Die Geschichte der Erde von Xenojiiva (Aria's Geschichte) ================================================================================ Prolog: -------- Das Erste, an das ich mich in meinem Leben erinnere, war Dunkelheit. Eine seltsame Dunkelheit, die nicht unangenehm war, sondern einfach nur seltsam. Es ging mir nicht schlecht, ich fühlte mich wohl und doch wollte ich sie verlassen. Ich wollte nicht mehr dort sein. Kurz darauf wurde mir eine Wärme zuteil, dich ich niemals vergessen werde. Ich konnte erst nichts sehen, nur fühlen und riechen. Eine sanfte Stimme sprach zu mir, eine raue Zunge berührte meinen Kopf, ein weiches Fell gab mir Geborgenheit. Auch der harte Boden unter mir ist mir im Gedächtnis geblieben, denn es war als hätte auch die Erde mich begrüßt. Das Ganze ist nun drei Jahre her und doch erinnere ich mich an die ersten Eindrücke meines Lebens, die direkt nach meiner Geburt auf mich trafen. Meine Mutter und meine Großmutter werden immer ein Teil von mir sein, egal wie weit ich von ihnen entfernt bin. Denn vor mehr als einem Jahr habe ich sie verlassen, zusammen mit meinem Geburtsort, der einst mein Zuhause gewesen war. Der Weg, den ich zurückgelegt habe war weit. Ich wollte so viel Abstand zwischen mich und die alte Heimat bringen. Ich habe niemals ganz dort hineingepasst, war dort nicht willkommen. Seit meiner Geburt schon war ich anders und das hatte man mich deutlich spüren lassen. Nun bin ich allein, weit weg von meiner Familie. Meine Mutter hatte mich nur schweren Herzens gehen lassen. Sie war der Meinung, ich hätte bleiben sollen. Doch ich wäre dort niemals glücklich geworden. Ich war unerwünscht und ich würde es immer sein. Nun gehe ich meinen eigenen Weg. Da war ein starkes Gefühl, dass mich in die Ferne gezogen hatte. Nicht nur, dass ich in meiner Heimat nicht willkommen war, sondern da war mehr. Irgendetwas da draußen rief nach mir. Ich hatte eine Aufgabe, die ich erfüllen musste. Es gab jemanden, der auf mich wartete, einen Ort an den ich gehörte und an dem ich erwünscht war. All das war da, es musste nur gefunden werde. Somit zog ich los, meinem Schicksal entgegen. Ich bin Aria, eine Erdwölfin, und das ist meine Geschichte. Kapitel 1: Die Erde erwacht --------------------------- Gerade ging die Sonne im Land Daromi auf. Im westlichen Teil des Landes lag eine gigantische Felswand, die einem Erdrudel Schutz und Heimat bot. Sie hatten die gesamte Felswand mit Höhlen und Tunneln ausgestattet, was ihnen ihre Elementarkraft ermöglichte. Sie konnten die Erde formen und so hatten sie eine große Sammlung an Gängen, die ihnen Schutz boten. Dennoch bestand das Rudel nicht aus vielen Wölfen. Es gab nur wenig Nahrung in der Nähe der Felswand, wodurch es unmöglich war, eine zu große Anzahl zu versorgen. Die Abgelegenheit bot Schutz, aber sie hielt die Zahl der Wölfe gering. Schlussendlich hatte der Alpha des Rudels beschlossen, dass sie sich kontrolliert vermehren mussten, sodass er das Recht sich und seiner Partnerin eingeräumt hatte. Es wurden nur seine Kinder geduldet und er zeugte erst neue, wenn die alten groß genug und ausgezogen waren. So war die Nahrungsversorgung gewährleistet. Eigentlich hielten sich auch alle Wölfe ohne Widerworte daran. Zwar gab es unter ihnen Paare, doch keiner der Wölfe brachte auch nur ein Junges zur Welt. Ein Verstoß gegen die Regeln des Alphas hätte nur die Verbannung aus dem Rudel bedeutet, wenn man nicht gar getötet wurde. Manchmal wurden auch nur die ungewollten Jungtiere ermordet und die Wölfe durften in ihrer Schande bleiben. So lebte das reine Erdrudel in seiner Abgeschiedenheit, ohne dass jemand die Regel des Alphas brach. Zumindest ging man davon aus. "Was hast du dir nur dabei gedacht?! Ich habe dich doch mehrfach gewarnt, dich nicht gegen Nedrons Gesetze zu stellen. Außerdem hast du das reine Blut besudelt! Wie kann man nur so gedankenlos sein?!", fluchte die Wölfin, die in einer kleinen Höhle auf und ab lief. Ihr Fell war einst dunkelbraun gewesen, nun zeigten sich graue Strähnen darin. Das Besondere war der blaue Federschmuck, der ihr linkes Ohr zierte. Vom Körperbau her, war sie relativ dünn, was aber ihrem hohen Alter geschuldet war. Schnaubend wandte sie sich ihrer Tochter zu, die im hinteren Teil der Höhle auf dem Boden lag. Diese beobachtete ihre Mutter. Ihr Fell war heller als das der älteren Wölfin, bis auf ein paar dunkle Strähnen, eine davon zierte ihren Kopf. Bei beiden Wölfen war das Brustfell schwarz, das einzige was wirklich gleich war. "Bitte erspare mir den Vortrag, Mutter. Außerdem verstehe ich nicht, was dir die Reinheit des Blutes plötzlich so wichtig ist. Du hast immer gesagt, ich soll allen Arten von Wölfen offen gegenüber sein." Die ältere Wölfin blieb stehen und schaute ihre Tochter böse an. "Musstest du es mit der Offenheit denn gleich so wörtlich nehmen?! Ich habe Freundlichkeit gemeint, nicht dass du mit einem Feuerwolf Junge zeugen sollst!" Die am Boden liegende Wölfin gab sich unbeeindruckt. "Brüll noch lauter, Mutter. Sicherlich gibt es jemanden, der dich noch nicht gehört hat." Sie atmete tief durch und betrachtete ihren dicken Bauch. Sie war kurz vor der Niederkunft. Währenddessen begann ihre Mutter wieder auf und ab zu laufen. "Du weißt ganz genau, was passieren wird. Er wird dich aus dem Rudel verbannen! Das Junge oder die Jungen töten! Im schlimmsten Fall bringt er dich gleich um! Wie konntest du nur?!", fragte die ältere Wölfin erneut. "Mutter, ich bitte dich, beruhige dich. Ich bin mir durchaus bewusst, welches Risiko ich eingegangen bin. Doch ich hatte einen triftigen Grund. Ich habe ihn geliebt, Mutter. Und ich liebe ihn immer noch, auch wenn er uns verlassen musste. Ich bereue gar nichts." Nun blieb die ältere Wölfin erneut stehen und seufzte ergeben. Sie betrachtete ihre Tochter in dem wenigen Licht, dass durch den Höhleneingang fiel. Sie hatten inzwischen eine kleine Höhle, die an der Außenseite der Felswand lag. Die tieferen Gänge waren den höhergestellten Wölfen vorbehalten, da sie mehr Schutz für die Jungen boten. Dort war es dunkel, doch Erdwölfe mussten nichts sehen, um sich in den Tunneln zurecht zu finden. Sie spürten die Erde unter ihren Pfoten und konnten sich somit auch in den tiefen Gängen mühelos zurecht finden. "Ich glaube dir, Camera. Aber du weißt, wie kompliziert die Angelegenheit ist. Außer Nedron und Vinaria darf niemand mehr Junge bekommen. Alleine dort draußen würdest du nicht lange überleben, schon gar nicht, wenn du auch noch Junge versorgen musst." Die junge Wölfin schüttelte den Kopf. "Ich verstehe deine Sorge, aber ich glaube, dass alles gut wird. Wir müssen jetzt eh erst abwarten, bis es soweit ist. Dann wissen wir, wie viele Kinder zu versorgen sind und du kannst dir weiter Sorgen machen." Camera lächelte und bettete den Kopf auf ihren Vorderpfoten. Sie spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde. Auch die ältere Wölfin bemerkte den schneller werdenden Atem ihrer Tochter und ging zu dieser hinüber, bevor sie sich neben sie auf die Hinterbeine niederließ. "Ganz ruhig atmen, Camera. Tiefe, kontrollierte Atemzüge", sprach sie der jungen Wölfin zu und diese beruhigte ihre Atmung. "Ist es eigentlich sehr schlimm, Mutter?", fragte Camera und schaute zu der älteren Wölfin auf. "Es ist anstrengend und zieht etwas, aber das ist es wert", erwiderte die ältere Wölfin und leckte ihrer Tochter aufmunternd über den Kopf. Die junge Wölfin nickte und konzentrierte sich weiter darauf ruhig zu atmen. Eine Weile geschah nichts, außer dass Camera das Gesicht verzog. Ihre Mutter stand ihr mit ruhiger Stimme zur Seite und sprach ihrer Tochter Mut zu. Immerhin hatte sie Erfahrung im Junge zur Welt bringen, auch wenn nur ein Einziges am Leben war. Leider waren ihre anderen Jungen immer früh gestorben und auch die Jungen aus Cameras Wurf hatten nicht lange überlebt. Nur Camera war ihr geblieben und das war der alten Wölfin ein großes Geschenk, denn vor zwei Jahren war schlussendlich auch ihr Gefährte verstorben. Alles was sie hatte war ihre Tochter und sie hoffte, dass ihr Junges beziehungsweise ihre Jungen überleben würden. Man konnte nur hoffen, dass der dunkle Stern nicht auch über ihnen stand. Schließlich war es dann so weit. Es kam sehr plötzlich und die alte Wölfin wäre fast zu Tode erschrocken, als Camera aufgeschrien hatte. Der Rest ging relativ schnell und schon bald war ein Fiepen zu hören, als das Junge die Geborgenheit des Mutterleibes verließ. Schnell war klar, dass es bei dem einen Jungen bleiben würde. Camera beugte sich zu ihrem Kind und begann es sauber zu lecken. Neugierig blickte ihre Mutter über ihren Rücken hinweg auf das Junge. Dessen Fell war so hell wie das der Mutter, sandfarben, doch das Rückenfell war so dunkelbraun wie bei der alten Wölfin. Das Brustfell war schwarz, genauso wie ein Fleck auf der Schnauze des kleinen Wolfes. Das Besondere waren allerdings die linke Vorder- sowie die rechte Hinterpfote. Diese waren grau, fast silbern und stachen sehr deutlich hervor. "Das kann doch gar nicht sein", sagte die ältere Wölfin überrascht. "Mein kleines Mädchen. Sie ist bezaubernd, findest du nicht auch, Mutter?", fragte Camera und betrachtete verzückt ihr Junges. "Ja, einfach goldig. Du hattest Recht, Camera, es gibt nichts zu bereuen", sagte die alte Wölfin und stupste ihre Enkelin an, die sofort zu fiepen begann. Dann begann sie suchend mit dem Kopf zu zucken und fand mit Hilfe ihrer Mutter schnell die gesuchte Zitze, wo sie eifrig zu trinken begann. "Sag, wie willst du die Kleine nennen?", fragte die ältere Wölfin nun ihre Tochter. Doch diese kam nicht zum Antworten, als Stimmen vom Höhleneingang zu ihnen drangen. "Ihr braucht euch gar keine Gedanken wegen dieses Kindes machen, denn es wird gleich sein Ende finden", knurrte der Wolf, der - flankiert von zwei anderen Wölfen - im Höhleneingang stand. Es war niemand anderes als Nedron, der Alphawolf, zusammen mit seinem Beta und einem seiner Söhne, der bald aufgrund seines Alters das Rudel verlassen würde. Der Alpha sah gar nicht begeistert aus und bleckte die Zähne. Camera und ihre Mutter blickten erschrocken zu den drei Wölfen. "Ihr habt es tatsächlich geheim halten können, sonst hätte ich gar nicht erst zugelassen, dass dieses Junge das Licht der Welt erblickt. Aber das macht nichts, diesen Umstand kann ich immer noch bereinigen. Geht beiseite, dann erlaube ich euch beiden, im Rudel zu bleiben. Aber dieses Junge wird verschwinden!" Der Alpha wollte näher treten, doch die ältere Wölfin trat schützend vor ihre Tochter und ihre Enkelin. "Geh mir aus dem Weg, Ariadne. Du weißt ganz genau, wie meine Regeln aussehen. Du solltest froh sein, wenn ich deine einzige Tochter verschone und mir nur das Kind vornehme", knurrte Nedron. Nedron war ein relativ großer Wolf. Sein Fell war grau, sein Brustfell etwas dunkler, dazu kamen ein paar Muster im Fell. Allgemein war es sehr struppig und gab ihm ein sehr wildes, aber auch bedrohliches Aussehen. Die grünen Augen funkelten die beiden Wölfinnen finster an, als er einen weiteren Schritt näher trat. Die ältere Wölfin bewegte sich nicht vom Fleck. "Du wirst keinem von beiden etwas tun, Nedron! Dazu hast du kein Recht", knurrte sie. Nedron schnaubte nur. "Ariadne, ich bin der Alphawolf. Ich habe die Regel aufgestellt, dass nur Vinaria Junge gebären darf. Deine Tochter hat dagegen verstoßen. Ich habe jedes Recht, eine Strafe zu verhängen. Also geh aus dem Weg!" Doch die Wölfin knurrte nur. "Du weißt ganz genau, warum du Alpha bist! Weil meine Söhne nicht überlebt haben. Ich war die Alpha-Wölfin und mein Gefährte war der Alpha. Wäre auch nur einer unserer Söhne am Leben hättest du diese Stellung nicht inne und das weißt du auch", sagte sie nur kühl. Wenn sie wollte konnte sie immer noch erhaben wie eine Alphawölfin auftreten. Nedron knurrte. "Vielleicht hat es ja einen Grund, dass nur deine Tochter noch lebt! Vielleicht stehst du mit deiner Familie einfach unter einem schlechten Stern", spottete der Alphawolf. "Bei meiner Enkelin ist es anders. Sie kommt nach ihrem Großvater. Sie hat seine »sensiblen Pfoten«!" Der Ausdruck in Nedrons Gesicht änderte sich von wütend zu verwirrt und dann zu ungläubig. "Das kann gar nicht sein. Sensible Pfoten sind selten, wenn nicht sogar ein Mythos. Es mag sein, dass dein Gefährte diese besondere Gabe hatte, die besonderen Pfoten mit dem feinsten Sinn für die Erde. Aber das heißt nicht, dass dieses Balg sie hat. Sie ist nicht mal ein reinrassiger Erdwolf!", knurrte Nedron und blickte zu Camera, die sich schützen um ihr Kind gelegt hatte. "Es ist aber wahr, Nedron. Sie hat zwei besondere Pfoten und ist eine besondere Erdwölfin. Sie kommt nach ihrem Großvater, dem ehemaligen Alpha, der dir vor seinem Tod sein Amt gab. Du hast kein Recht sie umzubringen", erklärte Ariadne ruhig. Nedron knurrte und starrte die alte Wölfin an. Dann trat ein kühler Ausdruck auf seine Miene. "Nun gut, sie bleibt. Aber wenn ihr so stolz auf sie seid, werdet ihr eure Rationen mit ihr teilen. Camera, dir steht nicht mehr Nahrung zu, weil du kein Junges haben dürftest. Und wenn sie größer wird, wird sie mit von euren Rationen fressen. Sie hat kein Recht auf eine eigene. Das wird euch sicher nichts ausmachen, nicht wahr?" Ariadne knurrte, doch Nedron wandte sich nur ab und verließ die Höhle mit den anderen beiden Wölfen. Als er schließlich weit genug weg war, seufzte Camera hörbar aus. "Das war ganz schön gewagt, Mutter. Du hast dich ihm offen entgegen gestellt. Das hätte dich auch den Kopf kosten können." Die alte Wölfin schnaubte nur belustigt. "Ich lass mir von so einem Grünschnabel doch nichts vorschreiben. Wenn auch nur einer deiner Brüder am Leben geblieben wäre, könnte Nedron sich grün und blau ärgern. Ich hatte vielleicht kein Glück mit meinen Kindern, aber das gibt ihm kein Recht über uns zu spotten. Dein Vater war ein stolzer Wolf und ein vorbildlicher Alpha. Er hat sich stets um alle gesorgt und hat niemanden verhungern lassen. Er zog sogar selbst weiter weg, um Nahrung zu beschaffen. Niemand konnte etwas Schlechtes gegen ihn sagen und das weiß Nedron. Er schuldet deinem Vater genauso viel, denn immerhin hat er sein Amt an ihn weitergereicht. Er dachte, dass dieser Idiot qualifiziert dafür wäre. Leider steigt manchen Leuten die Macht leicht zu Kopf." Die alte Wölfin kehrte zu ihrer Tochter zurück und betrachtete ihre Enkelin. "Sie hat wirklich die Pfoten ihres Großvaters. Damit ist sie etwas Besonderes." Camera seufzte. "Aber er weiß, was er tut. Wenn wir die Ration unter uns drei aufteilen müssen, wird es schwerer. Er hofft wahrscheinlich, dass irgendwer von uns verhungert und wir es bereuen", gab die junge Wölfin zu bedenken. Sie betrachtete ihre Tochter. "Egal was er tut, er wird nichts daran ändern, dass ich froh bin sie zu haben. Wir werden es schaffen. Für meine kleine Aria." Ihre Mutter sah sie überrascht an. "Aria? So willst du sie nennen?" Camera nickte. "Genau, Aria. Abgeleitet von ihrer dickköpfigen Großmutter, die sich für sie sogar dem Alpha entgegen stellt." Ariadne musste lachen. "Ich würde es wieder tun, dieser Junge hat keinen Respekt. Aber ich danke dir." Sie stupste ihre Tochter an und dann die kleine Aria, die inzwischen eingeschlafen war. Sie hatte den Streit verschlafen. "Keine Sorge, meine Kleine. Deine Mutter und ich passen auf, dass dir nichts passiert. Genau wie dein Großvater sicherlich von oben auf dich herabsieht." Aria gab ein Fiepen von sich und kuschelte sich an ihre Mutter. Niemand wusste, was sie erwarten würde, doch eines war für ihre Großmutter klar: Sie würde noch eine ganz besondere Rolle in ihrem Leben haben. Kapitel 2: Harte Regeln ----------------------- Die ersten Tage in Arias Leben waren bei Weitem nicht so aufregend wie der Tag ihrer Geburt. Sie bestanden aus Milch trinken und schlafen. Camera verließ ihre Tochter so gut wie nie und wenn, war immer ihre Großmutter da, um die kleine Wölfin zu wärmen. Nedron hingegen hatte seine Drohung wahr gemacht und beim Verteilen der Nahrungsrationen streng darauf geachtet, dass weder Camera noch Ariadne auch nur einen winzigen Bissen mehr bekamen, als ihnen zustand. Außerdem hatte er beide Wölfinnen häufiger als gewöhnlich für die Jagd eingeteilt, sodass vor allem die junge Mutter nach einiger Zeit ziemlich erschöpft war. Doch alle Sorge und alle Erschöpfung war wie weggeblasen, wenn sie in die Höhle zurückkehrte und ihre Tochter sah. Wie sie leise fiepend nach ihrer Mutter suchte und sich schließlich in ihr Fell kuschelte, wärmte Camera jedes Mal aufs Neue das Herz und ließ sie die Anstrengungen vergessen. In der zweiten Lebenswoche der kleinen Aria forderte die Anstrengung allerdings ihren Tribut. Cameras Körper ertrug die Erschöpfung nicht mehr und so passierte das Unvermeidliche: Die junge Mutter hatte keine Milch mehr, um ihre Tochter zu versorgen. So sehr die Kleine auch auf dem Bauch ihrer Mutter herumdrückte, so sehr sie auch saugte, keine Zitze gab auch nur einen Tropfen Milch. Hungrig begann die Kleine zu wimmern und beruhigte sich auch nur geringfügig, als ihre Mutter ihr über den Kopf leckte. "Was hat meine Kleine denn?", fragte Ariadne, die gerade die Höhle betrat. "Sie hat Hunger, aber mir ist die Milch ausgegangen", erklärte Camera müde und blickte hilfesuchend zu ihrer Mutter. Die alte Wölfin seufzte. "Ich habe befürchtet, dass es so weit kommen würde. Du brauchst mehr zu fressen, vor allem, wenn du immer zur Jagd eingeteilt wirst. Aber Nedron gibt uns nur das Nötigste, dafür frisst Vinaria umso mehr." Ariadne knurrte, als sie an die Alpha-Wölfin dachte. "Sie hat drei Junge und ist Nedrons Partnerin. Was erwartest du da anderes, Mutter?" Camera seufzte. "Wir müssen eine Lösung finden, sonst verhungert die Kleine." Die junge Mutter ließ die Ohren hängen und betrachtete traurig ihre kleine Tochter, die immer noch leise vor Hunger fiepte. Ariadne überlegte. "Dann nimmst du erst einmal meine Ration", sagte sie dann. Camera schüttelte sofort den Kopf. "Mutter, du brauchst deinen Teil selbst. Du bist auch nicht mehr die Jüngste." "Ich habe schon einmal länger ohne Nahrung überlebt und ich werde es jetzt auch schaffen. Das Wohl von dir und Aria liegt mir momentan mehr am Herzen als mein eigenes. Wir haben keine andere Wahl, Camera." Ein trauriger Laut kam von der kleinen Aria, als würde sie verstehen, was um sie herum geschah. Die junge Mutter seufzte und gab sich geschlagen, denn es gab wirklich keinen anderen Weg. Mit der Ration ihrer Mutter konnte Camera wieder Milch produzieren und Aria versorgen. Diese öffnete genau 12 Tage nach ihrer Geburt ihre Augen zum ersten mal. Hervor kamen zwei wunderschöne grüne Augen, die durch die schwarze Umrandung noch mehr Tiefe bekamen. "genau dieser Blick ist es wert, eine Weile zu hungern", verkündete Ariadne. Camera konnte nur zustimmen, als sie ihre Tochter beobachtete, die mit großen Augen zum ersten Mal ihre Umgebung betrachtete. Ein paar Tage später war Aria in der Lage zu hören, was um sie herum gesagt wurde und welche Geräusche die Natur bot. Sie war begeistert von den Geschichten, die ihre Großmutter ihr erzählt. Schon bald begann sie, das Gehörte nachzuplappern und war bald in der Lage zu sprechen, was dazu führte, dass sie ihrer Großmutter Löcher in den Bauch zu fragen begann. Ariadne besaß aber eine engelsgleiche Geduld und beantwortete jede einzelne Frage ihrer Enkelin. Schließlich war Aria 22 Tage alt, als ihre Mutter zum ersten Mal mit ihr die Höhle verließ. Zunächst blieben sie vor dem Eingang stehen und Aria blickte fasziniert in die Tiefe. Eigentlich war die Felswand Teil einer kleineren Bergkette und an der Außenseite führte ein Pfad entlang, der die Außenhöhlen miteinander verband und auch den Weg zum Fuße der Felswand bildete. Die Höhlen der Erdwölfe lagen durchaus etwas über dem Boden, die meisten lagen aber innerhalb der Felswand. "Wow, das ist ja tief! Wieso leben wir so weit oben, Mama?", fragte Aria und drehte sich zu ihrer Mutter um. "Es bietet Sicherheit, denn in diese Höhe traut sich kaum jemand. Außerdem bietet der Fels uns einen idealen Lebensraum, da wir ihn mit unserer Kraft formen können. Deine Großmutter hat dir doch erzählt, was wir sind und was wir können", erwiderte Camera. "Omi Ari sagte, dass wir Erdwölfe sind. Damit haben wir die Kraft die Erde zu beeinflussen", wiederholte Aria und legte dann den Kopf schief. "Wann werde ich das können, Mama?", kam sofort die nächste Frage. "Vielleicht wirst du Ratte das niemals können", ertönte eine hochnäsige Stimme. Sie kam von dem Pfad rechts neben der Höhle, der weiter nach oben führte. Dort stand Vinaria, die Alphawölfin, mit ihren drei Jungen und blickte verachtend auf Camera und ihre Tochter hinab. Sofort lief Aria zu ihrer Mutter und versteckte sich hinter ihr. Sie hatte von ihrer Großmutter von Vinaria gehört. Die alte Wölfin hatte ihre Enkelin gewarnt, dass sie sich vor den Alphatieren in Acht zu nehmen hatte. Camera senkte höflich ihr Haupt und grüßte die Alpha-Wölfin, wie es sich gehörte. "Spar dir die geheuchelte Unterwürfigkeit, Camera. Du hast deutlich gezeigt, wie du zu meinem Gefährten und seiner Position als Alpha stehst. Du hast offen seine Regeln missachtet und dich erdreistet dieses Junge zu bekommen. Jetzt hast du auch noch die Frechheit es hier rum zu führen, als wäre es kein Verstoß gegen Nedrons Regeln. Du hast nicht mehr das Recht mich auch nur anzusprechen!", knurrte Vinaria. Eigentlich war Vinaria eine sehr schöne Wölfin. Sie hatte ein langes, weiches Fell, dass die Farbe von Sand hatte. Ein paar Stellen waren heller, was dem goldgelben Bild aber keinen Abbruch tat und ihre schlanke