Die Geschichte der Erde von Xenojiiva (Aria's Geschichte) ================================================================================ Kapitel 4: Die Stimme der Erde ------------------------------ Vorsichtig stieg die junge Wölfin den Bergpfad hinauf. Bei jedem Geräusch hielt sie inne und lauschte. Sie war unerwünscht und wahrscheinlich hielt man sie für tot. Nedron würde auf jeden Fall sicher sein, dass sie es war, denn er hatte sie verwundet. Wäre Ioara nicht gewesen, gäbe es die Erdwölfin nicht mehr und deswegen war sie unsicher, was passieren würde, wenn sie nun zum Rudel zurückkehrte. Natürlich würden ihre Mutter und ihre Großmutter überglücklich sein. Bei dem Rest des Rudels sah das anders aus. Allerdings waren einige von ihnen Mörder und Aria knurrte bei dem Gedanken. Immerhin hatten sie Bairon auf dem Gewissen. Entschlossen erklomm sie den Berg weiter, bis schließlich die ersten Höhlen erblickte. Seltsamerweise war niemand zu sehen und die Schritte der Erdwölfin wurden langsamer. Vielleicht wartete ein Hinterhalt auf sie. Schließlich hörte sie ein Geräusch und fuhr erschrocken herum, nur um in das tränenerfüllte Gesicht ihrer Mutter zu blicken. "Aria? Oh Gott, Aria!" Sofort war Camera bei ihrer Tochter und vergrub ihr Gesicht in ihrem Fell. "Meine Süße, ich hatte solche Angst um dich. Du gingst mit Bairon weg und als ihr nicht zurückgekommen seid... Dann Nedrons Worte..." Camera schluckte und weitere Tränen liefen ihre Wangen hinunter. "Er hat uns ganz stolz verkündet, dass du tot bist. Aber ich konnte es nicht glauben. Eine... eine Mutter spürt, wenn ihre Tochter tot ist, oder nicht?" "Jetzt lass das arme Ding doch erst einmal ankommen, Camera", ertönte eine ältere Stimme und nun trat auch Ariadne an ihre Enkelin heran. Sie rieb ihre Schnauze kurz an der von Aria ehe sie Camera in die Seite stieß. "Jetzt hör mit dem Geheule auf und lass uns reingehen, bevor sie jemand sieht. Nedron wird schon früh genug erfahren, dass sie wieder da ist." Camera nickte nur und die drei Wölfinnen zogen sich in ihre Höhle zurück. "Nun erzähl mal, Liebes. Was ist passiert? Und wo ist Bairon?", fragte Arias Mutter und die junge Wölfin ließ die Ohren hängen. "Onkel Bai ist tot. Nedron und ein paar andere Wölfe haben uns am Wald aufgelauert. Er wollte mich beschützen und deswegen..." Aria konnte den Satz nicht beenden, es tat immer noch weh, dass der alte Wolf gestorben war. Ariadne knurrte und Camera fuhr vor Schreck zusammen, als die Höhle zu beben begann. "Mutter, beruhige dich! Du bringst noch die Höhle zum Einsturz!" Die ältere Wölfin atmete ein paar Mal tief durch, um ihre Fassung zurück zu gewinnen und damit ließ auch das Beben nach. Aria schaute ihre Großmutter überrascht an. "Dieser räudige, verlogene Hundesohn! Ich hätte ahnen müssen, dass er etwas im Schilde führt! Aber ich hätte nie gedacht, dass er so weit gehen würde. Molaris würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das wüsste!", knurrte Ariadne und fletschte die Zähne. So hatte Aria ihre Großmutter noch nie gesehen. "Sag mal, hast du gerade die Erde zum Beben gebracht, Oma?", fragte sie und staunte nicht schlecht. Die alte Wölfin sah ihre Enkelin an. "Manchmal folgt die Kraft so sehr unserem Gefühl, dass sie die Umgebung beeinflusst. Am liebsten würde ich Nedron seinen verdammten Kopf abbeißen!" Camera seufzte. "Mutter, das Thema hatten wir schon. Es bestürzt auch mich, dass Bairon gestorben