Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 44: Schatten -------------------- Das war ein Traum. Ein Traum, der hoffentlich nie endete. Noch immer sickerte die Nachricht nicht ganz zu Syndia durch. Sie saß im Halbdunkeln an Severus' Bett und betrachtete ihn sorgenvoll. Ihr Bruder war so abgemagert, hatte dunkle Schatten unter den Augen und war leichenblass. Wenn Syndia es nicht besser wüsste, würde sie sagen er sei tot. Besonders nervös machte es sie, dass Poppy ihr eine Narbe auf Severus' Bauch gezeigt hatte, von der sie meinte, sie wisse nicht, was solch eine Wunde verursacht, die man auch noch überlebt. Nicht einmal wie sie geheilt wurde konnte sie ihr sagen. Aber sie machte sich nicht nur Sorgen um die physischen Probleme des Slytherins. Er war 24 Tage zusammen mit Harry im grauenvollsten Labyrinth der Welt eingesperrt und hatte dort wer weiß was erleben müssen. Wovon hatten sie sich ernährt? Was hatten sie getrunken? Woher hatte er sich diese Knochenbrüche geholt? Poppy hatte bereits den Vorschlag genannt einen Psychologen zu den beiden zu schicken, doch davon hatte Syndia abgeraten. Severus würde durchdrehen, das wusste sie jetzt schon. Auch Ron und Hermine saßen wieder an Harrys Bett. Sie und ein paar andere Freunde waren sofort in den Krankenflügel gestürmt, als sie erfahren hatten, dass Harry zurück war. Madame Pomfrey hatte sie allerdings alle wieder fortgescheucht und erlaubte bisher nur zwei Besucher, da der Gryffindor Ruhe brauchte. Hermine hatte sich die größte Mühe gegeben so leise wie möglich zu weinen, als sie ihren Freund erblickte. Auch jetzt noch schniefte sie leise vor sich hin, während Ron ihr beruhigend über den Arm strich. Syndia und die beiden Gryffindors schwiegen hauptsächlich und wachten über die beiden Verletzten, die bereits mehrere Tage komatös schliefen. Beide hatten mit schweren Verletzungen zu kämpfen, ganz zu schweigen von der Unterernährung. Poppy musste ihnen regelmäßig Nährstoffe und Flüssigkeit zuführen. Besonders mulmig war Syndia, als sie erfuhr, dass Harry ohne das Medaillon von Severus nicht mehr gelebt hätte und auch Severus selbst hätte nur noch wenige Tage durchgehalten. An sich wären seine Verletzungen nicht zwingend tödlich gewesen, doch offenbar war er alles andere als schonend mit sich umgegangen und hatte sich mit den gebrochenen Knochen etliche, weitaus gefährlichere Wunden selbst zugefügt. Langsam begann Severus unruhig zu werden und Syndia strich ihm mit dem Daumen über den Handrücken. Seine Atmung wurde hektischer und besorgt strich die Hexe ihm die Haare aus dem Gesicht. Kurz darauf blickten ihr schwarze Augen entgegen und sie lächelte. „Hey Sev“, flüsterte sie und bekämpfte erneut die Tränen. Der Tränkemeister brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Dann wurden seine Augen panisch. „Harry“, flüsterte er mit schwacher Stimme. „Er wird wieder gesund“, beruhigte Syndia ihren Bruder sofort. „Noch schläft er.“ Sofort huschte sein Blick zum anderen Bett herüber. Er wollte aufstehen, zu Harry gehen und überprüfen, ob es ihm wirklich gut ging, doch Syndia drückte ihn mit sanfter Gewalt zurück in die Kissen. „Sev, es ist alles gut. Sein Fieber ist verschwunden und die Entzündung bekämpft.“ Als würde Severus ihr gar nicht zuhören, versuchte er ihre Hände unwirsch zur Seite zu schieben, doch Syndia ließ nicht locker. Das gefiel dem Tränkemeister ganz und gar nicht. „Verdammt, lass mich in Ruhe!“, knurrte er und wurde immer lauter und unruhiger. „Lass mich nachsehen! Du weißt ja nicht...!“ „Sev!“, rief Syndia halblaut, aber energisch. „So weckst du ihn nur auf. Er braucht Ruhe. Es geht ihm gut, vertrau mir.