Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 55: Wut --------------- Dass das Trio wieder vereint war, hob Harrys Laune ungemein und was noch viel besser war: Er hatte endlich keine Geheimnisse mehr. Die beiden wussten von Necrandolas, zumindest im Groben, und er musste vor ihnen nicht verheimlichen, dass seine Gedanken ständig um eine bestimmte Person kreisten. Jetzt musste er nur noch seinen Schlaf in den Griff bekommen und alles war wieder gut... größtenteils. Die letzten Tage hatte er durch den Schlaftrank jede Nacht ein paar Stunden schlafen können, aber da er es mit dem Trank nicht übertreiben wollte, nahm er seit gestern keinen mehr. Aber nur, weil er letzte Nacht nicht schlafen konnte, hieß das noch lange nichts. Harry hoffte einfach, dass es die nächsten Tage klappen würde. „Irgendwie dreht Snape immer mehr durch, oder?“, beschwerte sich Ginny beim Mittagessen und sofort horchte Harry auf. „Heute hat er Samantha so zur Sau gemacht, dass sie angefangen hat zu heulen. Ich war kurz davor was zu sagen. Der kann sich schließlich auch nicht alles erlauben.“ „Guck dir seine Augen an“, antwortete Hermine beschwichtigend. „Wahrscheinlich hat er seit dem Krankenflügel kaum ein Auge zugemacht.“ „Das geht doch eigentlich gar nicht, oder?“, runzelte Ginny die Stirn. „Ich meine, wie lange seid ihr da jetzt raus, Harry? Drei Wochen?“ „Keine Ahnung“, winkte Harry ab, da ihm nachrechnen gerade zu anstrengend war. „Müsste ein Mensch nach so langer Zeit ohne Schlaf nicht schon tot umkippen?“, überlegte Ginny skeptisch weiter. „Ich kann mir ja nicht einmal vorstellen, auch nur vier Tage ohne Schlaf durchzustehen ohne zusammenzuklappen.“ „Naja, er schläft wahrscheinlich genauso wenig wie ich“, argumentierte Harry ruhig. „Und ich stehe ja auch noch.“ „Hm“, machte die junge Hexe überlegend und winkte dann ab. „Jedenfalls solltet ihr in Zaubertränke vorsichtig sein. Ein falscher Blick reicht schon, um ihn zum explodieren zu bringen.“ „Wir werden drauf achten“, nickte Ron und warf Harry einen kurzen Blick zu. Nicht nur er, auch Hermine wusste, dass der Schwarzhaarige sich Sorgen um den Slytherin machte.   Und tatsächlich: Als Harry, Ron und Hermine am Dienstagmorgen in Zaubertränke saßen, war am laufenden Band das Gekeife des Tränkeprofessors zu vernehmen. Harry versuchte immer wieder, ihm einen mahnenden Blick zuzuwerfen, doch das schien der andere gar nicht zu bemerken. Er war viel zu sehr damit beschäftigt von Schüler zu Schüler zu laufen, um ihnen zu sagen, wie schlecht sie doch waren. Natürlich sorgte diese Stimmung dafür, dass die Schüler wesentlich unkonzentrierter und nervöser arbeiteten, und so passierte das Unvermeidliche: Millicents Kessel begann tierisch zu qualmen und der Trank fraß sich zischend durch das Gefäß. Einige Slytherins versuchten das schlimmste zu verhindern, doch Millicent hatte sich bereits den Handrücken verätzt und drückte den Arm unter Tränen an ihren Körper. Sofort war die schwarze Fledermaus zur Stelle und ließ den Trank verschwinden. „Ich muss sagen, Miss Bulstrode, ich habe mehr von Ihnen erwartet“, knurrte er und dass sie ihn nicht ansah, schien ihn nur noch wütender zu machen. Während die Slytherins ihn völlig verdattert anstarrten, wichen die Gryffindors immer weiter vor ihm zurück. „20 Punkte Abzug von Slytherin. Sie sind wirklich eine Schande für Ihr Haus!