ist, aber wir sind gegen Nedron machtlos. Sonst hätten wir schon längst etwas getan", erinnerte die Wölfin ihre Mutter. "Erde steht für Geduld und Beständigkeit, da Erde lange braucht, um sich zu verändern", murmelte Aria und erntete einen erstaunten Blick von den beiden älteren Wölfinnen. "Wo hast du das denn her?", fragte Ariadne. "Ioara hat mir das beigebracht", antwortete Aria und erzählte ihrer Familie anschließend von ihrer Begegnung mit der Lichtwölfin. "Also lebt seit Jahren ein Lichtwolf in unserer Nähe und wir wussten es gar nicht", schloss Ariadne und lachte. "Es gibt also etwas, was sogar dem großen Nedron entgangen ist." Camera schüttelte den Kopf. "Wir sollten froh darüber sein. Immerhin hat sie Aria gerettet. Irgendwann werde ich ihr dafür danken. Nun müssen wir aber überlegen, was wir wegen Nedron tun. Er wird ausrasten, wenn er Aria hier sieht." Die junge Mutter war immer noch besorgt um ihre Tochter. "Ioara meinte, sie würde mir mehr beibringen, wenn ich gelernt habe, mich der Welt zu öffnen. Ich verstehe immer noch nicht, was sie damit gemeint hat", murrte Aria. Ariadne überlegte. "Nun, ich schätze sie will, dass du dich auf andere Eindrücke einlässt. Du sollst unvoreingenommen an die Dinge heran gehen und sie so nehmen, wie sie sind, ohne sie zu hinterfragen", erklärte die Älteste ihrer Enkelin. Die Geschichte Arias hatte die alte Wölfin neugierig gemacht. Es kam selten vor, dass man andere Elementarwölfe so nahe an einem Rudel antraf, besonders alleine. Es kam durchaus vor, dass ein paar Streuner vorbeizogen, aber dass sich jemand so offen in der Nähe eines reinen Rudels niederließ war ungewöhnlich. Außerdem schien die Wölfin ziemlich viel über die Elemente zu wissen und hatte ihr Wissen so offen an Aria weiter gegeben. "Es wundert mich, dass sie dir das alles erzählt hat. ich erinnere mich nicht, dass Elementarwölfe gerne Schüler eines anderen Elements aufnehmen, schon gar nicht, wenn sie diese nicht kennen. Es gibt zwar auch Gemischtrudel, aber so wie jetzt... Das ist mir noch nie zu Ohren gekommen." Ariadne legte den Kopf schief. "Aber deine Großmutter weiß auch nicht alles, vielleicht gibt es durchaus mehr solcher Wölfe, die einfach nur gern allein leben und schwer zu finden sind." Aria war in Gedanken versunken und begann dann, die Zeichen der Elemente in den Boden zu kratzen, so wie Ioara es getan hatte. Dann musterte sie das Bild. Es sah nicht so schön aus, wie bei der älteren Wölfin, aber Aria gefiel es. "Ich fänd es schön mal Wölfe der anderen vier Elemente zu treffen. Feuer, Wasser, Wind und Finsternis. Aber einen netten Finsterniswolf, wenn es geht." Ariadne lachte. "Vielleicht wirst du das eines Tages, meine Kleine. Eines Tages vielleicht." Camera seufzte. "Ist euch aufgefallen, dass wir die ganze Zeit vergessen zu besprechen, was wir wegen Nedron tun sollen?" Schlussendlich war das Gespräch nie bei Nedron angelangt. Viel mehr hatte Aria ihrer Großmutter Löcher übe die Elementarkraft in den Bauch gefragt. Seit sie bei Ioara gewesen war, war ihr Wunsch ihre eigene Kraft zu entdecken noch stärker geworden. Sie wollte ihre Kraft entdecken und nutzen. Leider konnte auch ihre Großmutter ihr keine vernünftige Erklärung geben, wie sie ihre Kraft finden konnte und Aria schlief irgendwann enttäuscht ein. Am nächsten Tag passierte dann das, was Camera so verzweifelt hatte besprechen wollen. Nedron erreichte die Nachricht, dass Aria