Figur schalt ihre vielen Nachkommen Lügen. Allerdings war ihr Charakter mindestens genauso mies wie ihr Äußeres hübsch war. Die Position als Alphawölfin war ihr definitiv zu Kopf gestiegen und sie liebte es, wenn man vor ihr im Staub kroch. Deswegen wunderte es Camera nicht, dass sie nun so von der Alphawölfin behandelt wurde. "Ihr könnt mich bestrafen, wie ihr wollt und mich dafür verurteilen, aber Aria ist ein Mitglied dieses Rudels und kann nichts für meine Fehler. Es gibt keinen Grund so mit ihr umzuspringen", sagte die junge Mutter nur kühl. Vinaria bleckte die Zähne. "Schweig! Sie ist eine Missgeburt, die gar nicht da sein dürfen! Nicht nur, dass sie unreinen Blutes ist, sie sollte gar nicht leben! Eigentlich hätte Nedron sie töten müssen! Sie wird niemals Teil des Rudels sein!", erklärte die Alpha-Wölfin aufgebracht. "Pass bloß auf deine kleine Ratte auf, Camera. Nicht, dass der Boden plötzlich unter ihr nachgibt und sie in die Tiefe stürzt. Du weißt, wie brüchig der Berg manchmal sein kann", sagte Vinaria dann nur kalt und lief erhobenen Hauptes mit ihren Jungen an den beiden Wölfen vorbei, weiter nach unten. Camera atmete ein paar Mal tief durch, um sich zu beruhigen. Am liebsten hätte sie Vinaria das Maul gestopft, aber sie wollte nicht noch mehr Streit mit den Alpha-Wölfen provozieren. Dafür war sie körperlich eh zu schwach. Sie hätte den Kampf mit Vinaria sehr wahrscheinlich verloren und dann wäre Aria ganz allein gewesen, denn trotz allem Vertrauen, dass Camera in ihre Mutter setze, so war Ariadne nicht mehr die Jüngste. Außerdem würde es der Kleinen vermutlich das Herz brechen, wenn sie ihre Mutter so früh verlor. Daher musste die junge Mutter die Zähne zusammenbeißen und ihren Ärger unterdrücken. Da hörte sie Aria leise weinen und blickte erschrocken zu ihrer Tochter. "Aria, mein Liebling, was hast du?" Die kleine Wölfin weinte bitterlich und kuschelte sich eng an das Vorderbein ihrer Mutter. "Wegen mir haben du und Omi nichts als Ärger. Keiner mag mich und euch mögen sie auch nicht mehr. Die böse Wölfin nennt mich Missgeburt und Ratte. Warum sind alle so gemein, Mama? Wäre es besser, wenn es mich nicht geben würde?", fragte die kleine Wölfin traurig. "Nein! Nein, Aria, das darfst du nicht denken, hörst du? Niemals!" Camera beugte sich hinunter und rieb ihre Schnauze an der ihrer Tochter. "Mein kleiner Liebling, du bist mir und deiner Großmutter der größte Schatz auf der Welt. Wir lieben dich und wir möchten dich niemals mehr missen. Egal, was Vinaria sagt, egal was sie alle sagen, du bist mein ein und alles. Ich bereue es nicht und ich kann mir auch kein Leben ohne dich vorstellen. Du bist eine besondere Wölfin und du wirst noch großes vollbringen. Und jetzt hör auf zu weinen." Liebevoll leckte die junge Mutter ihrer Tochter die Tränen weg. Aria beruhigte sich wieder, sah aber immer noch traurig aus. "Warum sagen sie so böse Sachen, Mama?", fragte die Kleine wieder. "Das erklär ich dir, wenn du älter bist. Noch verstehst du es nicht, meine Kleine", sagte Camera traurig und betrachtete ihre Tochter. Es tat ihr in der Seele weh, dass man der Kleinen mit so viel Verachtung entgegen kam. Nicht nur Nedron und seine Gefährtin gingen sie so an, die anderen Rudelmitglieder mieden sie ebenfalls. Ehemalige Freunde grüßten Camera nicht einmal mehr und selbst Ariadne, die ehemalige Alpha-Wölfin, wurde nicht mehr wirklich angesehen. Es war, als hätte das ganze Rudel beschlossen, die drei Wölfe zu meiden. Die junge Mutter seufzte schwer. "Komm, meine Kleine, ich wollte dir doch zeigen, wie wir leben." Damit setzte sie ihren Weg mit der kleinen Wölfin fort, den Berg hinab. Doch die Sorge bezüglich Vinarias Worte ließen sie nicht los und sie blickte sich öfter besorgt um, ob nicht irgendjemand einen Anschlag auf Aria verüben würde. Die nächsten Wochen verliefen allerdings ereignislos. Zwar hatten sie weiterhin mit Anfeindungen zu kämpfen, aber niemand griff Aria an oder versuchte ihr Steine in den Weg zu legen - im wahrsten Sinne des Wortes. Doch wo die Kleine nun älter war, brauchte sie feste Nahrung und weiterhin bekamen Camera und Ariadne nicht mehr. Die beiden älteren Wölfinnen gaben der Kleinen immer einen Teil ihrer Ration ab, doch bald reichte das nicht mehr, da Aria relativ schnell wuchs. So wechselten sich Ariadne und Camera ab, wer Aria ihre Ration ab gab. Doch mit immer mehr Jagddiensten waren die beiden Wölfinnen bald am Ende ihrer Kräfte. Das blieb auch Aria nicht verborgen, die sich bald immer mehr Vorwürfe machte. Sie fühlte sich schlecht, weil ihre Mutter und ihre Großmutter wegen ihr solche Probleme hatten. So sehr sie auch bat, beide mögen ihre Ration selbst essen, so sehr weigerten sich die beiden älteren Wölfe. Sie sorgten immer dafür, dass Aria etwas zu fressen bekam. Inzwischen war Aria fast drei Monate alt. Sie bemerkte, wie ihre Großmutter und ihre Mutter dünner geworden waren, während sie kontinuierlich wuchs. Doch die Nahrungsrationen reichten nicht für sie drei. Es machte Aria wütend, dass man so mit ihnen umging. Es hätte genug Nahrung gegeben, um auch ihr eine Ration zu geben, stattdessen fraßen sich Nedrons drei Nachkommen die Bäuche voll. Es war ungerecht und die junge Wölfin konnte nicht glauben, dass die anderen Rudelmitglieder das einfach so duldeten. Inzwischen war es keine Feindseligkeit gegenüber Aria mehr, sondern eine unangemessene Machtdemonstration. Doch auch die junge Wölfin wagte nicht, die Stimme zu erheben, dafür war sie zu jung. Allerdings traf sie eines Tages einen der anderen Wölfe allein an, als er auf dem Weg zum Fuße der Felswand war. Sie erinnerte sich an ihn, durch Geschichten ihrer Großmutter. Er war ein alter Freund ihres Großvaters gewesen. Die junge Wölfin nahm ihrem Mut zusammen und stellte sich ihm in den Weg. Der ältere Wolf versuchte natürlich, an ihr vorbei zu gehen, aber sie gab ihm keine Möglichkeit. Schließlich knurrte der große graue Wolf. "Geh mir aus dem Weg, Kind!" "Nein! Ich hab keine Lust mehr! Alle sind so gemein zu Mama und Omi! Ich weiß, dass du ein Freund von meinem Opa warst! Du warst sein treuster Freund! Jetzt redest du kein Wort mehr mit Omi! Sie und Mama verhungern und alles wegen mir! Aber Nedron und seine Söhne futtern sich dick und rund! Das kann doch nicht fair sein!" Der graue Wolf schaute ausdruckslos und versuchte erneut, an Aria vorbei zu kommen. "Hör damit auf, Mädchen. Das alles interessiert mich nicht." Aria knurrte. "Alle verurteilen Mama, dass sie die Regeln gebrochen hat! Keiner verurteilt Nedron, weil er uns verhungern lässt. Er ist respektlos zu Omi und sie war Alpha-Wölfin. Er tritt Opas Vermächtnis mit Pfoten! Und alle gucken weg!" Wütend rannte die kleine Wölfin auf den grauen Wolf zu und fing an ihn zu beißen. Allerdings waren ihre Zähne noch nicht ausgewachsen, daher konnte sie nur wenig erreichen. Der graue Wolf schüttelte sie ab, doch Aria ging sofort erneut auf ihn los. Sie war zwar klein und unerfahren, aber sie war schnell und sie war hartnäckig. Der graue Wolf knurrte. "Jetzt hör endlich auf damit!", knurrte er und schnappte nach Aria. Diese wich aus und biss ihn erneut ins Bein. "Aria, es reicht!", erklang dann aber eine Stimme und die kleine Wölfin drehte sich um. Ihre Großmutter kam gerade den Pfad hinauf und schüttelte den Kopf. "Lass Bairon in Ruhe. Er befolgt nur die Befehle Nedrons", sagte die alte Wölfin und trat zu ihrer Enkelin. "Aber es ist unfair! Du sagtest er war Opas Freund. Jetzt ist er genauso böse wie alle anderen! Sowas kann kein Freund von Opa gewesen sein, wenn er so war, wie du ihn beschreibst, Omi. Opa ist bestimmt ganz traurig, dass es dir und Mama so schlecht geht", sagte Aria traurig und ließ die Ohren hängen. Der graue Wolf schaute die kleine Wölfin an und blickte dann zu der älteren. "Du siehst müde aus, Ariadne." Die alte Wölfin schnaubte. "Als ob es einen von euch interessiert. Nedron lässt mich und meine Tochter verhungern. Doch wir müssen beide leben, damit wir eine Ration für Aria haben, denn wenn wir sterben geht die Ration an seine fettbäuchigen Kinder und seine überhebliche Gefährtin. Nedron ist nicht das, was Arias Großvater in ihm gesehen hat. Doch leider scheint das hier keinen zu interessieren", sagte Ariadne kühl und sah dabei Bairon an. Der graue Wolf senkte den Blick. "Ich weiß nicht, was du von mir erwartest, Ariadne. Wenn wir uns widersetzen, sterben wir oder werden verbannt." "Wenn sich alle mal zusammenschließen und gegen ihn vorgehen würden, hätte er keine Chance! Aber ihr seid allesamt nur Feiglinge, die den Schwanz einziehen!" Aria schaute von dem grauen Wolf zu ihrer Großmutter und zurück. Der graue Wolf schwieg. "Ich kann euch nicht helfen", sagte er nur und ging seiner Wege. Ariadne sah ihm nach. Dann sah sie ihre Enkelin an. "Es bringt nichts, wenn du Streit wegen uns anfängst, Aria. Belaste dich nicht mit unseren Sorgen. Du sollst doch so unbeschwert wie möglich erwachsen werden." Die junge Wölfin schüttelte den Kopf. "Wie kann ich das, wenn du und Mama verhungern? Das ist ungerecht und es ist meine Schuld." Die alte Wölfin schüttelte den Kopf. "Es war unsere Entscheidung, Aria, nicht deine. Also lass das unsere Sorge sein", sagte die alte Wölfin nur. Die kleine Wölfin seufzte. "Komm, wir gehen zu deiner Mutter. Aber wir erzählen ihr hiervon nichts. Sie soll sich nicht noch mehr Sorgen um dich machen müssen." Aria nickte nur und ließ die Ohren hängen. Sie konnte nichts für ihre Familie tun. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter lag Aria abends in der Höhle. Sie hatte immer noch Schuldgefühle, dass es ihrer Familie so schlecht ging. Am liebsten hätte sie Nedron gebissen, aber das wäre ihr nicht bekommen. Sie musste wahrscheinlich die Pfoten still halten, wie ihre Großmutter gesagt hatte. Da hörte sie ein Geräusch und schaute auf, als Bairon die Höhle betrat. Auch Camera und Ariadne sahen überrascht zu dem Besucher. Doch genauso überraschend wie der Besuch selbst war das, was der graue Wolf mit brachte. Er ließ vor den Wölfinnen zwei Hasen fallen. "Hier, ich denke, das könnt ihr gebrauchen", sagte er und ließ sich auf die Hinterbeine nieder. "Was soll das?", fragte Ariadne misstrauisch, während Aria die Hasen betrachtete. "Du sagtest vorhin du kannst uns nicht helfen und jetzt kommst du mit so etwas hierher. Du weißt, dass jedes Futter vorher an Nedron vorbei muss", setzte die alte Wölfin fort. "Ich hab die Schnauze voll davon ihm seinen Hintern hinterher zu tragen. Deine Enkelin hat schon recht und du auch. Es ist nicht fair, wie er sich verhält. Es wäre genug zu Fressen da, dass ihr alle versorgt werden könntet. Stattdessen gönnen seine Kinder und Vinaria sich immer mehr." Bairon seufzte. "Ich hab dich noch nie in einer so schlechten Verfassung gesehen, Ariadne. Molaris war mein bester Freund und ich war jahrelang sein Beta, als er noch Alpha war. Er hat so viel in Nedron gesehen, aber das, was Nedron nun tut, ist absolut nicht in seinem Sinn. Ich hab ihm versprochen, dass ich ein Auge auf seine Familie habe, wenn er nicht mehr ist. Das werde ich nun tun. Ich werde euch mit Nahrung versorgen", erklärte der graue Wolf. Ariadne blickte erstaunt. "Du weißt, dass Nedron dir den Kopf abreißt, wenn er das rausbekommt." Der graue Wolf lachte. "Ich hab nichts zu verlieren. Außerdem soll dieser Jungspund mal versuchen, mit meiner Erfahrung mit zu halten." Camera betrachtete die Hasen. Sie war immer noch etwas misstrauisch. "Ich habe nicht vor, euch verhungern zu lassen. Ihr braucht eure Kraft, um die Kleine zu schützen. Es wäre in Molaris' Sinne." Die alte Wölfin betrachtete den grauen Wolf, dann wurde ihre Miene weich. "Ich freue mich, dass es doch noch jemanden gibt, der sich an Molaris' Werte erinnert. ich danke dir, Bairon." Der graue Wolf brummte nur. "Jetzt fresst schon, sonst muss mir das noch leidtun." Das ließen Camera und Ariadne sich nicht zweimal sagen und machten sich über die Hasen her. Aria ging derweil zu Bairon herüber. "Du kanntest meinen Opa?", fragte sie neugierig. Der graue Wolf nickte. "Ja, ich bin mit ihm aufgewachsen. Wir haben uns sogar mal um deine Oma gestritten." Ariadne musste lachen. "Das stimmt wohl, aber ich hatte immer nur Augen für Molaris." Bairon schnaubte belustigt. "Böser Korb, den du mir gegeben hast, Ariadne. Aber ich hab's ihr verziehen und Molaris und sie waren auch so ein tolles Paar und großartige Alphas. Es ist schade, dass er von uns gegangen ist." Aria legte den Kopf schief. "Kannst du mir ein bisschen was von Opa erzählen? Wie er war, als er so klein war wie ich?", fragte sie dann. "Natürlich", sagte der alte graue Wolf und begann der kleinen Wölfin von ihrem Großvater zu erzählen. In den kommenden Wochen brachte Bairon immer wieder zusätzliche Rationen zu der kleinen Familie. Er achtete kleinlich darauf, nicht erwischt zu werden und wenn, übergab er es Nedron und sagte immer, er war gerade auf dem Weg. Aria wuchs weiter und auch ihre Mutter und ihre Großmutter legten wieder an Gewicht zu. Öfter verbrachte der alte Wolf Zeit in der Höhle der Wölfinnen und unterhielt sich mit Aria oder Ariadne. Bald war er schon »Onkel Bai« für Aria und sie balgte öfter mit ihm herum. Da die anderen Jungwölfe alle die Kinder der Alphas waren, hielten sie sich von Aria fern, weshalb sie niemanden zum spielen hatte. Doch Bairon war ein guter Spielgefährte, trotz seines Alters und er schloss die Kleine richtig ins Herz. Es schien, als ob es endlich etwas Licht in Arias Leben geben würde. Schließlich war Aria ein halbes Jahr alt, als sie die ersten Grundzüge des Jagens lernen sollte. Bairon hatte sich bereit erklärt, sie auf einen Streifzug mitzunehmen. Sie mussten nachts gehen, da Nedron streng verboten hatte, dass Aria das Jagen erlernen durfte. Es gehörte zu seinem Ziel, die Familie verhungern zu lassen, denn wenn die junge Wölfin nicht lernte, sich selbst zu versorgen, würde sie später nie allein zurechtkommen. Deswegen nutzen die beiden Wölfe den Schutz der Dunkelheit, um dem Bergpfad hinab zu gehen. Unterhalb des Berges befand sich ein kleines Waldstück, dass dem Erdwolf-Rudel Nahrung bot, auch wenn es nicht viel war. Dafür war das Waldstück zu klein und zu abgelegen. Aber es reichte, solange die Rationen reguliert waren. Allerdings gab es dort nach wie vor ein Ungleichgewicht, dass inzwischen nicht mehr nur Bairon aufgefallen war. Auch einige andere Wölfe hatten langsam genug von Nedron und deckten Bairons Streifzüge zum Wohle Ariadnes und ihrer Nachfahren. So auch heute. "Also Aria, wichtig ist, dass du zuerst eine Witterung findest. Die meisten Tiere verstecken sich, sobald sie uns bemerken, daher musst du sie vorher aufspüren und dann blitzschnell zuschlagen. Fährten finden ist anfangs schwer, aber man kann es auch schnell lernen." Aria lauschte dem alten Wolf und sah sich um. "Was jagen wir denn?", fragte sie. "Vorerst beschränken wir uns auf Hasen und Eichhörnchen, für große Tiere wie Hirsche und Rehe bist du noch zu jung und unerfahren." Der graue Wolf sah sich um, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Allerdings war es nichts Gutes. "Aria, hinter mich, sofort!" Erschrocken blickte die junge Wölfin zu dem Grauen und bemerkte dann mehrere leuchtende Augenpaare, die aus dem Wald auf sie zukamen. "Bairon, was ist hier los?", fragte sie erschrocken und wich zurück, doch auch hinter ihnen tauchten die leuchtenden Augen auf. Sie waren eingekreist. Schließlich konnte man erkennen, wer sie da umkreiste. Es war Nedron und ein paar der Wölfe, die noch hinter ihm standen. "Sieh mal einer an, wer sich da in der Nacht davon schleicht. Der alte Bairon und die unerwünschte Missgeburt. Was führt euch denn hierher im Dunkeln der Nacht?", fragte Nedron höhnisch. "Aria braucht Bewegung, also wollte ich ihr zeigen, was sich am Fuße des Berges befindet", sagte Bairon nur kühl. "Tu nicht so. Ich weiß, dass du ihr das Jagen beibringen wolltest, was gegen meinen Befehl widerstoßen hat. Außerdem habe ich auch erfahren, dass du sie über Wochen hinweg mit zusätzlichen Rationen versorgt hast. Du hast ziemlich viele Fehler gemacht, Bairon." Bairon schnaubte. "Ich habe das Richtige getan. Ich habe Molaris' Werte aufrecht erhalten. Der Wolf, der dich zum Alpha gemacht hat würde sich schämen wenn er sehen könnte, was du aus seinem Vermächtnis gemacht hast!" Nedron gab sich unbeeindruckt, auch wenn einige Wölfe neben ihm verstört zu ihrem Alpha blickten. "Molaris war ein sentimentaler Narr, der alle anderen über sein eigenes Wohl gestellt hat. Ich habe Struktur in das Rudel gebracht und Regeln aufgestellt. Dieses Durcheinander hätte uns irgendwann ruiniert", sagte der Alpha nur. "Mein Großvater war kein Narr", knurrte Aria und sprang auf Nedron zu. "Aria, STOP!", brüllte Bairon, aber es war zu spät. Die junge Wölfin war so wütend. Der Alpha reagierte natürlich auf ihren Angriff und überwältigte sie mühelos. Er packte sie fest am Nacken und biss zu. Aria wand sich und jankte laut, doch sie konnte sich nicht befreien. Bairon fackelte nicht lange und sprang nun seinerseits auf Nedron zu, der Aria loslassen musste. Er warf die Wölfin gegen den nächsten Baum und wich Bairon aus. "Du musst den Preis für deinen verrat bezahlen, Bairon. Genau wie jeder bezahlen wird, der meine Autorität untergräbt." Damit griff er an. Zwischen den beiden Wölfen entbrannte ein Kampf, wobei keiner die Überhand zu haben schien. Was Nedron mit Schnelligkeit herausholte, konterte Bairon mit Kraft und Erfahrung. Beide fügten sich erhebliche Verletzungen zu, bis sie sich beide keuchend gegenüber standen, mit mehreren blutenden Wunden übersät. "Du Grünschnabel kannst mich nicht so einfach besiegen. Ich werde kämpfen, für Molaris' Vermächtnis. Für Aria!" Damit sprang er erneut auf Nedron zu. "Schnappt ihn euch", befahl dieser nur und auf seinen Befehl griffen die anderen Wölfe an. Sie überrumpelten den alten Wolf und er konnte sich nicht gegen die Masse wehren. Am Ende blieb er leblos am Boden liegen. "Du dummer alter Narr. Ich habe ein ganzes Rudel, dass mir gehorcht. Und jeder, der das nicht tut, wird seinen Preis zahlen." Nedron spuckte ein wenig Blut aus. "Wir gehen", verkündete er und trat den Rückweg zu den Höhlen an. "Was machen wir mit der Wölfin?", fragte einer der Wölfe und blickte zu Aria. "Sie atmet noch." Nedron blieb stehen und blickte hochmütig zu Aria. Er betrachtete ihre Halswunde, die immer noch blutete. "Lasst sie liegen. Sie wird verbluten oder erfrieren. Das wird auch ihrer Mutter und Ariadne eine Lehre sein", sagte er nur und ging weiter. Einige der Wölfe folgten sofort, andere blickten bestürzt zu dem toten Bairon und zu der verwundeten, leblosen Aria. Doch sie konnten sich Nedrons Befehl nicht widersetzen, wenn sie nicht genau so enden wollten. Daher folgten auch sie ihrem Alpha und ließen beide Wölfe zurück. ----------------------------------------------- Gott, was bin ich gemein. Nicht nur, dass wir hier ein böses Drama haben, ich hab ein Open End. Gut, ich denke die Meisten wissen, dass Aria nicht sterben wird, sonst könnte sie kaum bei s Geschichte auftauchen und im Chara-Sheet drei sein, aber es stellt sich trotzdem die große Frage: Was passiert nun? Auf jeden Fall, wer jetzt Nedron an's Fell will: Ich stelle Schusswaffen und Teppichklopfer zur Verfügung xD Klopft ihn weich xD Danke für's Lesen auf jeden Fall Eure DragonEmpress Kapitel 3: Die Lehren der Elemente ---------------------------------- Ein leichter Nebel stieg in der Dunkelheit auf und ließ den Wald noch unheimlicher erscheinen, als er es eh schon war. Zugleich sorgte dieser Nebel für eine unfreundliche Kälte, die jegliches Kleintier in ihre Bauten jagte. Somit war es schon bald sehr still in dem kleinen Waldstück. Die Stille war angenehm, doch die Kälte war es nicht. Doch es war ihr unmöglich, sich dieser Kälte zu entziehen. So sehr sie es wollte, sie konnte nicht aufstehen. Sie musste in der Kälte liegen bleiben. Der Nebel schien Hände zu bilden, die sich um sie legten und sie weiter in die Kälte hinein führten und hinein in die Dunkelheit. Die Dunkelheit lockte und versprach ihr, all das Leid und den Schmerz von ihr zu nehmen. Dabei drückte die Kälte immer weiter auf sie, als wolle man sie in die Dunkelheit schieben. Man schien die junge Wölfin zu rufen, in die Dunkelheit und in die Kälte hinein. »Vielleicht sollte ich nachgeben und gehen, weg von dem Schmerz«, dachte die Wölfin und ergab sich der Dunkelheit. Die Nacht war ruhig. Zu ruhig. Die alte Wölfin lebte nun schon lange in dieser Region und es bedeutete niemals etwas Gutes, wenn der Wald vollkommen stillt war. Irgendetwas war passiert und genau dies, trieb sie aus ihrem Unterschlupf. Sie musste der Stille auf den Grund gehen. Um sie herum umfing sie Dunkelheit, als sie ihre kleine Höhle verließ, doch Ioara hatte ihre Mittel dagegen. Sie fühlte in sich hinein, bis sie ihre Elementarkraft fand, die tief in ihr schlummerte. Diese nutzte sie, um eine kleine Lichtkugel zu erzeugen, die neben ihr her schwebte und ihr den Weg erhellte. Ioara war eine alte Lichtwölfin, ihr Fell war von einem sanften Gelb. Der Wald war ihre Heimat und sie ging gerne nachts spazieren, nur begleitet von ihrem kleinen Licht. "Komm mein Licht, wir müssen herausfinden, was diese Stille erzeugt", sagte die Wölfin und folgte ihrem Instinkt. Sie kannte den Wald in und auswendig und hätte sich auch im Dunkeln zurecht gefunden, doch das Licht war ihr eine angenehme Gesellschaft, da es sie nie im Stich ließ. So zog sie durch den Wald und wusste, dass sie sich dem Erdrudel näherte. Sie wusste, dass der Bergkamm von einem reinen Erdrudel bewohnt wurde, immerhin jagten diese öfter