Respect & Admiration von Ritterschaf ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Raureif hatte jedem einzelnen Blütenblatt eine frostige Krone beschwert, ließ ihre satten Farben nur umso mehr im Licht der Morgensonne glühen und funkeln; beinahe schon wirkten die Rosen wie Formationen filigran gewachsenen Kristalls, facettenreich, mit Farben die nur so vor Leben zu strotzen schienen. Probeweise hauchte der Junge, ein Knabe von kaum mehr als sechzehn Jahren, eine der Blumen an; das zarte Eis schmolz unter der Wärme seines Atems dahin und lief in einem kleinen Tropfen hinunter, der prompt die Sonne einfing und ihm direkt ins Auge schickte, so als wolle sie ihn für diesen Frevel an ihrer Schönheit strafen. „Verletz' dich bloß nicht, Bursche“, brummte einer der Gärtner hinter ihm, der bereits seinen ersten Eimer mit Rosen gefüllt hatte, „Der Frost lässt sie zwar hübsch aussehen, schärft aber ihre Dornen. Bring ihnen also soviel Respekt wie Bewunderung entgegen.“ Der Junge schenkte ihm über die Schulter ein Grinsen. „Ja ja, ich pass' schon auf!“, gab er zurück und griff nach der Rose, die er eben teilweise um ihre kalte Schönheit gebracht hatte. Der Gärtner zuckte nur die Schultern, stellte seinen Eimer am Rande des Gartens ab und wollte schon nach dem nächsten greifen, als er es hinter sich zischen hörte, gefolgt von einem unterdrückten Fluch. „Hab dich gewarnt“, murmelte er mit einem schiefen Lächeln.   ----- Vom Duft zahlreicher Blumen umgeben zu sein, egal ob süß, oder nicht, leicht oder schwer, war in der Hauptstadt kaum ein Fakt der irgendwen auch nur ansatzweise überraschte, oder betrübte – viel mehr lastete den Meisten der Gedanke auf der Seele, dass die Wohlgerüche einem irgendwann so vertraut waren, dass man sie nicht einmal mehr wahrnahm. Wie oft schon hatte sie hohe Lords und Ladies, oder gar ihre Kammerzofen darüber klagen hören? Hisui vermochte die Male nicht einmal mehr zu zählen, so zahlreich waren sie geworden und wie jedes Mal überkam sie der Gedanke, dass es sie kaum zu stören schien. Jedoch konnte sie sich der Frage nicht erwehren, wie sich diese Leute wohl fühlen musste, die an einem Tag wie diesem, an denen selbst die abgestumpften Crocus'schen Nasen wieder den Duft von Blumen spürten, zugegen waren. Die Stufen verschwammen vor ihren Augen, so schnell lief sie die Treppe hinunter und kaum unten angekommen raffte sie ihren Rock und lief schnellen Schrittes den Gang zum Festsaal hinunter. Als der Stoff ihren rechten Ringfinger streifte, verkniff sie sich eine Grimasse – dessen Haut hatte sich in die zahlreichen Opfer der Dornen der Rosen eingeteilt, die heute verteilt wurden; heute, zum Valentinstag. Sie musste flüchtig lächeln, als sie an die zwei Vasen, randvoll mit orangen und gelben Rosen gefüllt zurückdachte, die nun ihr Gemach zierten – wie jedes Jahr hatten viele Verehrer ihr so den Hof gemacht...jedoch ohne ihre Namen, oder anderweitige Informationen über sich preiszugeben. Sie selbst hatte sich, wie üblich, darauf beschränkt, gegenseitig mit ihren Zofen Rosen und kleine Leckereien auszutauschen (ganz im Geheimen, verstand sich) und auch wenn es wie jedes Jahr ein wahrer Schmaus gewesen war, so konnte sie den kleinen Stich Wehmut nicht verbergen. Ausnahmslos jede von ihnen hatte von einem Mann höchstpersönlich eine Rose erhalten und ausnahmslos jede von ihnen hatte fleißig mit geröteten Wangen davon erzählt – Hisui konnte nicht anders, als sie darum zu beneiden. Dies ist das Schicksal einer Prinzessin, schoss es ihr durch den Kopf – so wie jedes Jahr. Viele, viele Verehrer und doch keiner davon so mutig, es ihr ins Gesicht zu