Wings of Freedom von Lady-Phantomhive ================================================================================ Kapitel 3: Fester Entschluss ---------------------------- „Dein Name?“ brüllte der Soldat, der am Amateurschreibtisch sass und eine Feder in der Hand hielt. „Lu…Luca Waldmann…“ stammelte Shiori und ihre Stirn glänzte vom Stressschweiss, doch der Soldat schrieb ihren Namen nieder. „Junge, wie alt bist du?“ fragte er weiter ohne sie anzusehen. „Ich bin Sechzehn.“ Er sah auf und betrachtete sie skeptisch von oben bis unten. „Du scheinst mir etwas zierlich zu sein, junger Mann. Bist du dir sicher, dass du dem Militär beitreten willst?“ Shiori holte Luft und sah ihm direkt in die Augen. „Ich habe nie etwas anderes gewollt!“ „Das hört man doch gerne bei Frischfleisch!“ lachte plötzlich eine Stimme laut auf und Shiori zuckte zusammen. Der Soldat, der ihre Identität überprüfte, erschrak sich ebenfalls. Mit runzelnder Stirn blickte er auf und verdrehte kaum merklich die Augen. Auch Shiori wagte einen zögerlichen Blick hinauf und ihre Augen wurden gross. Ein Koloss von Mann stand hinter ihr, mit kurzen schwarzen Haaren und einem stechenden Blick, der unter die Haut ging. Seine gewaltige Hand landete auf ihren schmalen Schultern und sie spürte ein Teil seines Körpergewichts. „Aah!…spinnt der!“ dachte sie und gab sich Mühe nichts anmerken zu lassen. „Dieses Jahr haben wir ganz schön viele Frauen die beitreten…es schadet nicht so einen mutigen Kerl hier dabei zu haben. Hab ich Recht, Kleiner…“ rief der Mann und klopfte ihr so heftig auf den Rücken, das sie vornab zusammenfiel. „Ou...“ hörte Shiori ihn sagen und rieb sich die Stelle, an der er fest zugehauen hatte. Mit schmerzlichem Gesichtsausdruck blickte sie zu Boden. „Du bist wirklich etwas schmächtig, Kleiner…aber keine Sorge, das Training wird aus dir einen richtigen Mann machen“ lächelte er und half ihr auf. Shioris Blick wanderte zu seinem Gesicht, das ziemlich kantig war. Seine Züge jedoch verrieten seine eigentliche Sanftmütigkeit und Shiori verlor schnell ihre Angst. „Könnt ihr zwei Turteltäubchen das auf später verschieben…ich muss hier die Anmeldungen fertig schreiben“ knurrte der Soldat am Schreibtisch, der nervös angefangen hatte mit der Feder zu spielen. Sofort wurden Shiori und der Mann vor ihr knallot. „Ähm…nur zu…“ sagte er etwas verlegen und kratzte sich am Hinterkopf, während Shiori sich wieder dem Amateurschreibtisch zuwandte und die weiteren Fragen beantwortete. „Geschafft…bist du erleichtert?“ Shiori hielt lächelnd ihr Anmeldeformular und die Bestätigungsdokumente in ihren Händen und nickte. „Ich freue mich…nächste Woche geht es los!“ Sie drehte sich um und sah ihn an. „Das werden drei ganz harte Jahre werden, aber ich werde es schaffen.“ Der Mann mit den kurzen schwarzen Haaren nickte. „Schön optimistisch bleiben“ zwinkerte er ihr zu. „Ich habe die Hürde überstanden, an der ich am meisten gezweifelt hatte“ dachte das Mädchen und ihr ganzer Körper begann zu zittern. „Ich trete meine neue Ausbildung an…nicht als Mädchen…sondern als Junge, in der Hoffnung mehr Achtung und Autorität zu bekommen. Ich will nicht, dass die anderen mich als schwach bezeichnen und mir helfen wollen, nur weil ich ein Mädchen bin…“ Und doch, trotz des ersten Erfolges, durchströmte eine neuartige Furcht ihren Körper. „Jetzt beginnt mein Überlebenskampf…“ murmelte sie leise, doch der Mann, der die ganze Zeit über schon in ihrer Nähe war hörte sie und lächelte. „Ja, das ist die Hauptaufgabe eines jeden neuen Kadetten. Ah…übrigens…“ stammelte er und beugte sich leicht zu ihr herab, was Shiori Hitze in den Kopf trieb. „Mein Name ist Antonino Schütze und du bist?