wieder da war und seine Wut war deutlich am Berg spürbar. Wütend lief er in seiner Höhle auf und ab, nachdem ihm einer seiner Gefolgsleute davon erzählt hatte. "Liebling, beruhige dich. Keiner ihrer Familie wird auch nur wagen etwas zu tun. Sie wissen, was du tun kannst und werden sich hüten, dir die Stirn zu bieten", sagte Vinaria ruhig und beschäftigte sich weiter mit ihrer Fellpflege. Als Alphawölfe bewohnten sie die größte Höhle, tief im Berg. Es waren ein paar Lichtschachte geschaffen worden, sodass ihre Höhle erleuchtet war. In ihr tollten Nedrons drei Kinder herum, während dieser wütend auf und ab ging. Die Alphawölfin beobachtete ihren Gefährten, auch wenn der größte Teil ihrer Aufmerksamkeit bei ihrem Fell lag. "Es geht nicht darum, ob sie etwas tun, Vinaria! Es geht darum, dass diese kleine Ratte noch lebt und dann auch noch die Dreistigkeit besitzt, hier wieder aufzutauchen!", blaffte er seine Gefährtin an und erneut bebte die Höhle. Seine Kinder fuhren erschrocken zusammen und blickten zu ihrem Vater. "Nedron, du regst dich doch nicht wirklich wegen dieser Missgeburt auf, oder?" Vinaria wandte ihren Blick nun zu dem Alphawolf und schüttelte den Kopf. "Liebling, du bist der Alpha und alle respektieren dich. Niemand würde es wagen dich herauszufordern. Warum sich also um einen Wurm kümmern?", fragte die Wölfin hochnäsig. "Weil ein Apfel mit einem Wurm nun einmal faul ist", knurrte Nedron und ließ sich auf die Hinterläufe nieder. "Ich habe die anderen dazu gebracht, Stillschweigen zu bewahren, aber wie leicht wird es ihnen fallen, wenn sie dieses Balg sehen?" Vinaria schaute überrascht auf. "Du meinst sie könnten Schuldgefühle bekommen und plaudern? Dass du diesen alten Sack getötet hast?", fragte sie. Nedron nickte. "Ihr wird man vielleicht nicht glauben, aber wenn einer von den anderen kalte Pfoten bekommt, könnte es doch ärgerlich werden. Ich bin schon immer lieber gefürchtet gewesen als geliebt, aber wenn sich alle Wölfe gegen mich stellen sieht es eng aus. Auch wenn ich der gewählte Nachfolger dieses alten Narrs Molaris bin." Vinaria legte den Kopf schief. "Also müssen wir schauen, dass sie Schweigen und dass die Kleine am besten verschwindet?" Wieder nickte Nedron. "Aber möglichst unauffällig. ich will nicht offen wegen Kindermord angeklagt werden. Das im Wald konnte ich als Notwehr verkaufen, immerhin hat sie mich angegriffen." Nedrons Stimme war kühl und er bereute auch nicht, was passiert war. Dann erregten seine Kinder seine Aufmerksamkeit, die auf ihn zuliefen. "Vater, lass uns das regeln!", rief sein erster Sohn. "Ja, wir werden es ihr zeigen und ihr so eine Angst einjagen, dass sie nie wieder kommen wird. Sie wird es noch bereuen und so beleidigt zu haben", verkündete Nedrons Tochter. Sein anderer Sohn schwieg, aber alle drei Wölfe sahen ihren Vater entschlossen an. Vinaria lächelte zufrieden, als sie sich erhob und sich an die Seite ihres Gefährten stellte. "Sieht du, Nedron? Deine Kinder sind genauso schlau wie wir beide und sie werden sicher gute Arbeit leisten. Wir sind die Alphawölfe und wir werden es bleiben, bis unsere Kinder dieses Rudel führen werden. Unser Geschlecht wird das alles überdauern. Keiner nimmt uns die macht, also beruhig dich wieder." Der Alphawolf stimmte schlussendlich zu und gab seinen Kindern die Erlaubnis. Diese schmiedeten sofort einen Plan, den sie direkt am nächsten Tag durchführen wollten. Der nächste Tag