“ Nun hob Millicent doch ihren Kopf und ihr tränennasses Gesicht kam zum Vorschein. Auf ihrer Hand schien sich die Haut langsam aufzulösen. Pansy Parkinson, die ihr beruhigend über den Rücken gestrichen hatte, wagte es, ihr Wort an Snape zu richten. „Professor, sie muss in den Krankenflügel.“ „Sie wollen MIR sagen, was ich anzuordnen habe?! Wo SIE ALLE nicht einmal in der Lage sind, ihre Zutaten richtig zu dosieren?! Und offenbar zu BLÖD sind“, wandte er sich jetzt wieder an Millicent, „zu zählen, wie oft Sie bereits umgerührt haben? Sie haben doch im Kindergarten gelernt bis 10 zu zählen, nicht wahr?!“ Millicent gab ein leises Wimmern von sich. Hermine warf Harry einen auffordernden Blick zu, der stirnrunzelnd zurück sah. Wollte sie ernsthaft, dass er dazwischen ging? Das würde doch mehr als merkwürdig wirken. „Professor, ihre Hand...“, versuchten es die Schüler erneut, doch der Tränkemeister schien den Ernst der Lage nicht erfassen zu können. „Stellen Sie sich nicht so an! Es gibt schlimmeres! Vielleicht konzentrieren Sie sich alle in Zukunft besser, wenn nicht gleich jedes Ihrer Wehwehchen behandelt wird! Sie haben die Verletzung Ihrer eigenen Dummheit zu verdanken, also leben sie damit!“ „Aber Professor“, versuchte Parkinson es nochmal, „wenn das nicht umgehend behandelt wird und die Säure in die Blutbahn gerät...“ „Sie meinen also genug Ahnung von Tränken zu haben, um mich belehren zu können, Miss Parkinson? MICH?!“, unterbrach Severus sie sofort keifend. Besorgt betrachtete Harry die Slytherins, deren Blicke immer feindseliger wurden. Was war nur mit Severus los? Bemerkte er das alles gar nicht? Begriff er nicht, dass er Bulstrode in Gefahr brachte? Außerdem war den Slytherins anzusehen, dass sie ihn am liebsten zu den Todessern schleifen würden. Dass er einfach so weitermachte, war ein Zeichen dafür, dass Severus nicht mehr bei Verstand war. Harry musste dringend etwas unternehmen. Konnte er es wagen dazwischenzugehen? Vor den Augen der Slytherins? „Professor!“, rief er also, doch sein Ruf ging in dem Chaos unter und Severus keifte fröhlich weiter. Einige der Gryffindors sahen zu Harry, doch ansonsten reagierte niemand. Entschlossen stand Harry auf und rief in einem Ton, den sich kein Schüler je erlauben würde: „Professor!!“ Plötzlich wurde es still. Harry hatte die gesamte Aufmerksamkeit seiner Mitschüler und endlich sah auch Severus auf und erstarrte. Er sah in diese grünen Augen. Grüne Augen, die ihn mahnend anblickten, fast vorwurfsvoll und die Gedanken des Tränkemeisters hielten inne. Dieser Blick, er kannte ihn nur zu gut. Als wäre er sich jetzt erst bewusst, wo er sich befand, sah Severus zu Millicent, die von ihren Mitschülern unterstützend umringt wurde und ihre verletzte Hand zitternd an sich drückte. „Miss Parkinson, bringen Sie Miss Bulstrode in den Krankenflügel“, orderte Severus leise an und die Klasse schien aufzuatmen. Alle bis auf Harry. Eilig verließen die beiden Mädchen die Klasse, in der es unangenehm still wurde. Der Tränkemeister warf Harry einen Blick zu und der sah seinen Verdacht bestätigt: Es war noch lange nicht vorbei. Zähneknirschend ging Severus zu seinem Pult und stützte sich auf diesen. Mucksmäuschenstill sahen die Schüler zu ihrem Lehrer und warteten darauf, dass er endlich etwas sagte, doch er stand nur regungslos hinter dem Schreibtisch und sah auf die Platte. Dann presste er heraus: „Geben Sie Ihre Proben ab und verschwinden Sie.