Switched von Maclilly (Vertauschte Aces) ================================================================================ Prolog: Ein anderer Ace ----------------------- Prolog – Ein anderer Ace Schwere, spitze Eiszapfen hingen schlaff und dennoch gefährlich von den Ästen kahler Buchen hinab und eine dicke Schneedecke hatte sich über die Landschaft gelegt. Vom Himmel fiel silbriges Mondlicht. Ein einsamer Wind wehte durch die Hügellandschaft und fegte letztes, welkes Laub von den Bäumen, das vor Aces Füßen landete. Er blieb stehen und seufzte. Sein müder Blick richtete sich rücklings auf die Spuren, die seine Wanderung in den Schnee gemeißelt hatte. Die Abdrücke seiner Stiefel führten geschlungen den Hügel, auf dem er jetzig Position bezogen hatte, hinab und den Vorgänger wieder hinauf. Sie erstreckten sich nahezu endlos in die Nacht, bis zum Horizont, wo die Umrisse gewaltiger Berge, deren Gipfel in Dunstschleiern lagen, zu erahnen waren. Ace hatte darauf verzichtet, mitzuzählen, wie viele Erhebungen er überquert hatte, oder wie lange er schon unterwegs war, seitdem er dieses verfluchte Fleckchen Erde betreten hatte, doch er betete inständig dafür, dass er sein Ziel bald erreicht hatte. Schließlich waren ihm Winterinseln zuwider. Und allein die Tatsache, hier sein zu müssen, war ihm ein Graus. Instinktiv durchfuhr ein Schauder seinen Körper und ließ ihn frösteln, sodass er seinen schwarzen Mantel fester zurrte. Einige Flüche verließen von eisiger Kälte spröde gewordene Lippen und vergingen stumm in der Dunkelheit, als er sich seinen Weg weiter durch die endlose Winterlandschaft bahnte. Manchmal fragte sich Ace, warum man ihm stets die dümmsten und gleichermaßen langweiligsten Aufgaben zuteilte. Warum musste er durch Schnee, Eis und Einöden kriechen, um Rätsel zu lösen, für die es Leute gab, die wesentlich geeigneter waren? Und deren Interesse an solchen Dingen wenigstens auch gegeben war. Wie zum Beispiel bei … Unwillkürlich durchfuhr ihn ein Gedanke, so dunkel und finster, dass sich ein zutiefst bitterer Geschmack auf seine Zungenspitze legte. Mit bloßer Willenskraft versuchte er, beides zu verdrängen. Doch die Vorstellung saß tief und fest in seinem Gehirn. Und sie hatte sich dort bereits vor Wochen eingenistet, brütete wohlig vor sich hin und ließ ihn nur gelegentlich mal ihre Existenz wahrnehmen, wann immer sich die Zeit dafür bot. Oder wenn sich die Zeichen wieder zeigten. Immerhin hatte Ace die Anzeichen zuerst bemerkt. Es waren natürlich nur Winzigkeiten gewesen, die ihn beunruhigten. Kleine Unstimmigkeiten in Bewegungsabläufen und eine minimale Unsicherheit in der Genauigkeit seiner Angriffe. Nichts davon war außerordentlich bedrohlich. Angriffe waren trotz Abweichungen beständig tödlich und Bewegungen schnell und exakt genug, um Ace auf die Planken zu schicken, bevor er sich überhaupt in der Lage sah, sich dafür zu wappnen. Doch der dunkle Gedanke, dass etwas nicht seinem gewohnten Gang entlangschritt, verfolgte ihn beharrlich. Wie eine Gewitterwolke hatte er sich über seinem Kopf zusammengebraut und Ace fürchtete sich vor dem Tag, an dem es zu einem Wolkenbruch kam. Instinktiv fuhr seine linke Hand in das Innere einer seiner Manteltaschen, dort wo eine Teleschnecke schlief und die Wärme des Mantels genoss. Er überlegte, ob er das Tier wecken und Zuhause anrufen sollte. Er wusste, dass ihm das nicht die Sorgen gänzlich ersticken konnte, doch vielleicht mochte der Klang der vertrauten Stimme seine Ängste wenigstens für einen Augenblick zu lindern. Beinahe schon schämte Ace sich für diesen Gedanken. Als Kind hatte er sich geschworen, tapfer zu sein – niemals hatte er Angst zeigen oder gar empfinden wollen. Und jetzt nagte sie so beharrlich an ihm wie ein Biber an einem Baumstamm. Irgendwann würde er fallen, wenn er nicht lernte, es zu kontrollieren. Ein weiteres Mal streifte sein Blick über die ewige Landschaft aus Schnee, Eis und Dunkelheit hinweg. Er hoffte inständig, dass es das letzte Mal war, dass er sich dieser Einöde widmete. Er würde noch diesen einen Versuch wagen, und wenn er dann nicht fand, wonach er schon seit geraumer Zeit suchte, würde er seine gottverdammte Aufgabe mit dem eisigen Wind davonschießen und umkehren. Er konnte nicht ohne triftigen Grund hier draußen in der Walachei vergammeln, während Zuhause seine Ängste Gestalt annahmen. Er musste seine Familie beschützen. Plötzlich fiel Ace etwas ins Auge und fast wären ihm einige Flüche herausgerutscht, als er das fand, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte. Ausgerechnet jetzt, dachte er und rollte die Augen. Hinter einigen noch mit trockenen Blättern verhangenen Zweigen undefinierbarer Sträucher konnte er ein sanftes Flimmern erkennen. Es war nicht offensichtlich. Kein Leuchten, das ihm zeigte, er hätte den richtigen Weg eingeschlagen. Nur ein durchsichtiger Nebel – wie ein aufsteigender Hitzefilm auf einer brachliegenden Straße in der Einöde – wies auf sein Ziel, die unsichtbaren Dämpfe stiegen von einem Flecken verborgen hinter dem Durcheinander aus Zweigen, Ästen und toten Blättern in den Himmel hinauf. Es war wie eine Fata Morgana in der Wüste, nur das Ace wusste, dass es keine war. Zufrieden stieß er die Luft aus seinen Lungen, die er bis dahin unbewusst angehalten hatte. Auf seinen Lippen hatte sich der vage Anflug eines Lächelns gebildet. Die Zweifel, die ihn eben noch geplagt hatten, waren vergessen wie das Herbstlaub unter einer Schneedecke im Winter. Endlich. Rasch nahm er die Schnecke und wählte die Nummer. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, bis der Signalton, welcher ihn zwischen überschwänglicher Zufriedenheit und bangen Warten gefangen hielt, verstummte. Auch ohne eine Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören, wusste er, wer abgenommen hatte, weswegen er ungeniert in die Sprechmuschel verkündete: »Ich glaube, ich habe es gefunden … Dad.« * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)