begann für Aria ziemlich langweilig. Ihre Mutter und ihre Großmutter waren für die Jagd eingeteilt und somit war sie schon sehr früh allein in der Höhle. Ihre Mutter hatte ihr verboten die Höhle zu verlassen, was die junge Wölfin ziemlich übertrieben fand. Aber Camera hatte Angst, dass Nedron sich erneut etwas einfallen lassen würde, um der jungen Wölfin etwas anzutun und so war die Höhle wohl der sicherste Ort. Nun lief die junge Wölfin missmutig in dem kleinen Raum auf und ab und fluchte über Nedron und die ungerechte Welt. Immerhin war Nedron immer noch Alphawolf, obwohl er Bairon getötet hatte und auch Aria war ja fast gestorben. Trotzdem zogen alle anderen Erdwölfe den Schwanz ein und gehorchten dem Wolf weiterhin. Nach Arias Ansicht waren sie alle Feiglinge. Leider konnte die junge Wölfin gar nichts tun, denn sie konnte ihre Kräfte absolut nicht nutzen und war noch zu klein und unerfahren. Doch in der Höhle vergammeln wollte Aria auch nicht und so schlich sie sich am Ende doch hinaus. Draußen war niemand zu sehen und die junge Wölfin lief ein wenig den Bergpfad hinauf. Sie Luft war diesmal recht kühl, aber das machte der jungen Wölfin nichts und sie genoss die frische Luft. Zwar gab eine Höhle immer noch Geborgenheit, aber ab und an war frische Luft ganz nett. Dass sie keinem anderen aus dem Rudel begegnete, lag wohl daran, dass der größte Teil jagen war. So war Aria ziemlich sorglos, bis sich ihr plötzlich drei Wölfe in den Weg stellten. Es waren die Kinder von Nedron. Eigentlich hätte Aria den dreien genauso viel Respekt zollen müssen, die den Alphawölfen, das hatte Nedron immer wieder betont. Doch Aria weigerte sich das Haupt vor Wölfen zu beugen, die genauso alt waren wie sie. Abgesehen davon, dass der Vater der drei in ihren Augen ein eiskalter Mörder war. "Seht ihr, Brüder? Sie ist viel zu hochnäsig. Sie verneigt sich nicht", knurrte Nedrons Tochter. "Kiora, du weißt doch, was Mutter gesagt hat. Missgeburten haben keinen Anstand, weil sie ohne ihn geboren werden. Und ohne Hirn", erwiderte einer der Söhne. Kiora kicherte. "Stimmt, Vito. Mama hat ja so recht." Aria schnaubte. "Gut zu wissen, dass eure Dummheit anscheinend von eurer Mutter vererbt wurde", sagte Aria nur trocken und bekam dafür ein Knurren der beiden Geschwister. Das dritte von Nedrons Kindern verhielt sich ruhig im Gegensatz zu seinen beiden Geschwistern. "Was fällt dir ein! Du hast kein Recht so über unsere Mutter zu reden! Du bist hier die Missgeburt!", schrie Kiora sich an, doch Aria gab sich unbeeindruckt. "Glaubst du echt ich hab Angst vor dir? Deine Mutter ist eine eingebildete Ziege und dein Vater ist ein brutaler Mörder. Ich glaube da hab ich es mit meinen Vorfahren besser getroffen." Kiora fletschte die Zähne. "Lass dich nicht von ihr auf die Palme bringen, Schwester, das zeigt nur, wie dumm sie eigentlich ist. Immerhin beleidigt sie gerade die Kinder der Alphawölfe", schnaubte Vito und hob hochnäsig den Kopf. "Also auf die Eltern wäre ich nicht stolz, aber scheinbar wird Hochnäsigkeit in eurer Familie genauso vererbt wie die große Klappe", erwiderte Aria nur kühl. Nun knurrte auch Vito. "Halt endlich dein Maul!", blaffte er die junge Erdwölfin an. Dann erklang die Stimme von Nedrons anderem Sohn, woraufhin die drei anderen zusammenzuckten. Nedrons drittes Kind war anders als seine Geschwister. Der junge Wolf war sehr schweigsam und sah immer sehr nachdenklich aus. Meist