Gegen die Schwerkraft von mickii-K ================================================================================ Kapitel 15: Gegen die Schwerkraft - Teil I ------------------------------------------ Embry POV Nervös sah ich zu Andrew, der auf dem Stuhl am Bett saß und kein einziges Mal zu blinzeln schien. Er starrte einfach Anas Gesicht an, das unbedeckt war und eine unsagbare Ruhe ausstrahlte. Es wirkte fast so, als würde sie nur schlafen. Doch wir wussten es besser. Sie war von starken Medikamenten betäubt, da sie ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte und die Schmerzen zu groß waren. Eigentlich sollte ich glücklich sein, denn Carlisle hatte mir versichert, dass es ihr gut gehen würde. Sie hatte keine inneren Blutungen, nur starke Schmerzen. Doch ich konnte nicht erleichtert aufatmen. Nicht bevor ich gesehen habe, dass sie aufwachen würde. Denn etwas beunruhigte den Arzt. Etwas, das er mir nicht sagen wollte. Er hatte es nur Andrew erzählt und seitdem starrte er Ana einfach nur an. Sein Blick verunsicherte mich. Es war so, als würde er jeden Moment darauf warten, dass ihr Herz aufhörte zu schlagen. Ging es ihr doch nicht gut? Hatte mich Doktor Blutsauger etwa angelogen? Ich sah zu Ana. Mein Blick blieb an ihrer rechten Gesichtshälfte hängen, die von leichten Narben geziert war. Die Narben waren dünner und feiner, als jene an ihrem Arm, doch Ana hatte sie immer versteckt gehalten. Hätte ich jemals einen Blick darauf erhascht, hätte ich sofort gewusst, wer sie war. Doch ich hatte es nicht ahnen können. Wahrscheinlich hätte ich sie nicht einmal beachtet, wenn ich mich nicht geprägt hätte. Ich wäre an ihr vorbeigelaufen und wäre niemals auf die Idee gekommen, ein zweites Mal hinzusehen. Doch mein Wolf liebte sie. Er hatte mehr als ich gesehen. Er erinnerte sich an vieles aus meiner Vergangenheit, als hätte er aus meinem Inneren schon immer mein Leben beobachtet. Es war merkwürdig, doch ich zweifelte nicht an seiner Entscheidung. Ich liebte es, zu wissen, dass meine Seelenverwandte schon immer da gewesen war. Dass es niemand Fremdes war. Dass es Ana war. Ich würde für immer für sie da sein. Nie wieder müsste sie leiden. Nie wieder würde sie alleine sein müssen. Sie war mir wichtig. Sie war ein Teil von mir. Sie war mein Ein und Alles. „Ich weiß nicht, ob ich mich schon bedankt habe“, durchbrach Andrew die Stille und sah mich nachdenklich an. Ich biss meine Zähne zusammen. Es war falsch mir zu danken, wo ich doch so Vieles hätte verhindern können. „Sir. Ich – Es tut mir leid. Ich hätte sie früher finden sollen“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Er lächelte mich zaghaft an. Er wirkte dadurch nur noch trauriger. „Embry. Sie ist hier, dank dir. Dank dir ist sie nicht tot. Das ist doch das Wichtigste“, erklärte er mir. Seine Stimme wirkte trotz seines leeren Blicks warmherzig. Ich nickte ihm nur zu und setzte mich ihm gegenüber. Nachdenklich nahm ich ihre Hand, die halb vom Gips verschlossen war, und drückte sie leicht, in der Hoffnung, sie würde es merken. Ihre Hand war eiskalt, weshalb ich beschloss, meine auf ihrer Ruhen zu lassen. „Du magst sie sehr?“, Andrew schien ein Gespräch zur Ablenkung anfangen zu wollen. Bestimmt fand er die Stille ebenso erdrückend und deprimierend, wie ich. „Ich würde sogar lieber an ihrer Stelle hier liegen, wenn es möglich wäre“, murmelte ich leise, meinen Blick stur auf Anas Gesicht gerichtet. „Das klingt ernster, als ich es vermutet hätte.“ Ich konnte Andrews überraschten Ton deutlich heraushören. Er hatte keine Ahnung, wie ernst ich das meinte. Ohne Ana würde ich sterben. Ich könnte mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Sie sollte nur glücklich alt werden. Alles andere war unbedeutend. „Wie geht’s Tiffany?