in dem Wald, der ihr Zuhause war. Ioara hatte niemals den Kontakt zu ihnen gesucht und sich versteckt gehalten. Ihren Bau hatte man natürlich gespürt, aber sie hatte darauf geachtet, nie dort gewesen zu sein, wenn ein Erdwolf vorbei kam. Immerhin lebte sie nicht umsonst alleine. Doch nun musste sie sich dem Gebiet nähern, denn irgendetwas stimmte dort nicht. Der Nebel war dort sehr dicht und das passte nicht in das Gesamtbild. Denn normalerweise wurde der Nebel dünner, wenn man an den Waldrand kam. Nun konzentrierte er sich allerdings an dessen Rand und erweckte somit die Aufmerksamkeit der alten Lichtwölfin. "Los mein Licht, vertreibe den Nebel und zeig mir, was er zu verstecken versucht", sagte sie und ihr Licht flog in den Nebel hinein. Dieser schien sich unter dem Leuchten zu winden und verzog sich schließlich, sodass die Lichtwölfin das traurige Bild sehen konnte, dass der Nebel zu verstecken versucht hatte. Dort lagen zwei Wölfe, so wie es aussah beide tot. Scheinbar hatte es in dem Rudel Differenzen gegeben und die beiden Wölfe waren die Benachteiligten. Das erklärte auf jeden Fall, warum der Wald so ruhig war. Der Tod hielt Einzug. "Möge das Licht ihnen den Weg zu einem besseren Ort weisen und sie ihre Sorgen vergessen lassen", sagte die Wölfin und senkte ihr Haupt. Dann allerdings fiel ihr auf, dass ihr kleines Licht wie wild um einen der Wölfe herumschwirrte. "Du dummes Ding, komm wieder her", knurrte Ioara, doch das Licht begann nur noch aufgeregter zu schwirren. Die Wölfin seufzte und ging näher zu dem reglosen Körper. Dann allerdings bemerkte sie, worauf das Licht sie aufmerksam machen wollte. In dem jungen Wolfkörper war noch Leben zu finden, auch wenn es schwach war. Die alte Wölfin bemerkte die blutende Halswunde und schaute zu ihrem Licht. "Das hast du sehr gut gesehen. Jetzt hilf mir und lass uns diesem jungen Wolf helfen." Damit flog das Licht hinunter zu dem reglosen Wolfskörper und versuchte in ihn hinein zu gleiten. Ioara schloss die Augen und konzentrierte sich auf das Licht und den Körper vor ihr. "Entferne dich von der Dunkelheit und komm ins Licht zurück. Die Dunkelheit macht nur falsche Versprechungen. Sie lockt dich mit Versprechungen, aber am Ende bist du allein. Komm zurück in das Licht und in das Leben. Denk an die, die auf dich warten. Lasse ab vom Dunklen und schreite den Pfad des Lichts entlang!", rief sie aus. Da verschwand ihr Licht ganz in dem jungen Wolf, der kurz darauf von einem warmen weißen Leuchten umgeben war. Das Leuchten konzentrierte sich schließlich auf die Wunde und nach und nach schloss sich diese und die Blutung stoppte sofort. Schließlich war die Wunde geheilt und das Licht kam wieder heraus. "Na komm schon, wach auf", sagte die alte Wölfin und stupste den jungen Wolf an. Als dieser die Augen öffnete und sich umsah, erkannte Ioara, dass sie eine junge Wölfin vor sich hatte. "Wo bin ich? Was ist passiert?", fragte die Wölfin verwirrt und sah dann zu der Lichtwölfin hinauf. "Wer bist du?", war ihre dritte Frage. "Du bist am Waldrand, mein Kind. Was passiert ist, solltest du mir allerdings eher sagen können, als ich dir. Und man stellt ich den Älteren zuerst vor, bevor man fragt", kam der tadel der alten Lichtwölfin. Die junge Wölfin senkte den Blick und ließ schuldbewusst die Ohren hängen. "Es tut mir leid, ich bin nur so verwirrt. Das Letzte, woran ich mich erinnere ist, dass Bairon und ich umzingelt worden sind und..." Da stockte die junge Wölfin und blickte sich erschrocken um, bis sie den reglosen Körper des anderen Wolfes bemerkte. Sofort sprang sie auf und lief zu ihm herüber. "Bairon! Bairon! Nein, bitte nicht. Du darfst nicht tot sein! Hörst du? Du darfst nicht tot sein!" Die Tränen liefen an der Schnauze der jungen Wölfin entlang, die sich neben den große Wolf kauerte, der auf ihr Rufen nicht reagierte. Ioara schaute traurig zu, wie die junge Wölfin ihren Freund betrauerte und wartete bis deren Schluchzen fast verklungen war. "Komm, mein Kind. Hier können wir nicht bleiben. Du brauchst Ruhe und ich denke nicht, dass du sie bei deinem Rudel finden wirst", sagte die Lichtwölfin ruhig und wartete, bis die junge Wölfin sich zu ihr umdrehte. "Aber wir können ihn doch nicht hier liegen lassen", schluchzte sie und blickte erneut zu dem toten Körper des grauen Wolfes. "Das Leben endet, für einige früher, für andere später. Er kann nun einen Ort betreten, an dem ihn kein Leid der Welt mehr treffen wird. Lass ihn gehen, mein Kind. Wenn man die Toten zu fest hält, können sie die nächste Ebene nicht betreten und enden als ruhelose Geister zwischen den Welten. Lass ihn gehen. Dort geschieht ihm nichts." Die Worte der Lichtwölfin verfehlten ihre Wirkung nicht. Die junge Wölfin rieb ihre Nase an der des großen Wolfes. "Danke, Onkel Bai, für alles, was du für mich getan hast. Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt für den Ort, an den du gehst. Wenn du Großvater siehst, grüß ihn ganz lieb, auch wenn ich ihn nicht kannte. Aber sag ihm bitte, dass ich stolz bin, seine Pfoten zu tragen. Ich hab dich ganz doll lieb, Onkel Bai. Und es tut mir leid, dass du wegen mir gestorben bist. Aber ich lasse dich los." Die junge Wölfin schluckte die aufkeimenden Tränen herunter. Man sah deutlich wie schwer es ihr fiel, als sie sich schließlich abwendete. Sie folgte der Lichtwölfin und blickte nicht noch einmal zurück. Während sie durch den Wald gingen, war die junge Wölfin still. Scheinbar war sie immer noch traurig über den Verlust ihres Freundes, versuchte es aber so gut wie möglich zu verbergen. Die Lichtwölfin hatte Mitleid mit ihr. Als sie bei ihrer Höhle ankamen, ließ sie die junge Wölfin vorgehen und folgte dann selbst mit ihrem kleinen Licht. Die Höhl selbst war so gebaut, dass von einer Seite das Mondlicht hinein fiel. Daher war es nicht dunkel, sondern angenehm hell in der Höhle und Ioara ließ ihr Licht verschwinden. "Hier kannst du dich ausruhen, es passiert dir nichts. Du musst immer noch durcheinander sein." Die junge Wölfin ließ sich in einer Ecke der Höhle nieder und legte den Kopf auf ihre Pfoten. "Ich bin nicht durcheinander. Aber es tut so weh", sagte sie traurig. Die Lichtwölfin schaute sie mitfühlend an. "ich weiß, dass ein Verlust immer schwer zu verkraften ist. Aber die, die wir lieben verlassen und niemals ganz. Wir sollen sie nicht in dieser Welt festhalten, aber wenn sie die andere Welt erreicht haben, schauen sie ab und zu auf uns hinab und passen auf uns auf. Dein Freund wird immer bei dir sein, tief in deinem Herzen", erklärte die alte Wölfin und legte sich nun selbst nieder. Die junge Wölfin lauschte ihren Worten und nickte am Ende. "Also wird Onkel Bai jetzt zusammen mit meinem Großvater auf mich aufpassen?", fragte sie. Die Lichtwölfin nickte. "Wenn du fest daran glaubst", fügte sie hinzu. Dies schien die junge Wölfin zu beruhigen. "Ich bin dir sehr dankbar für deine Hilfe. Ich wäre wohl auch tot, wenn du mich nicht gefunden hättest. Mein Name ist übrigens Aria. Tut mir leid, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe." Ioara lachte. "Schon gut, immerhin warst du schwer verletzt, also verzeih ich es dir. Mein Name ist Ioara." Aria legte den Kopf schief und betrachtete ihr gegenüber. "Wie ist das eigentlich mit meiner Verletzung? Was hast du gemacht?" Die Lichtwölfin hatte mit der Frage gerechnet, denn der junge Wolf vor ihr schien noch ziemlich unerfahren zu sein. "Ich bin eine Wölfin mit der elementaren Kraft des Lichtes. Es gibt mir die Gabe Verletzungen zu heilen, sofern der Wolf bereit ist, dem Licht zu folgen. Wenn du dich aufgegeben hättest und der Dunkelheit gefolgt wärest, hätte ich nichts mehr für dich tun können. Doch da du das Licht anerkannt hast, hat es dir geholfen. Das Leben ist ein kostbares Gut und bleibt nur denen erhalten, die es zu würdigen wissen." Aria schien zunächst verwirrt und legte den Kopf schief. "Also muss man leben wollen, um den Tod zu entkommen?", fragte sie dann. Die Lichtwölfin nickte. "So kann man es sagen. Du hast eine ziemlich gute Auffassungsgabe für so eine junge Wölfin." Die junge Erdwölfin bedankte sich für das Kompliment, schien aber immer noch Fragen zu haben. "Meine Großmutter hat mir erzählt, dass es andere Elemente gibt, aber sie ist nie so darauf eingegangen. Kannst du mir mehr darüber erzählen? Wieso weiß niemand, dass ein Lichtwolf in der Nähe lebt?" Ioara schnaubte. "Weil ich mich versteckt halte. Ich lebe gerne allein, nur vom Licht umgeben. Niemand schreibt mir vor, was ich tun soll und ich bin nur für mich allein verantwortlich. Außerdem hilft allein sein manchmal, sich bewusst zu werden, wer man ist. Mein Weg führte mich weg von meinem Rudel und hierhin in die Einsamkeit. Ich habe ein anderes Empfinden für die Welt entwickelt. Ich nehme deutlicher Gerüche war, lausche mehr auf Geräusche. Ich beobachte das Licht und wie es sich den verschiedenen Lagen anpasst. Ich habe eine Ruhe in meinem Inneren, die ich bei meinem Rudel niemals gefunden hätte. Manchmal ist es besser seinen eigenen Weg zu gehen um sein Ziel zu finden. Man muss über das was man sieht hinausblicken." Aria lauschte der Lichtwölfin und blieb erneut mit Fragen zurück. Das alles war ihr zu hoch und auch wenn sie sich größte Mühe gab es zu verstehen, so wurde es ihr doch nicht ganz klar. "Mach dir keinen Kopf, meine Kleine. Du bist noch jung. Irgendwann wirst du es verstehen", erklärte die Lichtwölfin ruhig und musterte ihren Gast. "Sag mal, wie viel weißt du über die Elemente?", fragte sie dann. "Ich weiß, dass mein Rudel zu den Erdwölfen gehört. Wir spüren die Erde und können sie nach unserem Willen formen. Außerdem verstehen wir, was sie sagt und können uns in den tiefsten Höhlen zurecht finden. Von den anderen Elementen weiß ich eigentlich gar nichts", erklärte Aria und hoffte, dass die Lichtwölfin ihr etwas erzählen würde. "Das ist nicht besonders viel, aber es gibt viele reine Rudel, die nur ihr eigenes Element sehen und sich für die anderen nicht interessieren. Sie schauen ich über das was sie sehen hinaus und bleiben kleingeistig. Man sollte immer nach größerem Wissen streben", schnaubte die Lichtwölfin und begann dann, einige Zeichen mit ihrer Pfote in den Boden zu zeichnen. Diese Zeichen bilden schließlich einen Kreis. "Es gibt insgesamt sechs Elemente, deines ist die Erde. Die Kraft die Erde zu hören und zu formen. Sie steht aber auch für Geduld und Beständigkeit, denn die Erde ist ruhig und braucht lange um sich zu verändern. Mein Element das Licht gibt mir die Möglichkeit auch in tiefster Dunkelheit Licht zu erschaffen und Verwundete zu heilen. Licht steht für Hoffnung und den Blick nach vorne. Es gibt immer ein Licht im Dunkeln und somit gibt es auch immer Hoffnung." Aria lauschte der Lichtwölfin und musterte die beiden Symbole, auf die sie bei ihrer Erzählung gedeutet hatte. "Und die anderen vier Elemente? Was bedeuten die?", fragte sie neugierig. Ioara fuhr fort. "Dieses Symbol steht für das Wasser. Diese Wölfe können die tiefsten Zonen des Wassers durchforschen und sind ausgezeichnete Schwimmer. Sie können aber auch Wellen erzeugen und das Wasser bewegen. Wasser steht für Veränderung, denn es ruht nicht. Selbst ein See hat Bewegung, sei es nur der Fisch, der in ihm schwimmt. Das Wasser lehrt uns, das nichts von Dauer ist und alles seinen Weg nimmt. Das nächste Element ist Feuer. Diese Wölfe mögen keine Kälte, aber sie strahlen auch eine unglaubliche Wärme aus. Sie können Feuer erzeugen, was ihnen eine hohe Zerstörungskraft einräumt, denn Feuer kann viel Schaden anrichten. Daher tragen sie eine große Verantwortung. Allerdings steht das Feuer auch für Leidenschaft. Man muss seinen Gefühlen treu bleiben und immer mit vollem Herzen hinter dem stehen, was man tut. Dann haben wir da noch den Wind. Windwölfe sind in der Lage zu fliegen und den Wind zu formen. Sie verstehen, was der Wind flüstert, wenn er durch Bäume und Gräser weht. Der Wind lehrt uns die Ruhe, aber auch die Freiheit. Man muss stets ruhig bleiben und seine Taten überdenken. Unüberlegtes Handeln führt zu Fehlern und diese können tödlich enden. Allerdings lässt sich der Wind auch nicht einfangen, wodurch er die Freiheit symbolisiert. Man hat immer das Recht auf eigene Entscheidungen und eine eigene Meinung." Aria war näher gerückt und musterte die verschiedenen Symbole. Es war interessant alles erklärt zu bekommen, doch sie bemerkte auch, dass Ioara ihr etwas mit auf den Weg geben wollte. "Und das letzte Element?" Ioara betrachtete das Symbol, dass sie gezeichnet hatte. "Das letzte Element ist die Finsternis. Diese Wölfe können Dunkelheit erzeugen und einem somit die Sinne rauben. Einige Finsterniswölfe sind keine sehr freundlichen Zeitgenossen. Doch die Finsternis lehrt und auch etwas, nämlich das Gleichgewicht. Jeder Wolf hat seine guten und seine schlechten Seiten und jeder hat einen Funken Dunkelheit in sich. Doch es liegt an uns ob wir dem nachgeben oder ob wir ihm widerstehen." Ioara sah Aria an. "Du magst ein Erdwolf sein, aber schaue darüber hinaus und entdecke, was dich die anderen Elemente lehren können. Sei offen für sie und ihre Weisheiten und du wirst im Leben deinen Weg finden." Aria schaute die Lichtwölfin an und schwieg. Sie war der alten Wölfin dankbar dafür, dass sie ihr die Elemente erklärt hatte. Doch sie musste darüber nachdenken, was sie gerade gehört hatte. Jedes Element schien seine Besonderheit zu haben, aber es war wohl besser, keine Vorbehalte zu haben. Man schien sogar viel von den Elementen lernen zu können. "Denk nicht zu viel darüber nach, junge Wölfin. Das Leben ist eine Schule und wir dir stets neue Dinge zeigen und dein Wissen auf die Probe stellen. Merke dir nur, dass alle Elemente zusammen gehören. Jedes Element hat seinen Gegenpol und so entsteht ein Gleichgewicht in dieser Welt. Wo Licht ist, ist auch Schatten, so Schmerz ist, kann auch Freude sein. Alles hat sein Gegenstück und seinen Platz in dieser Welt. Du wirst deinen auch noch finden", sagte die alte Wölfin und sah noch zu, wie die junge Erdwölfin einschlief. Am nächsten Morgen wurde Aria von der Lichtwölfin geweckt. Der Wald um sie herum war zum Leben erwacht und neugierig lauschte die Erdwölfin den Geräuschen, die es um sie herum gab. Sie hörte Vögel und das Wehen des Windes in den Blättern, sie nahm Gerüche war, die ihr unbekannt waren. Es war alles neu und sie folgte Ioara aus der Höhle. "Ich war gestern Nacht noch einmal bei dem Körper deines Freundes und habe dafür gesorgt, dass sein Geist auch wirklich Frieden finden kann. Du brauchst dir darüber also keine Sorgen zu machen", berichtete die Lichtwölfin und Aria sah sie überrascht an. "Ich will dir etwas zeigen. Bist du bereit zu lernen, was ich dir beizubringen habe?" Die Erdwölfin musterte die Lichtwölfin. "Hast du nicht gesagt, dass du nicht gerne in Gesellschaft bist?", fragte sie. Ioara lachte. "Ja, aber ich denke du bist eine gute Schülerin, daher mache ich eine Ausnahme. Nun folge mir, ich will dir die Elemente in ihrer ursprünglichen Form zeigen." Damit lief die Lichtwölfin los und Aria folgte ihr. Die Lichtwölfin führte Aria an einen kleinen Fluss, der durch den Wald zog. Er war nicht besonders groß und wäre fast nur ein Bach gewesen, aber er war breit genug um sich Fluss zu nennen. "Beginnen wir mit dem Wasser. Wie ich bereits sagte bedeutet Wasser Veränderung. Das hier begann mit einem kleinen Rinnsal, das sich immer weiter durch den Erdboden fraß. Nun ist es ein Fluss der Fischen Heimat birgt und den Tieren hier als Wasserquelle dient. Du siehst das jedes Element auch seinen Platz in der Welt hat und etwas für seine Umgebung tut. Wir brauchen Wasser zum Überleben." Die Lichtwölfin trank und auch Aria stillte ihren Durst. "Sag mir, Aria, kannst du deine Elementarkraft einsetzen?" Die Erdwölfin sah auf. "Nein, bisher nicht. Zumindest hat mir niemand gesagt wie." Ioara nickte. "Ich habe es vermutet. Du musst in dein Innerstes hinein sehen. Dort wirst du deine Elementarkraft finden. Sie wird wahrscheinlich noch nicht allzu stark sein, weil du jung bist, aber sie ist da. Sie erlaubt dir, die Erde zu spüren und zu kontrollieren." Aria legte den Kopf schief. "Wie muss ich mir die Kraft denn vorstellen?" Die Lichtwölfin seufzte. "Du denkst zu viel nach. Nicht alles hat eine Form und deine Kraft auch nicht. Sie fließt durch dich hindurch und daher hat sie keine Form." Aria schüttelte den Kopf. "Aber wie soll ich etwas sehen, was gar keine Form hat?", fragte die Erdwölfin und war nun noch verwirrter als vorher. Die Lichtwölfin schüttelte den Kopf. "Du blickst noch nicht auf das, was du nicht sehen kannst. Also gehen wir zurück zu den ursprünglichen Elementen. Du musst erst einmal die Kleingeistigkeit überwinden." Damit lief die Lichtwölfin wieder los und Aria lief murrend hinterher. Diesmal kamen sie zu einer kleinen Lichtung, auf der die Bäume das Sonnenlicht nicht verdeckten. "Licht ist immer da, tagsüber strahlt die Sonne, Nacht erhellt uns der Mond. Deswegen stellt es Hoffnung da, denn Licht ist immer da, sogar in der Dunkelheit. Deinen Weg musst du jedoch selbst finden." Aria sah sich um. "Ich merke den Wind hier deutlicher als im Wald", sagte die Erdwölfin und sah zu der älteren Wölfin. Ioara nickte. "Hier sind keine Bäume die ihn bremsen. Der Wind trägt uns Gerüche zu, aber auch Geräusche. Windwölfe haben ein ganz feines Ohr dafür. Aber wie du merkst tut der Wind, was er will und fangen wirst du ihn nie." Aria nickte und verstand langsam, was die Lichtwölfin ihr mitzuteilen versuchte. "Feuer kann ich dir leider nicht zeigen, weil es hier in der Nähe keines gibt. Aber behalte immer im Hinterkopf, dass Feuer ein starkes Element mit enormer Zerstörungskraft ist. Doch es bedeutet auch Wärme und ohne Wärme und Leidenschaft, wofür das Element auch steht, würden wir alle einsam erfrieren." Die junge Erdwölfin schwieg und dachte darüber nach. "Mama sagte, dass mein Vater ein Feuerwolf ist. Er ist aber gegangen und hat meine Geburt nicht miterlebt. Das ist doch nicht richtig!" Ioara schwieg und betrachtete die junge Wölfin. "Seine Gründe kann ich dir nicht nennen, das kann nur er selbst. Aber wenn deine Mutter und er sich geliebt haben, ist das die Wärme, die ich meine." Aria knurrte. "Wenn ich ihn sehe werd ich ihn beißen", murrte sie und entlockte der alten Wölfin ein Lachen. "Das steht dir natürlich frei. Aber jetzt lass uns zum letzten Element kommen. Dunkelheit." Damit lief sie wieder los, gefolgt von ihrer Schülerin, bis sie an einen scheinbar verlassenen Bau kamen. "Das ist ein Erdloch", stellte Aria nur fest und betrachtete den Bau. "Du erwartest jetzt aber nicht, dass ich dich dafür lobe, dass du diese Entdeckung gemacht hast, oder?", fragte Ioara und lachte Aria ganz offensichtlich aus. "Ich weiß, dass es ein Erdloch ist, aber da drinnen ist es dunkel. In meine Höhle scheint Licht, hier nicht." Ioara gab Aria einen Schubs. "Los, rein da." Aria stolperte und fiel mit dem Kopf zuerst in das Loch. Es war ziemlich schmal, weswegen sie Mühe hatte hinein zu kriegen, aber am Ende saß sie in dem dunklen Loch. "Und was soll mir das jetzt sagen?" "Die Dunkelheit ist nicht dein Feind, du darfst dich ihr nur nicht ergeben. Selbst im Dunkeln ist ein Funken Licht und es gibt immer einen Ausweg. Du musst nur ruhig bleiben", erklärte Ioara. Die Erdwölfin kämpfte sich mühevoll wieder aus dem Loch heraus und schüttelte sich. "Nächstes Mal wäre ein größeres Loch aber doch nicht zu viel verlangt, oder?" Sie erntete einen Klaps von Ioara. "Du dummes Ding! Du bist ein Erdwolf, wenn du ein größeres Loch willst, dann mach dir eines!", schimpfte die Lichtwölfin und Aria zog schuldbewusst den Schwanz ein. Die alte Wölfin seufzte. "Eindeutig kleingeistig. Du siehst nur das, was vor deiner Nase ist." Aria murrte. "Ich versuche ja es zu begreifen, aber es ist so kompliziert. All die Elemente und ihre Lehren und diese vielen Eindrücke. Ich bin etwas überfordert." Die Lichtwölfin schüttelte den Kopf. "Du bist einfach nicht bereit dich zu öffnen. Und bevor du dich nicht öffnest kann ich dir nichts beibringen. Du hast Potenzial, aber du kennst es nicht." Ioara sah Aria ernst an. "Ich bringe dich nach Hause. Wenn du bereit bist, dich der Welt zu öffnen, fangen wir neu an. Vielleicht musst du auch erst einmal deine eigene Kraft finden, bevor du die anderen verstehen kannst. Lerne noch ein wenig dazu, meine kleine Erdwölfin und dann kommst du wieder." Damit ging Ioara los und ließ keinen Widerspruch mehr zu. Sie begleitete Aria bis zu der Felswand und erklärte ihr den Weg hinauf. "Ich bin sicher, dass wir uns wiedersehen, kleine Wölfin. Aber dann, wenn du nicht mehr so kleingeistig bist." Damit verließ Ioara sie und Aria blieb zurück. Die Erdwölfin sah der alten Wölfin noch nach, bevor sie den Weg nach Hause antrat. Allerdings war natürlich noch unklar, was sie dort erwarten würde, denn Nedron hatte sie töten wollen. Doch eines hatte Aria beschlossen: Sie würde nicht mehr länger klein bei geben. --------------------------------------------------------------------- Da war es schon wieder vorbei. Ich hätte es noch weiter ausführen können, aber ich mag meinen Cut hier, denn Aria muss noch ein paar Eindrücke gewinnen, bevor sie die Lehre der alten Wölfin versteht. Die Beschreibung der Elemente hat übrigens vorher zu Gesicht bekommen, denn auch da hab ich mir die Erlaubnis geholt. Ich hoffe auf jeden Fall es hat gefallen und bis zum nächsten Kapitel ^^ Kapitel 4: Die Stimme der Erde ------------------------------ Vorsichtig stieg die junge Wölfin den Bergpfad hinauf. Bei jedem Geräusch hielt sie inne und lauschte. Sie war unerwünscht und wahrscheinlich hielt man