trottete er seinen Geschwistern nur hinterher. Er war kleiner als Vito und Kiora und fiel daher auch meist gar nicht auf, wenn er sich zwischen seinen Geschwistern verbarg. "Lasst euch nicht provozieren und vergesst nicht, was wir eigentlich vorhatten", erinnerte er seine Geschwister. Für sein junges Alter hatte er eine sehr tiefe Stimme, die so gar nicht zu seinem schmächtigen Äußeren passte. "Du hast Rech, Nox. Sie soll ja immerhin für ihre Frechheit bezahlen", verkündete Kiora und sie zeigte ein böses Grinsen. Aria beobachtete die drei Geschwister. Irgendwie bekam sie ein ungutes Gefühl. Dann sprach Vito sie direkt an. "Wusstest du eigentlich, dass es hier eine Höhle gibt, die keinen Zugang zu den anderen hat? Sie ist abgeschottet worden, nachdem man festgestellt hat, dass dort unheimlich viel Krabbelzeug lebt. Spinnen, Käfer, Würmer... Alles Mögliche kriecht da drin herum und deswegen hat man sie zugemacht." Auch Vito grinste nun böse. "Wir wissen aber, wo sie liegt. Wir sind mal darauf gestoßen, als wir unsere Kraft ausprobiert haben", fügte Kiora hinzu. Arias ungutes Gefühl nahm zu. "Und warum erzählt ihr mir das?", fragte die junge Wölfin und wich zurück. "Weil du genau dort landen wirst", erklärte Nox kühl und bevor Aria sich versehen konnte, brach die Erde unter ihr auf und sie fiel durch einen Schacht, bis sie irgendwann unsanft auf dem Boden aufkam. Durch das wenige Licht, das durch den Schacht fiel, konnte sie ein Dutzend Augen erkennen, die sie anstarrten. Der größte Teil kam von Spinnen, die an den Wänden hingen. Man sah überall Netzte, doch es gab auch kleine Löcher, aus denen Käfer und Würmer krochen. Aria sprang erschrocken auf und blickte zu dem Schacht. "Lasst mich hier raus!", rief sie. Die hörte das Lachen der Geschwister. "Viel Spaß da drin, Käfera", kam nur von Vito und kurz darauf schloss sich der Schacht und die Höhle versank in Dunkelheit. Aria zitterte am ganzen Körper. Nachdem der Schacht geschlossen war und kein Licht mehr in die Höhle fiel, konnte sie sich nur noch auf ihr Gehör und ihre Nase verlassen. Leider roch es in der Höhle sehr mufflig und somit war es nur ihr Gehör, das blieb. Was sie hörte, ließ sie schauern, denn sie hörte wie die Tiere um sie herum sich bewegten. Auf sie zu, wie sie annahm. Aria hatte Angst, sie war wie betäubt und konnte sich nicht bewegen. Plötzlich wurde sie von etwas am Bein berührt, wodurch sie aufsprang, nur um dann etwas auf ihrem Rücken zu bemerken. Aria schrie und wand sich und warf sich zu Boden, aber wenn sie ein Gefühl los war, kam das nächste. Immer mehr Viecher schienen auf sie zu krabbeln und wenn sie versuchte etwas zu zertreten, bekam sie dafür an einer anderen Seite einen Stich oder einen Biss ab. Irgendwann schrie sie nicht mehr, sondern presste ihre Kiefer aufeinander, um ja nichts zu verschlucken. Irgendwann fehlte ihr die Energie und sie kauerte sich so gut es ging auf dem Boden zusammen und drückte ihre Ohren zu, damit auch dort nichts rein krabbelte. Je länger sie liegen blieb, desto ruhiger wurden auch die Krabbeltiere. Sie wurde nicht mehr gebissen, aber es lief immer noch etwas auf ihr herum und Aria zitterte wie Espenlaub. Es war ein Alptraum und sie konnte nichts tun als hoffen, dass sie wieder dort rauskam. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Es lief nicht mehr viel auf ihr herum, aber sie bemerkte die Spinnweben in ihrem Fell und wollte gar nicht wissen, was die Krabbeltiere dort noch hinterlassen hatten. Immer noch kauerte sie auf dem Boden, aber sie hatte zumindest ihre Ohren loslassen können. Immer noch hörte sie das Krabbeln der Tiere und es machte ihr immer noch Angst. Doch sie kam aus ihrer Lage nicht heraus und so konnte sie nur am Boden liegen und zittern. Sie hatte keine Ahnung, wie lang sie nun dort gelegen hatte. Es konnten nur Stunden sein, Aria hatte das Gefühl, dass es eine Ewigkeit war. Dass man sie nicht leiden konnte, sie verachtete, damit konnte sie inzwischen leben. Aber die Grausamkeit, die Nedron uns seine Nachkommen inzwischen an den Tag legten, machte ihr Angst. Sie hatte sich nicht mehr unterkriegen lassen wollen. Die junge Wölfin hatte kämpfen wollen. Doch nun war sie deswegen in dieser misslichen Lage. Tief unter der Erde, begraben in einer Höhle voller Krabbeltiere. Tränen begannen an ihren Wangen herunter zu laufen und irgendwann überkam sie die Erschöpfung. Aria wusste nicht, ob sie geschlafen hatte, oder ohnmächtig geworden war. Auf jeden Fall merkte sie, dass die Tiere erneut auf ihr herumkrochen. Wahrscheinlich hatte sich etwas in den Netzen auf ihr verfangen und die Spinnen genossen ihr Mahl. Es war wohl besser, nicht zu viel darüber nachzudenken. Da es nach wie vor dunkel war, konnte Aria nicht einschätzen, welche Tageszeit war. Jegliches Zeitgefühl war in dieser Höhle verschwunden. "Warum tun sie das? Was hab ich denn getan, dass man mich so bestraft? Ich will doch auch nur ein ruhiges Leben führen...", flüsterte die junge Wölfin, wohlwissend, dass sie außer dem Krabbelvieh niemand hören konnte. Ihr Magen knurrte und sie merkte, wie ihr Maul langsam trocken wurde. Es war zu allem Überfluss auch ziemlich warm in der Höhle. Somit holte sie erneut die Erschöpfung ein und sie ergab sich ihr erneut. Verzweifle nicht. Trauere nicht. Die Erde gibt dir Kraft und führt dich. Die Erde ist geduldig. Die Erde braucht ihre Zeit. Aria erwachte erschrocken und riss den Kopf hoch. Sie merkte, dass sie damit irgendein Tier von sich abwarf, aber das war egal. Etwas hatte sie aufgeschreckt. Es war eine Stimme gewesen. Eine unbekannte Stimme, die nicht mal wirklich einen Ton gehabt hatte. Sie klang nicht männlich, sie klang aber auch nicht weiblich. Es war wie eine innere Stimme, die der jungen Wölfin Worte vorgegeben hatte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie hergekommen war und fast glaubte die Wölfin, sich etwas eingebildet zu haben. Doch da klangen die Worte erneut in ihrem Kopf und erschrocken versuchte Aria, sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Doch alles was sie hörte, waren die Geräusche der Tiere um sie herum. "Spielen mir diese blöden Wölfe jetzt noch einen Streich?!", knurrte sie. Doch es passte nicht wirklich zu dem Verhalten von Nedrons Kindern. Eine Stimme in ihrem Innern, die Aria zu beruhigen versuchte. Es war seltsam, aber die junge Erdwölfin hatte das Gefühl, dass die Stimme ein Freund war. Sie atmete einmal tief durch und schloss die Augen. Aria versuchte sich auf ihr Inneres zu konzentrieren. Irgendwo in ihr war eine Kraft. Ihre Elementarkraft. Sie hatte es bei Ioara damals nicht geschafft, diese zu finden. Allerdings auch nur, weil sie versucht hatte ein Bild zu finden. Doch auch die Worte hatten keine Form, zu der sie gehörten. Es waren nur Worte. Also war ihre Kraft vielleicht auch einfach da, ohne ein Form zu haben. Somit hoffte sie, dass