sagen, aus Sorge, er könne anmaßend sein. Nicht, dass es sie auf irgendeine Art und Weise gekränkt hätte, ganz im Gegenteil. Das Ende des Ganges kam in Sichtweite und Hisui lief die letzten paar Meter gemessenen Schrittes, kam vor der kleinen, schier unscheinbaren Tür zum Stehen und richtete kurz ihre Kleidung. Schon vor Jahren hatte sie gelernt die Seitentüren zu nutzen, wenn sie keine Aufmerksamkeit erringen wollte und danach war ihr in diesem Moment ganz und gar nicht zumute. So leise sie konnte drückte sie die Klinke hinab, öffnete die Tür einen Spalt und schlüpfte hindurch. Rosenduft und Stimmen schlugen ihr prompt entgegen und Hisui schob den gewaltigen Vorhang, der die Tür zum Teil verdeckte und sie innerhalb der Nische neben einem der großen Fenster noch unscheinbarer machte, zur Seite, um in den Saal zu spähen. Er war gut gefüllt, das Bankett kurz davor zu beginnen – die Gäste standen allesamt noch munter plaudernd in kleinen Grüppchen verteilt umher und an so gut wie jedem konnte Hisui bereits mindestens eine Rose entdecken. Ihr Blick wanderte zur Seite zu einem marmornen Vasenständer und als sie die prall mit Rosen gefüllte Vase darauf sah, konnte sie nicht anders, als das Gesicht zu verziehen. Seufzend trat sie heran und ergriff eine von ihnen, zog sie vorsichtig heraus und betrachtete sie gedankenverloren. Zugegeben, diese Art Blumen war einfach wunderschön, sie nur aufgrund ihrer Botschaft herabzuwürdigen, war schlicht nicht gerecht.   „Ihr schleicht Euch hinein?“ Hisui zuckte so heftig zusammen, dass sie beinahe ihre Rose fallen ließ, fuhr auf dem Absatz herum und zuckte beinahe erneut zusammen, als sie den Ritter Arcadios erkannte. Er quittierte ihre Reaktion kaum merklich, sah ihr ohne eine Miene zu verziehen in die Augen, bevor er zur Begrüßung respektvoll den Kopf neigte. Hisui erwiderte die Geste mit einem etwas zittrigen Lächeln – was musste er sie auch so erschrecken?! „Nun“, beantwortete sie seine Frage und machte eine unbestimmte Geste mit der Rechten, „ich wünschte nicht bemerkt zu werden.“ Sie formulierte es nicht als Vorwurf und seine Miene verriet nicht, dass er es als solchen auffasste, dennoch antwortete er mit einem „Vergebt mir“, doch Hisui winkte nur ab. Momentelang sahen sie einander an, nur begleitet vom Gelächter und Geplapper der restlichen Anwesenden und weder sie noch er machten irgendwelche Anstalten, aus dem Schutz der Nische herauszutreten. „Ihr seid noch hier“, sagte der Ritter schließlich trocken und bedachte sie wie schon so oft mit diesem Blick, von welchem Hisui glaubte, er würde sie durchbohren, „Mir wurde versichert, viele der anwesenden Hohen Herren und Damen sind weit gereist, um Euch zu sehen, Prinzessin und doch seid Ihr hier.“ Hisui runzelte die Stirn und bedachte ihn mit einem kühlen Blick, der ihm jedoch kaum mehr als ein überraschtes Blinzeln abzuringen vermochte, gefolgt von einem hauchdünnen Lächeln. „Verzeiht“, fügte er mit einem trockenen Lachen in der Stimme hinzu, „Es steht mir nicht zu, Euch zu richten. Ihr werdet Eure Gründe haben.“ „Die habe ich“, antwortete die Prinzessin, konnte sich eine adäquate Erwiderung jedoch nicht verkneifen, „Und ich denke, auch Ihr werdet Eure Gründe haben, Eure Anwesenheit hier zu verbergen, Arcadios-sama.“   Der Ritter betrachtete sie mit diesem typischen Blick, der absolut nichts von dem zeigte, was in seinem Kopf vorging und Hisui nicht nur deswegen unglaublich unangenehm war; es schien als müsse er über die Formulierung seiner Antwort nachdenken, bevor er schließlich zu der Festgesellschaft hinüberschaute und zu sprechen ansetzte. „Die habe ich“, imitierte er sie, gefolgt von einer kurzen Geste zu den stetig lauter werdenden Grüppchen im Saal, „Ich bin kein Freund von Menschenmassen.