sie für tot. Nedron würde auf jeden Fall sicher sein, dass sie es war, denn er hatte sie verwundet. Wäre Ioara nicht gewesen, gäbe es die Erdwölfin nicht mehr und deswegen war sie unsicher, was passieren würde, wenn sie nun zum Rudel zurückkehrte. Natürlich würden ihre Mutter und ihre Großmutter überglücklich sein. Bei dem Rest des Rudels sah das anders aus. Allerdings waren einige von ihnen Mörder und Aria knurrte bei dem Gedanken. Immerhin hatten sie Bairon auf dem Gewissen. Entschlossen erklomm sie den Berg weiter, bis schließlich die ersten Höhlen erblickte. Seltsamerweise war niemand zu sehen und die Schritte der Erdwölfin wurden langsamer. Vielleicht wartete ein Hinterhalt auf sie. Schließlich hörte sie ein Geräusch und fuhr erschrocken herum, nur um in das tränenerfüllte Gesicht ihrer Mutter zu blicken. "Aria? Oh Gott, Aria!" Sofort war Camera bei ihrer Tochter und vergrub ihr Gesicht in ihrem Fell. "Meine Süße, ich hatte solche Angst um dich. Du gingst mit Bairon weg und als ihr nicht zurückgekommen seid... Dann Nedrons Worte..." Camera schluckte und weitere Tränen liefen ihre Wangen hinunter. "Er hat uns ganz stolz verkündet, dass du tot bist. Aber ich konnte es nicht glauben. Eine... eine Mutter spürt, wenn ihre Tochter tot ist, oder nicht?" "Jetzt lass das arme Ding doch erst einmal ankommen, Camera", ertönte eine ältere Stimme und nun trat auch Ariadne an ihre Enkelin heran. Sie rieb ihre Schnauze kurz an der von Aria ehe sie Camera in die Seite stieß. "Jetzt hör mit dem Geheule auf und lass uns reingehen, bevor sie jemand sieht. Nedron wird schon früh genug erfahren, dass sie wieder da ist." Camera nickte nur und die drei Wölfinnen zogen sich in ihre Höhle zurück. "Nun erzähl mal, Liebes. Was ist passiert? Und wo ist Bairon?", fragte Arias Mutter und die junge Wölfin ließ die Ohren hängen. "Onkel Bai ist tot. Nedron und ein paar andere Wölfe haben uns am Wald aufgelauert. Er wollte mich beschützen und deswegen..." Aria konnte den Satz nicht beenden, es tat immer noch weh, dass der alte Wolf gestorben war. Ariadne knurrte und Camera fuhr vor Schreck zusammen, als die Höhle zu beben begann. "Mutter, beruhige dich! Du bringst noch die Höhle zum Einsturz!" Die ältere Wölfin atmete ein paar Mal tief durch, um ihre Fassung zurück zu gewinnen und damit ließ auch das Beben nach. Aria schaute ihre Großmutter überrascht an. "Dieser räudige, verlogene Hundesohn! Ich hätte ahnen müssen, dass er etwas im Schilde führt! Aber ich hätte nie gedacht, dass er so weit gehen würde. Molaris würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das wüsste!", knurrte Ariadne und fletschte die Zähne. So hatte Aria ihre Großmutter noch nie gesehen. "Sag mal, hast du gerade die Erde zum Beben gebracht, Oma?", fragte sie und staunte nicht schlecht. Die alte Wölfin sah ihre Enkelin an. "Manchmal folgt die Kraft so sehr unserem Gefühl, dass sie die Umgebung beeinflusst. Am liebsten würde ich Nedron seinen verdammten Kopf abbeißen!" Camera seufzte. "Mutter, das Thema hatten wir schon. Es bestürzt auch mich, dass Bairon gestorben ist, aber wir sind gegen Nedron machtlos. Sonst hätten wir schon längst etwas getan", erinnerte die Wölfin ihre Mutter. "Erde steht für Geduld und Beständigkeit, da Erde lange braucht, um sich zu verändern", murmelte Aria und erntete einen erstaunten Blick von den beiden älteren Wölfinnen. "Wo hast du das denn her?", fragte Ariadne. "Ioara hat mir das beigebracht", antwortete Aria und erzählte ihrer Familie anschließend von ihrer Begegnung mit der Lichtwölfin. "Also lebt seit Jahren ein Lichtwolf in unserer Nähe und wir wussten es gar nicht", schloss Ariadne und lachte. "Es gibt also etwas, was sogar dem großen Nedron entgangen ist." Camera schüttelte den Kopf. "Wir sollten froh darüber sein. Immerhin hat sie Aria gerettet. Irgendwann werde ich ihr dafür danken. Nun müssen wir aber überlegen, was wir wegen Nedron tun. Er wird ausrasten, wenn er Aria hier sieht." Die junge Mutter war immer noch besorgt um ihre Tochter. "Ioara meinte, sie würde mir mehr beibringen, wenn ich gelernt habe, mich der Welt zu öffnen. Ich verstehe immer noch nicht, was sie damit gemeint hat", murrte Aria. Ariadne überlegte. "Nun, ich schätze sie will, dass du dich auf andere Eindrücke einlässt. Du sollst unvoreingenommen an die Dinge heran gehen und sie so nehmen, wie sie sind, ohne sie zu hinterfragen", erklärte die Älteste ihrer Enkelin. Die Geschichte Arias hatte die alte Wölfin neugierig gemacht. Es kam selten vor, dass man andere Elementarwölfe so nahe an einem Rudel antraf, besonders alleine. Es kam durchaus vor, dass ein paar Streuner vorbeizogen, aber dass sich jemand so offen in der Nähe eines reinen Rudels niederließ war ungewöhnlich. Außerdem schien die Wölfin ziemlich viel über die Elemente zu wissen und hatte ihr Wissen so offen an Aria weiter gegeben. "Es wundert mich, dass sie dir das alles erzählt hat. ich erinnere mich nicht, dass Elementarwölfe gerne Schüler eines anderen Elements aufnehmen, schon gar nicht, wenn sie diese nicht kennen. Es gibt zwar auch Gemischtrudel, aber so wie jetzt... Das ist mir noch nie zu Ohren gekommen." Ariadne legte den Kopf schief. "Aber deine Großmutter weiß auch nicht alles, vielleicht gibt es durchaus mehr solcher Wölfe, die einfach nur gern allein leben und schwer zu finden sind." Aria war in Gedanken versunken und begann dann, die Zeichen der Elemente in den Boden zu kratzen, so wie Ioara es getan hatte. Dann musterte sie das Bild. Es sah nicht so schön aus, wie bei der älteren Wölfin, aber Aria gefiel es. "Ich fänd es schön mal Wölfe der anderen vier Elemente zu treffen. Feuer, Wasser, Wind und Finsternis. Aber einen netten Finsterniswolf, wenn es geht." Ariadne lachte. "Vielleicht wirst du das eines Tages, meine Kleine. Eines Tages vielleicht." Camera seufzte. "Ist euch aufgefallen, dass wir die ganze Zeit vergessen zu besprechen, was wir wegen Nedron tun sollen?" Schlussendlich war das Gespräch nie bei Nedron angelangt. Viel mehr hatte Aria ihrer Großmutter Löcher übe die Elementarkraft in den Bauch gefragt. Seit sie bei Ioara gewesen war, war ihr Wunsch ihre eigene Kraft zu entdecken noch stärker geworden. Sie wollte ihre Kraft entdecken und nutzen. Leider konnte auch ihre Großmutter ihr keine vernünftige Erklärung geben, wie sie ihre Kraft finden konnte und Aria schlief irgendwann enttäuscht ein. Am nächsten Tag passierte dann das, was Camera so verzweifelt hatte besprechen wollen. Nedron erreichte die Nachricht, dass Aria wieder da war und seine Wut war deutlich am Berg spürbar. Wütend lief er in seiner Höhle auf und ab, nachdem ihm einer seiner Gefolgsleute davon erzählt hatte. "Liebling, beruhige dich. Keiner ihrer Familie wird auch nur wagen etwas zu tun. Sie wissen, was du tun kannst und werden sich hüten, dir die Stirn zu bieten", sagte Vinaria ruhig und beschäftigte sich weiter mit ihrer Fellpflege. Als Alphawölfe bewohnten sie die größte Höhle, tief im Berg. Es waren ein paar Lichtschachte geschaffen worden, sodass ihre Höhle erleuchtet war. In ihr tollten Nedrons drei Kinder herum, während dieser wütend auf und ab ging. Die Alphawölfin beobachtete ihren Gefährten, auch wenn der größte Teil ihrer Aufmerksamkeit bei ihrem Fell lag. "Es geht nicht darum, ob sie etwas tun, Vinaria! Es geht darum, dass diese kleine Ratte noch lebt und dann auch noch die Dreistigkeit besitzt, hier wieder aufzutauchen!", blaffte er seine Gefährtin an und erneut bebte die Höhle. Seine Kinder fuhren erschrocken zusammen und blickten zu ihrem Vater. "Nedron, du regst dich doch nicht wirklich wegen dieser Missgeburt auf, oder?" Vinaria wandte ihren Blick nun zu dem Alphawolf und schüttelte den Kopf. "Liebling, du bist der Alpha und alle respektieren dich. Niemand würde es wagen dich herauszufordern. Warum sich also um einen Wurm kümmern?", fragte die Wölfin hochnäsig. "Weil ein Apfel mit einem Wurm nun einmal faul ist", knurrte Nedron und ließ sich auf die Hinterläufe nieder. "Ich habe die anderen dazu gebracht, Stillschweigen zu bewahren, aber wie leicht wird es ihnen fallen, wenn sie dieses Balg sehen?" Vinaria schaute überrascht auf. "Du meinst sie könnten Schuldgefühle bekommen und plaudern? Dass du diesen alten Sack getötet hast?", fragte sie. Nedron nickte. "Ihr wird man vielleicht nicht glauben, aber wenn einer von den anderen kalte Pfoten bekommt, könnte es doch ärgerlich werden. Ich bin schon immer lieber gefürchtet gewesen als geliebt, aber wenn sich alle Wölfe gegen mich stellen sieht es eng aus. Auch wenn ich der gewählte Nachfolger dieses alten Narrs Molaris bin." Vinaria legte den Kopf schief. "Also müssen wir schauen, dass sie Schweigen und dass die Kleine am besten verschwindet?" Wieder nickte Nedron. "Aber möglichst unauffällig. ich will nicht offen wegen Kindermord angeklagt werden. Das im Wald konnte ich als Notwehr verkaufen, immerhin hat sie mich angegriffen." Nedrons Stimme war kühl und er bereute auch nicht, was passiert war. Dann erregten seine Kinder seine Aufmerksamkeit, die auf ihn zuliefen. "Vater, lass uns das regeln!", rief sein erster Sohn. "Ja, wir werden es ihr zeigen und ihr so eine Angst einjagen, dass sie nie wieder kommen wird. Sie wird es noch bereuen und so beleidigt zu haben", verkündete Nedrons Tochter. Sein anderer Sohn schwieg, aber alle drei Wölfe sahen ihren Vater entschlossen an. Vinaria lächelte zufrieden, als sie sich erhob und sich an die Seite ihres Gefährten stellte. "Sieht du, Nedron? Deine Kinder sind genauso schlau wie wir beide und sie werden sicher gute Arbeit leisten. Wir sind die Alphawölfe und wir werden es bleiben, bis unsere Kinder dieses Rudel führen werden. Unser Geschlecht wird das alles überdauern. Keiner nimmt uns die macht, also beruhig dich wieder." Der Alphawolf stimmte schlussendlich zu und gab seinen Kindern die Erlaubnis. Diese schmiedeten sofort einen Plan, den sie direkt am nächsten Tag durchführen wollten. Der nächste Tag begann für Aria ziemlich langweilig. Ihre Mutter und ihre Großmutter waren für die Jagd eingeteilt und somit war sie schon sehr früh allein in der Höhle. Ihre Mutter hatte ihr verboten die Höhle zu verlassen, was die junge Wölfin ziemlich übertrieben fand. Aber Camera hatte Angst, dass Nedron sich erneut etwas einfallen lassen würde, um der jungen Wölfin etwas anzutun und so war die Höhle wohl der sicherste Ort. Nun lief die junge Wölfin missmutig in dem kleinen Raum auf und ab und fluchte über Nedron und die ungerechte Welt. Immerhin war Nedron immer noch Alphawolf, obwohl er Bairon getötet hatte und auch Aria war ja fast gestorben. Trotzdem zogen alle anderen Erdwölfe den Schwanz ein und gehorchten dem Wolf weiterhin. Nach Arias Ansicht waren sie alle Feiglinge. Leider konnte die junge Wölfin gar nichts tun, denn sie konnte ihre Kräfte absolut nicht nutzen und war noch zu klein und unerfahren. Doch in der Höhle vergammeln wollte Aria auch nicht und so schlich sie sich am Ende doch hinaus. Draußen war niemand zu sehen und die junge Wölfin lief ein wenig den Bergpfad hinauf. Sie Luft war diesmal recht kühl, aber das machte der jungen Wölfin nichts und sie genoss die frische Luft. Zwar gab eine Höhle immer noch Geborgenheit, aber ab und an war frische Luft ganz nett. Dass sie keinem anderen aus dem Rudel begegnete, lag wohl daran, dass der größte Teil jagen war. So war Aria ziemlich sorglos, bis sich ihr plötzlich drei Wölfe in den Weg stellten. Es waren die Kinder von Nedron. Eigentlich hätte Aria den dreien genauso viel Respekt zollen müssen, die den Alphawölfen, das hatte Nedron immer wieder betont. Doch Aria weigerte sich das Haupt vor Wölfen zu beugen, die genauso alt waren wie sie. Abgesehen davon, dass der Vater der drei in ihren Augen ein eiskalter Mörder war. "Seht ihr, Brüder? Sie ist viel zu hochnäsig. Sie verneigt sich nicht", knurrte Nedrons Tochter. "Kiora, du weißt doch, was Mutter gesagt hat. Missgeburten haben keinen Anstand, weil sie ohne ihn geboren werden. Und ohne Hirn", erwiderte einer der Söhne. Kiora kicherte. "Stimmt, Vito. Mama hat ja so recht." Aria schnaubte. "Gut zu wissen, dass eure Dummheit anscheinend von eurer Mutter vererbt wurde", sagte Aria nur trocken und bekam dafür ein Knurren der beiden Geschwister. Das dritte von Nedrons Kindern verhielt sich ruhig im Gegensatz zu seinen beiden Geschwistern. "Was fällt dir ein! Du hast kein Recht so über unsere Mutter zu reden! Du bist hier die Missgeburt!", schrie Kiora sich an, doch Aria gab sich unbeeindruckt. "Glaubst du echt ich hab Angst vor dir? Deine Mutter ist eine eingebildete Ziege und dein Vater ist ein brutaler Mörder. Ich glaube da hab ich es mit meinen Vorfahren besser getroffen." Kiora fletschte die Zähne. "Lass dich nicht von ihr auf die Palme bringen, Schwester, das zeigt nur, wie dumm sie eigentlich ist. Immerhin beleidigt sie gerade die Kinder der Alphawölfe", schnaubte Vito und hob hochnäsig den Kopf. "Also auf die Eltern wäre ich nicht stolz, aber scheinbar wird Hochnäsigkeit in eurer Familie genauso vererbt wie die große Klappe", erwiderte Aria nur kühl. Nun knurrte auch Vito. "Halt endlich dein Maul!", blaffte er die junge Erdwölfin an. Dann erklang die Stimme von Nedrons anderem Sohn, woraufhin die drei anderen zusammenzuckten. Nedrons drittes Kind war anders als seine Geschwister. Der junge Wolf war sehr schweigsam und sah immer sehr nachdenklich aus. Meist trottete er seinen Geschwistern nur hinterher. Er war kleiner als Vito und Kiora und fiel daher auch meist gar nicht auf, wenn er sich zwischen seinen Geschwistern verbarg. "Lasst euch nicht provozieren und vergesst nicht, was wir eigentlich vorhatten", erinnerte er seine Geschwister. Für sein junges Alter hatte er eine sehr tiefe Stimme, die so gar nicht zu seinem schmächtigen Äußeren passte. "Du hast Rech, Nox. Sie soll ja immerhin für ihre Frechheit bezahlen", verkündete Kiora und sie zeigte ein böses Grinsen. Aria beobachtete die drei Geschwister. Irgendwie bekam sie ein ungutes Gefühl. Dann sprach Vito sie direkt an. "Wusstest du eigentlich, dass es hier eine Höhle gibt, die keinen Zugang zu den anderen hat? Sie ist abgeschottet worden, nachdem man festgestellt hat, dass dort unheimlich viel Krabbelzeug lebt. Spinnen, Käfer, Würmer... Alles Mögliche kriecht da drin herum und deswegen hat man sie zugemacht." Auch Vito grinste nun böse. "Wir wissen aber, wo sie liegt. Wir sind mal darauf gestoßen, als wir unsere Kraft ausprobiert haben", fügte Kiora hinzu. Arias ungutes Gefühl nahm zu. "Und warum erzählt ihr mir das?", fragte die junge Wölfin und wich zurück. "Weil du genau dort landen wirst", erklärte Nox kühl und bevor Aria sich versehen konnte, brach die Erde unter ihr auf und sie fiel durch einen Schacht, bis sie irgendwann unsanft auf dem Boden aufkam. Durch das wenige Licht, das durch den Schacht fiel, konnte sie ein Dutzend Augen erkennen, die sie anstarrten. Der größte Teil kam von Spinnen, die an den Wänden hingen. Man sah überall Netzte, doch es gab auch kleine Löcher, aus denen Käfer und Würmer krochen. Aria sprang erschrocken auf und blickte zu dem Schacht. "Lasst mich hier raus!", rief sie. Die hörte das Lachen der Geschwister. "Viel Spaß da drin, Käfera", kam nur von Vito und kurz darauf schloss sich der Schacht und die Höhle versank in Dunkelheit. Aria zitterte am ganzen Körper. Nachdem der Schacht geschlossen war und kein Licht mehr in die Höhle fiel, konnte sie sich nur noch auf ihr Gehör und ihre Nase verlassen. Leider roch es in der Höhle sehr mufflig und somit war es nur ihr Gehör, das blieb. Was sie hörte, ließ sie schauern, denn sie hörte wie die Tiere um sie herum sich bewegten. Auf sie zu, wie sie annahm. Aria hatte Angst, sie war wie betäubt und konnte sich nicht bewegen. Plötzlich wurde sie von etwas am Bein berührt, wodurch sie aufsprang, nur um dann etwas auf ihrem Rücken zu bemerken. Aria schrie und wand sich und warf sich zu Boden, aber wenn sie ein Gefühl los war, kam das nächste. Immer mehr Viecher schienen auf sie zu krabbeln und wenn sie versuchte etwas zu zertreten, bekam sie dafür an einer anderen Seite einen Stich oder einen Biss ab. Irgendwann schrie sie nicht mehr, sondern presste ihre Kiefer aufeinander, um ja nichts zu verschlucken. Irgendwann fehlte ihr die Energie und sie kauerte sich so gut es ging auf dem Boden zusammen und drückte ihre Ohren zu, damit auch dort nichts rein krabbelte. Je länger sie liegen blieb, desto ruhiger wurden auch die Krabbeltiere. Sie wurde nicht mehr gebissen, aber es lief immer noch etwas auf ihr herum und Aria zitterte wie Espenlaub. Es war ein Alptraum und sie konnte nichts tun als hoffen, dass sie wieder dort rauskam. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Es lief nicht mehr viel auf ihr herum, aber sie bemerkte die Spinnweben in ihrem Fell und wollte gar nicht wissen, was die Krabbeltiere dort noch hinterlassen hatten. Immer noch kauerte sie auf dem Boden, aber sie hatte zumindest ihre Ohren loslassen können. Immer noch hörte sie das Krabbeln der Tiere und es machte ihr immer noch Angst. Doch sie kam aus ihrer Lage nicht heraus und so konnte sie nur am Boden liegen und zittern. Sie hatte keine Ahnung, wie lang sie nun dort gelegen hatte. Es konnten nur Stunden sein, Aria hatte das Gefühl, dass es eine Ewigkeit war. Dass man sie nicht leiden konnte, sie verachtete, damit konnte sie inzwischen leben. Aber die Grausamkeit, die Nedron uns seine Nachkommen inzwischen an den Tag legten, machte ihr Angst. Sie hatte sich nicht mehr unterkriegen lassen wollen. Die junge Wölfin hatte kämpfen wollen. Doch nun war sie deswegen in dieser misslichen Lage. Tief unter der Erde, begraben in einer Höhle voller Krabbeltiere. Tränen begannen an ihren Wangen herunter zu laufen und irgendwann überkam sie die Erschöpfung. Aria wusste nicht, ob sie geschlafen hatte, oder ohnmächtig geworden war. Auf jeden Fall merkte sie, dass die Tiere erneut auf ihr herumkrochen. Wahrscheinlich hatte sich etwas in den Netzen auf ihr verfangen und die Spinnen genossen ihr Mahl. Es war wohl besser, nicht zu viel darüber nachzudenken. Da es nach wie vor dunkel war, konnte Aria nicht einschätzen, welche Tageszeit war. Jegliches Zeitgefühl war in dieser Höhle verschwunden. "Warum tun sie das? Was hab ich denn getan, dass man mich so bestraft? Ich will doch auch nur ein ruhiges Leben führen...", flüsterte die junge Wölfin, wohlwissend, dass sie außer dem Krabbelvieh niemand hören konnte. Ihr Magen knurrte und sie merkte, wie ihr Maul langsam trocken wurde. Es war zu allem Überfluss auch ziemlich warm in der Höhle. Somit holte sie erneut die Erschöpfung ein und sie ergab sich ihr erneut. Verzweifle nicht. Trauere nicht. Die Erde gibt dir Kraft und führt dich. Die Erde ist geduldig. Die Erde braucht ihre Zeit. Aria erwachte erschrocken und riss den Kopf hoch. Sie merkte, dass sie damit irgendein Tier von sich abwarf, aber das war egal. Etwas hatte sie aufgeschreckt. Es war eine Stimme gewesen. Eine unbekannte Stimme, die nicht mal wirklich einen Ton gehabt hatte. Sie klang nicht männlich, sie klang aber auch nicht weiblich. Es war wie eine innere Stimme, die der jungen Wölfin Worte vorgegeben hatte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie hergekommen war und fast glaubte die Wölfin, sich etwas eingebildet zu haben. Doch da klangen die Worte erneut in ihrem Kopf und erschrocken versuchte Aria, sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Doch alles was sie hörte, waren die Geräusche der Tiere um sie herum. "Spielen mir diese blöden Wölfe jetzt noch einen Streich?!", knurrte sie. Doch es passte nicht wirklich zu dem Verhalten von Nedrons Kindern. Eine Stimme in ihrem Innern, die Aria zu beruhigen versuchte. Es war seltsam, aber die junge Erdwölfin hatte das Gefühl, dass die Stimme ein Freund war. Sie atmete einmal tief durch und schloss die Augen. Aria versuchte sich auf ihr Inneres zu konzentrieren. Irgendwo in ihr war eine Kraft. Ihre Elementarkraft. Sie hatte es bei Ioara damals nicht geschafft, diese zu finden. Allerdings auch nur, weil sie versucht hatte ein Bild zu finden. Doch auch die Worte hatten keine Form, zu der sie gehörten. Es waren nur Worte. Also war ihre Kraft vielleicht auch einfach da, ohne ein Form zu haben. Somit hoffte sie, dass sie irgendwie darauf zugreifen konnte, wenn sie sich nur fest genug konzentrierte. Die Erde braucht Zeit um sich zu verändern. Die Erde ist beständig. Die Erde ist geduldig. Verzweifle nicht, kleine Aria. Die Erde ist nicht dein Feind. Die Erde beschützt dich. Überrascht lauschte die junge Erdwölfin den Worten. Diesmal war sie direkt angesprochen worden. Und nun merkte sie auch, woher die Worte kamen. Sie spürte es in ihren zwei grauen Pfoten, der leichte Impuls, der aus dem Boden kam. Erst war er nur leicht da, aber je mehr sie sich darauf konzentrierte, desto deutlicher war es zu spüren. Es war die Erde selbst, die zu ihr sprach. Diese Erkenntnis traf die Erdwölfin ziemlich schwer. Immerhin war sie der Meinung gewesen, dass die Erde leblos war und nicht sprechen konnte. Langsam dämmerte ihr, was Ioara ihr versucht hatte mitzuteilen. "Kleingeistigkeit... Man braucht keinen Körper, um ein Lebewesen zu sein", murmelte sie. Sie konzentrierte sich weiter auf die Erde unter ihren Pfoten. "Bitte, liebe Erde. Ich bitte dich um Hilfe. Ich will hier nicht sein. Ich möchte zurück zu meiner Familie. Ich möchte noch mehr lernen. Ioara hat versprochen mich weiter zu unterrichten. Ich möchte eine starke Wölfin werden, auf die meine Mutter und meine Großmutter stolz sein können. Ich bitte dich, Erde, die du uns Freundin und Mutter bist, hilf mir hier raus." Aria hatte ihre Bitte stumm