Ich bin schuld von Gedankenchaotin ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Ich kann das nicht, Dai. Ich kann da nicht hin.“, höre ich mich selbst leise sagen, während ich dich fast schon verzweifelnd und bittend ansehe. „Warum nicht? Deine Mutter würde sich bestimmt freuen, dich auch mal wieder zu Gesicht zu bekommen. Du warst schon lange nicht mehr da.“, entgegnest du mir sanft, streichst mir etwas durch die Haare. Schon länger habe ich mein Herz an dich verloren und dennoch weißt du bis heute nichts von diesem dunklen Moment in meiner Vergangenheit, welcher nicht nur mein Leben sondern auch mich verändert hat. Tief atme ich einen Moment lang durch, ehe ich mich etwas aufrichte, um dich besser ansehen zu können. „Ich.. sie hasst mich. Mehr als sonst jemanden auf der Welt und sie wird mir den größten Fehler meines Lebens nie verzeihen.“, versuche ich anschließend so ruhig wie möglich von mir zu geben, seufze erneut leise auf, als du ein einfaches „Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“, verlauten lässt. „Ich..“, beginne ich erneut leise, erhebe mich dabei langsam, um aus dem großen Panorama – Fenster unserer gemeinsamen Wohnung blicken zu können. Schweigend blicke ich minutenlang hinaus, verschränke meine Arme etwas vor der Brust und zucke doch augenblicklich zusammen, als sich deine Arme um meine Hüfte schieben. „Erzähl mir davon..“, wisperst du mir leise entgegen, streichelst mir mit den Fingerspitzen langsam über den Bauch hinweg. „Ich.. kann nicht, Dai.“, höre ich mich auch diesmal leise erwidern, während ich mich etwas gegen dich lehne, unter deinen Berührungen etwas erschaudere. Bislang hatte ich dir immer nur erzählt, dass ich zu meiner keinen Kontakt habe und sie auch keinen will, aber den Grund dafür weißt weder du, noch unsere Freunde. „Versuch es, Tooru.“, antwortest du leise, wobei du deinen Kopf etwas auf meine Schulter legst, was rein optisch vermutlich gerade ein ziemlich komisches Bild abgibt. Über zehn Minuten lang scheint es, als würde ich doch nichts dazu sagen wollen, als würde ich lediglich deine Streicheleinheiten geniessen wollen, bevor ich mich doch zu einem kaum hörbaren „Ich habe.. hatte einen Bruder.“, durchringe. „Einen Bruder? Von ihm hast du nie etwas erzählt.“, gibst du ebenso leise zurück, entlockst mir gleichzeitig ein einfaches „Gar nicht!“; als du zusätzlich fragst, wann du ihn denn mal kennenlernst. „Er.. ist tot und ich bin schuld daran.“, antworte ich dir schließlich, nachdem du erneut nach dem Warum gefragt hasst, versuche mich krampfhaft dagegen zu wehren, zu diesem einen Moment vor vier Jahren zurückzukehren. „Wieso?“, reißt mich erneut deine sanfte Stimme aus den Gedanken, während du einfach hinter mir stehen bleibst, mir das Gefühl gibst, mich sicher zu fühlen, einfach wohl und geborgen. Nur langsam und eher stockend beginne ich dir nach kurzer Bedenkzeit schließlich doch von diesem lauen Sommerabend von vor vier Jahren zu berichten. Damals habe ich meinen Bruder hinter das Steuer meines Autos gelassen, obwohl ich genau wusste, dass er keinen Führerschein hatte. Einfach nur eine Runde um den Block habe er drehen wollen, ein bisschen Fahrpraxis sammeln wollen, bevor er in ein paar Monaten die Prüfung ablegen wollen würde. Nicht weit entfernt vom Kino war dann dennoch das passiert, was ich mir bis heute nicht verzeihen konnte: Ein anderer Autofahrer hatte ihm die Vorfahrt genommen und wir prallten gegen den nächsten Laternenpfahl. Während ich mehr oder weniger glimpflich davon gekommen war, hatte er an diesem Abend sein Leben verloren. Meine Mutter hat mir diesen Umstand nie verziehen, hat den Kontakt zu mir abgebrochen, immerhin habe ich Taki nicht davon abgehalten, auf der Fahrerseite ins Auto zu steigen. Während meiner Erzählungen streichelst du mir weiterhin über den Bauch, versuchst mir weiterhin dieses Gefühl von Sicherheit zu geben, einfach das Gefühl, für mich da zu sein. „Es war ein Unfall, Tooru. Du konntest doch nicht wissen, dass euch die Vorfahrt genommen wird..