“ Zögerlich blickte sie herab. „Ich…ich bin Luca Waldmann. Es freut mich Sie kennenzulernen, Herr Schütze.“ Bei jenen Worten, die so sanft klangen, stutzte Antonino und wich etwas zurück. „Verdammt…ist er wirklich ein Junge?“ dachte er verwirrt und betrachtete seine sanften Gesichtszüge und das kurze, braune Haar, das in der Sonne glänzte. Er besass wirklich einen zierlichen Körper mit schmalen Schultern und schmächtigen Armen. Ihr Hals regte sich elegant der Sonne zu und seine Finger waren lang, wie die einer Frau. „Okay…jetzt fühle ich mich richtig merkwürdig in seiner Nähe“ dachte er und verstand die Welt nicht mehr. „Sie sind doch bereits ein voll ausgebildetes Mitglied. Was machen Sie bei den Anmeldungen der Jungkadetten?“ fragte Shiori und drehte sich zu ihm um. „Ach das…ich bin inoffiziell hier. Ich wollte schauen, was für Neulinge wir bekommen“ lachte er. „Aber das was ich zu sehen bekam ist…vielversprechend.“ „Wegen den Mädchen oder warum sind Sie so verzückt?“ Shiori lächelte ihn an, was Antonino Röte ins Gesicht schiessen liess. „Nein, was denkst du von mir“ lachte er. „Aber weibliche Soldaten sind…wirklich entzückend.“ Antonino sah auf sie herab, was Shiori zum stutzen brachte, aufgrund seines sanften Gesichtsausdruckes. „Wir werden uns wiedersehen, verlass dich darauf. Ich hoffe du bist bis dahin ein starker Soldat geworden.“ Seine Hand landete auf ihren Kopf und wuschelte ihr brüderlich durchs Haar. „Ich werde alles geben“ sagte sie und lächelte wieder, voller Vorfreude. Dieser ausserordentlich freundschaftliche Augenblick wurde jäh zerstört, als eine laute Stimme die neuen Kadetten aufschauen liess. „Alle Jungkadetten, bitte holt euch eure Uniformen ab!“ Antonio klopfte ihr sanft auf den Rücken. „Na los, geh schon und vergiss nicht…“ Er zwinkerte. „Überlebe!“ Shiori Winter, alias Luca Waldmann, strahlte ihn an und salutierte das aller erste Mal mit stolz. „Zu Befehl!“ „Shayna Winter…Sie bringen mich zum Verzweifeln“ seufzte Bäckerin Adalia und stellte das Tablett mit dem Tee auf den Tisch, während Shioris Mutter immer noch leise schluchzte. „Sie müssen Ihre Tochter verstehen, sie ist immerhin kein kleines Kind mehr. Sie wird langsam zu einer jungen Frau…“ Shayna sah auf. Ihre Augen waren rot und geschwollen. „Sie ist seit einer Woche verschollen. Wie kann ich mir da keine Sorgen machen…ich als ihre Mutter!“ Adam, der an der Wand angelehnt dastand, sah herab. „Niemand weiss wo sie ist, ob es ihr gut geht…ob sie überhaupt noch lebt…“ Ein lautes Krachen erklang, als der Stuhl, auf dem eben Shayna noch sass, umkippte und die junge Mutter auf Adam losging. „Du wagst es solche Worte in den Mund zu nehmen, du ungehobelter frecher Bursche. Dabei wollte ich dich meiner Tochter zum Mann geben!