sie irgendwie darauf zugreifen konnte, wenn sie sich nur fest genug konzentrierte. Die Erde braucht Zeit um sich zu verändern. Die Erde ist beständig. Die Erde ist geduldig. Verzweifle nicht, kleine Aria. Die Erde ist nicht dein Feind. Die Erde beschützt dich. Überrascht lauschte die junge Erdwölfin den Worten. Diesmal war sie direkt angesprochen worden. Und nun merkte sie auch, woher die Worte kamen. Sie spürte es in ihren zwei grauen Pfoten, der leichte Impuls, der aus dem Boden kam. Erst war er nur leicht da, aber je mehr sie sich darauf konzentrierte, desto deutlicher war es zu spüren. Es war die Erde selbst, die zu ihr sprach. Diese Erkenntnis traf die Erdwölfin ziemlich schwer. Immerhin war sie der Meinung gewesen, dass die Erde leblos war und nicht sprechen konnte. Langsam dämmerte ihr, was Ioara ihr versucht hatte mitzuteilen. "Kleingeistigkeit... Man braucht keinen Körper, um ein Lebewesen zu sein", murmelte sie. Sie konzentrierte sich weiter auf die Erde unter ihren Pfoten. "Bitte, liebe Erde. Ich bitte dich um Hilfe. Ich will hier nicht sein. Ich möchte zurück zu meiner Familie. Ich möchte noch mehr lernen. Ioara hat versprochen mich weiter zu unterrichten. Ich möchte eine starke Wölfin werden, auf die meine Mutter und meine Großmutter stolz sein können. Ich bitte dich, Erde, die du uns Freundin und Mutter bist, hilf mir hier raus." Aria hatte ihre Bitte stumm gesprochen und wartete auf eine Reaktion. Aber zunächst tat sich gar nichts. Doch dann spürte sie erneut den Impuls unter ihren Pfoten. Die Erde hatte sie erhört. Aria richtete sich auf, als die Höhle zu beben begann. Sie hörte, wie die kleinen Tiere sich verkrochen und plötzlich hörte sie ein Grollen, als sich eine Wand der Höhle zu öffnen begann und schlussendlich einen Pfad nach draußen freigab. Das plötzliche Licht brennte ihr in den Augen und sie konnte nicht anders, als diese fest zu schließen. Doch sie brauchte ihre Augen nicht. Sie spürte den Boden unter sich deutlich, der ihr signalisierte, wo sie lang musste. Also folgte sie der Erde, hinaus nach draußen. Hinaus in das Licht. Als sie draußen ankam, spürte sie sofort die kühle Luft. Sie streckte die Nase in den Wind und genoss die kühle Brise. Immerhin war es in der Höhle wirklich heiß gewesen. Ihre Augen schmerzten noch immer und Aria behielt sie lieber zu. Doch weiterhin pulsierte die Erde unter ihr. Hinter ihr verschloss sich währenddessen ihr Ausgang aus der Höhle. Aria verstand, dass die Krabbeltiere die Dunkelheit brauchten und die Erde ihnen daher ihren Lebensraum so zurück gab, wie er war. "Ich danke dir, Mutter Erde. Ich danke dir für meine Freiheit und ich verspreche, dass ich dich immer schätzen werde", sagte Aria. "Scheint so, als ob du dazu gelernt hast, meine kleine Freundin", hörte sie dann plötzlich eine Stimme, die sie allerdings nur zu gut kannte. "Ioara! Schön dich zu sehen", rief Aria erfreut. "Von sehen kann keine Rede sein. Immerhin hast du die Augen zu. Wie siehst du überhaupt aus? Du bist voller Spinnweben und ähnlichem Zeug", hörte sie die Lichtwölfin. Scheinbar war ihr Höhlenausgang am Wald ausgekommen. Sie war nicht mehr auf dem Berg. "Ich weiß, ich muss furchtbar aussehen. Ich war in einer Höhle eingesperrt. Aber die Erde hat mir geholfen", erklärte Aria in der Kurzfassung. Ioara nickte. "ich schlage vor wir machen dich sauber und du erzählst mir anschließend, was passiert ist." Aria stimmte zu und folgte