“ Überrascht sahen die Schüler zur Uhr. Sie hatten noch 20 Minuten Unterricht. Das Zögern der Schüler ließ erneut Severus' Ader an der Schläfe pulsieren. „Sind Sie taub? RAUS!!“ Panisch begannen die Schüler ihre Taschen zu packen. Ron und Hermine warfen einen beunruhigten Blick zu Harry, der angespannt zurück sah. Langsam packte auch er seine Sachen, darum bemüht, der langsamste zu sein. Er musste mit Severus sprechen, dringend. Denn das hier war definitiv nicht mehr normal. Irgendjemand musste etwas tun, um den Slytherin wieder zu Verstand zu bringen. Hermine und Ron schienen zu ahnen, was Harry vorhatte und zögerten ebenfalls. Sie wussten nicht genau, ob sie ihm beistehen mussten oder ob es besser wäre zu gehen. Malfoy war einer der letzten, der hinausging und Harry hörte ihn bei der Tür murmeln: „Der Kerl gehört in die Klapse.“ Angespannt formte Harry seine Hände zu Fäusten, doch Malfoy sollte erst einmal sein geringstes Problem sein. Langsam ging er mit seinen Freunden Richtung Tür, die ihn unsicher ansahen. Schließlich schob er sie hinaus und flüsterte Hermine zu: „Ich regle das. Geht schon.“ Wirklich überzeugt war die Hexe nicht, doch sie verließ mit Ron den Raum und Harry schloss leise die Tür hinter ihnen. Nun war er mit Severus allein. Dieser legte sogleich wieder los: „Das galt auch für dich, Potter. Verschwinde!“ Davon ließ Harry sich nicht einschüchtern. Mit entschlossenem Blick drehte er sich zum Slytherin um. „Merkst du eigentlich, was du hier gerade abziehst? Wenn du einem Slytherin-Schüler deine Hilfe verweigerst, haben die einen Grund dich beim Schulrat anzuschwärzen! Die schmeißen dich raus, Severus, und Hogwarts ist für dich zur Zeit der sicherste Ort.“ „Das kann dir doch völlig egal sein! Kümmere dich gefälligst um deinen eigenen Kram!“ „Was ist denn nur los mit dir?“, rief Harry völlig verständnislos zurück und ging auf Severus zu. „Hat dein Verstand sich etwa ausgeschaltet? Bist du jetzt vollkommen durchgeknallt?“ Wütend trat auch Severus nach vorne. „DU kritisierst MICH?! Ausgerechnet du, Potter?!“ „Da siehst du mal, wie tief du gerade sinkst!“, rief Harry zurück. „Warum führst du dich hier auf wie ein Berserker? Komm endlich wieder runter!“ „Ich kann mich so viel aufregen wie ich will!! Da hast du mir nicht reinzureden, Potter!!“, schrie Severus ihn an, was Harry nur noch mehr die Stirn runzeln ließ. Was zum Teufel ging hier vor? Das war doch nicht mehr normal. „Vielleicht solltest du dir für heute frei nehmen“, versuchte Harry wieder etwas ruhiger zu sprechen. „Oder vielleicht sogar für die ganze Woche. Solange, bis du endlich runtergekommen bist und wieder klar denken kannst.“ „Ich kann immer klar denken!“ „Offensichtlich ja nicht! Sonst würdest du hier nicht so eine Scheiße abziehen!“ „Was glaubst du eigentlich wer du bist!