“, erwiderst du ein paar Minuten nachdem ich geendet habe, woraufhin ich mich abrupt von dir löse und dich fast schon wütend ansehe. „Hast du mir nicht zugehört, Daisuke? Ich habe ihn hinter das Steuer gelassen? Ich habe ihn fahren lassen, obwohl ich wußte, dass er keinen Führerschein hat. Ich hätte sterben sollen, nicht er! Ich, nicht er!“, schreie ich dich nun fast schon an, auch wenn ich zum Ende hin immer leiser werde, mich an Ort und Stelle einfach zu Boden sinken lassen. Sprachlos blickst du einen Moment lang auf mich herab, ehe du vor mir in die Hocke gehst.. „Red nicht so einen Unsinn, Tooru! Ich bin froh, dass du lebst, die anderen sind froh das du lebst und ich wette, deine Mutter ist genauso froh dass du lebst, auch wenn sie es dir gegenüber nicht zeigen kann! Ich will so etwas wie eben nicht wieder hören, hörst du? Nie wieder!“, richtest du nachdrücklich das Wort an mich, was mir in diesem Moment einfach so unglaublich hart erscheint und mich deswegen auch nur zum nicken bringt, ohne dass ich darauf etwas erwidere. Für einen flüchtigen Moment scheinst du völlig in deinen eigenen Gedanken zu versinken, ehe du mir einen Kuss auf die Lippen drückst und dich anschließend erhebst. „Ich werde jetzt deine Mutter anrufen und dann werdet ihr darüber reden. Das wird dir genauso gut tun wie ihr.“, richtest du erneut nachdrücklich das Wort an mich, was mich jedoch dazu bringst, sofort energisch den Kopf zu schütteln. „Nicht, Dai.. bitte...“, flüstere ich leise und kaum hörbar, sehe erneut fast schon bittend zu dir auf, obwohl ich mir durchaus bewußt bin, dass du Recht hast und ich nicht den Rest meines Lebens einfach davon laufen kann. Hart presse ich meine Lippen aufeinander und senke meinen Blick wieder zu Boden, schüttele dabei immer mal wieder leicht den Kopf, sodass ich schließlich erschrocken zusammenzucke, als dein Gesicht erneut dicht vor meinem auftaucht. „Versuch es für mich, Schatz. Ich sehe doch, wie schlecht es dir geht.“, wisperst du mir erneut leise entgegen, bevor du mich auch dieses Mal so sanft und liebevoll küsst, wie ich es noch nie erlebt habe – zumindest kommt es mir in diesem Moment so vor. Nur langsam lässt du den Kuss ausklingen, ehe du dich erhebst und mich anschließend mit hochziehst. „Versuch es, okay? Entweder ich rufe sie an oder wir fahren einfach hin, je nachdem, was dir lieber ist. Und dann redet ihr in Ruhe miteinander. Wenn es nicht geht, fahren wir einfach wieder heim, hai?“, versuchst du mich erneut aufzumuntern, streichst mir sanft eine meiner Strähnen aus dem Gesicht. „Hinfahren.“, murmele ich nur leise, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das wirklich eine so gute Idee ist. Kurz schmiege ich mich in deine Berührung, ehe ich mich ganz von dir löse und in Richtung Flur laufe, mich anzuziehen beginnen, bevor ich es mir am Ende vielleicht doch noch anders überlege. Schweigend folgst du mir nach einem einfachen Nicken, ziehst dich ebenso an, bevor wir keine halbe Stunde später unsere gemeinsame Wohnung verlassen – ohne zu ahnen, dass mich dieser Besuch und das folgende Gespräch an die Grenzen meiner Belastbarkeit bringen werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)