“, fing er ein neues Thema an. Überrascht sah ich zu ihm. Warum wollte er mit mir über Mutter reden? „Gut. Sie wird alt“, ich grinste leicht bei dem Gedanken, dass wenn meine Mutter das hören würde, sie mir den Kopf abreißen würde. Andrew hustete belustigt. „Das werden wir alle. Hat … Weiß Tiffany von Huyana?“, fragte er und ich verstand, worauf er hinaus wollte. Ich nickte. „Ja. Sie … Ich hatte nicht gewusst, dass Ana … Ich hatte alles in den Hintergrund verdrängt, es … tut mir aufrichtig Leid, dass ich in meiner Aufgabe, als bester Freund, versagt habe … Ich … Ich werde es wieder gut machen … Dieses Mal lasse ich sie nicht mehr …“ „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Embry. Wir alle machen Fehler“, unterbrach er mich. Ich schielte zu ihm und sah, wie sich Tränen in seinen Augen bildeten. „Ich selbst … habe viele Fehler … viele falsche Entscheidungen getroffen … sie musste dadurch leiden … irgendwann, wird sie mir verzeihen können … ich hoffe es zumindest“, hauchte er leise. Doch ich hatte es hören können. Ich reagierte aber nicht darauf, da ich wusste, dass es nicht für meine Ohren bestimmt war. Aufgewühlt biss ich mir in die Wange. Andrew gab sich tatsächlich die Schuld für den Unfall. Oder gingen seine Schuldgefühle noch weiter in der Vergangenheit zurück? Bereute er, dass er Irene geheiratet hatte? Bereute er die Existenz von meiner Ana? „Sie können Nichts dafür! Bitte! Ich bin Ihnen für Ana sehr dankbar“, platzte es aus mir heraus. Innerlich schlug ich mir auf die Stirn, weil ich doch auf seine Worte reagiert hatte. Überrascht zog Andrew die Augenbrauen in die Höhe. „Tiffany hat es dir also erzählt.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Peinlich berührt nickte ich. „Versteh mich nicht falsch, Embry. Ich bereue nicht, dass es Ana gibt. Nein. Ich liebe Huyana seit dem Moment, als ich ihr Ultraschallbild gesehen habe. Aber du weißt ja, was dann passiert ist?“, er lächelte mir bitter zu, als ich nickte. „Ich hätte es verhindern können. Doch ich redete mir ein, dass alles noch gut werden würde … Hör zu. Ana weiß Nichts. Sie denkt, ich liebe ihre Mutter und bin wegen ihr noch immer am Boden zerstört. Bitte sag ihr nicht die Wahrheit. Sie würde es nie ertragen“, redete er auf mich ein. Sein Blick bescherte mir eine Gänsehaut. Ich nickte ihm schweigend zu. Ich würde sie nicht anlügen können, also würde ich versuchen, diesem Thema aus dem Weg zu gehen. Er seufzte erleichtert. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Edward stand mit Carlisle und Renesmee an der Tür. „Bitte gehen Sie für einen Moment raus“, redete Carlisle einfühlsam auf uns ein. Verwirrt sah ich in die Runde. Ich verstand nicht was los war. Plötzlich hörte ich das unregelmäßige Piepsen des Geräts, das ich ausgeblendet hatte, da es mich wahnsinnig gemacht hatte. Entsetzt blickte ich zu Andrew, der viel zu blass geworden war. „Huyana, tu das nicht!“, flüsterte ihr Edward ins Ohr. Was hatte er in ihren Gedanken gehört? Was ging hier vor? „Renesmee bitte hilf mir. Sie will nicht dagegen ankämpfen“, hauchte Edward leise und schnell, sodass es unhörbar für Andrew war. Sehr wohl aber für mich. Ich schwankte entsetzt zurück. Sie wollte sterben? Warum? Warum hatte sie keinen Willen zu überleben? Ich – Wir brauchten sie hier doch! Ich sah noch wie Renesmee ihre Hand auf Anas Gesicht legte, ehe ich von Carlisle aus dem Zimmer geschoben wurde. „Geht, es wird alles in Ordnung werden.“ „Ich möchte bleiben, bitte. Ich bin ihr Vater!