“, rief Severus und packte Harry am Kragen, nur um ihn dann von sich zu stoßen. Der Gryffindor griff nach einen der Tische und konnte so verhindern, dass er stürzte, doch dieser Angriff schockierte ihn nicht einmal. Viel unheimlicher war es, dass er diese Augen nicht mehr kannte. In ihnen steckte so viel sinnlose, ungebändigte Wut, die sich gegen alles und nichts zu richten schien und den Verstand des Tränkemeisters völlig vernebelte. „Wer gibt dir das Recht MIR zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe, Potter?! Wie kommst du auf die Idee, dass es deine Aufgabe ist, dich in MEINE Angelegenheiten einzumischen?!“ „Du hast dich doch auch bei mir eingemischt! Du hast mich vor aller Augen aus der Halle geschliffen, als ich so am durchdrehen war!“ „Ach, also willst du mir helfen, ja? Das tust du, wenn du endlich verschwindest und mich in Ruhe lässt!“ Eine kurze Stille entstand und Harry sah völlig ratlos zum anderen. Was sollte er nur machen? Reden war offensichtlich vollkommen sinnlos. Aber was sollte er sonst tun? Wenn sie so weiter machten, endete das ganze noch in einem Duell. Leise begann Severus zu knurren. Dann ging der Slytherin erneut in den Angriff über. „Hör auf mich so anzustarren!! Ich kann es nicht mehr sehen! Verschwinde endlich und lass mich in Ruhe!“ Er schubste Harry erneut von sich weg, doch dieses Mal wirkte es eher verteidigend. Rückwärts gehend wich er vorm Gryffindor zurück und zu der Wut gesellte sich noch ein gequälter Ausdruck. Hilflos stand Harry da und versuchte zu begreifen. „Was habe ich denn jetzt schon wieder verbrochen?“, fragte er verständnislos nach. „Verbrochen? Dass du dich nicht endlich mal aus meinem Leben heraushältst, ist ein Verbrechen! Dass du überhaupt existierst, ist ein Verbrechen! Von Anfang an warst du ein einziger Fluch für jeden, der mit dir zu tun hatte und ich habe endgültig genug davon, mir mein Leben wegen dir zu versauen! Und jetzt VERSCHWINDE!!“ Autsch. Harry hätte gerne etwas erwidert, doch ihm blieb dafür die Luft weg. In ihm zog sich alles zusammen und ihm wurde übel. „HAU AB!!“ So viel Hass in diesen Augen, das raubte dem Gryffindor sämtliche Kraft zur Gegenwehr. Was sollte er da nur gegen ausrichten? Er schluckte schwer und versuchte seinen Körper wieder dazu zu bringen, ihm zu gehorchen. „Auf dem Niveau waren wir ja lange nicht mehr“, presste er kratzig hinaus. „Anscheinend ist es gerade unmöglich mit dir zu reden.“ Seine Beine trugen ihn langsam Richtung Ausgang. Er fühlte sich taub, von oben bis unten, komplett entrückt. Als er die Tür öffnete, wagte er noch einmal einen Blick zum anderen. Severus sah ihm mit stählernem Blick nach und verbarg jeden seiner Gedanken dahinter. Harrys Hände begannen zu zittern und er verließ eilig den Raum, um diese Augen nicht mehr ertragen zu müssen.   Harry erzählte seinen Freunden nicht, was passiert war, aber sie erkannten sofort, dass es nicht gut gelaufen war. Während Ron versuchte ein heiteres Thema anzuschneiden, fiel Hermine immer mehr ins Grübeln. Schließlich sagte sie nach der nächsten Unterrichtsstunde: „Meint ihr nicht, dass jemand Professor Levin Bescheid geben sollte? Irgendwas stimmt da nicht.“ „Bei dem Trubel wird sie das auch ohne uns herausfinden“, erwiderte Ron und warf Harry einen Blick zu. „Die ganze Schule spricht bestimmt schon darüber. Von Neville habe ich gehört, dass viele Gryffindors glauben, Necrandolas hätte ihm den Verstand geraubt.