“ Hisui nickte nur, dem Grund konnte sie sich für heute bedenkenlos anschließen. Arcadios schien noch etwas hinzufügen zu wollen, hob jedoch nicht erneut die Stimme – und nun, als Hisui ihn genauer betrachtete, fiel ihr an ihm ein entscheidender Unterschied zum Rest der Anwesenden auf...er trug keine Rose bei sich. Verbarg er sich etwa deswegen? Seine Miene war so unlesbar wie eh und je, Hisui konnte ihm nicht ansehen, ob ihn dieser Umstand störte, oder ob er ihm gar gefiel – aber unwillkürlich spürte sie einen Stich Schuld, ihm eben so kühl geantwortet zu haben. Unendlich viele Rosen zu bekommen war eine Tatsache, an die sie selbst so sehr gewöhnt war, dass es ihr beinahe lästig war, aber gar keine zu bekommen... Sie hatte den Kopf nachdenklich gesenkt und als sie ihn wieder hob um seinem Blick zu begegnen, bemerkte sie, dass er sie wieder ansah – mit milder Überraschung auf den Zügen, ob ihres offenkundig betroffenen Gesichtsausdrucks. Unwillkürlich schalt sie sich selbst gedanklich. „Ihr tragt keine Rosen bei Euch?“, fragte sie schließlich zögerlich, Salz in seine Wunden zu reiben war nicht unbedingt ihr primäres Ziel dieser Unterhaltung gewesen...doch entgegen ihrer Erwartungen schenkte er ihr auf diese Frage ein Lächeln. „Im Moment nicht, nein“, antwortete er und wandte den Blick erneut ab – sah jedoch erneut zu ihr hinüber, so als spürte er, dass sie ihn noch immer ansah, mit dieser Antwort offenkundig nicht vollends zufrieden. „Erhalten habe ich jedoch welche, falls es das ist, was Ihr wissen wollt. Wenn auch womöglich nicht soviele wie Ihr, Prinzessin?“ Ein amüsiertes Schnauben verließ seine Kehle und nahm seinen Worten die Anschuldigung und Hisui hob mit einem Lächeln etwas hilflos die Arme. „Ich bekam beinahe mehr als ich zählen kann“, seufzte sie und erntete ein verschmitztes Lächeln des Ritters, das auf seinen Zügen immer seltsam gefährlich wirkte. „Wahrlich ein schreckliches Schicksal!“ Seine Stimme troff nur so von Sarkasmus und Hisui kicherte hinter vorgehaltener Hand. Schon lange hatte sie gelernt, dass er Kommentare dieser Art keineswegs so böse meinte, wie sie bei seiner ernsten Miene wirkten und sein Lächeln nahm diesen Worten noch zusätzlich ihren Stachel. „Aber habt Ihr denn auch Rosen verschenkt?“, fragte Hisui weiter, das Thema sanft in eine andere Richtung lenkend und konnte nicht anders als ebenfalls zu lächeln – wie hatte sie auch denken können, dass er leer ausgehen würde? Er mochte beizeiten kühl und seltsam wirken, war aber dennoch ein freundlicher Zeitgenosse, wenn man ihn denn besser kannte; und hier im Palast gab es mehr als nur eine Handvoll Leute, die ihn schon Jahrzehnte kannten...und außerdem wusste sie von ein paar der Zofen, dass so manche Dienerin in ihn vernarrt war. Er ging auf den Themenwechsel ein, nickte auf ihre Frage hin mit einem weiteren, kleinen Lächeln. „In der Tat“, antwortete er, „Nur eine Einzige steht noch aus.“ „Oh, ist das so?“, meinte Hisui interessiert und trat einen Schritt näher, um es ihm gleich zu tun und sich an die Wand zu lehnen, „Wollt Ihr einer Dame den Hof machen?“ Die Frage war ihr entschlüpft bevor sie sich hatte bremsen können, doch er schien es ihr nicht übelzunehmen, im Gegenteil. „Weniger“, gab er schmunzelnd zu, „Ich sehe diesen Tag eher als Gelegenheit, Respekt oder Bewunderung auf andere Art zum Ausdruck zu bringen, als sonst.