“, schrie Andrew aufgebracht. Carlisle sah mich entschuldigend an und nickte Andrew zu. Als sich die Tür schloss, rutschte ich an der Wand hinunter. Sie wollte nicht mehr ein Teil dieser Welt sein. Wieso? Was machte ihr eine solche Angst, dass sie aufgeben wollte? Tränen stiegen mir in die Augen. Sie durfte nicht gehen. Nicht nachdem wir alle so hart für sie gekämpft haben. Ein schriller langer Ton riss mich aus den Gedanken. Entsetzt weitete ich meine Augen und starrte die weiße Wand gegenüber an. Ich presste mir die Hände auf den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Mein Herz blieb stehen. Es starb mit ihr. Nein. Das konnte nicht wahr sein! Sie konnte nicht aufgeben. Warum tat sie das? „Ana. Nicht meine Ana“, hörte ich Andrew schreien. Ich wimmerte auf. Es war schrecklich. Warum hatte ich mir bloß Hoffnungen gemacht? Warum musste mir das Alles passieren? War das meine Strafe, weil ich nicht für sie da gewesen war? Ich raufte mir mit den Händen durch die Haare und presste sie gegen die Ohren. Ich wollte dieses lange Piepsen nicht hören. „Nein! Nein! Nein!“, murmelte ich, während ich vor und zurück schaukelte. Das konnte nicht wahr sein. Plötzlich wurde der schrille Ton unterbrochen. „Ana. Ana nein!“, schrie Andrew in die Stille hinein. Ich hielt meinen Atem an, als die Leere mich überrollte. Meine Tränen versiegten und ich saß einfach nur da. Lauschte in die Stille hinein. Es war vorbei. Sie war tot und ich starb innerlich mit ihr mit. Ich spürte, wie meine Gliedmaßen taub wurden. Wie mein Wolf sich wimmernd zurückzog und Abschied nahm. Er hatte seinen Lebenssinn verloren. Wir hatten unser Gegenstück verloren. Den einzigen Menschen, der uns hätte glücklich machen können. Der einzige Mensch, der meinen Wolf aus der Fassung brachte. Meine Ana, die mich nur mit einem Lächeln glücklich machte. Huyana. Plötzlich durchbrach ein Piepsen die eiserne Stille, gefolgt von einem weiteren. „Sie ist über den Berg“, hörte ich Carlisle nach einer Weile erleichtert verkünden. „Alles wird gut, Miss Doli.“ Mein Wolf sprang auf und jaulte vor Freude. Ein erleichtertes Lachen entwich mir. Ich konnte mein Glück nicht fassen. Ich sprang sofort auf meine Beine auf. War sie wach? Konnte ich sie sehen? Ich musste sie sehen! Ich musste sicherstellen, dass es ihr gut ging. „Wir tun dir nichts“, sprach Edward. Hatte Ana Angst vor ihnen? Erinnerte sie sich an diese verdammte Blutsaugerin? Der Gedanke missfiel mir. Es wäre das Beste, wenn sie alles vergessen hätte. „Miss Doli. Beruhigen Sie sich. Ihre Familie ist bei Ihnen. Es passiert Ihnen gewiss Nichts!“, redete Carlisle auf sie ein. Ein leises Wimmern war zu hören. Mein Beschützerinstinkt schrie danach, an ihrer Seite zu sein. Sie sollte – nein – sie musste keine Angst mehr haben. Ich würde sie vor allem beschützen. Ich würde für immer bei ihr sein. Ihre einzige Aufgabe war es zu leben. Alles andere würde ich erledigen. „Ihre Familie wartet auf Sie“, verabschiedete sich der Doktor und ich hörte Schritte, die immer näher kamen. „Sie lieben dich sehr“, murmelte Edward, vermutlich an Ana gerichtet. „Sie ist wach. Ihr geht es gut Mr. Doli“, sprach Carlisle, ehe die Tür geöffnet wurde, und er mich ansah. Er lächelte mir aufmunternd zu. Ich nickte ihm nur zu. Bestimmt wusste er, wie dankbar ich ihm für alles war, doch ich hatte nicht die Kraft zu sprechen. „Danke. Vielen, vielen Dank!“, hörte ich die verweinte Stimme von Andrew. „Renesmee, komm. Danke für deine Hilfe“, Edward ging mit Renesmee vor ihm aus dem Zimmer und schloss die Tür. „Es ist alles in Ordnung, Onkel Embry“, tröstend strich sie mir den Arm, bevor sie geschwind in Richtung Wohnzimmer lief, wo Bella und Jake waren. Edward sah mich einen kurzen Moment schweigend an, ehe er verschwand. Im nächsten Moment stand er vor mir und reichte mir einen Becher. „Wasser. Sie hat bestimmt Durst. Warte einen Moment und dann kannst du hinein. Lass ihrem Vater ein wenig Zeit“, er klopfte mir fest auf die Schulter und ging. Nachdenklich starrte ich den Becher an. Die Frage, wie sie auf mich reagieren würde, drehte sich mir im Kopf. Nervös biss ich mir auf die Lippen, als mir klar wurde, dass ich sie immer noch verlieren konnte. Jetzt wo ich sie endlich sehen würde, lebend, packte mich eine neue Angst. Sie war doch vor mir weggerannt, weil sie mich hasste. Ich konnte nur hoffen, dass sie mich nicht von sich stoßen würde. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals bei dem Gedanken, dass sie mich nicht bei sich haben wollte. Ich hatte mir geschworen, es zu akzeptieren und sie aus dem Schatten aus zu beschützen, wenn sie mich nicht bei sich haben wollte. Sie sollte nur leben. Das war die oberste Priorität. Aber jetzt wo sie lebte, konnte ich es nicht. Ich wollte bei ihr sein. Zögernd ging ich auf die Tür zu. Sie durfte mich nicht abweisen. Sie sollte mich nicht hassen, denn ich würde Alles wieder gut machen. Das nahm ich mir fest vor. Ich klopfte leicht und öffnete die Tür einen Spalt. „Kann ich sie sehen?“, fragte ich Andrew, da ich nicht unhöflich erscheinen wollte. Er lächelte mir leicht zu und nickte. „Ich lass euch alleine“, murmelte er und ging. Als er an mir vorbei ging, klopfte er mir aufmunternd auf die Schulter. Mein Blick schien Bände zu sprechen. Wie in Zeitlupe bewegte ich mich auf sie zu und setzte mich langsam auf den Stuhl, wo Andrew die ganze Zeit über gesessen hatte. Ihr entsetzter Blick zerriss mein Herz in tausend Stücke. Ihr Gesichtsausdruck schrie förmlich, dass ich verschwinden sollte. Meine Nackenhaare stellen sich mir auf. „Hey.“ Ich lächelte sie schwach an und bemühte mich, gelassen zu wirken. Sie sollte keine Angst vor mir haben. Das wäre schrecklich, wo ich ihr doch niemals ein Haar krümmen würde. „Ich … Ich dachte mir, du wärst vielleicht durstig“, fuhr ich entmutigt fort, da sie mich nicht zurück grüßte. Ana sagte Nichts. Sie starrte mich einfach nur an. Mein Herz setzte einen Moment aus, als ihre traurigen Augen auf meine trafen. Meine Hände fingen an zu zittern, weshalb ich sie zu Fäusten ballte. Sie schien einem Gedanken nachzugehen, denn sie fing an, auf ihren risseigen Lippen zu kauen. Es wirkte so, als würde sie überlegen, wie sie mich auf freundliche Art abschieben konnte. Ich sog bebend die Luft ein. Das konnte sie mir nicht antun. Nicht wo ich sie doch erst wieder hatte. Sie wandte ihren Blick von mir ab und sah stur zur Decke. „Huyana. Bitte tu das nicht“, kam es von mir, noch ehe ich es hätte verhindern können. Ihre Augen weiteten sich kurz. Ihre Seelenspiegel waren getränkt vor Schmerz. War es die Erinnerung, an die Zeit damals? Dachte sie daran, wie ich sie in Stich gelassen hatte? Ich nah ihre Hand in meine. Sie sollte mich ansehen. Sie sollte mir in die Augen sehen und erkennen, wie wichtig sie für mich war. Doch sie entzog sich mir. „Huya…“, meine Stimme brach ab, doch ich musste reden. Sie zur Besinnung bringen. „Huyana. Bitte. Ich … ich weiß, dass du mich hasst! Ich weiß, ich war ein Idiot als Kind und … das ich dich in Stich gelassen hatte … Bitte Ana. Bitte schieb mich nicht von dir ab … Bitte.“, flehte ich verzweifelt. Ich würde alles für sie tun. Sie durfte mich nicht weg schicken. „Ana bitte hass mich nicht“, flüsterte ich mit Nachdruck. Als sie noch immer nicht zu mir sah, stand ich verzweifelt auf und beugte mich über sie, damit sie mir ins Gesicht sah. Sie durfte sich nicht von mir abwenden. Ich würde es nicht ertragen können. Ich hätte sie fast an den Tod verloren, hatte sie nach zwei Tagen voller bangen wieder und nun wollte sie, dass ich ging? Warum nur war es mir nicht gewährt an ihrer Seite zu sein? Ich wollte sie doch nur glücklich sehen. Ich spürte, wie meine Augen zu tränen begangen, aber ich konnte es nicht aufhalten. Zu viel hatte sich in den letzten Tagen in mir aufgestaut. Ihre Augen starrten entsetzt zu mir hoch. Ich konnte sehen, wie unangenehm es ihr war und dass sie mit sich rang. Ich wünschte mir, dass sie Mitleid mit mir bekam. Sogar das wäre mir