“ „Aber dann muss doch jemand reagieren und ihm helfen“, warf Hermine ein. „Und wenn wir das nicht können...“ „Er ist voller Wut“, begann Harry leise zu überlegen, ohne Hermine zu beachten. „Ich glaube, er weiß selbst nicht einmal warum. Was könnte die Ursache sein?“ „Da gibt es viele Möglichkeiten“, zuckte Hermine die Schultern. „Er könnte verhext worden sein, oder das sind Nebenwirkungen von einem Trank. Aber am wahrscheinlichsten ist es eher, dass das von zu wenig Schlaf kommt. Das führt zu Halluzinationen und extremen Stimmungen. Schlafentzug ist nicht ohne Grund eine Foltermethode.“ „Also verhext ist er bestimmt nicht. Wer sollte bitte Snape verhexen?“, nahm Ron die Information skeptisch auf. Ergänzend sagte Harry: „Er ist ein erstklassiger Duellant. Und ein Trank... ich kann mir nicht vorstellen, dass er Nebenwirkungen so sehr unterschätzen würde.“ „Dann bleibt ja nur Möglichkeit drei“, erwiderte Ron. „Und dagegen kann man wenig machen, oder?“ Ihre Gedanken drehten sich irgendwann nur noch im Kreis und so ließen sie das Thema fallen und machten sich auf den Weg zur Großen Halle, um Mittag zu essen. Harry gab sich die größte Mühe, Severus' Anschuldigungen zu vergessen und versuchte sie mit der Ausrede abzutun, dass der Slytherin einfach vollkommen sinnlos um sich geschlagen hatte. Dann hätte er sicherlich alles von sich gegeben, um Harry endlich loszuwerden... vermutlich. Ächzend schüttelte Harry seine düsteren Gedanken beiseite und füllte sich auf. Er fühlte sich etwas maddelig und war froh, in dem ganzen Trubel ein wenig abgelenkt zu werden. Während er aß, betrachtete er die einzelnen Schüler, die am Gryffindortisch vorbeiliefen. Erstaunt musste er feststellen, dass es ihm tatsächlich gefiel, nicht nur den Frauen auf den Arsch zu gucken, sondern auch einige Typen durchaus attraktiv auf ihn wirkten. Nach einigen Minuten fiel dem Gryffindor auf, dass Hermine ihn musterte und er sah fragend zu ihr. Sie setzte sofort ein wissendes Lächeln auf, weshalb Harry versuchte, so unschuldig wie möglich zurückzuschauen. Langsam beugte sich Hermine zu ihm herüber und sagte: „Hast du Cornfoot schon entdeckt?“ „Wen?“ „Stephen Cornfoot. Fünf Plätze neben Luna.“ Stirnrunzelnd zählte Harry die Plätze ab und blieb am besagten hängen. Dort saß ein Typ aus seinem Jahrgang, den er bisher nur vom Sehen her kannte. Ein Ravenclaw, groß, schlank, braune Haare und blaue Augen, was eine faszinierende Kombination war. Es war, als würde das Ravenclaw-Abzeichen nur dazu dienen, seine Augen zu betonen und zum Leuchten zu bringen. „Dein Typ?“, fragte Hermine verschmitzt grinsend nach. So beiläufig wie möglich zuckte Harry die Achseln, doch er musste zugeben, dass Cornfoot nicht schlecht aussah. „Vielleicht solltest du ihn mal ansprechen. Soweit ich weiß ist er single.“ Stirnrunzelnd sah Harry seine Freundin an. „Wieso weißt du eigentlich so viel darüber, was hier in Hogwarts abgeht?“ Schulterzuckend sagte die Hexe: „Naja. Frauen reden eben.“ „Du meinst ihr lästert“, warf Ron zum ersten mal ein, der bisher versucht hatte, das Gespräch zu ignorieren. „Wenn man positiv über jemanden redet, ist das kein Lästern, Ron.“ „Ihr findet es gut, dass ein Typ für euch Frauen nicht zu haben ist?