“ Endlich hörte der Slytherin auf herumzukeifen, doch als er seiner Schwester einen langen Blick zuwarf, erkannte diese, dass Severus alles andere als ruhig war. Dieser Blick, er hatte etwas wahnsinniges an sich, etwas hektisches, panisches. Syndia musste schlucken. Wie betäubt ließ sie ihn langsam los und sofort setzte der Slytherin sich auf. Syndia konnte ihm gerade noch die Gehhilfen in die Hand drücken, bevor er ohne losgestürmt wäre. Schnell standen Ron und Hermine auf und machten Platz, doch auch ihre Blicke sagten deutlich, dass ihnen die Situation nicht geheuer war. Mit nur wenigen Schritten war Severus am Bett des anderen und strich Harry über die Stirn. Tatsächlich, kein Fieber. Harry lag da und schlief friedlich, ohne Schmerzen, ohne Schüttelfrost, ohne Todeskampf. Langsam trat Syndia neben ihren Bruder und strich ihm vorsichtig über den Rücken, bevor sie ihm einen leichten Kuss auf die Schulter gab. „Siehst du, es ist alles gut“, flüsterte sie sanft. Ein stummes Nicken war die Antwort, ohne dass Severus den Blick vom Gryffindor abwenden konnte. „Du solltest dich ein wenig ausruhen“, flüsterte Syndia weiter. „Eigentlich darfst du noch gar nicht aufstehen mit deinem Bein.“ Tief durchatmend nickte der Slytherin erneut und griff sich dann verwundert an die Brust. Erst jetzt bemerkte er den Schmerz. Er trug Bandagen um den Brustkorb und sein Bein war eingegipst. „Was...?“, begann er verwirrt, doch Syndia schob ihn bereits vorsichtig zurück Richtung Bett. „Eins nach dem anderen. Leg dich erstmal wieder hin, ich erkläre dir schon alles.“ Severus warf Harry einen letzten prüfenden Blick zu und drehte sich dann um, um sich zurück auf sein Bett zu legen. Dieser kleine Ausbruch hatte ihn eine Menge Energie gekostet und so war er letztendlich doch froh wieder zu liegen. Vorsichtig atmete er durch und schloss die Augen, um herunterzukommen. Es war alles gut, Harry war in Sicherheit. Dennoch... diese ganze Situation hier kam dem Slytherin so unwirklich vor, so... falsch. Als würde sich das alles hier nur in seinem Kopf abspielen, während sie in Wirklichkeit noch in den dunklen Tunneln lagen. Vielleicht wurde er ja von irgendeiner Kreatur vergiftet, die sich nun über ihn hermachte, während er träumte. Langsam öffnete Severus wieder die Augen und sah zu Syndia. Dieser entging der unverwandte Blick ihres Bruders nicht. Sie wusste, dass er sich fragte, ob sie nur eine Sinnestäuschung war und so wurde ihr Lächeln wärmer. „Es ist alles gut. Ihr seid in Sicherheit.“ Erneut sah sich der Slytherin um, schluckte dann und sagte nickend: „Sieht so aus.“ Sein Blick beunruhigte die Hexe. Er wirkte wie ein scheues Reh, das nicht wusste, was es von dem Ganzen halten sollte. Überhaupt nicht so, wie sich Severus sonst gab. Hermine hingegen machte sich leise räuspernd bemerkbar. „Wir können nachher nochmal nach Harry sehen. Es gibt noch eine Menge zu tun.“ „Was? Die Hausaufgaben haben wir doch fertig. Es ist nicht einmal 5“, begriff der Rothaarige nicht und erhielt einen viel bedeutenden Blick von Hermine. „Wir sollten gehen“, zischte sie zwischen den Zähnen hindurch und zog an Rons Ärmel. Völlig planlos sah er zu den Snapes herüber und verstand endlich. Langsam ließ er sich von Hermine hinauszerren, die Syndia noch einmal zunickte. Dann sah die Schwarzhaarige wieder zum anderen. Severus versuchte indes erneut sich aufzurichten, allerdings gelang ihm das nicht ohne Schmerzen. „Sachte“, schaltete sich Syndia ein. „Warum laufe ich in Gips und Bandagen herum?“, fragte Severus leise und hielt sich den schmerzenden Brustkorb. „Ihr seid zu lange mit euren Wunden herumgelaufen, als das Madame Pomfrey sie einfach so heilen konnte. Die Schwellungen und Quetschungen sind dafür zu gravierend gewesen. Wenn du also nicht aufpasst, verletzt du dir nur wieder die Lunge.“ „Heißt das, das muss natürlich heilen?“, ächzte der Slytherin und schaffte es sich hinzusetzen. „Nein, nur solange die Schwellungen nicht zurückgehen. Das wird allerdings ein paar Tage dauern.“ Der Tränkemeister gab ein Nicken von sich, zeigte aber keine weitere Reaktion. Dann suchte er unruhig den Nachttisch mit den Augen ab. „Zauberstab, ich brauche einen Zauberstab“, murmelte er und Syndia setzte sich zu ihm aufs Bett, da er begann erneut hektisch zu atmen. „Ich kann dir einen neuen besorgen, wenn du magst“, sagte sie ruhig und legte ihre Hände auf die Oberarme ihres Bruders, doch beruhigen wollte sich dieser nicht. „Das dauert zu lange“, murmelte er weiter und sah dann zu Syndia. „Kannst du mir deinen erst einmal hier lassen?