich gefrustet verließ er den Raum der Wünsche und sah mürrisch zur Wand zurück, an der die Tür gerade verschwand. Und jetzt? Er hatte nichts gefunden und im Grunde konnte er ja nicht einmal sicher sein, dass das der Raum war, in dem Malfoy sich auch aufhielt. „Wirklich klasse“, murrte Harry und verschwand den Gang hinunter.   Mit einem unguten Gefühl klopfte Severus an die Tür des Schulleiterbüros. Dumbledore hatte ihn zu sich bestellt, um etwas wichtiges zu besprechen und da Severus sich momentan für den Orden nutzlos fühlte, konnte er nur vermuten, dass es einfach um schlechte Nachrichten ging. „Herein“, war die Stimme des Direktors zu hören und Severus atmete tief durch, ehe er das Büro betrat. „Sie wollten mich sprechen?“ „Das wollte ich, ja“, erwiderte Dumbledore und deutete dem Slytherin, sich zu setzen. Es machte sich Stille breit, in der Dumbledore durch das Fenster hinaus in die Nacht sah und dabei so müde und schwach aussah, wie noch nie zuvor. Das Gefühl des Tränkemeisters verstärkte sich und er wurde unruhig, wagte es aber nicht, die Stille zu durchbrechen. Endlich begann Dumbledore langsam und ernst: „Severus, das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und wie Sie wissen, habe ich auch nicht mehr lange zu leben. Der Fluch frisst mich langsam auf.“ Severus' Blick huschte zu Dumbledores schwarzer Hand, ehe er wieder aufsah. Der Direktor löste sich vom Fenster und wandte sich dem anderen zu. „Es ist an der Zeit, dass ich mein Wissen bezüglich Voldemort weitergebe, damit ihr ihn auch noch besiegen könnt, nachdem ich bereits das Zeitliche gesegnet habe.“ Dumbledore ließ sich auf seinen Stuhl nieder, sah Severus aber weiterhin nicht an. „Ich habe Harry inzwischen fast alles im Unterricht beigebracht, was er wissen muss. Allerdings gibt es eine Information, die er erst kurz vor dem Sturz Voldemorts erfahren darf und diese Aufgabe werde ich nicht mehr übernehmen können.“ „Also soll ich sie übernehmen?“, fragte Severus und Dumbledore nickte stumm. „Es ist von größter Wichtigkeit, Severus. Eigentlich wissen Sie sogar schon, worum es geht.“ Eiseskälte machte sich in Severus breit und seine eigene Stimme wirkte auf ihn seltsam fremd, als er sagte: „Dass Harry ein Horkrux ist.“ „Richtig“, sagte Dumbledore und schloss nun sogar kurz die Augen, ehe er wieder auf die Tischplatte sah. „Ich gehe davon aus, dass Nagini der letzte weitere Horkrux sein wird, der vernichtet werden muss. |Wenn Voldemort sie also nicht mehr hinausschickt, sondern sie beschützt, wird es an der Zeit sein es Harry zu sagen. Würde er es früher erfahren, hätte er sicherlich nicht die Kraft das zu tun, was er tun muss.“|³ „Aber“, stand Severus protestierend auf, „haben Sie denn nicht versucht einen anderen Weg zu finden?! Harrys Tod kann unmöglich die einzige Möglichkeit sein!“ Der Direktor ließ sich von Severus' Verhalten nicht aus der Ruhe bringen. Noch immer sah er nicht auf, sondern sprach weiterhin ruhig zur Tischplatte. „Doch, ich fürchte schon, Severus.“ „Das können Sie nicht machen!“, wurde Severus noch lauter, während sich Panik in ihm breit machte. „Sie können nicht von mir verlangen, dass ich ihn in den Tod schicke! |Alle die Jahre haben Sie behauptet, wir würden Harry für Lily beschützen und ihn nicht wie ein Schwein für die Schlachtbank großziehen!!“ Noch immer ruhig antwortete Dumbledore: „Wir haben dafür gesorgt, dass Harry gesund und munter aufwachsen konnte. Wir haben ihn vor Gefahren geschützt, damit er hier in Hogwarts zaubern lernen konnte. Wir haben...