“ „Na hör mal. Hältst du mich für so egoistisch?“ „Ich meine ja nur“, zuckte Ron die Schultern und lehnte sich zurück. „Wenn ihr Weiber euch im Schlafsaal unterhaltet, wer weiß worüber ihr da alles redet.“ Grinsend erwiderte Hermine: „Ich glaube, da dreht deine Fantasie ein bisschen zu sehr durch.“ Als das Trio sich nach dem Essen auf den Weg auf die Ländereien machte, führten Ron und Hermine ihre Diskussion fröhlich weiter und Harry glaubte bald, es sei besser einfach wegzuhören. Sie setzten sich auf dem Schulhof auf eine Mauer und genossen die warmen Sonnenstrahlen. So langsam konnte man vom Sommer träumen. Allerdings wussten alle drei, dass die nächsten Sommerferien anders ablaufen würden als sonst. Dass Harry das Labyrinth überlebt hatte, war nur der erste Schritt. Zur Zeit war es sehr ruhig um Voldemort geworden, doch sie wussten, dass er bereits etwas neues plante. „Hat Dumbledore schon gesagt, wann deine nächste Unterrichtsstunde sein wird?“, fragte Hermine schließlich nach, doch Harry schüttelte den Kopf. „Nein, ich schätze, er will damit warten, bis ich mich endgültig erholt habe. Deswegen sagt er wohl auch nichts dazu, dass wir immer noch nicht den Okklumentikunterricht angefangen haben.“ „Meinst du denn du brauchst den noch?“, fragte Ron skeptisch nach und Harrys Gedanken verdüsterten sich. Er wusste genau, wo das Problem lag. „Ich habe in Necrandolas komplett die Kontrolle verloren. Severus wird nicht zulassen, dass mir das nochmal passiert.“ Weiterhin skeptisch erwiderte Ron: „Aber es hat ihm doch das Leben gerettet, oder?“ „Es ist trotzdem nicht richtig, Ron“, warf Hermine ein, sofort wieder in ihrer Rolle aufgehend. „Wenn Harry sich nicht unter Kontrolle hat, ist da nichts Gutes dran. Dabei kann sonstwas passieren und niemand wäre in der Lage ihn zu stoppen.“ „Danke, das heitert mich wirklich auf“, murrte Harry sarkastisch. Mitfühlend warf Hermine ein: „Ich meinte doch nur...“ „Ja, ich weiß schon“, unterbrach Harry sie. „Ich weiß besser als jeder andere, dass ich zum Monster werde.“ Er schluckte und versuchte sämtliche Emotionen zu ersticken. Um sich abzulenken, sah er sich auf dem Schulhof um und war erstaunt, wie gut er sich bereits im Griff hatte, wenn sie dieses Thema anschnitten. Zwar fühlte er sich dabei immer noch nicht wohl, aber er blieb in der Gegenwart und das war schon ein riesiger Schritt nach vorne. „Wenigstens weiß ich jetzt, wie unglaublich mächtig Voldemort ist“, murmelte er gedankenversunken vor sich hin. Hermine musterte ihn genau und schien sich nicht entscheiden zu können, ob sie es gut fand, was er dachte oder nicht. „Jedenfalls scheint Dumbledore was zu planen. Immerhin ist er in letzter Zeit sehr häufig weg und keiner weiß wo er ist. Ich glaube, er erzählt das nicht einmal Professor McGonagall.“ Überlegend erwiderte Harry: „Ich habe manchmal das Gefühl Levin weiß es. Sie scheint allgemein viel zu wissen.“ „Naja“, zuckte Ron die Achseln. „Wenn man die Gedanken der anderen Menschen hören kann, ist es klar, dass man viel weiß, oder? Sie würde sich super als Spitzel machen.“ „Das hat sie ja auch schon getan“, grummelte Harry und wurde verwundert angesehen. „Na, sie hat versucht mich vor Necrandolas zu bewahren. Das habe ich aber auch erst von Severus erfahren. Er wollte mir aber nicht sagen, warum und woher sie überhaupt von Necrandolas wusste.