“ „Außerhalb der Unterrichtszeiten ja“, nickte sie. „Das reicht nicht. Ich muss mir was einfallen lassen“, sagte der Slytherin schnell und strich sich mit einer Hand über das Gesicht. „Sev, du bist hier sicher“, versuchte es Syndia sanft und wurde langsam immer verzweifelter. „Wir sind in Hogwarts, hier kann dir nichts mehr passieren...“ „Ich brauche aber einen Zauberstab!“, rief der Tränkemeister aufgebracht aus und stieß Syndia von sich. „Kapierst du das denn nicht?!! Ich brauche einen, ich muss... ich kann...“ „Severus, beruhige dich“, versuchte Syndia ihn zu besänftigen, aber ihre Worte zeigten keine Wirkung. „Es geht nicht ohne Zauberstab!!“, schrie er sie aufgebracht an. Syndia sah ihn ruhig an und nach einigen Momenten der Stille erkannte Severus, wie er sich schon wieder aufführte. Er brach den Blickkontakt und atmete tief durch. Näher rutschend zog die Schwarzhaarige ihn in eine Umarmung und Severus schloss die Augen. Er legte die Arme um seine Schwester, welche spürte, dass er zitterte. Beruhigend strich sie ihm über den Rücken und gab ihm ein wenig Halt. „Es ist vorbei“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. „Du hast es hinter dir. Du bist wieder zu Hause.“ Mehrere Minuten blieben sie in der Umarmung und Syndia dachte gar nicht daran, sie als erste zu lösen. Sie konnte verstehen, dass Severus sich ohne Zauberstab schutzlos fühlte. Dennoch beunruhigte sie Severus' Verhalten. Er war vollkommen durch den Wind und wie eine tickende Zeitbombe, die vollkommen unerwartet hochgehen konnte. Syndia hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Severus' Stimmung so instabil sein könnte. Er war kaum wiederzuerkennen. Schließlich löste sich der Slytherin wieder und legte sich hin. Er verzog jedoch das Gesicht, da das Kissen ihm viel zu weich war und legte es auf das Fensterbrett. Das Bett war auch ohne das Kissen schon schlimm genug. Ein sanftes, trauriges Lächeln umspielte Syndias Lippen und sie strich über Severus' Arm, während sie ihn musterte. Dieser deutete ihren Blick sofort richtig. „Dir liegen tausend Fragen auf der Zunge, was?“, sagte er nun zum ersten Mal wieder in seinem gewohnten Tonfall, was Syndia ein wenig durchatmen ließ. Kurz den Blick senkend antwortete die Hexe: „Es eilt nicht. Ruh dich erst einmal aus.“ „Lass uns einfach so tun, als sei das nie passiert“, grummelte der Slytherin. Mit einer dunklen Vorahnung zog Syndia die Augenbrauen zusammen. „Sev, fang bloß nicht an alles zu verdrängen. Irgendwann solltest du dich damit auseinandersetzen.“ „Das kann ich auch ohne darüber zu reden“, zischte Severus zurück. „Es ist nicht das erste schreckliche Erlebnis in meinem Leben und ich bin bisher ganz gut klar gekommen, ohne mich mit irgendjemandem darüber zu unterhalten.“ 'Offensichtlich nicht.', dachte Syndia bei sich, die daran dachte, wie grantig ihr Bruder nach all den Jahren geworden war. „Du willst also niemals darüber reden?“ „Richtig erkannt.“ „Aber Sev...“ „Nein, Syndia“, sah der Slytherin sie entschlossen aber entkräftet an. „Ich habe im allgemeinen gerade keine große Lust mich zu unterhalten, also tu mir den Gefallen und sei ruhig, bitte.“ Erschöpft lag er da, legte den Arm über die Stirn, sah an die Decke und murmelte: „Nicht reden. Lass mich einfach in Ruhe.