“|³ „Ihn vollkommen für Ihre Zwecke ausgenutzt!!!“, unterbrach Severus ihn wütend. „Haben Sie in all den Jahren Harry auch nur einmal um seiner selbst willen geschützt?!“ „Denken Sie nicht, dass Sie der einzige wären, dem Harry wichtig ist, Severus!“, donnerte Dumbledore nun doch dazwischen und sah sogar auf, wobei seine Augen Funken zu sprühen schienen. „Harry ist mir keineswegs egal!“ „Und warum schicken Sie ihn dann in den Tod?!“ „Weil das nunmal die einzige Möglichkeit ist, Voldemort zu vernichten!“ Eine kurze Stille entstand, in der Severus verzweifelt umherlief und sich fahrig die Haare aus dem Gesicht strich. So kraftvoll Dumbledore gerade noch gewirkt hatte, jetzt sank er wieder in sich zusammen und beobachtete fast mitleidvoll den anderen. Wieder ganz ruhig sagte Dumbledore: „Es ist von entscheidender Wichtigkeit, dass Voldemort selbst Harry tötet, Severus. Harry muss ihm gegenübertreten, ohne sich zur Wehr zu setzen. Ich weiß, es ist nicht leicht für Sie, aber Sie müssen das zu gegebener Zeit an ihn weiterleiten.“ Obwohl Severus verstanden hatte, antwortete er nicht. Er wusste nicht, was man auf so etwas antworten sollte. Jede Antwort erschien ihm falsch, genauso wie er nicht die Kraft hatte für einen weiteren Wutausbruch. Er hatte all seine Hoffnungen darin gesetzt, dass Dumbledore einen anderen Weg finden würde. Doch nun brach diese Hoffnung wie ein Kartenhaus in sich zusammen und Severus hatte das Gefühl keinen Halt mehr zu finden. Was sollte er denn jetzt nur tun? Er konnte Harry doch nicht einfach sterben lassen! Nicht nach all dem, was passiert war. Leise unterbrach Dumbledore die Gedanken des anderen, als er fragte: „Habe ich Ihr Wort, Severus?“ „Tse“, machte der Slytherin. „Severus“, kam wieder ruhig die Stimme des Direktors, ohne Forderung oder Drohung, einfach neutral. Endlich blieb der Slytherin stehen und schloss kurz die Augen, um sich für seine Antwort zu wappnen. Leise sagte er: „Wenn es sein muss.“ Es fühlte sich an, als hätte er soeben seine Seele an den Teufel verkauft. „Ich weiß, was Sie durchmachen, Severus“, erklang die sanfte Stimme des Direktors. „Und es tut mir Leid, dass ich Ihnen so etwas aufbürden muss.“ „Erzählen Sie mir nicht, Sie wüssten was ich fühle“, knurrte Severus abwehrend. Unbeirrt antwortete Dumbledore: „Ich weiß wie viel Harry Ihnen bedeutet. Und ich weiß, dass ich Ihnen gerade sämtliche Träume zerstört habe. Aber ich kann es leider nicht ändern. Auch wenn viele das gerne glauben, aber ich habe die Regeln nicht gemacht.“ „Aber Sie spielen gerne mit ihnen“, platzte es wütend aus dem Slytherin heraus. „Sie legen sich immer alles zurecht und schieben Ihre Mitmenschen herum wie Schachfiguren! Harry war von Anfang an für Sie nur ein Bauer, der geopfert werden muss!“ |„Wie viele Frauen und Männer haben Sie in diesem Krieg schon sterben sehen, Severus?“ „In jüngster Zeit nur die, die ich nicht retten konnte!“|³ „Und jeder dieser Menschen wurde mit Sicherheit von irgendjemandem geliebt. Jedes Opfer hat bei irgendjemandem eine Narbe hinterlassen.“ „Aber diese Menschen haben Sie nicht großgezogen, nur um sie im richtigen Moment zu opfern!“ „Würden wir uns die nötigen Opfer lediglich danach aussuchen, wen wir lieben und wen nicht, würden wir genau den Fehler machen, den Voldemort von uns dummen, liebenden Menschen erwartet, Severus. Und ich bitte Sie dringlichst, diesen Fehler nicht zu machen.“ „Aber... Sie...