“ „Das ist uns auch aufgefallen“, nickte Hermine. „Als ihr verschwunden seid, wusste sie sofort, was passiert war. Sie kannte den Kelch, aber Professor McGonagall anscheinend nicht.“ Ergänzend sagte Ron: „Dumbledore wusste wohl als einzige weitere Person Bescheid.“ „Nein, Severus war auch eingeweiht“, schüttelte Harry den Kopf. „Als wir in Necrandolas angekommen sind, konnte er mir genau sagen wo wir sind.“ „Also wussten sie es vielleicht, weil Snape es als Spion herausgefunden hatte?“, überlegte Hermine. „Hey Harry“, wurden die drei aus ihren Gedanken gerissen. Colin Creevey kam auf sie zugerannt, zusammen mit ein paar seiner Klassenkameraden, die allesamt einen Besen bei sich hatten. „Hey“, antwortete Harry nur und musterte fragend die Besen. „Auf was wollt ihr denn drauf los?“ „Wir wollen ein paar Runden drehen“, grinste der Junge breit. „Würdest du vielleicht mitkommen? Es wäre ziemlich cool, wenn du uns ein paar Tricks beibringen könntest.“ Der Schwarzhaarige grinste, schüttelte dann aber den Kopf. „Tut mir Leid, ich will gleich zum Unterricht.“ „Oh, Schade“, seufzte Colin, zuckte dann aber lässig mit den Schultern. „Hätte ja sein können.“ Er wollte sich gerade wieder auf den Weg machen, als Ron ihm zurief: „Hast du nicht gleich noch Unterricht? Ginny sagte, dass sie heute erst um halb 4 Schluss hat.“ „Ich denke, das hat sich erledigt“, antwortete Colin. „Eigentlich hätte ich gleich Zaubertränke, aber Dennis hat mir erzählt, dass Professor Snape in seiner Stunde vorhin zusammengeklappt ist. Ich glaube nicht, dass der heute noch unterrichtet.“ Ein Stromschlag durchzuckte Harrys Körper. „Zusammengeklappt?“, schoss er wie aus einer Pistole und spannte seinen ganzen Körper an. „Jaa“, sagte Colin weiterhin beiläufig. „Er musste in den Krankenflügel. Deshalb ist wohl davon auszugehen, dass der Unterricht ausfällt.“ Harry war nicht in der Lage zu reagieren. Er saß da, stocksteif, während seine Gedanken rasten. Severus war zusammengebrochen. Er lag im Krankenflügel. Hatte er sich jetzt so sehr in seine Wut gesteigert, dass sein Kreislauf einfach nicht mehr mitmachte? Aber vielleicht war es auch viel ernster, denn wer weiß, was die Ursache für sein Verhalten war. Als wären die anderen ganz weit weg, vernahm Harry nur noch stumpf, wie Ron den Jungs viel Spaß wünschte. Kaum waren diese außer Hörweite, fragte Hermine sanft: „Harry?“ Er sah auf, und seine Freunde sahen besorgt zurück. Erst jetzt merkte er, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte, um sich davon abzuhalten sofort loszustürmen. Severus hatte ihm fiese Sachen an den Kopf geschmissen... aber dennoch konnte er hier nicht unwissend herumsitzen. „Ich muss zu ihm“, sagte er schließlich monoton und erhielt ein verstehendes Nicken von seiner Freundin. „Viel Glück.“ Damit sprang Harry auf. Besorgt sahen ihm seine Freunde nach. „Und schon existiert in seinem Universum wieder nur ein einziger Mann“, seufzte Hermine mitleidig. „Wie hattest du auch glauben können, ihm Cornfoot schmackhaft machen zu können“, erwiderte Ron ebenso bedauerlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)