“ Resigniert seufzte Syndia auf, blieb aber stumm. Ihr Bruder sah so erschöpft aus, vielleicht brauchte er wirklich einfach nur etwas Ruhe. Langsam erhob sie sich, um ihrem Bruder ein wenig Zeit für sich zu geben, doch als sie sich gerade wegdrehen wollte, sah sie, wie Severus' Hand zuckte, als hätte er nach ihr greifen wollen. Skeptisch sah sie Severus an, der den Blick angewandt hielt und die Situation zu überspielen versuchte. Doch auch, wenn er seine Gedanken abschirmen konnte, konnte Syndia genau sehen, was Severus zu dieser Reaktion verleitet hatte: Er wollte nicht alleine sein. Traurig aufseufzend setzte Syndia sich wieder zurück aufs Bett. Mehrere Stunden lang lag Severus nur da und schien gedanklich ganz weit weg zu sein. Besorgt betrachtete Syndia ihn. Sein Blick war so leer und er machte wirklich keine Anstalten mehr auch nur einen Ton von sich zu geben. An was dachte er nur gerade? Dachte er überhaupt etwas? Es wirkte wie eine Art Schockzustand, als hätte ihm jemand einen Ganzkörperklammerfluch aufgehalst. Der Tag zog sich dahin und Severus blieb stumm. Irgendwann drehte er sich auf die Seite, nur um in der Position weiter geradeaus zu starren. Besorgt saß Syndia da und strich ihm immer wieder über den Rücken, auch wenn keine Reaktion darauf kam. Zuerst war er so explosiv und nun das hier? Diese starken Schwankungen beunruhigten Syndia mehr als sie zugeben würde. Sie konnte ja nicht einmal mehr mit Gewissheit sagen, ob Severus ihre Anwesenheit wahrnahm. Am späten Abend wagte Syndia es, das Wort wieder an ihn zu richten. Flüsternd und unglaublich sanft fragte sie: „Soll ich noch bei dir bleiben oder ist es okay, wenn ich gehe?“ Es kam keine Reaktion. Severus lag auf der Seite und sah einfach nur geradeaus, ohne zu zeigen, ob er seine Schwester gehört hatte. Er schien nicht einmal zu blinzeln. Syndia strich ihm sanft durch die Haare, woraufhin er endlich reagierte. Er atmete tief ein, legte den Kopf ein wenig zur Seite und senkte dann den Blick. Ihren Bruder so zu sehen, brach Syndia das Herz. Er war ein Mensch, der sich gerne in sich kehrte, aber das hier war nun ein absoluter Rückzug. „Kommst du alleine klar?“, versuchte Syndia es nochmal und erhielt tatsächlich ein leichtes Nicken. Langsam beugte sie sich zu ihrem Bruder herunter und gab ihm einen sanften Kuss an die Schläfe. „Versuch ein wenig zu schlafen“, flüsterte sie. „Ich komme Morgen wieder.“ Wieder nickte der Slytherin, ohne Syndia anzusehen und seufzend erhob sie sich. Sie fühlte sich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, Severus so zurückzulassen, aber vielleicht ging es ihm besser, wenn er erst einmal alleine sein konnte.   Inzwischen war die Nachricht in Hogwarts herumgekommen, dass die beiden Totgeglaubten die Höhlen lebend verlassen hatten und im Krankenflügel lagen. Somit tummelten sich viele neugierige Schüler vor dem Eingang, in der Hoffnung, sich zu Harry schleichen oder wenigstens einen Blick auf ihn werfen zu können. Zum Glück hatte Poppy den Bereich der beiden abgesperrt, so dass die Schüler keine Chance hatten etwas mitzubekommen. Immer wieder gaben sich welche als Harrys Freunde aus, doch die Heilerin hatte sich inzwischen eine Liste von Ron und Hermine geben lassen, auf der die Namen der engeren Bekannten von Harry standen. So sah Poppy sehr abgekämpft aus, als Syndia am nächsten Tag mit einer Tasche für Severus den Krankenflügel betrat. „Schließen Sie die Tür magisch hinter sich“, wies sie die Verteidigungslehrerin an, die verwundert am Eingang stehen blieb. „Kann ich leider nicht“, entgegnete sie. „Severus hat meinen Zauberstab über Nacht bei sich behalten.“ „Achja, ich vergaß“, eilte Poppy zu ihr und verriegelte die Tür selbst. „Er hat das Ding die ganze Zeit über nicht mehr losgelassen.“ Besorgte seufzte sie auf und murmelte Syndia dann zu: „Vielleicht schaffen Sie es, dass er sich ein wenig sicherer fühlt. Seit er gestern aufgewacht ist, hat er kein Auge mehr zugemacht. Ich habe ihm Traumlostränke angeboten, aber er weigert sich die zu nehmen.“ „In Ordnung“, nickte Syndia ernst. „Ich sehe mal was ich tun kann. Hat er... sich wieder ein wenig gefangen?“ „Sie meinen, weil er gestern nicht mehr gesprochen hat?“, fragte die Heilerin. „Das war nur der Schock, kein Grund zur Sorge. Er hat ein wenig Zeit gebraucht, um alles zu realisieren. Viele, die so etwas durchleben, glauben in den ersten Tagen gar nicht, dass sie wirklich wieder zu Hause sind, also von daher hat er sich gut geschlagen. Es geht ihm schon viel besser und er grummelt wieder freudig vor sich hin. Trotzdem sollten Sie ihn lieber noch nicht ausfragen.