“, suchte Severus verzweifelt nach weiteren Anschuldigungen, doch Dumbledore unterbrach ihn bereits wieder. „Wie ich schon sagte: Ich habe die Regeln nicht gemacht. Ich habe Harry nicht zu einem Horkrux gemacht und ich habe ihn auch nicht als den ebenbürtigen von Voldemort ausgewählt.“ Wieder suchte Severus nach Widerworten, doch er war inzwischen so aufgewühlt, dass er keine passenden Worte fand. Er wollte Dumbledore anschreien, ihn für Harrys Schicksal verantwortlich machen, ihm die Schuld für alles geben. „Ich wünschte, ich könnte es ändern, Severus“, sagte Dumbledore ruhig. „Aber es gibt leider vieles im Leben, was man ändern möchte und es doch nicht kann. Manchmal kann man nichts anderes tun, als es hinzunehmen.“ „Aber das werde ich nicht hinnehmen!!“, schrie Severus. „Ich KANN es nicht hinnehmen!! Wie sollte ich auch... ich kann nicht... Es muss einen anderen Weg geben!“ „Leider sehe ich keinen, Severus. Wenn es Ihnen hilft mir die Schuld zu geben, dann tun Sie das ruhig. Aber so wie ich Sie kenne, werden Sie es sich irgendwann nicht mehr so einfach machen können.“ „Als ob Sie mich so gut kennen würden, Dumbledore!“, knurrte Severus. Mit ruhigem Blick antwortete der Direktor nur: „Gut genug, um zu sehen, was für Qualen Ihnen der Gedanke bereitet, Harry zu verlieren. Aber ich fürchte, Ihre größte Aufgabe in diesem Krieg besteht nun darin, Harrys Schicksal zu akzeptieren. Es wird der Moment kommen, an dem Sie Harry gehen lassen müssen, Severus.“ Das war zu viel. Dumbledore sollte endlich still sein! Severus wollte so etwas nicht hören, erst recht nicht von ihm. Und er hatte ihn auch nicht so seltsam anzusehen! Am liebsten wäre Severus auf den anderen losgegangen, doch sein noch kaum vorhandener Verstand siegte und so floh er aus dem Büro. Zum Glück war bereits Ausgangssperre, denn so sollte ihm kein Schüler über den Weg laufen. Wütend rannte Severus schon fast die Flure entlang, ohne ein konkretes Ziel zu haben. Er wusste nicht wohin mit seinen Gedanken, seinen Gefühlen. Er fühlte sich von Dumbledore so verraten, hintergangen und fallen gelassen. Wie konnte dieser alte Mann nur so etwas einfach dahinsagen? Wie konnte er das alles als gegeben ansehen? Wie konnte er so neutral bleiben, während er solch grausame Nachrichten verkündete? Severus musste sich bei irgendjemandem auskotzen und dafür kam wohl nur eine Person in Frage. Entschlossen eilte er zu Syndias Büro und klopfte energisch an. Als keine Antwort kam, ging er ohne zu zögern rein und fand das Büro leer vor. Davon ließ er sich jedoch nicht aufhalten und ging weiter zur Tür, die in Syndias Privaträume führte. Als er das Wohnzimmer betrat, sah ihm eine verdutzte Syndia entgegen, die mit einem Buch und einem Tee auf der Couch gesessen hatte. „Severus, was...?“ „Dumbledore hat Harry einfach so aufgegeben!“, polterte Severus sofort los. „Für ihn scheint es vollkommen in Ordnung zu sein, dass Harry sich für die Zaubererwelt aufopfern muss!“ Fragend eine Augenbraue hochziehend, legte Syndia ihr Buch auf den Tisch und stand auf. Wesentlich leiser als ihr Bruder, sagte sie: „Ich habe Luca schon ins Bett geschickt. Wir sollten im Büro weiter reden.“ Damit schlich sie zur Tür und Severus folgte ihr, noch immer wutschnaubend. „Also. Was ist los?“ „Dumbledore hat mir gerade gesagt, dass Harry sich töten lassen muss, wenn Voldemort besiegt werden soll! Und er hat mir auch noch den Auftrag gegeben, das Harry 'zur gegebenen Zeit' mitzuteilen!“ „Oh nein“, seufzte Syndia schwer auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Oh nein?! Das ist alles, was dir dazu einfällt?