lieber, als dass ich weg musste. Ihre Unterlippe fing an zu zittern und ich sah, wie ihre Augen glasiger wurden. Warum litt sie? War es wegen mir? Konnte ich sie wirklich nicht glücklich machen? Hatte mein Wolf einen Fehler begangen, als er sich in sie geprägt hatte? Vielleicht war ich wirklich nicht gut genug für sie. „Embry“, krächzte sie heißer. Ich biss mir auf die Lippen, denn der Schmerz in ihrer Stimme machte mich verrückt. Sie sollte meinen Namen mit Freude aussprechen und nicht mit dieser Verwundbarkeit vermischt mit diesem Schmerz. Ich würde ihr niemals etwas Böses tun. „Embry … bitte“, fing sie an, wurde jedoch von einem Hustanfall unterbrochen. „Alles Ana. Ich werde alles für dich tun“, sprach ich während ich ihr vorsichtig den Strohhalm zwischen ihre Lippen steckte. Kurz schloss sie die Augen, als sie anfing daran gierig zu saugen. Für einen kurzen Moment entspannte ich mich. Vielleicht würde sie mich doch akzeptieren. Als sie mich wieder ansah, stellte ich den Becher auf dem Nachtisch ab und sah sie erwartungsvoll an. Was sollte ich für sie tun? Ihre schwarzen Augen sahen für einen kurzen Moment in meine und ich erstarrte. In ihren Seelenspiegel war Schuld zu erkennen. Doch warum? „Embry …“, flüsterte sie leise. Es war nur ein Hauch gewesen, doch ich hatte es gehört. Ein Schauer lief mir über den Rücken und als sie ihren Blick wieder zur Decke wandte, schrie ich innerlich panisch auf. Ich beugte mich erneut über sie und sah, wie sie kurz den Atem anhielt, ehe sie sprach. „Embry … bitte geh“, hauchte sie, doch in meinen Ohren hallte die Worte laut, wie ein Echo. Immer wieder. Immer lauter. Sie erfüllten mich ganz und lösten eine Lawine der Verzweiflung aus. Ich riss meine Augen auf. Sie durfte das nicht von mir verlangen. Alles, nur das nicht! „Nein … Ana … nein!“ Ich stützte meinen Oberkörper mit meinen Armen ab und krallte mich verzweifelt in das Laken ihrer Matratze. Ich hatte das Gefühl, in dem Schmerz zu ertrinken. Es war zu viel für mich. „Ich … Ana … Huyana … Bitte … ich kann das nicht!“, brachte ich irgendwie heraus. Sie durfte das nicht von mir verlangen. Ich schluchzte und vergrub mein Gesicht in ihr Kopfkissen. Der Geruch von Vanille und einer Note Wildblumen schlug mir entgegen. Er beruhigte mich nicht. Im Gegenteil, der Duft breitete sich wie ein Giftnebel in mir aus und betäubte all meine Sinne. „Huyana, bitte!“, flehte ich, doch sie schüttelte nur mit dem Kopf. „Embry … Ich will dich nicht sehen! Geh!“ Ich erstarrte. Die Zeit blieb für mich stehen. Ich fühlte, wie sich ihre Brust langsam gegen meine hob und senkte. Ich fühlte ihren schwachen Atem gegen meine Schulter. Ich fühlte die Krater, in meiner Seele, die ihre Worte hinterließen. Fühlte, wie alles unter dem Gewicht ihrer Worte zerfiel. Fühlte, wie nichts mehr blieb, außer der gähnenden Leere. Es war vorbei. Sie wollte mich nicht sehen. Sie brauchte mich nicht. Sie hasste mich. Ich richtete mich auf und sah ein letztes Mal in ihr Gesicht. Ich wollte mir jedes Detail merken. Ihre großen, schwarzen Augen. Ihre kleine Stupsnase. Den Verlauf ihrer Narben. Den süßen Mund, der mich nie wieder anlächeln würde. Unfähig ihr etwas zum Abschied zu sagen, taumelte ich zur Tür. Es war unmöglich und doch versuchte ich gegen die Schwerkraft, die mich zu ihr zog, an zu kämpfen. Sie hatte es gewollt und ich musste es respektieren. Mein Wolf jaulte. Eine Stimme in meinem Inneren redete auf mich ein, forderte, dass ich mich widersetzten sollte. Doch ich konnte es nicht. Ich würde im Stillen leiden, wenn es das war, was sie sich wünschte. Ein letztes Mal sah ich zu ihr. Ich betete zu Gott, dass sie auch ohne mich ihr Glück finden würde, denn ich würde alles ertragen, solange es sie glücklich machte. Leb wohl, Huyana … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)