“ Erleichtert nickte Syndia. „Ist gut.“ Damit ging sie auf den Vorhang in der hintersten Ecke zu. Tatsächlich saß dort ihr Bruder wach im Bett und blätterte einige Unterlagen durch. Der Gryffindor schlief weiterhin tief und fest. „Hey“, begrüßte Syndia den Slytherin und setzte sich auf die Bettkante. „Was guckst du da durch?“ „Die Unterrichtsprotokolle“, murmelte er abwesend ohne aufzublicken. „Immerhin muss ich wissen, was die Gören in den drei Wochen gemacht haben.“ „Aber das hat doch noch Zeit“, seufzte Syndia auf. „Werde erst einmal wieder gesund.“ „Dann bringe mir irgendwas anderes, womit ich mich beschäftigen kann“, grummelte der Slytherin weiter. „Ich dreh hier sonst durch.“ „Ich kann dir gerne nachher was aus deinen Räumen bringen“, sagte die Hexe weiterhin unbeirrt ruhig. „Erst einmal habe ich nur das wichtigste mitgebracht.“ Damit zog sie die Tasche zu sich und erhielt endlich die volle Aufmerksamkeit des Tränkemeisters. „Hast du an die Zahnbürste gedacht?“, fragte er nach. „Ja“, zog Syndia eine Kulturtasche aus der Tasche und ließ sie mit der Schlaufe an ihrem Finger baumeln. „Gut“, legte Severus die Unterlagen beiseite und zog sich die Gehhilfen heran. „Duschen darf ich von Poppy noch nicht. Als ob der Gips das wichtigste wäre.“ Grummelnd stand er auf und griff nach der Tasche. „Rede doch einfach nochmal mit ihr“, zog Syndia mitfühlend eine Augenbraue hoch. „Als ob das bei der was bringen würde.“ Damit verschwand der Tränkemeister hinter dem Vorhang. Sanft lächelnd sah Syndia ihm nach. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Severus hatte sich wirklich wieder erholt, redete wieder, sah nicht panisch durch den Raum und benahm sich fast wieder normal. Doch sie wusste auch, dass das jederzeit wieder umkippen konnte. Nach einer dreiviertel Stunde kam Severus zurück und fühlte sich deutlich wohler. Eine komplette Dusche wäre ihm noch lieber gewesen, aber wie es aussah musste er immer noch mit Reinigungszaubern auskommen. Das gleiche war es jedoch nicht. „Vielleicht solltest du versuchen ein wenig zu schlafen“, schlug Syndia sanft vor, während der Slytherin es sich wieder bequem machte, ohne Kissen. Ohne von seinem Tun abzulassen oder Syndia überhaupt anzusehen, sagte er entschieden: „Kann ich nicht.“ „Wieso nicht? Ich kann Madam Pomfrey nach einem Traumlostrank fragen, wenn du möchtest“, deutete Syndia hinter sich. Kopfschüttelnd lehnte Severus ab. „An den Träumen liegt es nicht.“ „Sondern?“ „Das ist doch egal.“ „Nein, Sev, ist es nicht. Du brauchst Ruhe“, sagte Syndia entschieden und sah wieder besorgt aus. Genervt warf der Tränkemeister ihr einen Blick zu. „Im Vergleich zu den letzten Tagen geht es mir bestens. Also mach dir nicht so viele Sorgen.“ „Die mache ich mir aber“, entgegnete die Hexe. „Du brauchst mich nicht so in Watte zu packen!“, regte sich der Slytherin auf. Syndia stieß enttäuscht die Luft aus. „Du siehst wirklich kaputt aus. Schlaf würde dir helfen...“ „Syndia!“, knurrte Severus. „Wenn du nicht endlich damit aufhörst mich zu verhätscheln und zu bemitleiden, sage ich Poppy sie soll dich rauswerfen.“ Resigniert seufzte Syndia auf. Es war zwecklos.   Nach zwei Stunden kamen Ron und Hermine und saßen stumm an Harrys Bett. Irgendwann trauten sie sich, sich flüsternd zu unterhalten, warfen Snape dabei aber immer wieder Blicke zu. Am späten Nachmittag wurde die Aufmerksamkeit auf Harry gezogen, der anfing herumzuwühlen und unruhig seinen Kopf hin und her zu bewegen, während er etwas murmelte. „Anscheinend ein Albtraum“, stand Hermine auf und wollte Harry gerade beruhigen, als Syndia sich einmischte. „Das ist kein Traum“, sagte sie und beobachtete den Gryffindor genau, ebenso wie ihr Bruder. Verwundert wurde die Lehrerin von den beiden Gryffindors angesehen. Dann ergänzte sie: „Es ist eine Vision.“   Er versetzte mehreren seiner Gefolgsleute einen Crucio, doch so viel sie auch schrien, so viele er auch folterte, es reichte nicht, um seine Wut loszuwerden. Er sah zu den Todessern herüber, die den niedrigsten Rang hatten und von denen er nicht einmal die Namen kannte. „Avada Kedavra!