gesprochen und wartete auf eine Reaktion. Aber zunächst tat sich gar nichts. Doch dann spürte sie erneut den Impuls unter ihren Pfoten. Die Erde hatte sie erhört. Aria richtete sich auf, als die Höhle zu beben begann. Sie hörte, wie die kleinen Tiere sich verkrochen und plötzlich hörte sie ein Grollen, als sich eine Wand der Höhle zu öffnen begann und schlussendlich einen Pfad nach draußen freigab. Das plötzliche Licht brennte ihr in den Augen und sie konnte nicht anders, als diese fest zu schließen. Doch sie brauchte ihre Augen nicht. Sie spürte den Boden unter sich deutlich, der ihr signalisierte, wo sie lang musste. Also folgte sie der Erde, hinaus nach draußen. Hinaus in das Licht. Als sie draußen ankam, spürte sie sofort die kühle Luft. Sie streckte die Nase in den Wind und genoss die kühle Brise. Immerhin war es in der Höhle wirklich heiß gewesen. Ihre Augen schmerzten noch immer und Aria behielt sie lieber zu. Doch weiterhin pulsierte die Erde unter ihr. Hinter ihr verschloss sich währenddessen ihr Ausgang aus der Höhle. Aria verstand, dass die Krabbeltiere die Dunkelheit brauchten und die Erde ihnen daher ihren Lebensraum so zurück gab, wie er war. "Ich danke dir, Mutter Erde. Ich danke dir für meine Freiheit und ich verspreche, dass ich dich immer schätzen werde", sagte Aria. "Scheint so, als ob du dazu gelernt hast, meine kleine Freundin", hörte sie dann plötzlich eine Stimme, die sie allerdings nur zu gut kannte. "Ioara! Schön dich zu sehen", rief Aria erfreut. "Von sehen kann keine Rede sein. Immerhin hast du die Augen zu. Wie siehst du überhaupt aus? Du bist voller Spinnweben und ähnlichem Zeug", hörte sie die Lichtwölfin. Scheinbar war ihr Höhlenausgang am Wald ausgekommen. Sie war nicht mehr auf dem Berg. "Ich weiß, ich muss furchtbar aussehen. Ich war in einer Höhle eingesperrt. Aber die Erde hat mir geholfen", erklärte Aria in der Kurzfassung. Ioara nickte. "ich schlage vor wir machen dich sauber und du erzählst mir anschließend, was passiert ist." Aria stimmte zu und folgte Ioara. Wieder leitete sie die Erde, denn sehen war nach wie vor nicht möglich. Ioara hatte sie zum Fluss geführt und Aria hatte sich direkt ins Wasser gestürzt. Zwar mochte sie nass werden nicht besonders, aber es war viel besser, als voller Käferreste zu sein. Es dauerte lange, bis sie alles losgeworden war, aber sie genoss das kühle Nass. Außerdem trank sie eifrig, nachdem sie sauber war. Dann trat sie zurück ans Ufer und schüttelte sich. "Lass mich mal nach deinen Augen sehen, meine Kleine", sagte dann die Lichtwölfin und Aria blieb ruhig sitzen. "Ich schätze du bist vorhin zu doll geblendet worden. Ich helfe dir." Kurz darauf spürte Aria das warme Gefühl, dass sie damals schon gemerkt hatte. Ioara heilte sie. Somit konnte Aria anschließend die Augen öffnen und sah der alten Lichtwölfin direkt ins Gesicht. "Du hast also deine Kraft gefunden", stellte Ioara fest. "Ja, die Erde hat zu mir gesprochen. Sie sagte ich soll keine Angst haben, weil sie mich beschützt. Somit konnte ich mich befreien." Ioara legte den Kopf schief. "Seltsam", murmelte sie und bemerkte Arias verwirrten Blick. "Normalerweise beginnt eine Elementarkraft nicht so stark. Ich kenne mich bei Erdwölfen nun nicht ganz so gut aus, aber ich meine, dass sie anfangs nicht so deutlich hören können, was die Erde sagt. Dazu so einen Weg durch den Berg zu formen. Sehr seltsam." Aria betrachtete ihre Pfoten. "Ich spüre sie aber. Ganz deutlich. Vor allem unter den beiden grauen Pfoten." Die Lichtwölfin blickte interessiert auf die beiden besonderen Pfoten, die Aria besaß. "Nun, dann kannst du stolz auf sie sein. Aber zu etwas Anderem. Ich habe versprochen dich zu unterrichten, wenn du dazu gelernt hast. Ich schätze das hast du. Deswegen, willst du meine Schülerin werden, Aria?", fragte die Lichtwölfin. Die Erdwölfin schaute die Lichtwölfin an und seltsamerweise kam nicht sofort eine Antwort. Aria schien genau darüber nachzudenken. Schließlich antwortete sie: "Ich möchte dazu lernen. Ich möchte etwas über alle Elemente lernen. Aber ich denke, dass ich vorher noch mehr über mich selbst und meine Verbindung zur Erde lernen muss, bevor ich etwas zu den anderen lernen kann. Ich möchte deine Schülerin sein, aber ich denke, ich brauche noch etwas Zeit." Auf Ioaras Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. "Du hast wirklich dazugelernt, meine Kleine. Du bist viel reifer als vorher. Nun gut, komm zu mir, wenn du bereit bist. Du weißt, wo du mich findest." Damit verließ die Lichtwölfin ihre junge Freundin und Aria blieb am Wasser sitzen. Sie betrachtete ihr Spiegelbild auf er Wasseroberfläche. "Es muss einen Grund haben, warum ich eine so starke Verbindung zur Erde habe. Warum ich sie so deutlich höre und fühle." Die junge Wölfin nickte entschlossen. "Irgendwann werde ich den Grund dafür finden. Irgendwo sucht jemand nach mir." Aria schloss die Augen und sandte ein erneutes Gebet zur Erde. "Mutter Erde, egal welchen Weg du für mich vorsiehst und welche Aufgabe du mir anvertrauen willst, ich werde mein Bestes geben, um zu lernen. Zu lernen, was ich wissen muss, um diese Aufgabe zu erfüllen. Und wer immer auf mich wartet, lass ihn wissen, dass ich ihn finden werde." Die junge Erdwölfin bliebe eine ganze Weile sitzen, bis sie sich auf den Weg zurück nach Hause machte. Diesmal allerdings nicht als unerfahrener junger Wolf, sondern als stolze Erdwölfin. Kapitel 5: Konfrontation ------------------------ Nach Zeiten mal wieder ein Kapitel und das auch nur, weil ich das Internet meiner Eltern für eine kurze Zeit nutzen darf. Ich hab selber noch keines, das regt mich so auf. Aber schreiben kann ich wenigstens und daher kommt nun ohne großes Gerede das nächste Kapitel. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der Weg den Berg hinauf fiel ihr inzwischen leichter. Früher war es schwer gewesen, aber diesmal fühlte es sich an, als würde die Erde ihr helfen, den steilen Pfad zu erklimmen. Es war merkwürdig, aber Aria empfand eine tiefe Ruhe, die sie vorher nie gespürt hatte. In dem Moment, in dem ihr ihre Elementarkraft bewusst geworden war, hatte sie einen Frieden verspürt, der irgendwie seltsam war. Auch wenn ihre Mutter und ihre Großmutter es nicht leicht hatten und Aria in Nedrons Augen ein Schandfleck war, so war sie immer noch eine Wölfin des Rudels. Sie war keine Missgeburt, sie war eine Erdwölfin und darauf konnte sie stolz sein. Gerade deswegen war es Zeit, sich nicht mehr so runterziehen zu lassen. Schnell war sie bei der Höhle ihrer Familie angekommen, in der ihre Großmutter und ihre Mutter schon warteten. Camera kam sofort zu ihrer Tochter gelaufen. "Oh Gott, Aria, wo warst du? Wir haben uns Sorgen gemacht. Du solltest doch in der Höhle bleiben", kam von der immer noch sehr aufgeregten Wölfin. "Meine Güte, Camera beruhig dich. Du hast dich früher auch nicht brav in der Höhle aufgehalten, wenn ich es dir gesagt habe. Junge Wölfe wollen nun einmal etwas erleben", schnaubte Ariadne. "Entschuldigt, dass ihr euch Sorgen gemacht habt. Aber ich war eine Weile in einer Höhle eingesperrt", erwiderte Aria und sofort waren die anderen beiden Wölfinnen hellhörig. So gaben sie erst Ruhe, als Aria von dem Überfall durch Nedrons Kinder erzählte. Außerdem erzählte die junge Wölfin davon, wie die Erde am Ende zu ihr gesprochen hatte, um sie zu beruhigen und schlussendlich sicher aus der Höhle zu führen. Beide Wölfinnen sahen die junge erstaunt an. "Du hast die Erde gehört?", fragte Camera ungläubig und sah zu ihrer Mutter. "Das kann doch gar nicht sein. Ein junger Erdwolf kann doch nie so mit der Erde in Kontakt stehen, oder nicht, Mutter?" Ariadne schien plötzlich sehr nachdenklich zu sein. "Oma?", fragte Aria verwirrt, denn ihre Großmutter reagierte überhaupt nicht auf Cameras Frage. Die alte Wölfin erhob sich und ging um ihre Enkelin herum, wobei sie sie genau betrachtete. Aria war nicht minder verwirrt als ihre Mutter. Schließlich ließ Ariadne sich wieder auf ihre Hinterbeine nieder und sah die anderen beiden an. "Ich kann mir das auch nicht wirklich erklären", sagte sie dann. "Wieso tust du so geheimnisvoll, wenn du es doch nicht weißt?", knurrte Camera und konnte über ihre Mutter nur den Kopf schütteln. "Ich habe nicht gesagt, dass ich es nicht weiß, ich habe nur gesagt, ich kann es nicht erklären", knurrte nun Ariadne. "Wo ist denn da der Unterschied?", fragte Aria verwirrt. "Der Grund, dass du die Erde so gut hören kannst sind die da", meinte ihre Großmutter und deutete auf die silbergrauen Pfoten ihrer Enkelin. Die junge Wölfin hob ihre betroffene Vorderpfote und betrachtete sie. "Was ist denn das Besondere an den Pfoten, abgesehen davon, dass sie eine andere Farbe haben?", wollte die junge Wölfin wissen. "Ich behaupte, du hast die Pfoten deines Großvaters geerbt. Er hatte ein besonders feines Gespür für die Erde und hat oft zu ihr gesprochen. Ich weiß noch, wie er teilweise Stunden still dasaß und in vollkommenen Einklang mit der Erde war. Er nannte es sensible Pfoten. Sie sind wohl besonders selten und dein Großvater hatte sogar alle Pfoten so. Du scheinst zwei zu haben, aber die letzten vor deinem Großvater sind angeblich einige hundert Jahre her. Es heißt, dass ein solcher Wolf eine besondere Aufgabe hat und daher in viel tieferer Verbindung zur Erde steht. Aber dass es auch dazu führen würde, dass du deine Elementarkraft so früh entdecken würdest, habe ich nicht erwartet", erklärte die alte Wölfin. Aria legte den Kopf schief. „Ich verstehe nicht so ganz“, murmelte die junge Wölfin und auch Camera schüttelte den Kopf. „Was willst du uns denn damit nun sagen, Mutter?“ Ariadne sah zu ihrer Tochter. „Ich glaube unsere kleine Aria hat noch Großes vor sich“, schloss die alte Wölfin nur und ließ ihre Tochter und ihre Enkelin immer noch verwirrt zurück. Die nächsten Tage hielt Aria sich von Nedrons Kindern fern. Sie zog sich lieber auf ein kleines abgelegenes Felsplateau zurück und probte ihre neu gewonnene Elementarkraft. Allerdings endete es sehr schnell in Frustration. Egal was die junge Wölfin versuchte, die Erde unter ihren Pfoten rührte sich kein bisschen und die Stimme der Erde war überhaupt nicht zu hören. Aria schubste einen Stein beiseite und gab ein mürrisches Knurren von sich. „Der Stein kann auch nichts dafür“, hörte sie kurz darauf die Stimme ihrer Großmutter hinter sich. Aria drehte sich zu dieser herum. „Wieso funktioniert es nicht, Oma? Die Erde reagiert so gar nicht auf mich“, murrte die junge Wölfin. „Du bist zu ungeduldig, Kind. Die Erde hat dir in der Höhle geholfen. Das heißt aber nicht, dass sie dir direkt blind gehorcht. Die Erde ist ein ruhiges Element. Sie braucht eine Weile, um in Bewegung zu kommen. Und du darfst nie vergessen, man kontrolliert die Erde nicht. Die Erde erlaubt dem Wolf, sie zu bewegen und zu nutzen. Aber sie ist und bleibt ihr eigener Herr, so wie jedes andere Element auch“, erklärte Ariadne. Aria legte den Kopf schief und betrachtete den Stein, der ein Stück weggerollt war, nachdem sie ihn gestoßen hatte. „Wer hätte gedacht, dass das alles so kompliziert ist. Aber ich hätte bis vor kurzem auch nicht damit gerechnet, die Erde zu hören“, murmelte die junge Wölfin. „Du wirst es schon noch lernen. Lass dich einfach von der Erde führen“, riet die ältere Wölfin ihrer Enkelin und ließ diese dann auch wieder alleine. Den Rat ihrer Großmutter beherzigte Aria in ihren nächsten Trainingseinheiten und schon bald konnte sie Erfolge verzeichnen. Sie hatte die Erde gebeten sie zu unterrichten und die Erde war gefolgt. Wenn Aria sie bat, formte sie sich und schon bald war die junge Wölfin in der Lage, kleinere Erdskulpturen zu formen und Felsen zu bewegen, solange sie nicht allzu groß waren. Gleichzeitig wurde die Stimme der Erde lauter und deutlicher und schon bald konnte die junge Wölfin sie sehr genau hören. Ihre Bindung zur Erde wuchs und wuchs und schon bald war die Wölfin bereit, sich größeren Herausforderungen zu stellen. Deswegen wagte sie sich eines Tages zum Trainingsplateau, auf dem die Jungwölfe unter Aufsicht einiger Erwachsenen ihre Elementarkräfte trainieren konnten. Es gab eine Art Grube in der die Wölfe Kämpfe austrugen, um ihre Stärke zu messen, dazu gab es Felswände, die man erklimmen konnte, sowie einige Felsbrocken, die man bewegen konnte. Als Aria das Plateau erreichte, waren einige andere Wölfe verschiedenen Alters dort. Allerdings waren auch Nedrons Kinder anwesend, die ihrem Lehrer wenig Aufmerksamkeit schenkten. Dieser schien ihnen gerade etwas zu erklären, allerdings war Aria zu weit weg davon, um etwas verstehen zu können. Als man sie entdeckte endete das Gespräch allerdings sehr abrupt und alle Augen richteten sich auf sie. „Seht mal, wen wir da haben. Käfera ist wieder da“, rief Kiora. „Dass sie sich wieder aus ihrem Loch getraut hat“, spottete Vito. Nox hingegen war ruhig und schaute nur abfällig. Aria ignorierte die Kinder der Alphas und ging zu einer der Felswände. „Hey, Käfera, ein wenig Respekt! Du hast hierher zu kommen und dich zu verbeugen, bevor du an uns vorbeigehst! Immerhin sind wir die Kinder der Alphas!“, knurrte Kiora. Aria schnaubte. „Na und? Deswegen werfe ich mich euch doch nicht zu Pfoten“, schnaubte die junge Wölfin. Auf dem Plateau wurde es totenstill. „Sag mal, hat man dir keinen Respekt beigebracht?“, schnaubte die Tochter der Alphas und baute sich vor Aria auf. Sie bleckte die Zähne und knurrte, aber Aria blieb unbeeindruckt. Vito stellte sich neben seine Schwester. „Eyy, auf den Boden! Du hast uns Respekt zu zeigen!“, knurrte er. „Du weißt doch nicht mal, wie man „Respekt“ buchstabiert“, konterte Aria. „Was fällt dir eigentlich ein? Sollen wir dich noch einmal in eine Höhle verfrachten, damit du lernst, dich zu benehmen?!“, fragte Kiora aufgebracht. Inzwischen hatten sich alle Wölfe, die sich auf dem Plateau befanden, um die kleine Gruppe versammelt und einige begannen zu tuscheln. Arias offene Respektlosigkeit über den Kindern der Alphas schien sie zu irritieren, denn offen die Stirn bot keiner, weder den Kindern noch den Alphas selbst. Sie alle unterwarfen sich Nedrons Willen. Inzwischen hatte sich auch Nox zu seinen Geschwistern gesellt und betrachtete Aria abschätzend. „Du hast eine ganz schön große Klappe“, sagte er dann ruhig. Er war vielleicht der kleinste unter den Geschwistern, aber man sagte er war dafür der mit der stärksten Elementarkraft. Daher hatte er auch das Sagen unter den drei Kindern. „Ich habe einfach keine Lust nach eurer Pfeife zu tanzen“, erwiderte Aria. Vitos Knurren wurde lauter. „Pass bloß auf, sonst mach ich dich platt“, warnte er. Allerdings blieb die junge Wölfin weiterhin unbeeindruckt. Was natürlich keiner der anderen wissen konnte war, dass die mit der Erde kommunizierte. „Mutter Erde, wirst du mir helfen, wenn sie mich angreifen? Ist es erlaubt ihnen das Maul zu stopfen?“, fragte sie. Die Erde gab ihr eine Zustimmung und machte ihr deutlich, dass Aria ihren Beistand hatte. Die Erde mochte die Jungen der Alphas nicht, die den nötigen Respekt vor ihrem Element verloren. Daher stand das Element voll hinter Aria. Aber das ahnte bis dahin niemand. „Hast du sonst noch was zu sagen? Wenn nicht, würde ich mich gerne mit Wichtigeren Dingen befassen“, wandte Aria an Vito gewandt zu und der Wolf ging sofort auf die Provokation ein. Er knurrte und sprang auf Aria zu. Bevor er sie allerdings erwischen konnte, erhob sich eine kleine Felswand aus dem Boden empor und der größere Sohn der Alphas knallte mit voller Wucht dagegen. Die Erde allerdings hielt stand und so landete Vito am Boden und hielt sich den Kopf. Kiora und auch die umstehenden Wölfe betrachteten inzwischen teils verwundert teils erschrocken die Wand, die sich erhoben hatte. „Was zum… warst das etwa du?“, fragte die Tochter der Alphas und sah erschrocken zu Aria. „Eigentlich muss ich euch dafür danken, dass ihr mich in dieser Höhle eingesperrt habt, denn dadurch hat die Erde mit mir gesprochen. Und falls es euch interessiert, sie kann euch nicht leiden!“, schnaubte Aria. Kiora schaute sie ungläubig an, offensichtlich verunsichert. Allerdings drang plötzlich eine Stimme zu der Gruppe, die deutliches Missfallen ausdrückte. Es war niemand anderes als Vinaria, die Alphawölfin. „Niemand hört die Erde! Die Erde ist nur ein Werkzeug, dass man zu seinen Gunsten nutzen kann! Sie beugt sich unserem Willen! Zu glauben, dass die Erde zu jemandem spricht und jemanden bevorzugt, ist absolut lächerlich. Das zeigt nur wieder einmal, wie dumm und einfältig du und deine Familie doch bist.“ Die Alphawölfin nahm neben ihrer Tochter Stellung, die sich in Anwesenheit ihrer Mutter wieder sicherer zu fühlen schien. Inzwischen hatte auch Vito sich wieder erhoben, hielt aber einen Sicherheitsabstand zu Aria. Das Getuschel zwischen den Wölfen des Rudels wurde mehr, offensichtlich war das Ganze Grund für eine rege Diskussion. Das erweckte erneut das Missfallen Vinarias. „Ruhe!“, bellte sie und alle Wölfe zuckten zusammen. „Du hast gar keine Ahnung. Die Erde hat sehr wohl eine Stimme und einen eigenen Willen. Vielleicht schafft ihr es momentan noch, sie zu beugen, aber irgendwann wird sie euch nicht mehr dienen und mal sehen, ob ihr dann noch so selbstsicher seid“, erwiderte Aria. Vinaria schnaubte. „Dummes Ding. Aber bitte, wenn du meinst mit der Erde plaudern zu können, dann glaub deine Hirngespinste.“ „Das sind keine Hirngespinste“, ertönte daraufhin Ariadnes Stimme. Der Trubel auf dem Plateau war inzwischen dem ganzen Rudel bekannt und immer mehr Wölfe sammelten sich um die Schaulustigen herum. Die alte Wölfin trat an die Seite ihrer Enkelin, gefolgt von ihrer Tochter Camera. „Molaris, meine Gefährte und euer ehemaliger Alpha hat immer zur Erde gesprochen und er hat sie deutlicher gehört, als jemals ein Wolf dieses Rudels zuvor. Nur weil ihr den nötigen Respekt vor der Erde verloren habt, ist es kein Hirngespinst!“, knurrte die alte Wölfin. Vinaria schnaubte abfällig. „Molaris war ein einfältiger Narr. Deswegen war es für dieses Rudel auch das Beste, dass Nedron das Rudel übernommen hat“, erklärte die Alphawölfin. Ariadne legte die Ohren an und knurrte. Allerdings trat Aria vor, bevor die alte Wölfin irgendetwas tun konnte. „Du und deine Familie könnt mich gerne beleidigen, drangsalieren, isolieren oder was auch immer euch einfällt. Aber niemand beleidigt meinen Großvater!“ „Du hast ihn nicht mal gekannt, also ist es ziemlich unsinnig für einen senilen alten Wolf Partei zu ergreifen“, meinte Kiora. „Molaris war kein seniler alter Wolf, er war ein großartiger Alpha und hat das Rudel ordentlich geführt“, wandte nun einer der umstehenden Wölfe ein. Auch einige andere Wölfe des Rudels äußerten ähnliche Dinge und die meisten waren auch der Meinung, dass ihr alter Alphawolf ein gerechter Anführer gewesen war. Im nächsten Moment wurde der Wolf, der als erster Partei für den alten Alpha ergriffen hatte, zu Boden gerungen und ein tiefes Knurren folgte. Nedron war aufgetaucht und hatte den Wolf überwältigt. Die Bisswunde am Hals des Wolfes war deutlich und dieser zog den Schwanz ein und legte sich flach vor dem Alpha auf den Boden. Auch viele der anderen Wölfe senkten ihr Haupt. Nedron schnaubte und sah zu Aria, ihrer Großmutter und ihrer Mutter. „Du scheinst wirklich nicht dazu zu lernen. Nicht nur, dass du gar nicht existieren solltest, jetzt bist du auch noch so dreist, meine Familie so respektlos zu behandeln und mit deinen Hirngespinsten Unruhe in dieses Rudel zu bringen. Das Ganze ist an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten. Es wird glaube ich Zeit, dich endgültig in deine Schranken zu weisen“, erklärte der Alpha. Allen schien klar zu sein, was er damit meinte und die Wölfe, die sich gerade noch so eng um das Geschehen versammelt hatten, traten scheu etwas zurück. Aria blieb stehen. „Meinst du so wie der hinterhältige Angriff auf Bairon und mich? Der Tag an dem du Bairon umgebracht hast? Oder tust du diesmal so als würdest du ein öffentliches Exempel statuieren?“, fragte sie den Alpha frei heraus. Sofort ging das Gemurmel im Rudel wieder los. Bairons Tod war bekannt, aber immerhin war nie offen bekannt geworden, dass Nedron für seinen Tod verantwortlich gewesen war. Immerhin hatte der Alpha die beteiligten Wölfe zum Stillschweigen verdammt. „Pass auf, was du sagst“, knurrte Nedron. „Ich habe keine Angst vor dir. Du bist kein guter Alpha, du bist ein egoistischer Tyrann, der alle unterdrückt und die ausschaltet, die nicht nach seiner Pfeife tanzen. Und deine Familie ist nicht besser als du“, warf Aria ihm vor. Nedron fletschte die Zähne. Danach sprang er auf Aria zu. Diese konnte mit einem Satz zur Seite knapp ausweichen, allerdings rutschte sie aus und landete sehr unsanft auf ihrem Bauch. Sie konnte sich gerade rechtzeitig wieder aufrappeln, um dem nächsten Angriff von Nedron auszuweichen. Aria lief los, durchbrach die Reihen der umstehenden Wölfe und versuchte Nedron zu entkommen, der ihr nachhetzte. „Mutter Erde, bitte hilf mir“, flehte sie die Erde an. Kurz darauf schossen Erdsäulen aus dem Boden, die immer wieder vor Nedron auftauchten. Der Alpha erwischte sie fast, schaffte es aber immer auszuweichen und verfolgte Aria weiter. Die Wölfe des Rudels waren inzwischen auf die höheren Ebenen geflüchtet, um der Auseinandersetzung zu entgehen. Arias Mutter und ihre Großmutter wurden indes von Vinaria und ihren Kindern davon abgehalten, der jungen Wölfin zu Hilfe gekommen, die von Nedron über das Plateau gejagt wurde. Am Ende hatte der Alpha sie in die Grube getrieben und Aria hatte keine Möglichkeit mehr auszuweichen. Außerdem war sie außer Atem und dadurch waren die Erdsäulen, die Nedron den Weg blockiert hatten, deutlich weniger geworden. Der Alpha hatte sie in die Ecke gedrängt. „Ich muss zugeben, dass du scheinbar was von deiner Elementarkraft verstehst, aber es reicht nicht, um gegen mich anzukommen. Es wird Zeit, einen Störenfried loszuwerden“, knurrte der graue Wolf und griff Aria erneut an. Allerdings traf er nicht die junge Wölfin. Ihre Großmutter hatte sich am Ende an Vinaria vorbei stürzen können und war dazwischen gesprungen. Nedron hatte sie an am Brustkorb erwischt und bemerkte erst nach einem kurzen Augenblick, dass er nicht Aria erwischt hatte. Er ließ die alte Wölfin los, die sofort zu Boden ging. Aria stürzte zu ihrer Großmutter. „Oma? Oma! Sag doch was!