“ Adam sah sie geschockt an und Frau Adalia wollte gerade dazwischen gehen, als sich auf einmal die Türe der Bäckerei öffnete und ein junger Mann eintrat. Eingehüllt in nagelneuer Uniform ging er mit selbstsicheren Schritten auf die kleine Versammlung zu, die vor Schock kein Wort mehr herausgebrachten. „Ich fürchte das mit der Heirat muss wohl noch etwas warten“ sagte der junge Mann und trat ins Licht. Es vergingen einige Sekunden bis Shayna schliesslich ihre Fassung verlor und ihre Knie nachgaben. „Shiori…“ flüsterte sie und stille Tränen benetzten den Holzboden. Das Mädchen kam auf sie zu, kniete sich nieder und blickte ihrer Mutter direkt in die Augen, während Shaynas Blick an ihrer Uniform haftete. „Nein Mutter…ab jetzt bin ich Luca Waldmann. Kadett in Ausbildung.“ Ohne Vorwarnung lief Adam auf sie zu, riss sie hoch und packte sie an den Schultern. Er war so schnell, dass sie seine Bewegungen, die von Wut gelenkt wurden, nicht mit verfolgen konnte. „Shiori…“ zischte er, während er sie an der Wand festnagelte. Der Schock vernebelte seinen Blick, der ihre abgeschnittenen Zöpfe bemerkt hatte. „Ist dir klar, dass die Ausbildung ausserhalb der Mauern stattfindet? Was wenn Titanen euch angreifen? Du könntest dein Leben verlieren, Shiori!“ Seine Stimme, die anfangs laut war, verwandelte sich in ein erschreckendes, fassungsloses Flüstern, begleitet von Tränen. Shiori sah ihn an und begann schliesslich sanft zu lächeln. „Ich will das Leben meines Vaters leben…Ich will ihm folgen, Adam…“ „UND WENN DU STIRBST?!“ Shiori zuckte zusammen, blieb jedoch tapfer und sah ihm wieder in die Augen. „Genau das habe ich befürchtet…ich kehre zurück und keiner versteht meine Entscheidung und mein Wunsch“ murmelte sie. „Lass mich los, Adam! Ihr könnt sowieso nichts mehr dagegen machen. Ich bin offiziell als Kadett in Ausbildung eingetragen worden…“ Adam liess sie los und Shiori richtete sich ihre Jacke. „Als Junge?“ fragte er und blinzelte als würde ihm das Bild vor seinen Augen eine Halluzination vorspielen. Eine Weile herrschte Stille. Adam konnte förmlich beobachten wie blass seine Sandkastenfreundin wurde und wie sie mit sich zu kämpfen hatte. „Ich verlange nicht, dass ihr mir verzeiht und verlangt nicht von mir, dass ich mich entschuldige. Von mir aus, könnt ihr so lange schlecht auf mich einreden, wie ihr wollt. Es wird mich nicht davon abbringen weiterzugehen…ganz egal was auf mich zukommen mag.“ Ihre Hände verwandelten sich zu Fäusten und sie hielt ihre Tränen krampfhaft zurück. „Ihr trauert alle und weint. Weint euch die Seele aus dem Leib…das wird ihn nicht zurückbringen. Ich konnte all diese Emotionen nicht mehr ertragen…deshalb rannte ich weg und versteckte mich in der Kaserne.“ Sie holte Luft und versuchte die Fassung zu wahren. „Um meine Traurigkeit zu überwinden will ich das sehen, was mein Vater sah. Nur so kann ich über den Tod meines Vaters hinwegkommen. Nur so habe ich das Gefühl, dass er bei mir ist…und mich beschützt…uns beschützt.“ Ihr kamen die Tränen und sie hielt sich die Hand vor den Augen. „Ich will gewiss nicht sterben. Was bringt es mir? Nur wenn ich lebe, kann ich all diese Emotionen aufnehmen…denn nur so lebt man wirklich.“ Sie nahm die Hand herunter und lächelte wieder. „Ich bitte euch nur um eines...Ab jetzt führe ich das Leben eines Mannes, ich flehe euch deshalb an…verratet mich nicht.“ Mit diesen Worten ging Shiori wieder in die Knie und neigte den Kopf gen Boden. „Was soll ich eurer Meinung nach tun, damit ihr mich nicht verratet?“ Wieder herrschte eine bedrückende Stille. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)