“, streckte er einen von ihnen nieder. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte dieser verdammte Junge das überlebt haben?! Und Snape noch dazu! „Hattest du nicht gesagt, es sei noch nie jemand lebend aus diesem Labyrinth herausgekommen?!“, fragte er schneidend einen der Untergebenen, der vor ihm kniete und sein Zittern nicht verbergen konnte. „J-Ja Herr... D-Das w-war bisher auch so.“ Ein Cruciatus erfasste den Todesser und er krümmte sich schreiend auf dem Boden. „Dieser verdammte Bengel hätte tot sein müssen!“, rief er wütend in die verstummte Halle. Verwirrt schlug Harry die Augen auf. Warum war es so hell? Und vor allem warm? Als erstes sah er in Hermines Gesicht und stutzte erneut. Er sah sich um und erkannte den Krankenflügel. Stimmt, sie hatten das Tor gefunden... sie waren gerettet. Sofort schnellte sein Blick zum Nachbarbett, von wo aus Severus ihn verärgert ansah. „Wieder keine Kontrolle über den Geist gehabt, Potter?“ Harry wollte antworten, doch seine Stimme gehorchte ihm nicht und er räusperte sich. Hermine hielt ihm ein Glas Wasser hin und er stürzte es eilig herunter. Sogleich griff er nach der Wasserflasche auf dem Nachttisch und leerte sie in schnellen Zügen. Mit einem besorgten Blick sahen sich seine Freunde an. „Wie geht es dir?“, fragte Hermine leise, als Harry die Flasche leer hatte. Dieser wusste nicht so ganz, was er antworten sollte. „Das ist kein Traum, oder?“, fragte er in die Runde und sah als erstes Syndia an, die lächelnd den Kopf schüttelte. Hermine stiegen die Tränen in die Augen und sogleich umarmte sie ihn. Irgendwie war es seltsam und schön zugleich. Als wäre diese Umarmung der Beweis für seinen Verstand dafür, dass er wirklich zurück war. „Oh Harry“, schluchzte sie sogleich los und Harry verstärkte die Umarmung. Nach einer Weile gab die Hexe ihn frei, wischte sich die Tränen weg und machte Platz für Ron, der ebenfalls seinen Freund umarmte. Es war so unglaublich schön die beiden wiederzusehen. Wie oft hatte er an sie gedacht und sich so sehr gewünscht, sie noch ein letztes Mal sehen zu dürfen. Nach einer Weile hatten sich alle beruhigt und Harry sah noch immer ungläubig umher. Er entdeckte seinen Zauberstab auf dem Nachttisch und man sah ihm deutlich an, dass er gegen den Drang ankämpfte, nach ihm zu greifen. Um sich nicht lächerlich zu machen, ließ er das jedoch bleiben. Beim Aufsetzen bemerkte Harry, dass er eine Art steife Weste um die Taille hatte und sah verdutzt drein. „Madame Pomfrey sagt, du darfst deine Wirbelsäule nicht zu sehr krümmen“, erklärte Hermine ruhig. „Es braucht ein paar Tage, bis die Verletzung verheilt ist.“ „Aber ich darf aufstehen, oder?“ Zögerlich nickte die junge Hexe und sogleich kletterte Harry umständlich aus dem Bett. In der Schublade des Nachttisches lagen seine Sachen und er schnappte sich als erstes die Zahnbürste. Als er auch Duschsachen heraussuchte, schaltete sich der Tränkemeister ein. „Das ist sinnlos, Potter. Madam Pomfrey lässt uns nicht duschen.“ Verständnislos zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Was? Aber...“ „Meinetwegen versuchen Sie noch einmal sie zu überreden. Ihnen kann sie sicherlich nichts ausschlagen.“ Jetzt war der Gryffindor völlig verwirrt. Snape siezte ihn wieder? Das klang in seinen Ohren ziemlich komisch. Doch Severus sah ihn eindringlich an und gab ihm so zu verstehen, dass er kein Wort darüber verlieren sollte. Zögerlich wandte er sich um und ging Richtung Bad, um sich die Zähne zu putzen. Im Bad putzte er sich gefühlte tausend Mal die Zähne, bis er sich endlich wieder ein wenig besser fühlte. Das klare, kühle Wasser, welches er sich ins Gesicht klatschte, tat sein übriges. Gedankenversunken betrachtete er sich im Spiegel. Es war, als würde er einen völlig anderen Menschen dort sehen. Er erkannte sich einfach nicht wieder. Und nicht nur sich. Es war seltsam wieder hier zu sein, als wäre das alles nur eine Illusion, nur Wunschdenken, ein Traum, ein hinterhältiges Trugbild. Und dass Severus ihn wieder so distanziert ansprach, wirkte dem nicht gerade entgegen. Langsam strich er über den Rand des Waschbeckens. Es fühlte sich real an, aber war es das auch? Tief Luft holend strich er sich übers Gesicht und versuchte sich zu fangen. Er griff nach dem Medaillon, das um seinen Hals hing. