Wings of Freedom von Lady-Phantomhive ================================================================================ Kapitel 1: Die Schwerter, die Rosen und die Schwingen der Freiheit ------------------------------------------------------------------ * Fünf Jahre zuvor * „Shiori, die Kisten mit dem Brot für die Kaserne sind da drüben, kannst du sie nachher Adam überreichen?“ rief Frau Adalia. Ein braunhaariges Mädchen mit langen Zöpfen, einer weissen Haube auf dem Kopf und rehbraunen Augen sah zur Türe und strahlte ihre Chefin an. „Ja, natürlich“ erklang ihre glockenhelle Stimmt, die von Freude nur so sprudelte. Ohne das ihr Lächeln aus dem Gesicht verschwand, raffte sie ihren, von Mehl, Zucker und Schokolade, beschmutzen Arbeitsrock und nahm eine Strähne aus dem Gesicht, wobei sie aus Versehen einen Mehlabdruck auf ihre Wange schmierte, den sie nicht bemerkte. Als die Uhr pünktlich 08:00 schlug, erklang das allbekannte Klopfen an der Eingangstüre. Shiori drehte sich um und blickte in das Gesicht eines Jungspunds mit kurzen wuscheligen schwarzen Haaren. Sofort erhellte sich sein Gesicht, als er sie sah. „Guten Morgen, mein Täubchen…“ rief er aus, wobei die anderen weiblichen Bäckerinnen leise zu kichern begannen und Shiori vielsagende Blicke zuwarfen. Doch diese holte nur Luft und runzelte ihre Stirn. Adam lächelte bloss und stütze sich an der Arbeitstheke ab, ohne den Blick von ihr abzuwenden. „Du siehst wieder einmal hinreissend aus“ lachte er, als er den Mehlabdruck auf ihrer Wange bemerkte. „Und mir gefallen deine Zöpfe…“ Mit geröteten Wangen drehte Shiori ihrem Sandkastenfreund den Rücken zu. Ohne seinen schmeichelnden Worten Beachtung zu schenken, ging sie in die Knie und hob die schweren Kisten hoch um sie gleich darauf Adam in die Arme zu drücken, der erst mal leicht zurücktorkelte. „Das hier muss so schnell wie möglich in die Kaserne gebracht werden, denn die Soldaten von der Aufklärungslegion könnten jeden Moment ankommen…“ Adam lächelte. „Freust du dich, deinen Vater wiederzusehen?“ Wie erwartet, wurden Shioris Gesichtszüge sanfter und die Liebe sprach aus ihren Augen. Ein Anblick der sein Herz höher schlagen liess. „Ja…ich habe ihn ein ganzes Jahr lang nicht mehr gesehen. Ich sehne mich nach dem Moment ihn wieder in meine Arme schliessen zu können.“ Er hob seine Augenbrauen. „Ich wünsche du würdest das auch zu mir sagen.“ Shiori presste ihre Lippen zusammen und ballte die Hände zu Fäusten, was Adam zum Lachen brachte. „Nimm einfach die Kisten und verschwinde“ zischte sie mit geröteten Wangen. Adam lächelte sie spöttisch an. „Bekomme ich dafür einen Kuss?“ fragte er leise, doch Shiori schlug mit dem Handtuch auf ihn ein, was ihn nur noch mehr lachen liess. „Scher dich raus und komm bloss nicht nochmal hierher!“ „Schlag mich so viel du willst, früher oder später werde ich dich bändigen!“ rief er noch, bevor er schnell aus der Bäckerei flüchtete und eine völlig geschockte Shiori hinterliess, die erst einmal wie erstarrt dastand. „Hey, Shiori…Du Glückkind“ rief eine junge Frau, die an der Theke stand und das Spektakel betrachtete hatte. „Du solltest in nehmen, er ist so ein witziger Kerl und scheint wirklich in dich verliebt zu sein.“ Shiori seufzte bei ihren Worten. „Adam ist mein Kindheitsfreund…ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen mit ihm zusammen zu sein.“ Völlig angespannt verliess das junge Mädchen den Laden und ging hinab in die Backstube, wo sich ihre Chefin befand, die ebenfalls grinste. „Ich habe alles gehört“ säuselte sie und schob den Teig in den Steinofen. „Adam ist aber wirklich ein guter Mann und eine gute Partie für dich. Er ist fähig dich zu versorgen. Hast du denn nicht vor eines Tages zu heiraten und eine Familie zu gründen?“ Das braunhaarige Mädchen seufzte, musste aber dann doch lächeln. „Ja, das ist der Wunsch meiner Familie, aber ich bin doch erst sechzehn. Ich habe noch etwas Zeit um darüber nachzudenken, Frau Adalia. Ein Mann steht bei mir nicht an erster Stelle…“ Sie nahm ein paar saubere Tücher und legte diese zusammen. „Ihr wisst doch, ich arbeite hart um meine Familie zu versorgen. Sie sollten ein möglichst sorgenfreien Leben haben“ sagte sie und begann zu strahlen. „Ausserdem kehrt doch mein Vater heute zurück.