Ioara. Wieder leitete sie die Erde, denn sehen war nach wie vor nicht möglich. Ioara hatte sie zum Fluss geführt und Aria hatte sich direkt ins Wasser gestürzt. Zwar mochte sie nass werden nicht besonders, aber es war viel besser, als voller Käferreste zu sein. Es dauerte lange, bis sie alles losgeworden war, aber sie genoss das kühle Nass. Außerdem trank sie eifrig, nachdem sie sauber war. Dann trat sie zurück ans Ufer und schüttelte sich. "Lass mich mal nach deinen Augen sehen, meine Kleine", sagte dann die Lichtwölfin und Aria blieb ruhig sitzen. "Ich schätze du bist vorhin zu doll geblendet worden. Ich helfe dir." Kurz darauf spürte Aria das warme Gefühl, dass sie damals schon gemerkt hatte. Ioara heilte sie. Somit konnte Aria anschließend die Augen öffnen und sah der alten Lichtwölfin direkt ins Gesicht. "Du hast also deine Kraft gefunden", stellte Ioara fest. "Ja, die Erde hat zu mir gesprochen. Sie sagte ich soll keine Angst haben, weil sie mich beschützt. Somit konnte ich mich befreien." Ioara legte den Kopf schief. "Seltsam", murmelte sie und bemerkte Arias verwirrten Blick. "Normalerweise beginnt eine Elementarkraft nicht so stark. Ich kenne mich bei Erdwölfen nun nicht ganz so gut aus, aber ich meine, dass sie anfangs nicht so deutlich hören können, was die Erde sagt. Dazu so einen Weg durch den Berg zu formen. Sehr seltsam." Aria betrachtete ihre Pfoten. "Ich spüre sie aber. Ganz deutlich. Vor allem unter den beiden grauen Pfoten." Die Lichtwölfin blickte interessiert auf die beiden besonderen Pfoten, die Aria besaß. "Nun, dann kannst du stolz auf sie sein. Aber zu etwas Anderem. Ich habe versprochen dich zu unterrichten, wenn du dazu gelernt hast. Ich schätze das hast du. Deswegen, willst du meine Schülerin werden, Aria?", fragte die Lichtwölfin. Die Erdwölfin schaute die Lichtwölfin an und seltsamerweise kam nicht sofort eine Antwort. Aria schien genau darüber nachzudenken. Schließlich antwortete sie: "Ich möchte dazu lernen. Ich möchte etwas über alle Elemente lernen. Aber ich denke, dass ich vorher noch mehr über mich selbst und meine Verbindung zur Erde lernen muss, bevor ich etwas zu den anderen lernen kann. Ich möchte deine Schülerin sein, aber ich denke, ich brauche noch etwas Zeit." Auf Ioaras Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. "Du hast wirklich dazugelernt, meine Kleine. Du bist viel reifer als vorher. Nun gut, komm zu mir, wenn du bereit bist. Du weißt, wo du mich findest." Damit verließ die Lichtwölfin ihre junge Freundin und Aria blieb am Wasser sitzen. Sie betrachtete ihr Spiegelbild auf er Wasseroberfläche. "Es muss einen Grund haben, warum ich eine so starke Verbindung zur Erde habe. Warum ich sie so deutlich höre und fühle." Die junge Wölfin nickte entschlossen. "Irgendwann werde ich den Grund dafür finden. Irgendwo sucht jemand nach mir." Aria schloss die Augen und sandte ein erneutes Gebet zur Erde. "Mutter Erde, egal welchen Weg du für mich vorsiehst und welche Aufgabe du mir anvertrauen willst, ich werde mein Bestes geben, um zu lernen. Zu lernen, was ich wissen muss, um diese Aufgabe zu erfüllen. Und wer immer auf mich wartet, lass ihn wissen, dass ich ihn finden werde." Die junge Erdwölfin bliebe eine ganze Weile sitzen, bis sie sich auf den Weg zurück nach Hause machte. Diesmal allerdings nicht als unerfahrener junger Wolf, sondern als stolze Erdwölfin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)