“, jammerte sie. Nedron schnaubte. „Das ist das letzte Mal, dass ich dich davonkommen lasse. Beim nächsten Mal, wird einer deiner Sippe sterben, entweder du, oder sie“, drohte er, drehte sich um und ging. Camera war indes bei ihrer Tochter und ihrer Mutter angekommen. Sie stupste die alte Wölfin an und war nicht minder besorgt als ihre Tochter. „Bitte, irgendwer muss helfen! Bitte!“, flehte Aria, aber die Wölfe des Rudels wandten unter Nedrons eisernem Blick ihre Mienen ab und nach und nach leerte sich das Plateau. Von Ariadne kam ein erschöpftes Schnaufen und die Wunde blutete ziemlich stark. Aufgrund ihres Alters setzte die Verletzung ihr noch mehr zu, als es einem jungen Wolf getan hätte. Camera war wütend. „Ihr seid alle Feiglinge! Anstatt zu helfen, rennt ihr alle mit eingezogenem Schwanz davon! Glückwunsch zu dem Mangel an eigener Meinung!“, schrie sie die Wölfe an, die einfach stumm vorbeigingen. Aria schaute zu ihrer Mutter, die sie bisher nie so aufgebracht gesehen hatte. „Mama, wir müssen sie den Berg runterbringen, in den Wald. Wir müssen zu Ioara. Sie kann bestimmt noch etwas tun“, wimmerte die junge Wölfin, sich an diese Möglichkeit klammernd. Sie zitterte vor Erschöpfung, aber die Sorge über ihre Großmutter überwog. Camera sah zu ihrer Tochter. „Aria, der Weg ist zu lang, das schaffen wir nie“, wandte die Wölfin traurig ein. „Doch, das müssen wir. Oma wird überleben. Ich werde nicht noch jemandem verlieren!“, schrie sie verzweifelt und presste ihre Pfoten fest auf den Boden. „Bei all der letzten Kraft, die ich habe und bei meinem Opa Molaris, ich bitte dich Erde, hilf mir und trage meine Großmutter nach unten. Wenn ich dafür umfallen muss, aber bitte, hilf mir“, schluchzte Aria. Zunächst tat sich nichts doch dann erhob sich die Erde unter Ariadne ein Stück, umfasste genau ihre Konturen und schob die Wölfin ganz langsam voran. Es war als würde die alte Wölfin auf einer Erdwolke schweben und Aria lief neben ihrer Großmutter her, gefolgt von ihrer Mutter. Aria und ihrer Mutter kam der Abstieg wie eine Ewigkeit vor, obwohl sie dank der Erde nur wenige Minuten gebraucht hatten. Die junge Wölfin war inzwischen am Ende ihrer Kräfte, die Erde half ihnen zwar, aber die Kraft dafür kam von ihr. Doch sie musste für ihre Großmutter stark sein und daher riss sie sich zusammen. Ihre Mutter beobachtete Ariadne genau und schien inzwischen zu sehr unter Schock zu stehen, um ihrer Tochter mit dem Transport helfen zu können. So lag die Last allein auf der jungen Wölfin, die kurz vor dem Zusammenbrechen war, als sie den Wald endlich erreichten. „Halt nur noch ein bisschen durch, Oma. Ioara hilft dir“, versuchte Aria zu sagen, aber ihre Stimme war nur noch ein Fiepen, so sehr rang sie nach Atem. Camera schien etwas zu sich zu kommen, als sie die Erschöpfung ihrer Tochter bemerkte. „Der Wald ist groß. Finden wir sie denn rechtzeitig?“, fragte die Wölfin besorgt und blickte zu ihrer immer flacher atmenden Mutter. „Wenn ihr mich suchen müsstest, vielleicht nicht. Aber ich bin schon da“, erklang die ruhige Stimme Ioaras und die alte Lichtwölfin trat zwischen den Bäumen hervor. Neben ihrem Kopf schwebte ihr Licht, das erst zu Aria flog und dann über Ariadne schwebte. Ioara trat zu den drei Erdwölfinnen und schaute Aria an. „Bitte, hilf meiner Oma“, flüsterte diese noch, bevor sie in Ohnmacht fiel. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das ist eine sehr gemeine Stelle um aufzuhören, ich weiß. Aria hat nun auf eine sehr schmerzhafte Art gelernt, dass die Erde zwar bereit ist zu helfen, dafür aber ihre Kraft braucht und diese ist begrenzt, vor allem, da Aria ihre Kräfte gerade erst gefunden hat. Stellt sich nur die Frage wie hoch der Preis ist, den sie dafür bezahlen muss. Kann Ioara Ariadnes Verletzungen heilen? Oder wird Aria schon wieder eine geliebte Person verlieren? All das erfahrt ihr im nächsten Kapitel, ich bemühe mich es nicht zu lange aufzuschieben :-) Kapitel 6: Das Gleichgewicht der Natur -------------------------------------- Geräusche. Da waren einige um sie herum, allerdings nahm sie jeden nur als dumpfen Laut war, der weit entfernt zu sein schien. Aria hatte das Gefühl zu schweben, in einer endlosen Schwärze. Die junge Wölfin blickte sich um, sah allerdings nichts weiter als tiefes Schwarz. Sie versuchte zu rufen, aber kein Ton kam heraus. Auch ihre Bewegungen konnte sie nicht kontrollieren. So schwebte sie in der Dunkelheit und konnte nichts Anderes als sich umsehen, um nach etwas Greifbaren zu suchen. Plötzlich erschienen Bilder, eines nach dem anderen, bis sie die junge Wölfin umkreisten. Sie erblickte Bairons toten Körper, während sie selbst blutend danebenlag. Sie sah ihre Mutter, die angefeindet wurde, als sie mit ihrem Jungen an den anderen Wölfen vorbeiging. Ein anderes Bild zeigte ihre Großmutter, die nach Nedrons Angriff zu Boden gegangen war. Ein Angriff, der eigentlich ihr gegolten hatte. Während diese drei Bilder sehr groß vor ihr erschienen, sammelten sich dazwischen kleinere Bilder, die alle daran erinnerten, welchen Hass und welche Abneigung ihre Großmutter und ihre Mutter wegen ihr hatten ertragen müssen. Aria winselte. Sie war der Ursprung für alle Probleme ihrer Familie. „Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre nie geboren worden“, überlegte die junge Wölfin still. Als hätte jemand den Gedanken aufgegriffen, erschien ein Licht vor ihr. Eine süße helle Stimme ertönte in ihrem Kopf und schmeichelte ihr. „Komm zu uns, Aria. Dann sind alle Sorgen vergessen und deiner Familie wird es gut gehen. Warum willst du aufwachen und in diese traurige Welt zurückkehren? Komm zu uns und beende dein Leid.“ Die junge Wölfin schaute zu dem Licht. Es war so schön weit weg von der Finsternis und den grausamen Bildern, die ihr Leben zu bestimmen schienen. Es würden immer mehr dazu kommen und sicher würden ihre Großmutter und ihre Mutter nur weiter leiden. Wenn ihre Großmutter überhaupt überlebt hatte. So schwebte die Wölfin auf das Licht zu. Allerdings hielt eine Stimme sie auf. Sie war leise, aber rief immer wieder ihren Namen. Sie kam aus der Dunkelheit in der Nähe der schrecklichen Bilder. Die Wölfin versuchte den Urheber zu erkennen, aber es war nichts zu sehen. Nur ihren Namen hörte sie immer und immer wieder. Wieder versuchte die süße Stimme des Lichtes sie zu locken, indem es erneut betonte, dass alle Sorgen wegfallen würden. Doch der kontinuierliche Ruf erregte doch mehr ihre Neugier und sie wandte sich der Schwärze zu. Die Bilder verschwanden sofort, als sie diese erreicht hatte und auch die helle Stimme und das Licht waren verschwunden. Plötzlich und ganz langsam tauchte ein Wolf vor Aria auf. Er schien schon sehr alt zu sein und sein Fell war fast nur noch ein einziges helles Grau, wobei ein paar wenige letzte helle Strähnen zeigten, dass er mal eher sandfarben gewesen war. Aria fühlte sich mit dem Wolf auf eine seltsame Art verbunden und so scheute sie nicht vor ihm zurück. „Du hast dich richtig entschieden. Das Licht mag verlockend sein, aber es ist auch nicht immer der richtige Weg. Auch die Dunkelheit kann dein Freund sein. Du hast viel durchgemacht, meine Kleine und es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen kann. Aber deine Mutter und deine Großmutter sind für dich da. Und auch, wenn sie mit Anfeindungen zu rechnen haben und auch angegriffen werden, passiert das nur, weil sie dich lieben. Du bist ihnen all diese Strapazen wert und dass du bei ihnen bist ist ihnen mehr wert als alle Kontakte zu den anderen Wölfen im Rudel“, sprach der alte Wolf. Aria schaute ihn verwundert an. Es war seltsam, dass er scheinbar so viel wusste, gerade auch über ihre Sorgen. Aber sie wusste ja auch nicht, wo sie war, also war wahrscheinlich alles möglich. Der Wolf lächelte. „Du hast noch Großes vor dir, meine Kleine. Und auf diesem Weg wirst du auch noch viele Steine in den Weg gelegt bekommen. Doch du musst stark sein und den Weg trotzdem weitergehen. Dann wirst du auch irgendwann dein Glück und deinen Platz in der Welt finden. Und jetzt ist es Zeit aufzuwachen“, schloss er und langsam löste sich die Schwärze. „Warte! Wer bist du?“, versuchte Aria zu fragen, aber weiterhin kam kein Wort heraus. Doch der Wolf schien sie auch ohne Worte zu verstehen, auch wenn er ihr die Antwort eher auf Umwegen gab. „Ich werde immer über dich wachen, meine kleine Enkelin. Immer“, sagte er und dann war sie endgültig aus der Dunkelheit verschwunden. Aria schreckte auf, zuckte aber direkt wieder zusammen. Sie lag auf einem weichen Moosbett, an dem Fluss, den sie mit Ioara schon besucht hatte. Ihr Körper fühlte sich schwer an und sie spürte ein Ziehen in ihrem Hals. Aber ansonsten ging es ihr gut. Scheinbar hatte sie in ihrer Ohnmacht geträumt, geträumt von ihrem Großvater. Bei dem Gedanken daran fiel ihr allerdings auch wieder ein, wessen Leben am seidenen Faden hang. Erschrocken sah sie sich um und erkannte jetzt erst, dass Ariadne ebenfalls auf Moss gebettet nur ein kleines Stück neben ihr lag. Aria spürte eine Welle der Erleichterung als sie erkannte, dass der Körper der alten Wölfin sich durchs Atmen hob und senkte. Ihre Großmutter war am Leben und ihr Atem war nicht mehr flach und kraftlos. Die Wunde allerdings sah nicht sehr schön aus. Zwar schien sie gereinigt und verschlossen zu sein, aber die Stelle war kahl und es waren deutliche Narben zu sehen, wo sich Nedrons Zähne ins Fleisch gebohrt hatten. Aria versetzte der Anblick einen Stich. Immerhin hatte der Angriff ihr gegolten und ihre Großmutter hatte sich schützend vor sie geworfen. Die junge Wölfin hatte sich auf die Erde verlassen und Nedron provoziert, hatte aber schnell merken müssen, dass ihre Kraft begrenzt war. Langsam und vorsichtig setzte sie sich auf, zumindest versuchte sie es. Wirklich weit kam sie nicht, aber sie konnte ihre Position immerhin ein bisschen verändern. Außer ihrer Großmutter war niemand zu sehen und Aria fragte sich, wo ihre Mutter und Ioara abgeblieben waren. Allerdings drängte ein Brennen in ihrer Kehle sie erst einmal zu anderen Dingen und so nahm sie alle ihre Kraft zusammen um sich zum Wasser zu schleppen und zu trinken. Das kühle Nass tat ihrem Hals gut, der durch das heftige Atmen zuvor etwas lädiert zu sein schien. Doch das Wasser half ihr wirklich und langsam schaffte die junge Wölfin es auch, ihre müden Knochen zur Bewegung zu bekommen. So konnte sie sich schlussendlich ganz erheben und zu ihrer Großmutter herübergehen. Bevor sie diese berühren konnte, ertönte aber auch schon eine Stimme. „Lass sie schlafen, kleine Freundin. Sie braucht die Ruhe.“ Es war Ioara, die mit Camera zwischen den Büschen hervortrat. Camera hatte einen Hasen im Maul und auch zu Ioaras Pfoten ruhte einer. Offensichtlich waren die Wölfinnen jagen gegangen. Ioara nahm den Hasen und legte ihn Aria zu Pfoten. „Friss ruhig. Du brauchst die Kraft“, sagte die alte Wölfin und ließ sich neben Aria nieder. Camera nahm neben ihrer Mutter Platz und legte den Hasen neben sie. Offensichtlich war er nicht für ihr eigenes Wohl gedacht, sondern für Ariadne. Aria betrachtete ihre Großmutter. „Ist sie wirklich wieder in Ordnung?“, fragte sie. Ioara nickte. „Es war nicht leicht und hat mir viel Kraft abverlangt. Aber sie hat einen starken Willen und so konnte ich sie retten. Allerdings befürchte ich, dass ihre Schulter in Mitleidenschaft gezogen wurde. Sie wird vorne rechts wohl nicht mehr richtig laufen können. Ich kann Wunden heilen, aber nur bis zu einem gewissen Grad“, erklärte die Lichtwölfin. Aria betrachtete ihre Großmutter. Es war alles ihre Schuld. Doch die junge Wölfin erinnerte sich an ihren Traum oder was auch immer es gewesen war. Sie hatte ihren Großvater gesehen und dieser hatte ihr gesagt, dass sie sich nicht mit Schuldgefühlen grämen sollte. Es war nicht leicht, aber es brachte auch nichts, wenn sie den Kopf in den Sand steckte. Dennoch war sie sich unsicher, was sie nun tun sollte. „Zerbrich dir nicht den Kopf, meine junge Freundin“, sprach Ioara sie an. Aria sah zu ihr. „Aber was soll ich denn nun machen? Nedron hat Oma verletzt und er wird niemals Ruhe geben. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll. Ich hätte ihn wahrscheinlich nicht provozieren sollen. Vermutlich ist es das Beste, wenn ich einfach brav den Schwanz einziehe“, seufzte die junge Wölfin. „Ich hab immer gesagt, dass wir vorsichtig sein müssen“, schnaubte Camera. Aria ließ die Ohren hängen. Ein Schnauben zog die Aufmerksamkeit der drei Wölfinnen auf sich. Es gab von Ariadne, die aufgewacht war. „Hör auf so vor dem Kind zu reden! Sie kann nichts dafür, dass Nedron ein Kotzbrocken ist“, blaffte die alte Wölfin ihre Tochter an. Aria kam auf ihre Großmutter zu und gab ihr einen Nasenstupser, den die Wölfin liebevoll erwiderte. „Lass den Kopf nicht hängen, meine Liebe. Wir finden irgendwann einen Weg, diesen aufgeblasenen Windbeutel in seine Schranken zu weisen“, grinste Ariadne. „Mutter!“, rief Camera entrüstet und warf ihrer Mutter einen tadelnden Blick zu, den die alte Wölfin allerdings ignorierte. „Wie geht es dir, Oma?“, fragte Aria. „Es geht. Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht. Es braucht schon mehr, um deine Großmutter unter zu kriegen. So sehr ich deinen Opa vielleicht vermisse, zu sich holen tut er mich noch nicht. Also mach dir keine Gedanken. Immerhin war es meine Entscheidung einzuschreiten“, beruhigte die ältere Wölfin ihre Enkelin. „Und du sei ruhig, Camera“, fügte sie an ihre Tochter gewandt zu, die nur ein Mürrisches Schnauben von sich gab. Ariadne machte sich daraufhin über das Kaninchen her. „Ein wirklich interessantes Familienidyll habt ihr da“, stellte Ioara fest und Aria sah zu ihr. „Man merkt, dass ihr euch nicht immer einig seid, aber euer Zusammenhalt ist stark. Wirklich faszinierend zu beobachten.“ Ariadne hatte ihr kleines Mal inzwischen beendet und erhob sich langsam. Sie war zwar etwas wackelig auf den Beinen, aber sie schaffte es sich aufzusetzen. „Aria, mein Liebling, komm mal her, ich will dir etwas geben“, sagte die alte Erdwölfin dann und ihre Enkelin trat noch einen Schritt näher. Ariadne löste mit ihrer gesunden Vorderpfote den Federschmuck, den sie am Ohr trug, sodass er zu Boden fiel. Dort nahm sie ihn mit dem Maul auf und deutete ihrer Enkelin, noch etwas näher zu kommen, was diese auch tat. Im nächsten Moment schrie Aria auf, weil ihre Oma ihr ins Ohr gebissen hatte und schüttelte energisch den Kopf. Allerdings bemerkte sie, dass der Ohrschmuck, den ihre Großmutter gerade noch selbst getragen hatte, nun an ihrem Ohr hing. Die junge Erdwölfin bewegte prüfend ihr Ohr, aber der Anhänger mit den zwei blauen Federn hang fest. „Wenn er wirklich halten soll muss er durchs Ohr, also musste ich dich beißen. Tut mir leid. Aber ich wollte dir diesen Anhänger schenken. Ich habe ihn damals von deinem Großvater bekommen, als er mich gefragt hat, ob ich seine Gefährtin werden will. Woher er ihn hatte weiß ich nicht, aber das zählt auch nicht. Jetzt möchte ich ihn dir vermachen. Er soll dir Kraft geben und dich immer daran erinnern, dass du stolz auf dich und deine Herkunft sein kannst. Zweifle nie daran. Du wirst mal einen wichtigen Teil zum Wohle der Welt beitragen. Da bin ich sicher“, sagte die alte Erdwölfin und gab ihrer Enkelin einen liebevollen Stups. Die junge Wölfin nahm das Geschenk sehr gerne an und betrachtete ihren Anhänger sehr lange im Wasser. Am Ende mussten die Wölfinnen zu ihrer Höhle zurückkehren. Sie konnten nicht einfach in den Wald ziehen und Ioara zur Last fallen. Aber für eine längere Reise war Ariadne auch zu schwach und außerdem weigerte sich die alte Wölfin, ihre Heimat zu verlassen, die für sie so viele Erinnerungen an ihren verstorbenen Gefährten inne hatte. Camera hatte zwar versucht ihre Mutter davon zu überzeugen das Rudel zu verlassen, aber sie hatte einsehen müssen, dass die drei Erdwölfinnen nie weit gekommen wären. Außerdem war die alte Erdwölfin einfach zu hartnäckig. So halfen Aria und ihre Mutter der geschwächten Ariadne zurück in ihre Höhle, wo die alte Wölfin sich hinlegte und relativ schnell wieder einschlief. Sie war immer noch geschwächt und inzwischen war klar, dass sie auf dem rechten Bein lahm war. Sie konnte es kaum bewegen und nicht richtig aufsetzen. Doch Ariadne hatte die beiden Wölfinnen wütend aufgefordert, sie ja nicht zu bemitleiden. Sie war sich sicher, dass sie auch mit drei Beinen auskommen würde. Allerdings hatte Aria vorerst beschlossen, sich zurückzuhalten. So beugte auch sie das Haupt, wenn Nedron oder Vinaria an ihr vorbei gingen und konterte auch nicht mehr auf die Beleidigungen von deren Kindern. Allgemein hielt sie sich zurück. Sie machte sich vielleicht nicht aktiv Vorwürfe, aber die Angst, dass ihrer Mutter oder ihre Großmutter erneut verletzt werden könnten, verfolgte sie, sogar in ihren Träumen. Sie hatte nur noch wenig ruhigen Schlaf, aber diesen Umstand behielt sie für sich. Sie wollte ihre Mutter nicht beunruhigen, die sowieso schon in Sorge wegen Ariadne war. Um dem Stress im Rudel und gerade den Alphas und ihren Kindern zu entgehen, verbrachte Aria nun mehr Zeit bei Ioara im Wald. Die alte Wölfin hatte ihr immerhin angeboten, sie über die Elemente und alles was dazugehörte zu unterrichten und Aria fand, dass sie soweit war. Sie war sich ihrer Kraft bewusst und hatte gelernt sie zu nutzen, hatte aber auch schon auf schmerzliche Art herausgefunden, dass die Kraft begrenzt war. Immerhin hatte es dazu geführt, dass ihre Großmutter Nedrons Angriff hatte abfangen müssen. Es war Aria auf jeden Fall eine Lehre. Die Lichtwölfin und ihre Schülerin gingen durch den Wald spazieren. Es traten immer wieder ein paar Lichtstrahlen durch die Baumdecke und der Wind fuhr durch die Blätter. „Was willst du mir denn heute beibringen, Ioara?“, fragte Aria die alte Wölfin. „Ach, ich dachte wir machen erst einmal einen kleinen Spaziergang. Ein wenig Bewegung tut meinen alten Knochen ganz gut. Aber an sich wollte ich dir etwas zeigen, dass das Element des Feuers verdeutlichen kann. Ich hatte dir gesagt, dass ich keine Möglichkeit habe, es dir zu zeigen, aber ich habe vor kurzem doch eine Möglichkeit gefunden“, erklärte die Lichtwölfin. Neugierig folgte die junge Wölfin. Sie gingen ein ganzes Stück durch den Wald. Aria war gar nicht bewusst gewesen, dass dieser so groß war, aber er zog sich beinahe komplett um den Berg herum. Ihr wurde bewusst, dass sie keine Ahnung von der Welt hatte, in der sie sich befand. Sie kannte nur das bisschen, was sie bisher gesehen hatte und ihre Vorstellung von der Welt außerhalb, entsprach wohl nicht mal annähernd der Wirklichkeit. „Du, Ioara, wie groß ist die Welt da draußen eigentlich?“, fragte Aria. „Daromi ist ein großes Land. Es gibt viele verschiedene Orte und selbst wenn du Jahre auf Reisen gehen würdest, könntest trotzdem nicht alles in diesem Land erkunden“, antwortete die alte Wölfin und lachte über die ungläubige Miene ihrer Schülerin. „Was dachtest du denn? Dass die Welt nur aus diesem Wald und dem Berg besteht?“ Aria murrte. „Natürlich nicht. Aber ich dachte nicht, dass sie so groß ist.“ „Man unterschätzt den Umfang gerne, wenn man es nicht besser weiß“, erklärte die alte Wölfin. „Wir sind im Übrigen angekommen“, fügte sie hinzu. Die beiden Wölfinnen standen vor einem kleinen Höhleneingang, der etwas in die Tiefe ging. „Und was ist hier?“, fragte Aria und versuchte einen Blick in die Höhle zu erhaschen. „Geh rein, dass weißt du es. Und keine Sorge, es ist ungefährlich.“ Ioara ließ ihr Licht erscheinen und schickte es in die Höhle voraus. Aria folgte vorsichtig und die alte Wölfin ging hinterher. Ihr Licht erleuchtete ihnen den Weg, der aber nicht allzu dunkel war. Schließlich erreichten sie das innere der Höhle. Vor Aria erstreckten sich zwei kleinen Wasserbecken, von denen Dampf aufstieg. Dieser sammelte sich unter der Decke, wo er wieder kalt wurde und als kleine Wassertropfen von der Decke zurückfiel. Die Wände waren übersäht von kleinen Pilzgeflechten und Moss. Ioara ließ ihr Licht wieder verschwinden, sodass es kurz dunkel wurde, aber kurz darauf fingen die Pilze zu glühen an und kurz darauf war die ganze Höhle in ein sanftes blaues Leuchten getaucht. „Wow, Was sind das für Dinger?“, fragte Aria. „Lumi-Pilze. Sie leuchten im Dunkeln. So erhellen sie diese Höhle. Sie können aber nur da überleben, wo viel Feuchtigkeit zu finden ist. So wie hier, bei diesen heißen Quellen“, erklärte Ioara. „Heiße Quelle?“, kam direkt die nächste Frage von der jungen Wölfin. „Das Wasser wird durch unterirdische Lava erhitzt. Man kann nicht ewig in dem warmen Wasser bleiben, aber es entspannt. Der Berg, auf dem ihr lebt, war früher mal ein Vulkan, aber er ruht nun. Nur diese heißen Quellen sind der Überrest davon. Gerade meinen alten Knochen tut so ein Bad gut.