“, rief Severus verständnislos aus. Syndia betrachtete ihren Bruder besorgt, wie er mit zitternden Händen und vollkommen außer sich vor ihr stand. „Hat er wirklich gesagt, es gäbe keinen anderen Weg, oder hat er nur keinen gefunden?“ „Offensichtlich findet er keinen!“, warf Severus die Hände in die Luft. „Es scheint ihm ja auch vollkommen gleich zu sein. Passiert ja eh erst, wenn er schon abgekratzt ist und er ist auch nicht derjenige, der das Harry ins Gesicht sagen muss!“ „Harry bedeutet ihm viel, Severus“, sagte Syndia ruhig, doch damit hatte sie die falsche Antwort gegeben. „Und warum akzeptiert er dann einfach, dass er sterben muss!!“, brauste Severus noch weiter auf. „Dumbledore hat sicherlich schon viel gesehen und wirkt dadurch nüchterner, aber er...“ „Weißt du was er noch nicht gesehen hat?!“, unterbrach Severus sie schreiend. „Wie Harry sterbend vor einem liegt und als letzte Bitte eine Geschichte über seine Mutter fordert, weil er sie nie kennenlernen durfte!“ „Oh Sev“, ließ Syndia kraftlos die Schultern hängen, doch zu weiteren Worten kam sie nicht, da der Tränkemeister bereits fortfuhr. „Er hat ihn nicht so gesehen! Und er hat auch nicht mitbekommen, wie Harry sich nur so lange am Leben erhalten wollte, bis ich in Sicherheit wäre! Wenn ich ihm irgendwann sage, dass er für seine Mitmenschen sterben muss, dann wird er das auch noch ohne zu zögern tun!!“ „Das weiß ich, Sev...“, setzte Syndia beschwichtigend an, doch er ließ sie einfach nicht ausreden. Zu sehr war er bereits in seinem verzweifelten Wutausbruch gefangen. „Er wird sich töten lassen, auf MEINE Worte hin!! Er wird wieder sterbend vor mir liegen! Er wird wieder diesen VERDAMMTEN Blick aufsetzen! Er wird...“ „Sev...“ Auf Syndia wirkte der andere, wie ein verletztes Tier, das um sich schlug. Umso energischer musste sie werden, um überhaupt an Severus herantreten zu können. Doch er trat abwehrend einen Schritt zurück und rief nun etwas halbherziger: „Du weißt es doch auch nicht! Du hast ihn nicht gesehen, du hast...“ „Das mag sein, Sev, aber trotzdem mache auch ich mir Sorgen um ihn“, erwiderte sie und endlich schien Severus ihr für einen Moment zuzuhören. In seinem Blick war seine ganze Unsicherheit und Verzweiflung abzulesen und mit einem leisen „Komm her“ schloss Syndia ihn in ihre Arme. Syndia war erleichtert, dass Severus es zuließ und sich sogar zitternd an sie klammerte. Endlich herrschte Stille im Raum, in der Syndia dem anderen beruhigend über den Rücken strich und Severus wieder herunterkam. Ob Dumbledore klar war, was er bei Severus ausgelöst hatte? Sicherlich hatte er sich denken können, dass Severus unter dieser Tatsache zu leiden hatte, aber dass es zu einer weiteren Panikattacke führen würde, hätte nicht einmal Syndia erwartet. Ruhig schlug die Hexe vor: „Ich werde David fragen, ob es einen Berater gibt, den ich bezüglich Horkruxe ausfragen kann. Vielleicht finden wir so eine Lösung.“ Zur Antwort nickte der Slytherin nur stumm an ihrer Schulter und Syndia hauchte leise ein „Okay“ und strich wieder beruhigend über Severus' Rücken. Nach einer kurzen Pause murmelte Severus schließlich: „Es darf niemand erfahren, dass Harry ein Horkrux ist.“ „Keine Sorge, ich werde nicht zu viel verraten“, erwiderte Syndia. „Außerdem sind Berater des Geheimdienstes ohnehin zum Schweigen verpflichtet. Wenn ich einen Weg finde Harry zu retten, gebe ich dir sofort Bescheid.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)