Shiho Miyano´s gefährliche Flucht von olympea ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Shiho´s Finger klammerten sich so fest an das Rohr, dass ihre Knöchel eine weißliche, blutleere Farbe annahmen. Es war soweit. Nach dem lauten Toben, dem Klirren und den markerschütternden Schreien aus dem Labor im Obergeschoss erfüllte nun gespenstische Stille den Keller um sie herum und gab ihr die grausame Möglichkeit sich in panischer Todesangst von ihrem Leben zu verabschieden. Auf dieser Welt würde es keinen Platz mehr für sie geben. Angsterfüllt und voller Bitterkeit biss sie sich hart auf die Unterlippe, bis der rostige Geschmack von Blut ihre Zunge benetzte. Ihre Augen wanderten ruhelos durch das Zimmer, als wären sie auf der Suche nach einer Möglichkeit, einem Ausweg oder einer Alternative. Doch nichts Vergleichbares war zu entdecken. Das kleine Fenster war viel zu hoch und zu schmal für eine potenzielle Flucht und die Gefahr, dass Gin sie fand, egal wohin sie floh, war viel zu groß. Erschöpft schloss sie ihre Augen und schmiegte ihren Kopf gegen ihre Hände, die in Handschellen auf ein Rohr gekettet waren. Die Szenen der vergangenen Wochen tauchten schmerzerfüllt vor ihren Augen auf. Das Foto ihrer Eltern, das sie tausend Mal sehnsüchtig betrachtet hatte – von der Organisation aus dem Weg geräumt. Das Lachen ihrer Schwester, die einzige die ihr geblieben war – von der Organisation erschossen. Für einen kurzen Moment, keine ganze Sekunde, konnte sie sich alle glücklich vereint in ihren Gedanken sehen. Shiho´s Weg war von der Minute an klar gewesen, als sie ihre Unterschrift auf das Pergament der Schwarzen Organisation gesetzt und sich damit als Wissenschaftlerin für die Erstellung von APTX 4869 verpflichtet hatte. Sie hatte das Ende gekannt, bevor sie den Anfang durchlebt hatte und es war ihre eigene Entscheidung gewesen. Sie war im Gegensatz zu ihrer Schwester intelligent und mutig gewesen. Niemals hatte sie Furcht oder Schwäche gezeigt. Bis jetzt. Bis ihre Schwester ermordet wurde und mit ihr hatte sich alles geändert. Ihr Leben war schon immer gefährlich gewesen, doch im Ernstfall gab es immer noch eine Möglichkeit zu kooperieren. Einen Notausgang dank ihrer Intelligenz, sozusagen. Doch nun, da sie dem Ende so nah war, da sie den Tod vor ihrer Türe wähnte, war die Fassade gefallen. Hilflos war sie dort angebunden, nicht wissend was mit ihr passieren würde. Mit einem lauten Krach schlug Gin die Türe ein und verschaffte sich Zugang in den Keller des Labors. „Ich werde mich nicht wieder gegen dich stellen! Ich werde nie wieder Fragen stellen!“ schrie Shiho. „Denkst du ich lasse dich so einfach davon?“. Gin griff nach ihrem Kinn und drehte ihr Gesicht auf seine Augenhöhe. „Heute Nacht wird deine letzte sein Sherry!“ Shiho konnte seinen hasserfüllten Atem spüren bevor Gin sich schweigend entfernte und die Tür hinter sich zuknallte. Jetzt war der Moment gekommen, sie würde sich selbst das Leben nehmen. Schluchzend nahm sie die Kapsel mit dem APTX 4869 in die Hand und bevor sie zweimal überlegen konnte schluckte sie es. Lieber würde sie sich selbst umbringen, als es Gin tun zu lassen. Bald würde sie mit ihrer Schwester vereint sein. Ihr Herz pochte so schnell, sie konnte kaum die Abstände zwischen den Schlägen ausmachen. Sie nahm einen stechenden Schmerz in der Brust wahr und während sie die Luft heftig und schnell durch den Mund einzog, spürte sie, wie sich ihre Lungen mit Kälte füllten und das Flimmern vor ihren Augen langsam zu Schwärze wurde. Abrupt kam alles zum Stillstand. Langsam schrumpfend sank sie zu Boden, ihre zuvor gefesselten Hände rutschten durch die Handschellen hindurch. Ihre Atmung war immer noch rasend und laut und der Schmerz in ihrer Brust verbreitete sich nach oben durch ihren Hals in ihre Kehle. Sie schloss die Augen und atmete so schnell wie sie nur konnte. Jetzt fing sie an alles zu realisieren, sie war nicht tot. Sie war geschrumpft. Sie wusste, dass sie keine Zeit zu überlegen hatte. Sie sah den Müllschlucker und mit letzter Kraft stieg sie hindurch und kam ins Freie. Die nun kleine Shiho rannte, ohne sich nach Gin umzudrehen. Ein paar Sekunden überlegte sie, ob er sie womöglich gesehen hatte, doch der Wille zu Leben war größer als die Angst in ihren Knochen. Flüchtig wie ein gehetztes Wild, das sie nun war rannte sie im strömenden Regen die Straßen Tokyos hinunter. Panisch und völlig planlos. Pures Adrenalin pumpte durch ihre Adern und machte sie flink und aufmerksam. Nur einmal drehte sie sich um, wollte sich vergewissern, ob sie verfolgt wurde. Dann beschleunigte sie ihr Tempo, obwohl ihr Atem immer schwerer ging. Nicht mehr lange, dann würde sie die Straße erreichen, in der Shinichi Kudo wohnte, der Name, der ihr in Sekundenbruchteilen eingefallen war, nachdem sie realisiert hatte, dass sie lebte. Er musste auch geschrumpft sein, deshalb musste sie ihn finden, in der Hoffnung bei ihm in Sicherheit zu sein. Schließlich hatte er ihrer Schwester geholfen. Shiho begann immer wieder zu stolpern und wurde langsamer. Schließlich, als sie kurz vor ihrem Ziel war, verließen sie ihre Kräfte. Sie fiel in dem Moment, als sie erneut über die Schulter sah und blieb regungslos und durchnässt auf dem Boden liegen. Im Dunkeln dieser regnerischen Nacht, wusste sie, dass sie entkommen war. In jenem Moment, als sie das Bewusstsein verlor zeichnete sich in ihrem Gesicht ein kurzes, leises Lächeln der Hoffnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)