“ Damit ging die Lichtwölfin zu den Becken und ließ sich langsam ins Wasser gleiten. Sie atmete hörbar aus und schien sichtbar zu entspannen. Aria betrachtete das Wasser zunächst noch etwas skeptisch und tippte es dann mit der Pfote an. „Das ist ja warm!“, rief sie aus. „Natürlich ist es warm. Das habe ich doch gerade erklärt. Das ist der einzige Punkt, an dem ich dir Feuer zeigen kann. Feuer kann zerstörerisch sein, aber Wärme kann auch wohlig und angenehm sein. Wenn du inmitten einer schneebedeckten Landschaft bist, wirst du froh über jede Wärmequelle sein. In einem Wald hingegen kann ein Feuer fatal sein, da es alles Leben auslöschen kann. Feuer ist ein Element mit sehr viel Verantwortung. Der Feuerwolf muss wissen, wie er mit seiner Kraft umgeht, um nicht denen zu schaden, die er liebt.“ Aria legte den Kopf schief. „Hast du nicht auch mal gesagt, dass Feuer für Leidenschaft steht?“ Die Lichtwölfin nickte. „Feuer ist schwer kontrollierbar, wie Gefühle es auch sind. Wut, Leidenschaft, Liebe, alles starke und manchmal unkontrollierbare Gefühle. So wie das Feuer es ist. Feuer ist sehr abhängig von den Gefühlen. Deswegen ist es auch eine so große Bürde.“ Die junge Erdwölfin wurde nachdenklich. „Mein Vater war ein Feuerwolf. Ich frage mich, wie viel ich von ihm habe“, murmelte sie. „Wahrscheinlich dein Temperament“, meinte Ioara belustigt. Aria schnaubte. „Wenn ich ihm irgendwann begegne, werde ich ihn beißen.“ Die Lichtwölfin musste lachen. „Wie du meinst meine kleine Freundin. Aber nun genieße auch du die wohlige Wärme der Quelle“, schlug Ioara vor und so glitt die Erdwölfin vorsichtig zu ihrer Lehrerin ins Wasser und musste zugeben, dass es wirklich angenehm war und ihren Muskeln durchaus gut tat. In den nächsten Tagen machten die beiden Wölfinnen mehrere solcher Ausflüge, entfernten sich aber nie zu weit vom Berg. Doch Ioara zeigte ihrer Schülerin durchaus andere Plätze. So führte sie die junge Wölfin in ein Tal, durch das der Wind pfiff und einen Wasserfall, der etwas weiter oben am Flusslauf lag. Ioara nutzte alle Möglichkeiten, um Aria die Elemente näher zu bringen. Sie konnte ihr keine anderen Elementarwölfe zeigen, aber es gab genug Möglichkeiten um Aria nahe zu legen, dass jedes Element seine Stärken und Schwächen hatte und vor allem, dass nicht alle automatisch schlecht und das andere automatisch gut an. Jeder hatte in sich Licht und Schatten, es war nur eine persönliche Entscheidung, welcher Seite man nach gab. Das Lernen bei Ioara gefiel Aria und sie baute in den Monaten, die sie mit der alten Wölfin verbrachte, eine starke Bindung zu ihr auf. Es war fast, als hätte sie eine zweite Großmutter gewonnen und auch die Lichtwölfin schien inzwischen froh zu sein, dass sie Gesellschaft hatte. Doch so schön das Lernen mit der alten Wölfin war, so schlimm war es in ihrem Rudel. Nicht nur, dass sie sowieso schon runtergemacht wurde, Nedron wurde mit der Zeit immer aggressiver und das nicht nur gegenüber Aria und ihrer Familie. Es schien, als ob der Alphawolf mit Brutalität versuchte, die aufkeimenden Zweifel zu unterdrücken. Es hatte durchaus mehr Verletzungen und auch einige Todesfälle gegeben, auch wenn man nie direkt den Alphawolf damit in Verbindung brachte. Auch die drei Kinder der Alphas wurden immer schlimmer, gerade Vito schien aus Spaß immer angriffslustiger zu werden. So lauerte er Aria eines Tages am Eingang ihrer Höhle auf und griff sie ohne Vorwarnung an. Zu Arias Glück war seine Elementarmagie schwach und sie hatte ihn abwehren können, hatte aber vermieden sich groß auf den Streit einzulassen. Schlussendlich hatte aber Nox den jämmerlichen Versuch seines Bruders, Aria zu schnappen, beendet. Es war faszinierend, dass der kleinste der drei Geschwister das sagen hatte. Doch Aria hatte gehört, dass Nox‘ schwächliches Äußere nur täuschte. Er hatte eine starke Elementarmagie und war wohl sogar stärker als seine beiden Geschwister zusammen. Kioras Elementarmagie war wohl auch nicht so schwach, aber an ihren kleinen Bruder kam sie nicht dran. Vito hingegen hatte viel rohe Kraft geerbt, was leider zusammen mit seinem begrenzten Intelligenzquotienten keine gute Mischung abgab. Nun war es wohl Arias Glück, dass Nox eingriff, auch wenn es merkwürdig war, dass Nox ihr half. Auch in den darauffolgenden Tagen war der Kleinste der Alphawolf-Kinder seltsam friedlich gegenüber Aria. Doch diese traute der Sache nicht. Sie ging davon aus, dass er irgendetwas ausheckte und sie einfach nur in Sicherheit wiegen wollte. Die Zeit verging und Aria war schon fast zwei Jahre alt. Sie verbrachte viel Zeit mit Ioara und lernte viel. Sie hatte verstanden, dass jedes Element eine Bedeutung hatte. Ioara war es außerdem wichtig gewesen, Aria zu zeigen, dass alles seine guten und seine schlechten Seiten hatte. Niemand war einfach gut und niemand war einfach schlecht. Man entschied selbst, wer man war. Beide Wölfinnen waren gerade wieder bei einem Spaziergang durch den Wald. Aria hatte gelernt Geräusche und Gerüche um sich herum wahrzunehmen und zu sortieren. Allerdings war sie immer noch nicht in der Lage zu jagen und Ioara schien seit einiger Zeit nicht mehr allzu fit zu sein, sodass sie nicht mehr in der Lage war, es Aria beizubringen. Damit aber auch Ioara nicht verhungerte, half Camera aus. Sie musste nun drei Wölfe versorgen, denn auch Ariadne war nicht mehr in der Lage zu jagen. Da Aria es aber weiterhin nicht lernen durfte, blieb es an der Mutter der jungen Erdwölfin hängen. Es war zwar anstrengend, aber es half Camera sich von den Sorgen wegen ihrer Mutter abzulenken. Aria hatte doch Mitleid mit ihrer Mutter, aber wenigstens fiel niemandem auf, dass sie auch Ioara versorgte. Dass sie Aria und Ariadne versorgte, war dem Rudel bewusst und Nedron hatte noch laut und deutlich gesagt, dass er denKrüppel, wie er Ariande betitelt hatte, nur im Rudel dulden würde, wenn Camera sich persönlich darum kümmerte. Allerdings blieb die Ration der dreiköpfigen Familie immer noch auf zwei begrenzt, doch nun war es Aria, die zum Wohle ihrer Großmutter auf ihre Ration verzichtete. Immerhin war sie wegen ihr verletzt. Allerdings schienen doch einige Wölfe langsam Nedrons Handeln nicht mehr dulden zu wollen und so war der ein oder andere Wolf aufgetaucht und hatte den Wölfinnen eine Ration gebracht. Allerdings hatte auch dieser Zuschuss aufgehört, nachdem einer der Wölfe aufgeflogen und von Nedron bestraft worden war. Das Rudel war schon um einige Wölfe dezimierter, Verletzte gab es auch und der Rest durfte noch mehr schuften, um genug Futter zu besorgen. Langsam war auch allen anderen klar, dass ihr Alpha sie nach und nach zu Grunde richten würde, aber wirklich etwas dagegen tun wollte keiner. Immerhin zeigten die Wunden der Wölfe deutlich, dass man nicht gegen Nedron ankam. Allerdings waren die Wölfe nun geneigter, wegzusehen, wenn Aria den Berg verließ oder Camera Futter in die Höhle schmuggelte. Niemand hatte sie verpetzt und so hatte die Wölfin es geschafft, nicht nur ihre Mutter und ihre Tochter, sondern auch Ioara zu versorgen. „Sag mal Ioara, was ist eigentlich los mit dir? Deine Kraft lässt nach und ich habe dein Licht auch schon eine Weile nicht mehr gesehen, wo es dir sonst immer Gesellschaft leistet. Außerdem brauchst du längere Pausen. Wenn es dir zu anstrengend ist, dann sag es ruhig und wir verschieben den Unterricht. Du sollst dich nicht überanstrengen“, meinte Aria. Die alte Wölfin schnaubte. „Es geht mir gut. Mach dir keine Gedanken. Komm erst mal in mein Alter, dann wirst du wissen, warum ich längere Pausen brauche“, murrte Ioara. Was ihr Alter anging, schien Ioara etwas eigen geworden zu sein. Inzwischen gingen sie mehr spazieren, als dass es noch Unterricht gab. Ioara meinte, sie habe Aria schon alles erklärt und so genossen die alte Wölfin wohl einfach nur noch die Gesellschaft ihrer Schülerin. Die beiden kehrten gerade zu Ioaras Unterschlupf zurück, als Ioara stehen blieb und die Ohren spitzte. Auch Aria lauschte. „Da ist jemand in der Näher deiner Höhle“, murmelte Aria. „Ich glaube es ist ein Wolf“, meinte Ioara ruhig. Aria sah zu ihr. „Es ist aber kein Erdwolf. Es riecht nicht wie nach unserem Rudel“, meinte die junge Wölfin. Ioara schnaubte und ging langsam zu ihrem Unterschlupf, Aria an ihrer Seite. Als die beiden Wölfinnen ankamen entdeckten sie eine schwarze Wölfin, die an Ioaras Höhle schnüffelte. Das faszinierende an der Wölfin war allerdings das rot an ihrem Fell. Am Rücken und um ihren Kopf herum war das Fell von einem dunklen Rot und auch am Schweif der Wölfin fand sich das Rot. Weiterhin umkreiste die schwarze Wölfin den Eingang zu Ioaras Unterschlupf und schien die anderen beiden Wölfinnen noch nicht bemerkt zu haben. „Darf ich fragen, was du mit meinem Zuhause willst?“, fragte Ioara und die schwarze Wölfin fuhr herum. „Ich versuche gerade rauszufinden, ob es das Passende für mich ist. Ich suche einen neuen Unterschlupf und finde es immer besser, wenn ich mir nicht die Mühe machen muss, ihn selbst zu graben“, meinte die schwarze Wölfin unverschämt. Aria knurrte und bleckte die Zähne. „Der Bau gehört die aber nicht! Also verzieh dich!“, fuhr die Erdwölfin ihr gegenüber an. Diese lachte nur. „Wie süß. Verteidigst du das alte Gerüst da etwa? Braucht wohl einen Leibwächter, weil sie sich kaum auf den Beinen halten kann“, gluckste die fremde Wölfin. Ioara seufzte. „Ganz ruhig, Aria. Nicht direkt einen Streit anfangen. Das Ganze lässt sich sicher auch friedlich lösen“, meinte die Alte. Sie wandte sich an den Eindringling. „Es stimmt, dass ich alt bin. Aber gerade deswegen möchte ich mein Heim gerne behalten. Wenn ich nicht mehr bin, kann es natürlich jeder haben, der Interesse daran hat, aber jetzt ist es mein Zuhause und ich habe nicht die Kraft, mir ein neues zu schaffen. Außerdem hängen Erinnerungen daran. Ich bitte dich also, deiner Wege zu ziehen“, versuchte die Lichtwölfin. Allerdings wurde sie nur ausgelacht. „Ist das süß. Versuchst du an mein Gewissen zu appellieren? Ich hab keines, also lass es. Und Respekt vor alten Wölfen hab ich auch nicht. Ich bleibe hier und du kannst ja deinen Babysitter da bitten, dir ein Loch zu buddeln. Da kannst du dann gerne friedlich ruhen“, kam der pure Spott. Aria knurrte und ging in Angriffsstellung. „Verzieh dich gefälligst!“, forderte sie den Eindringling auf. Doch auch die schwarze Wölfin ging in Angriffsstellung über. „Selbst schuld“, sagte sie und kurz darauf kam ein schwarzer Nebel von ihr, der auf Aria zuflog und die Erdwölfin umschloss. Aria begann fast sofort zu husten. „Ich sehe nichts mehr! Ioara?“, rief die junge Wölfin irritiert. Ioara schaute zu der fremden Wölfin, während Aria weiter hustete. „Du bist also ein Finsterniswolf. Die Fähigkeit jemandem die Sinne zu rauben, gibt einem ein Gefühl von Überlegenheit, nicht wahr? Aber ich bitte dich dennoch, von ihr abzulassen. Wenn du meinen Unterschlupf unbedingt haben willst, dann überlasse ich ihn dir. Aber ich will keinen Streit anfangen“, meinte Ioara müde. Sofort verschwand der Nebel und Aria hustete noch einmal, bevor sie sich verwirrt umsah. Die schwarze Wölfin schnaubte, als sich ihr Nebel ganz verzogen hatte. „Wie langweilig. Nicht mal wehren tut sie sich. Das macht gar keinen Spaß. Du kannst dein doofes Loch behalten, ich such mir etwas anderes“, meinte die schwarze Wölfin und wandte sich zum Gehen. Vorher sah sie aber noch einmal zu Aria. „Du solltest niemanden angreifen, bei dem du nicht weißt, wie er zurückschlägt“, gab sie der Erdwölfin einen Rat und verschwand dann zwischen den Bäumen. Ioara ging zu ihrer Höhle und ließ sich erschöpft davor nieder. Aria trat zu ihr. „Warum hast du dir das gefallen lassen, Ioara? Wenn sein ein Finsterniswolf ist, hättest du sie dann nicht mit deinem Licht vertreiben können?“, fragte die junge Wölfin. Ioara sah zu ihr. „Es war meine Entscheidung, nichts zu tun. Jeder hat das Recht zu entscheiden, einen Vorteil zu nutzen, oder ihn sein zu lassen.“ Aria knurrte. „Aber du musst dir doch nicht dein Zuhause nehmen lassen“, sagte sie entrüstet. Die alte Wölfin schüttelte den Kopf. „Ich habe eine letzte Lektion für dich, meine Kleine. Sie ist die letzte, aber auch die wichtigste von allen. Die ganze Welt befindet sich in einem Gleichgewicht. Es gibt immer wieder kleine Schwankungen, aber das Gleichgewicht ganz kippen ist schwer“, begann Ioara. Dann begann sie wieder die Symbole der Elemente in den Boden zu ritzen. Dabei waren Feuer und Wasser, Wind und Erde sowie Finsternis und Licht einander gegenübergestellt. „Wasser hat einen Vorteil gegenüber dem Feuer, denn es löscht die Flammen aus und kühlt die Hitze runter. Wind ist im Vorteil gegenüber Erde, denn die Erde erreicht den Wind nicht, wenn er hoch in den Himmel zieht. Licht ist im Vorteil gegenüber Finsternis, denn es erhellt die Dunkelheit und kann so auch die Ängste vertreiben. Doch jeder Vorteil, der genutzt wird, fordert einen Gegenpol. Wenn Wasser das Feuer schlägt, muss dafür irgendjemand woanders den Nachteil haben. Eine Stärke fordert eine Schwäche. So bleibt die Natur im Gleichgewicht. Deswegen sind die Elementargötter friedlich im Einklang, denn sonst gerät die Welt aus den Fugen. Dadurch, dass ich jetzt auf meinen Vorteil verzichtet habe, besteht die Chance, dass jemand, der eigentlich an einem aussichtslosen Punkt ist, doch noch eine Möglichkeit bekommt, sich zu retten, weil mein Vorteil nicht genutzt wurde. Das Gleichgewicht gleicht meinen Nachteil zu einem Vorteil aus. Deswegen habe ich mich zurückgehalten. Ich bin alt und den Vorteil kann jemand anders sicher dringender gebrauchen als ich.“ Die Lichtwölfin legte erschöpft den Kopf auf ihre Pfoten und schloss für einen Moment die Augen. Aria betrachtete derweil die Symbole auf dem Boden. Sie versuchte das, was sie gerade erfahren hatte, zu verstehen, während ihr auffiel, dass die Symbole ziemlich unscharf waren. Sie sah zu Ioara. „Es gibt also immer Gut und Böse. Was passiert denn, wenn das Gleichgewicht gestört wird?“, fragte die junge Wölfin. Ioara öffnete müde die Augen und sah zu Aria. Erst jetzt fiel der jungen Wölfin der graue Schleier auf, der die Augen der alten Wölfin bedeckte. „Ioara, deine Augen, sie…“, rief sie schockiert aus. „Du hast eine Weile gebraucht, es zu merken, aber ja, meine Augen lassen nach. Inzwischen sehe ich nur noch Schemen und ich denke, bald wird es nur noch der graue Schleier sein. Das ist vielleicht mit ein Grund, warum ich Streit vermeiden will. Aber das Gleichgewicht hat auch damit zu tun. Wenn das Gleichgewicht aus den Fugen gerät, so sagt eine alte Legende, dass ein Wolf kommen wird, der helfen wird, alles wieder ins Reine zu bringen. Wie genau, ist nicht klar, aber es heißt, dass jemand kommen wird. Allerdings musst du bedenken, dass sich das Gewicht zu beiden Seiten verlagern kann, zum Guten und zum Schlechten. Wobei es meistens eine Verlagerung zur schlechten Seite gibt.“ Ioara gab erneut einen erschöpften Laut von sich. Aria sah besorgt zu ihr. So müde kannte sie Ioara nicht. „Ist alles okay bei dir?“, fragte sie vorsichtig. „Ich habe dich… alles gelehrt was ich weiß. Du warst mir eine liebe Freundin… und ich bin froh… dir begegnet zu sein“, kam nun doch etwas abgehackter von der alten Wölfin. „Ioara, ist das ein Abschied?“, fragte Aria nacheinem kurzen Moment des Schweigens. „Wenn jemand stirbt, wird woanders jemand geboren. Gleichgewicht, meine liebe Aria. Außerdem hab ich dir doch gesagt, dass die, die du liebst, dich niemals ganz verlassen. Sie leben in deinem Herzen weiter.“ Ioara sah müde zu Aria. „Ich hab dich lieb, meine kleine Aria. Es war schön, am Ende doch nicht alleine zu sein“, sagte sie leise und schloss ein letztes Mal ihre Augen, um sie nie wieder zu öffnen. Aria merkte die Tränen, die an ihrer Schnauze hinabliefen und heulte ihrer Freundin und Lehrerin ein Lied zum Abschied. Aria hatte sie begraben, genau in ihrer Höhle. Sie hatte die Erde um Hilfe gebeten und am Ende ein paar Blumen auf Ioaras Grab gelegt. Wieder war eine liebe Person gegangen, doch diesmal hatte man sie ihr nicht gewaltsam entrissen, wie es bei Bairon der Fall gewesen war. Ioara hatte einfach ein Alter erreicht, in dem sie bereit gewesen war zu gehen. Aria wusste, dass jeder irgendwann das Alter erreichen würde, aber sie bereute es, die Anzeichen nicht früher erkannt zu haben. Sie hatte sich nicht richtig verabschieden können. Aber so wie es ausgesehen hatte, hatte Ioara das auch nicht gewollt. Sie war ganz friedlich eingeschlafen und so war es sicherlich das Beste. Aria war nachdenklich, als sie ihre Höhle erreichte. Ihre Mutter und ihre Großmutter begrüßten sie, merkten aber schnell, dass die junge Wölfin etwas beschäftigte. „Was ist los, Aria?“, fragte Camera besorgt. „Ioara ist gestorben“, murmelte Aria abwesend und die beiden älteren Wölfe erschraken. „Wie bitte?“, fragte Ariadne ungläubig. Die junge Wölfin sah zu ihrer Großmutter. „Wir waren unterwegs und sie war so müde und als wir bei ihr angekommen waren… Sie hat mir noch etwas vom Gleichgewicht erzählt und ist dann friedlich eingeschlafen. Ich hab gar nicht bemerkt, dass sie so schwach geworden ist“, sagte Aria und ließ betrübt die Ohren hängen. „Ach mein Kleines, das tut mir aber leid. Sie war dir immerhin so wichtig. Außerdem hat sie Oma gerettet… Es ist schade, dass sie von uns gegangen ist“, erwiderte Camera. „Wenn es dir hilft, Aria, einzuschlafen ist der friedlichste Weg zu gehen. Außerdem war sie nicht alleine, sie hatte dich. Ich bin sicher sie war sehr glücklich, als sie eingeschlafen ist“, kam von Ariadne. Aria legte sich hin und dachte über das nach, was ihre Mutter und ihre Großmutter gerade gesagt hatten und sie dachte an das, was Ioara ihr als letztes auf den Weg mitgegeben hatte. Alles war in einem Gleichgewicht. Gab es dann auch ein Gleichgewicht für das Leid, dass ihre Familie erfuhr? Das hieße ja, dass woanders eine Familie ihr Glück hatte und die Kinder geliebt und geachtet wurde. „Beneidenswert“, dachte Aria. Sie seufzte und rollte sich dann zusammen. Sie dachte an Ioara und ihre Gedanken kamen auch zu Bairon. Zwei Wölfe, die ihr sehr wichtig gewesen waren und deren Leben geendet hatte. Zusammen mit Molaris, den Aria in diesem wirren Traum gesehen hatte, waren nun drei Wölfe, die sie nur noch in ihrem Herzen tragen konnte. Bevor sie einschlief, verfolgte sie ein letzter Gedanke. Würde sie jemals einen Ort finden, an den sie gehörte? ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Und wieder vorbei. Wieder hat Aria jemanden wichtigen verloren, doch diesmal war es der Zeit geschuldet. Steinig ist der Weg, den sie beschreitet. Was mir am Ende des Kapitels allerdings aufgefallen ist, dass ich mich immer mehr dem Ende nähere. Immerhin hab ich im Prolog geschrieben, dass Aria schon fast ein Jahr ihr Rudel verlasen hat und nun drei ist. Hier ist sie fast zwei. Es wir also nicht mehr allzu lange dauern und ich bin nicht sicher ob ich mich darüber freuen soll oder nicht. Danke auf jeden Fall für das Lesen und schon mal im Vorraus für jeden Kommi :-) Kapitel 7: Veränderungen ------------------------ Ioaras Tod beschäftigte Aria noch eine ganze Weile. Sie hatte die alte Wölfin ins Herz geschlossen und kurz darauf war sie wieder verschwunden. Dennoch konnte sie auf ein paar schöne Monate zurückschauen, die sie mit der Lichtwölfin verbracht hatte. Außerdem hatte sie viel gelernt. Aria hatte Respekt vor ihrem Element und auch vor den anderen. Sie wusste, dass die Welt in einem empfindlichen Gleichgewicht war, dass im Notfall von jemanden wieder gerichtet wurde. Das Ganze war etwas schwer zu verstehen, aber Aria glaubte zumindest das mit dem Gleichgewicht fast ganz verstehen zu können. Alles andere war ja eh nur eine Legende. Allerdings war Aria inzwischen rastlos, denn ihre Großmutter war durch ihr lahmes Bein an die Höhle gebunden, was bei der alten Wölfin zu mieser Laune führte, während Camera damit beschäftigt war, die Familie zu ernähren. Nun fiel Ioaras Ration wieder weg, aber sie musste trotzdem immer noch ihre Familie versorgen, einschließlich sich selbst. Dabei konnte Aria ihrer Mutter aber nicht helfen. Somit hatte die Erdwölfin aber nicht viel zu tun und daher verbrachte sie die meiste Zeit damit, im Wald spazieren zu gehen. Sie besuchte Ioaras Grab und die Orte, an denen die alte Wölfin ihr die Elemente erklärt hatte. Die junge Wölfin wusste sonst einfach nichts mit sich anzufangen. Sie hatte keine Lehrerin mehr und Jagen würde ihr niemand beibringen. Ohne Jagdfähigkeiten konnte sie allerdings nicht weit weg vom Rudel, sodass sie auch nicht auf Erkundungstour hätte gehen können. Wobei ihre Mutter sicher auch nur krank vor Sorge geworden wäre. Im Rudel hatte sie aber auch keine Kontakte sodass sie sich ziemlich alleine fühlte. Nachdenklich lag sie am Fluss und blickte ins Wasser. Sie war inzwischen ausgewachsen und vielleicht hätte man sie sogar hübsch nennen können. Ein wenig hang ihr dunkleres Fell ihr über den Augen, die durch die schwarze Umrandung eine ziemliche Tiefe bekamen. Der schwarze Streifen auf ihrer Schnauze war ein Blickfang, wenn man in ihr Gesicht schaute. Das Bauchfell war schwarz und sonst hatte sie einen Ton, der ein wenig an Sand oder Lehm erinnerte. Es gab schönere Farben, aber Aria war zufrieden. Allerdings hatte bisher kein Wolf auch nur irgendwie Interesse an ihr gezeigt hatte. Da sie aber offiziell der Schandfleck des Rudels war, war das wohl kaum verwunderlich. In ihrem Rudel war es allgemein unwahrscheinlich, dass sich irgendjemand je für sie interessieren würde. Aber auch Aria hatte nicht vor, sich auf irgendeinen Wolf einzulassen, der immer zu feige gewesen war, Nedron die Stirn zu bieten. In ihren Augen waren es allesamt Feiglinge und Verräter, an deren Pfoten auch Blut klebte. Blut, dass der Alpha vergossen hatte. So in Gedanken versunken, bemerkte Aria den sich nähernden Wolf nicht und reagierte etwas zu spät. Sie versuchte aufzuspringen, aber die Erde hatte sich um ihre Pfoten geschlossen und hielten sie am Boden. Aus dem Gehölz trat Nox hervor und betrachtete Aria. „Du bist langsam, aber das macht nichts. Ein Umstand, der sich ausbessern lässt“, meinte der kleinste Sohn des Alphas abschätzend und musterte weiterhin die junge Erdwölfin. „Schon verstanden. Hauptsache du nimmst es mir nicht übel, dass ich mich nicht ehrfürchtig vor dir verbeuge, Ich sitze grade ein bisschen fest“, murrte sie und versuchte die Erde zu überzeugen, sie loszulassen. „Versuch es nicht, ich bin stärker als du. Außerdem halte ich dich nur fest. Das ist kein Angriff und ich denke, daher wird die Erde es mir auch nicht übel nehmen“, meinte Nox ruhig. Aria sah ihn etwas überrascht an. „Ich dachte du und deine Geschwister glauben nicht daran, dass die Erde ein Empfinden und eine eigene Meinung hat“, schnaubte sie. Nox ließ sich neben ihr auf seine Hinterläufe nieder. „Weißt du, ich bin nicht so dumm wie meine Geschwister. Ich weiß durchaus, dass die Erde ein eigenes Bewusstsein hat, auch wenn unsere Eltern uns etwas anderes einreden wollen. Ich bin schon länger der Meinung, dass mein Vater auf einem falschen Weg ist. Inzwischen wird seine Elementarkraft schwächer, die Erde gehorcht ihm nicht mehr. Es dauert nicht mehr lange und dann werde ich ihn umbringen und den Platz als Alpha beanspruchen“, erzählte Nox, in einem so ruhigen Ton, als hätte er über das Wetter gesprochen anstatt von der Tatsache, dass er seinen eigenen Vater umbringen wollte. Aria schaute ihn erschrocken an. „Ist das dein Ernst? Du willst Alpha werden und dafür deinen Vater umbringen? Das soll wohl ein Witz sein“, schnaubte Aria. Der graue Wolf zuckte nur mit den Schultern. „Er hat lange genug die Macht gehabt. Das Rudel leidet und ich werde mir das nicht weiter mitansehen. Außerdem bin wahrscheinlich nur ich stark genug, um ihn zu erledigen. Außerdem kann ich nur Alpha werden, wenn ich den alten besiege und da mein Vater eine Niederlage nicht auf sich sitzen lassen würde, muss ich ihn töten. Erst dann kann ich auch sicher sein, dass meine Geschwister und gerade meine Mutter mich nicht dafür zur Rechenschaft ziehen.