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich das umgehängt hatte, aber er wusste, dass es Severus gehörte. Was hatte es damit auf sich? In der Vergangenheit hatte es besonders für Levin eine große Rolle gespielt, aber er hatte nie verstanden warum. Was war so besonders daran und warum in Merlins Namen trug er es jetzt auf einmal? Er musste das bei der nächsten Gelegenheit Severus fragen. Aufseufzend suchte Harry seinen Kram zusammen und machte sich auf den Weg zu Madam Pomfrey, um sie wegen dem Duschverbot zu fragen. Eine halbe Stunde später kam er mit Poppy im Schlepptau zurück, die seufzend zu Severus kam. „Na schön, ihr könnt duschen gehen. Aber keine großen Bewegungen, verstanden?“, sagte sie streng, während sie Verband und Gips abnahm. „Nicht zu weit herunterbeugen, sondern mit dem Bein entgegenkommen. Es stehen Hocker bei den Duschen, Severus. Am besten setzen Sie sich hin, wenn Sie die Beine einseifen wollen.“ Damit trippelte sie zu Harry herüber, um ihm die Weste abzunehmen. „Für Sie gilt das gleiche. Keine großen Krümmungen.“ Der Gryffindor nickte nur ergeben und dann machten sich beide auf den Weg ins Bad. Kaum war die Tür hinter ihnen geschlossen, sagte Severus: „Es war klar, dass du sie überredet kriegst. Der große Held bekommt immer was er haben will.“ 'Ach, jetzt sind wir wieder beim Du?', dachte Harry bei sich. „Ich weiß nicht, warum du dich beschwerst. Es hat dir doch auch was eingebracht.“ Sie waren vor den Duschkabinen angekommen. Harry ging in die hintere und Severus eine davor. Es wurde genug Platz geboten, um sich im vorderen Teil in Ruhe umzuziehen und im hinteren gab es die offene Dusche. Der Gryffindor konnte es kaum erwarten und zog sich eilig aus, bemerkte aber dabei, dass er seinen Rücken wirklich schonen sollte. Das Gefühl des Wassers war unbeschreiblich. Harry seufzte genießerisch auf und entspannte sich das erste mal seit drei Wochen wieder. Warmes, klares Wasser. Das schönste was es auf der Welt gab. Zudem fiel ihm das erste mal in seinem Leben auf, dass Wasser weich war. Das hier musste einfach echt sein. Kein Traum konnte so intensiv wirken. Eine ganze Weile stand Harry einfach nur da und ließ das Wasser an sich herunterlaufen. Erst jetzt sickerte langsam hindurch, dass er Necrandolas endgültig verlassen hatte. Er würde in seinem warmen Himmelbett schlafen, sich dreimal am Tag den Bauch in der Großen Halle vollschlagen können und so oft duschen können wie er wollte. Wie hatte er nur übersehen können, wie gut es ihm doch ging? Das war der Himmel auf Erden. Der Gryffindor griff nach Shampoo und Duschgel und schäumte sich so lange ein, bis die Seife cremig wurde. Nach dem Abbrausen fühlte er sich allerdings nicht viel besser. Er seifte sich nochmal ein... und nochmal... und nochmal. Auch wenn er augenscheinlich sauber war, hatte Harry immer noch das Gefühl Necrandolas würde an ihm kleben. Noch immer war da diese Kälte, dieser Dreck, Staub, die kalten feuchten Wände, das Blut. Vor allem das Blut. Severus' Blut und auch das des Mantikors. Er musste es loswerden. Eilig griff er nach der Nagelbürste, die auf dem Duschregal lag und schrubbte seine Arme... dann den Rumpf... sein Gesicht. Es wurde nicht besser. Er musste es endlich loswerden! Immer wieder schrubbte er über seine Arme, doch es half nicht. Langsam wurde er panisch und wendete immer mehr Druck an, wurde immer schneller und grober. Aber er wurde es einfach nicht los.   