“   Hisui nickte nur – manch einer hätte dies wohl hinterfragt, doch viele jener die es taten, waren weder in den Umständen, noch den Positionen, in denen sie, oder Arcadios sich befanden. Respekt und Bewunderung bedeutete in diesen Kreisen nicht selten mehr, als der Versuch, jemandem mit einer Blume oder Süßigkeiten den Hof machen zu wollen.   „Von diesem Standpunkt ausgehend“, fuhr Arcadios fort, stieß sich in einer fließenden Bewegung von der Wand ab, ging hinüber zum Vasenständer und zog nach kurzem Betrachten der Blumen die heraus, die er wohl als die Schönste erachtete, bevor er sich ihr wieder zuwandte. „Erlaubt mir, dies auch Euch gegenüber zu tun.“   Hisui machte große Augen, als er vorbildlich eine Hand auf den Rücken legte, und ihr die Rose mit einer Verbeugung entgegenstreckte. Sein Lächeln war beinahe unsichtbar und doch wusste sie, dass es da war – und konnte nicht anders, als es zu erwidern, als sie die Rose entgegennahm. „Ich danke Euch von Herzen, Arcadios-sama“, antwortete sie, knickste kurz und konnte spüren, wie ihr die Röte in die Wangen schoss – und es war nicht einmal gelogen. Wer hätte gedacht, dass die erste Rose, die sie von einem Mann in Person heute erhielt ausgerechnet von ihm sein würde? Sie betrachtete die Blume mit einem Lächeln und musste feststellen, dass er keineswegs die Blume ausgewählt hatte, deren Blüten am prächtigsten waren – und prächtig waren sie allesamt – sondern die, deren Blütenblätter sich noch kaum entfaltet hatten. Vorsichtig strich sie über die noch beinahe zur Gänze geschlossenen Blüte und sah dann fragend zu ihm empor. „Es ist schöner, ihnen beim Aufblühen zuzusehen“, erklärte er schlicht, als habe er mit ihrer Frage gerechnet und Hisui nickte mit einem leisen „Ah ja“ - Arcadios hatte nicht Unrecht, es war durchaus schön, einer Blume dabei zuzusehen, wie sie langsam ihre Blätter entfaltete. Ihr Blick fiel wieder auf ihre Rose und erst nun wurde ihr bewusst, dass sie ebenfalls noch immer eine Blume in der Hand hielt und sah kurzentschlossen mit einem Lächeln zu ihm empor. „Seid so gut und gestattet mir dies ebenfalls“, sagte sie mit einem Lachen in der Stimme und streckte ihm nun ihrerseits ihre Rose entgegen – sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er mit einer solchen Erwiderung gerechnet hatte, doch offenbar schien das Wissen darum nicht genug zu sein, sein Lächeln im Zaum zu halten. Bedächtig nahm er die Rose entgegen, betrachtete sie kurz, hielt sie so vorsichtig zwischen behandschuhten Fingern, als könne sie bei der kleinsten Berührung zerbrechen. Er begegnete ihrem Blick mit einem Lächeln, legte schließlich eine Hand aufs Herz und verneigte sich leicht. „Ich danke Euch, Prinzessin“, antwortete er und sie konnte ihm ansehen, dass er noch etwas hinzufügen wollte, doch seine Worte wurden von einem der Herolde unterbrochen, die unmissverständlich das Bankett ankündigten. „Es klingt, als würde nach Euch verlangt“, stellte der Ritter fest, die Trockenheit von eben wieder in der Stimme, als wäre sie nie verschwunden; Hisui begegnete ihm mit einem schelmischen Lächeln. „Und nach Euch. Mir wurde gesagt, der Weiße Ritter genieße selbst außerhalb von Fiore einen sagenhaften Ruf“, säuselte sie und Arcadios schenkte ihr einen pikierten Blick. „Nun, davon möchte ich doch stark ausgehen“, gab er mit einem Lächeln, das kaum mehr als ein Mundwinkelzucken war, zurück und Hisui lachte. Dann zog er den Vorhang ein Stück zur Seite und Hisui schritt hindurch, mit ihm dich auf den Fersen. Sofort war er wieder an ihrer Seite und gemeinsam folgten sie den Anwesenden zum Bankett, die Rosen so vorsichtig zwischen den Fingern, als wären sie aus Kristall, so wie der Frost an den kalten Fensterscheiben.           Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)