“ Weiterhin war Nox die Ruhe selbst und erzählte das Ganze mit einer Leichtigkeit, die Aria einen Schauer über den Rücken laufen ließ. „Warum erzählst du mir das eigentlich? Ich werde dir ganz bestimmt nicht dabei helfen“, meinte die Erdwölfin. Nox schaute auf sie herab. „Damit habe ich auch nicht gerechnet, auch wenn du wahrscheinlich genug Gründe hast, um meinen Vater tot sehen zu wollen. Aber ich habe für dich etwas anderes vorgesehen. Du musst wissen, mit den meisten anderen Wölfinnen in meinem Alter bin ich verwandt. Außerdem sind sie alle langweilig, betteln um meine Aufmerksamkeit. Das ist langweilig und erweckt absolut nicht mein Interesse. Allerdings brauche ich eine Alphawölfin, wenn ich erst die Position meines Vaters inne habe. Meine Mutter wird natürlich ihres Amtes enthoben. Nun ja und ich hatte an eine bestimmte Wölfin gedacht“, sagte Nox ruhig und sah Aria an. „Okay, du willst mir wirklich einen Bären aufbinden. Ich und deine Alphawölfin? Du kannst mich doch genauso wenig leiden wie der Rest deiner Familie. Du hattest genauso viel Spaß daran mich zu drangsalieren und zu quälen. Ihr habt mich in ein verdammtes Loch gesteckt! Und jetzt kommst du mir damit, dass du mich als deine Alphawölfin haben willst? Das ist doch lächerlich“, schnaubte Aria. Nox zuckte erneut mit den Schultern und löste dann Arias Erdfesseln. „Du kannst es dir ja noch überlegen. Es würde dir definitiv helfen. Dir und deiner Familie. Ich habe nicht vor jemanden verhungern zu lassen. Wenn du also meine Alphawölfin wirst, wäre für das Wohl deiner Mutter und deiner Großmutter gesorgt. Überleg es dir“, meinte der Sohn des Alphas und ließ Aria dann alleine. Diese kämpfte mit einem Brechreiz. Alleine die Vorstellung, die Alphawölfin dieses Wolfes zu werden, ließ ihr die Galle hochkommen. Dennoch ließ sie nicht ganz los, was Nox gesagt hatte. Das Angebot, dass es ihrer Familie besser gehen konnte, war natürlich reizvoll. Aber der Preis war einfach zu hoch und ihre Mutter und ihre Großmutter hatten immer wieder betont, dass sie glücklich waren. Und dennoch fand Aria keine Ruhe. Als sie später wieder in die Höhle zurückkehrte, fand sie ihre Großmutter vor, die mit Fluchen beschäftigt war, allerdings verstummte, als sie ihre Enkelin bemerkte. Diese ging zu der alten Wölfin und legte ihre Stirn an die ihrer Oma zur Begrüßung. „Wenn du dein Bein beleidigst, wird es auch nicht wieder besser“, zog sie die alte Wölfin auf. „Das weiß ich auch! Aber es hilft mir“, erwiderte Ariadne. Aria konnte nicht anders als zu lachen. Ihre Oma war wahrlich ein Unikat. Die alte Wölfin betrachtete missmutig ihr lahmes Bein, bevor sie ihre Enkelin musterte. „Was bedrückt dich, Kleines? Ich sehe es dir an der Nasenspitze an.“ Aria seufzte. „Nox hat mir angeboten, dass es dir und Mama wieder besser gehen wird, wenn er Alphawolf geworden ist“, erklärte Aria, konnte ihre Großmutter aber nicht ansehen. „Und?“, hakte diese nach. „Er meinte ich soll seine Alphawölfin werden“, fügte sie nach einigem Zögern hinzu, zuckte aber zusammen, als ihre Großmutter anfing sich aufzuregen und dabei Bezeichnungen in den Mund nahm, die Aria lieber nicht wiederholen wollte. „Warum flucht sie denn schon wieder?“, kam die Stimme von Camera vom Höhleneingang. Die Wölfin schien von der Jagd zurück zu sein, sie war ziemlich außer Atem und ihre Pfoten waren schmutzig. Etwas Essbares hatte sie allerdings nicht dabei. „Dieser…. Wagt es doch glatt meiner Enkelin so ein Angebot zu unterbreiten! Oh, wie ich mir wünschte, ich könnte ihn beißen!“, knurrte Ariadne. „Erfahre ich nun auch, was los ist?“, fragte Camera und sah zwischen ihrer Tochter und ihrer Mutter hin und her. Aria wartete, bis ihre Großmutter ihre Schimpftirade beendete – was eine Weile dauerte – und erklärte ihrer Mutter dann, was los war. Die junge Wölfin war aber mehr als erstaunt, als ihre Mutter sich nicht weniger aufregte, als Ariadne es getan hatte. Zum ersten Mal erschien es ihr, dass die beiden älteren Wölfinnen wirklich verwandt waren. Als beide Wölfinnen sich aber scheinbar gegenseitig anzustacheln schienen und die Aufregung immer mehr wurde, wurde es Aria aber zu bunt. „Wäre es aber so schlecht, wenn es euch besser ginge?“, fragte sie frei heraus und unterbrach damit die beiden älteren Wölfinnen, die sie entgeistert ansahen. „Ist das dein Ernst? Willst du wirklich die Alphawölfin dieses arroganten Idioten werden?“, fragte Ariadne ungläubig. „Natürlich nicht. Aber ich bin euch doch schon lange genug eine Last. Vielleicht ist es Zeit, dass ich euch etwas zurückgebe“, meinte Aria geknickt und sofort war ihre Mutter bei ihr und leckte ihr liebevoll über den Kopf. „Ach, Aria, mein Liebling, so darfst du nicht denken. Uns geht es gut.“ „Deine Mutter hat recht. Mach dir um uns keinen Kopf. Außerdem kann es uns gar nicht schlecht genug gehen, dass wir zulassen würden, dass du an diesen… diesen…“, kam von Ariadne, wobei sie sich nicht einig zu sein schien, welche Bezeichnung sie Nox noch geben sollte. Aria ließ die Ohren hängen. „Alles gut, meine Kleine. Wir kommen zurecht. Außerdem wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass du irgendwann jemanden findest, den du aufrichtig liebst“, meinte Camera und damit war das Thema beendet, wobei Aria sich nach wie vor Gedanken machte, ob sie ihrer Familie nicht doch eine Last war. Das Thema wurde nicht noch einmal angesprochen. Dennoch bemerkte man eine allgemeine Unruhe im Rudel. Nedrons Laune war noch schlechter als sonst und seltsamerweise schienen nicht mehr alle auf ihn zu hören. Eher schienen Viele sich vom Alphawolf abzuwenden und die Loyalität wechselte eindeutig zu dessen Sohn Nox. Nedron wurde indes immer brutaler und ließ kaum noch jemanden losziehen, um zu jagen, wenn dieser nicht vorher ausdrücklich seine Loyalität bekundete. So war die Nahrung deutlich knapper und nicht mehr nur Aria und Familie litten Hunger. Auch andere Wölfe, die vorher gewisse Privilegien gehabt hatten, wurden nun vom Alpha wie Dreck behandelt und der Unmut im Rudel nahm immer mehr zu. So hatten sich sogar einige bei Aria für ihr Verhalten entschuldigt und die Abneigung verlagerte sich gegen Nedron und seine Gefährtin Vinaria. Allerdings hatte selbst diese allmählich Probleme mit ihrem Gefährten, denn er hielt sie ebenfalls an der kurzen Leine. So befand sie sich zusammen mit ihm in ihrer Höhle, während er grimmig auf und ab ging. „Kannst du damit mal aufhören? Du machst mich ganz verrückt mit diesem Auf- und Ab-Gelaufe. Davon wird es auch nicht besser“, knurrte sie ihn an und Nedron warf ihr einen finsteren Blick zu. „Halt dich aus Dingen raus, von denen du nichts verstehst. Immerhin untergräbt dein Sohn meine Autorität!“, blaffte er sie an. Vinaria knurrte. „Mein Sohn? Wer hat unseren Kindern denn all die Jahre eingetrichtert, dass sie über allem erhaben sind und die Schwächeren auszuschalten haben?“ „Willst du damit sagen, dass ich schwach bin?“, brüllte Nedron und stürzte sich auf seine Gefährtin, die er mühelos niederrang und mit gebleckten Zähnen über ihr stehen blieb. „Vergiss nicht, wo dein Platz ist, Vinaria! Ich bin der Alpha und ich kann mir jederzeit eine neue Gefährtin suchen und dann bist du dein schönes Leben ganz schnell los. Haben wir uns verstanden?“, meinte er warnend und Vinaria senkte ihren Kopf uns legte verängstigt die Ohren an. So war Nedron mit ihr noch nie umgegangen. „Ich habe verstanden“, meinte sie eingeschüchtert und Nedron ließ wieder von ihr ab. Kiora, die etwas entfernt von ihren Eltern gelegen hatte, ging zu ihrer Mutter herüber, nachdem ihr Vater die Höhle wutschnaubend verlassen hatte. „Alles in Ordnung, Mutter?“, fragte Kiora besorgt. „Schon gut, Kleines. Dein Vater ist momentan einfach etwas verstimmt“, murmelte Vinaria, sah allerdings unsicher zu Nedron. Die Entwicklung gefiel ihr definitiv nicht. Die Stimmung des Alphas wurde nicht besser, eher wurde sie immer schlechter. Er griff viele Wölfe ohne Grund an und auch zu seiner Familie verhielt er sich absolut ungerecht. Nur Nox schien seinem Vater aus dem Weg zu gehen und allgemein sah man diesen nur wenig. Es war etwas im Busch und die Stimmung war deutlich angespannt. Jeder schien darauf zu warten, dass etwas passierte, wobei der Unmut deutlich zu spüren war. Niemand stand mehr hinter dem Alpha, wobei manche einfach zu viel Angst hatten, um es zum Ausdruck zu bringen. Aber dennoch war der Rückhalt gleich Null und selbst Nedrons Familie hatte es nicht mehr leicht, da er seine schlechte Laune vorrangig an seiner Gefährtin und seiner Tochter ausließ. Seine Söhne bekam er kaum noch zu Gesicht. Eigentlich war es ein schöner, sonniger Tag. Aria hatte inzwischen auch zu einigen Wölfen Bezug gefunden und befand sich so mit auf der Trainingsplattform, wo sie ihre Elementarkraft übte. Inzwischen hatte sie diese deutlich besser im Griff und konnte die Form erkennen, die das Zentrum ihrer Elementarkraft in ihrem Inneren angenommen hatte. Anfangs war es nur ein unklares Bild gewesen ohne Ziel, aber inzwischen wusste sie genau, auf welchen Punkt sie zugreifen musste und es fiel ihr deutlich leichter. Allerdings war ihr auch aufgefallen, dass die Erde ab und an einfach verstummt war. Es war, als breche die Verbindung plötzlich ab und allgemein schien die Kraft manchmal einfach schwächer zu sein. Einige der älteren Wölfe schienen dadurch beunruhigt und auch Arias Großmutter hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Doch das war nicht ihr einziges Problem, denn das größte Problem des Rudels war ihr Alpha. Alle Gespräche verstummten, als Nedron auf das Plateau kam, gefolgt von einer etwas abgemagerten Vinaria und einer vollkommen eingeschüchterten Kiora. Gleichzeitig sah man der Alphawölfin schon ein paar Verletzungen an, die ihr offensichtlich ihr Gefährte zugefügt haben musste. Nedron schritt an den Wölfen vorbei und knurrte viele an, bis er Aria entdeckte. „Was machst du hier? Du hast hier nichts zu suchen!“, blaffte er sie an. Aria blieb unbeeindruckt. „Ich trainiere. Das ist mein gutes Recht und das wirst du mir auch nicht verbieten“, meinte die junge Wölfin und erntete dafür ein Knurren. „Was fällt dir ein?! Ich bin der Alpha!“, blaffte Nedron. „Ich glaube nicht, dass das noch so richtig ist, Vater“, erklang eine Stimme und Nox trat zwischen einigen Wölfen hervor. Er war etwas größer geworden und sah entgegen den anderen eher wohlgenährt und deutlich kräftiger aus. Offensichtlich hatte er trainiert. Neben ihn trat sein Bruder Vito hervor, der zu seiner Mutter und seiner Schwester herüberging und sich schützen vor sie stellte. Auch er war deutlich größer geworden, wobei er seinen Vater inzwischen überragte. „Du wagst es, so mit deinem Vater zu reden? Mit deinem Alpha?!“, knurrte Nedron seinen kleinsten Sohn an. Nox hatte für seinen Vater aber nur einen müden Blick übrig. „Du bist nicht länger mein Alpha. Ich habe ganz eigene Pläne. Es wird Zeit, dass wir einen neuen Alpha bekommen und der werde ich sein“, erklärte der grau-schwarze Wolf ruhig und ließ sich auch nicht von dem Knurren seines Vaters beeindrucken. „Du glaubst doch nicht, dass ich meine Position kampflos an dich abtrete“, schnaubte Nedron. „Davon bin ich nicht ausgegangen. Deswegen bin ich mit Vito auch eine Weile weggegangen, um zu trainieren. Körperlich war ich dir nämlich deutlich unterlegen und vielleicht bin ich es immer noch, aber ich denke mit meiner Elementarkraft bin ich dir mehr als gewachsen. Denn ich weiß aus sicherer Quelle, dass deine Kraft schon vor einer Weile erloschen ist“, erwiderte Nox kühl. Nedron bleckte die Zähne, während ein Murmeln durch die Reihen der Wölfe ging. „Du weißt gar nichts!“, meinte Nedron aggressiv. „Vater, ich bin nicht so dumm wie du. Vielleicht kann man die Natur unterwerfen, wenn man stark genug ist, aber das bist du nicht. Es ist weitaus einfacher mit der Erde zusammenzuarbeiten, dann lässt sie einen auch lenken. Aber du hast immer versucht sie zu unterwerfen und du hast alle hier wie den letzten Dreck behandelt. Du hast deinen Rückhalt mehr und du bist nur noch ein Schatten deiner selbst. Du bist nicht mehr würdig uns zu führen. Du hast uns immer beigebracht, dass man mit Härte und Unbeugsamkeit ein Rudel zu führen hat, aber ich sehe das doch etwas anders. Wenn alle verhungern und nicht mehr hinter einen stehen, bringt der stärkste Alpha nichts. Und deswegen werde ich dich absetzen“, war Nox Ausführung. „Dann wirst du mich töten müssen!“, brüllte Nedron und stürzte sich auf seinen Sohn. Die anderen Wölfe des Rudels standen in ausreichendem Abstand zu den beiden und beobachten den Kampf um die Führung. Es war immerhin nicht unüblich, dass Jüngere den Alpha herausforderten. Doch schnell konnte man erkennen, dass Nox absolut keine Schwierigkeiten hatte, mit seinem Vater fertig zu werden. Er nutzte seine Elementarkraft sehr zielgerichtet, um seinen Vater abzuwehren und zu verletzen, während er ihm eigentlich nicht einmal körperlich nahe kam. Nedron hingehen schien einfach nur kopflos auf seinen Sohn losgehen zu wollen und steckte deswegen unheimlich viel ein. Am Ende brach er zusammen. „Wenn du jetzt aufgibst, kannst du immer noch am leben bleiben. Allerdings wirst du das Rudel verlassen müssen“, meinte Nox hochmütig. Nedron rappelte sich auf und knurrte. „Ich gebe niemals auf. Aufgeben ist etwas für Schwächlinge“, erwiderte er, während aus mehreren Wunden das Blut rann. Er war schwer verwundet. „Dann finde dein Ende“, murmelte Nox und mit einem letzten Nutzen seiner Elementarkraft, bereitete er dem Kampf ein Ende. Einige der Wölfe waren definitiv schockiert, allen voran natürlich Vinaria. Sie hatte ihren Gefährten verloren, durch das Zutun ihres eigenen Sohnes. Nox hatte sich den Posten als Alphawolf zwar auf rechtem Wege angeeignet, aber dennoch war es heftig. Auch die anderen Wölfe des Rudels waren etwas eingeschüchtert, aber niemand bedauerte wirklich den Tod des Alphas, der am Ende nur noch ein Tyrann gewesen war. Der Nachmittag wurde fast zum Fest, Nox hatte viele Wölfe losgeschickt, um Nahrung zu besorgen und so war am Ende eine Menge Futter da, auf dass sich die ausgehungerten Wölfe mit Begeisterung stürzten. Dabei gab es auch keine Einschränkung, Nox hatte alles fair aufgeteilt, wobei die Jüngsten, Ältesten und Kranken deutlich mehr bekommen hatten. Aria lag zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter im Kreis der anderen Wölfe auf dem Plateau und war bereits mit dem Fressen fertig, während sie Nox beobachtete. Dieser lief an allen Wölfen vorbei, die sich ehrfürchtig vor ihnen verbeugten und man konnte wirklich nicht sagen, dass er schlecht als Alpha war. Dennoch war da noch eine Sache, die geklärt werden musste. Am Ende nahm Nox auf einen erhöhten Punkt Platz und die Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. „Als neuer Alpha sehe ich es als meine Aufgabe, meinem Vorgänger nicht nachzueifern. Ich werde dafür sorgen, dass alle ausreichend Nahrung haben und dass es gerecht zugeht. Und deswegen werde ich auch nicht die Hetzkampagne gegen Aria und ihre Familie weiterführen“, erklärte Nox und sofort sahen viele Wölfe zu Aria. „Natürlich will ich, dass meine eigenen Nachkommen Vorrang haben, aber ich werde es nicht verbieten, dass es auch andere Nachkommen gibt. Wobei wir bei einem wichtigen Thema wären und zwar bei dem, wer meine Alphawölfin wird. Ich gestatte meiner Mutter hier zu bleiben, aber sie hat nicht länger diese Position inne. Nun habe ich bereits eine Wölfin als meine Gefährtin im Auge. Ich warte auf deine Antwort, Aria“, führte Nox aus und sah zu ihr. Aria sah zu Boden. Sie hatte gewusst, dass er wieder davon anfangen würde. Scheinbar schienen viele überrascht von dieser Wahl, aber es war schon irgendwie logisch, immerhin war bei Aria klar, dass sie nicht zur Alphafamilie gehörte. Aria spürte, wie ihre Mutter ihr liebevoll in die Seite stupste. Sie wusste, was sie zu tun hatte. „Was ist mit meiner Familie“, fragte sie Nox. „Ich habe gesagt, dass ich gerecht handeln will. Aber bitte, dann verspreche ich eben, dass es deiner Mutter und Großmutter Zeit ihres Lebens gut gehen wird“, war seine Antwort. „Egal, wie ich mich entscheide?“, hakte Aria nach. Nox schien verärgert zu sein. „Frei von deiner Entscheidung. Aber du kannst mir nicht ewig entkommen, Aria“, knurrte er. „Doch, denn wenn es Mama und Oma gut geht, dann kann ich ohne Bedenken gehen“, erklärte sie und erhob sich. Erschrocken sprang auch ihre Mutter auf, Ariadne hingegen lachte nur. Nox hingegen kam zu Aria und knurrte, als er sich vor ihr aufbaute. „Soll das ein Witz sein? Du weigerst dich, an meine Seite zu treten?“ Aria schnaubte nur. „Um eine weise, alte Wölfin zu zitieren: Es könnte uns nie so schlecht gehen, als dass ich mich auf dich einlassen würde. Du hast offen versprochen, dass es den Beiden gut gehen wird, egal wie ich mich entscheide. Wenn du das Versprechen brichst, bist du also nicht besser als dein Vater und das willst du sicher nicht sein. Also brauche ich mir keine Sorgen um sie machen. Aber mein Platz ist garantiert nicht an deine Seite und weil du mich sowieso nie in Ruhe lassen wirst, werde ich stattdessen gehen und meinen eigenen Weg finden“, erwiderte sie und wandte sich ihrer Mutter und ihrer Großmutter zu. „Aber Aria, mein Kleines, du musst doch nicht gehen. Schon gar nicht alleine. Ich… wir…“, stotterte Camera und schien überfordert zu sein. „Lass sie gehen“, kam nur von Ariadne. Camera sah ihre Mutter schockiert an. „Aber Mutter“, begann sie, schwieg aber, als sie den ernsten Blick der alten Wölfin sah. Diese erhob sich und rieb ihre Schnauze an der ihrer Enkelin. „Geh und erkunde die Welt. Irgendwo wartet sicher ein Abenteuer auf dich. Wir sind stolz auf dich, meine Kleine und wir wünschen dir alles Glück dieser Welt“, erklärte die alte Wölfin und noch einmal rieb sie ihre Schnauze an der ihrer Enkelin. Aria sah zu ihrer Mutter, die bereits Tränen vergoss. „Bitte, Mama. Ich muss meinen eigenen Weg gehen und der ist nicht hier. Aber du gehörst hierhin. Und du musst doch auf Oma aufpassen“, meinte die junge Wölfin, wobei Ariadne sich wegen dem Kommentar zum Aufpassen beschwerte. Camera nickte nur und leckte ihrer Tochter über den Kopf. „Wir sind immer bei dir. Vergiss das nicht“, flüsterte sie ihrer Tochter zu. Aria wandte sich ein letztes Mal an Nox, der vor Wut fast zu platzen schien. „Halte dein Versprechen. Sonst komm ich wieder und zieh dir das Fell über die Ohren“, warnte sie ihn und ignorierte Nox‘ Knurren, während sie das Rudel verließ. Ein letztes Mal drehte sie sich um und sah zu ihrer Mutter und ihrer Großmutter, bevor sie sich endgültig abwandte und den Berg verließ, wobei sie merkte, wie eine große Last von ihren Schultern fiel, wobei zu hoffen blieb, dass Nox sein Versprechen hielt. Doch für Aria begann ihr eigenes Abenteuer und die junge Wölfin war bereit, sich ihm entgegen zu stürzen. --------- So, das war das neue Kapitel. Ich denke nicht jeder hat vielleicht mit dieser Wendung gerechnet. Nun ist die Geschichte fast am Ende, aber es war noch nicht das letzte Kapitel, auch wenn man es vielleicht meinen könnte. Aber ein bisschen hab ich noch zu erzählen ^^ Danke auf jeden Fall schon einmal im Voraus für Kommentare. Eure DragonEmpress Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)