Severus hatte nach einer Stunde die Dusche abgestellt und trocknete sich ab. Von nebenan konnte er noch das Rauschen von Harrys Dusche hören. Er fühlte sich wie neu geboren, 24 Tage endlich fortgewaschen. Während Severus mit dem Handtuch durch seine Haare rubbelte, hörte er, wie Harrys Atem hektisch wurde. Zuerst dachte er, der Gryffindor würde sich ein wenig Entspannung gönnen, doch dann merkte er, dass etwas nicht stimmte. Potter klang alles andere als entspannt. Und dann bekam Severus eine Ahnung davon, was da gerade vor sich ging. Der Gryffindor hatte viel zu stabil gewirkt, als er aufgewacht war. Die Botschaft, was eigentlich passiert war, sickerte wohl jetzt erst bei ihm durch. Knurrend wickelte Severus sich das Handtuch um die Hüfte, schnappte sich die Gehhilfen und verließ seine Kabine, um an die des Grünäugigen zu klopfen. „Potter, lass den Scheiß!“, polterte er sogleich los, doch vom anderen kam keine Reaktion. Nach mehrmaligem Klopfen und Rufen antwortete Harry noch immer nicht. „Zwing mich nicht hereinzukommen“, rief Severus und als wieder nichts kam, stieß er knurrend die Tür auf. Wie er erwartet hatte, stand Harry unter dem Wasserstrahl und schürfte sich mit einer Nagelbürste die Arme auf. Seine gesamte Haut war bereits feuerrot und an einigen Stellen bildeten sich Blutstropfen, die vom Wasser gleich wieder fortgespült wurden. Der Gryffindor war so in seiner Panik gefangen, dass er den anderen nicht bemerkte. Hektisch fuhr er grob mit der Bürste über seine Arme und riss sie immer weiter auf. So schnell es mit den Gehhilfen ging, kam Severus zu ihm herüber und packte die Handgelenke des Gryffindors. „Hör endlich auf!“ Völlig verdattert sah Harry zu ihm auf und fragte sich, wo Severus auf einmal herkam. Sein Atem beruhigte sich jedoch nicht und er versuchte seine Hände zu befreien. Knurrend wurde der Griff des Slytherins fester. „Verdammt, Potter! Reiß dich zusammen! Das bringt überhaupt nichts!“ „Lass mich los!“, schrie Harry ihm nur entgegen und bei seinem Blick war Severus kurz versucht tatsächlich nachzugeben. Doch er wusste, dass er das jetzt nicht durfte. Harry war gerade dabei eine Panikattacke zu bekommen und er musste ihn irgendwie bändigen. „Da ist kein Blut, Harry!!“, schrie er ebenso zurück und der Gryffindor stutzte. Er hörte auf sich zu wehren, sah auf seine Hände und dann zum anderen. Etwas ruhiger sagte Severus: „Du kannst das nicht wegwaschen, weil es in dir drin sitzt. Erst wenn du gelernt hast damit umzugehen, wird dieses Gefühl verschwinden und bis dahin musst du dich eben zusammennehmen.“ Harrys Blick wurde verzweifelt und er sah zur Seite. Wie sollte er denn mit diesem Gefühl zurechtkommen? Es war unerträglich. Der Slytherin seufzte auf, ließ Harrys Handgelenke los und nahm ihn in den Arm. Der Gryffindor legte sein Kinn auf der Schulter des anderen ab und schaffte es endlich ein wenig herunterzukommen. Er hatte sich da in etwas hineingesteigert. Severus hatte Recht, er würde diese Erinnerungen nicht so einfach loswerden. Was geschehen ist, ist geschehen und er musste lernen damit zu leben. Sie lösten die Umarmung und als Harry in die schwarzen Augen des anderen sah, wurde ihm erst bewusst, dass er nackt war und Severus nur ein Handtuch um die Hüften trug. Das Wasser tropfte von Severus' Haaren und an seinem Arm und seiner Brust lief es in Rinnsalen herunter. Wie gerne hätte Harry die nachgezeichnet. Das Handtuch war bereits triefend nass. Zwar hatte er den anderen schon oft ohne Oberteil gesehen, aber das hier war nun doch etwas anderes. Der Gryffindor spürte, wie er rot wurde und sah beschämt zur Seite. Severus schien die Situation jedoch nicht zu kratzen und benahm sich, als wäre das alles völlig normal. Er musterte den anderen nicht einmal, sondern sah ihm nur ins Gesicht. Den Blick des Jüngeren ignorierend, nahm er Harry die Bürste aus der Hand. „Die nehme ich mit“, legte er fest und sah zum Duschregal, auf dem noch Schwämme und Badeknäuel lagen. „Und die vorsichtshalber auch. Wenn ich sehe, dass die Verletzungen schlimmer werden, gibt es Ärger, verstanden?“ Der Gryffindor nickte ergeben ohne aufzusehen und so schnappte Severus sich die Gehhilfen und verließ ohne ein weiteres Wort die Kabine. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)