“ Frau Adalia, die Besitzerin der Bäckerei und Shioris Meisterin, lächelte seelig. Das Mädchen war ihr wirklich sehr ans Herz gewachsen. Und sie gönnte ihr das freudige Wiedersehen mit ihrem Vater. Shioris Gedanken waren weit weg. Ihr Vater war schon so lange fort. Mit jedem weiteren Tag wuchsen ihre Sorgen um ihn, denn die Gefahren ausserhalb der Mauer zogen sich ins unermessliche. Frau Adalia seufzte kläglich und wusste genau, an was Shiori sich wieder festhielt. „Fängst du schon wieder damit an? Das Militär ist nichts für so zarte Mädchen wie dich, Liebes. Dort gehen deine talentierten Hände kaputt und deine Kreativität wird verzerrt von der bitteren Wahrheit der Aussenwelt. Ausserdem…bist du doch gar nicht gebaut für den Kampf. Ich hätte grosse Angst um dich…“ Frau Adalias Blick senkte sich traurig und sie setzte sich auf den Schemel hin. Shiori kam auf sie zu, kniete sich nieder und nahm ihre Hand. Auf ihren Lippen ein sanftes Lächeln. „Mir ist bewusst, dass viele dagegen sind, aber es war mein Vater, der mir beigebracht hatte mit einem Schwert zu kämpfen. Er nahm mich sogar auf die Mauer und ich konnte die Welt da draussen sehen. Mein Mutter war schon immer dagegen gewesen, sie wollte aus mir eine gute Hausfrau und Mutter machen.“ Bei ihren eigenen Worten musste sie lachen. „Meine Mutter würde nicht mehr mit mir reden…und meine Geschwister würden es nicht verstehen, wenn ich von Zuhause verschwinden würde…“ „Aber genau deswegen darfst du nicht gehen, Shiori…“ unterbrach die Bäckerin sie besorgt und sah sie verzweifelt an. Das Mädchen hielt inne. Ihr Blick wanderte von ihren Händen zum Tisch hinter dem Schemel, als ihr Herz vor Schreck einen Schlag ausliess. „Shiori!“ rief Frau Adalia erschrocken, als sich das Mädchen losriss und auf den Tisch zu rannte. „Dieser Idiot…“ zischte sie wütend und packte den Wollsack mit den Äpfeln. „…er hat sie doch tatsächlich vergessen! Tut mir leid, Frau Adalia, aber ich muss das hier schnell zur Kaserne bringen.“ Die Bäckerin jedoch konnte sie nicht mehr aufhalten, so schnell war sie verschwunden. Mit schüttelndem Kopf sah sie ihr aus dem Fenster hinterher. „Dieses Kind ist so naiv…Ich hoffe nur, dass sie eines Tages den richtigen Weg einschlagen wird.“ „Verzeihung….Entschuldigen Sie bitte….darf ich kurz durch?!“ rief Shiori und versuchte sich einen Weg zwischen dem Gedränge auf dem Marktplatz zu bannen. Mit dem Sack Äpfel über ihrer rechten Schulter zwängte sie sich durch die Menschenmassen und rannte den Weg hinauf zur Kaserne. Schon von Weitem sah sie einen Soldat winken und begann zu strahlen. Mit allerletzer Kraft kam sie oben an. „Guten Morgen, schon so früh auf?“ lächelte der Torwächter. „Guten Morgen, Thomas, verzeih die Störung aber Adam hat die Äpfel vergessen, deswegen musste ich ihn nachrennen. Gewährst du mir den Eintritt?“ Der blonde Mann lachte. „Ja, ich habe Adam eben gerade gesehen, er hatte irgendwie gute Laune gehabt“ sagte er, während er seinen Männern das Zeichen zur Toröffnung gab. „Er scheint verliebt zu sein. Wer ist denn die Glückliche?“ Bei den Worten errötete Shiori sofort und sah weg. „Das ist seine Sache“ murmelte sie. „Wa…was?“ Shiori drehte sich um und lächelte Thomas an. „Nichts, nichts…vielen Dank. Einen schönen Tag wünsche ich dir, Thomas.“ Mit diesen Worten betrat Shiori die Kaserne und ging, den Blicken einiger Soldaten vermeidend, geradeswegs in den Hintereingang der Küche. „Shiori?“ Ein weisshaariges Mädchen in Kadettenuniform stand vor ihr und sah sie erstaunt an. Sofort wurden Shioris Augen gross und sie liess beinahe den Wollsack mit den Äpfeln fallen. „Sophie…?“ hauchte sie fassungslos und ihr Blick wanderte zur Uniform, die ihr wirklich gut stand. Ehrfurcht blitze in ihren Augen auf. Das Mädchen mit den kurzen weissen Haaren und den wunderschönen grünen Augen, lächelte sie an. „Du…arbeitest immer noch in dieser Bäckerei?“ fragte sie, wobei es wie ein Vorwurf klang. Shiori biss sich die Zähne zusammen und ihre rechte Hand formte sich zu einer Faust. „Ja…“ antwortete sie schlisslich etwas kleinlaut und ein beschämendes Gefühl übermannte sie. Sophie war hübsch und stark. Sie war die Ruhe und Disziplin in Person. Und seit einem Jahr war sie offizielle Soldatin der Mauer Garnison. Vorsichtig legte das weisshaarige Mädchen ihre Hand auf Shioris Kopf und streichelte sie. „Du bist so süss“ begann sie auf einmal zu schwärmen und kicherte leise. Leicht bestürzt über diese Aussage, runzelte Shiori die Stirn. „Ich bin nicht süss“ murrte sie kleinlaut, was Sophie jedoch nur sanft lächeln liess. Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren legte Shiori den Wollsack ab und streckte sich den Rücken durch. „Sag mal Sophie, wie ist es denn so in deiner Einheit? Wie verlief deine Ausbildung zur Soldatin? Ich habe so viele Fragen an dich“ lächelte sie und wischte sich den Staub von ihrer Arbeitsschürze. Völlig gelassen nahm Sophie einen Apfel und biss kräftig hinein. Beeindruckt von ihrer Ruhe, sah Shiori sie an. „Tja, was soll ich dazu sagen?“ murmelte Sophie. „Es war hart und einige waren emotional so am Ende, dass sie schon mehrmals darüber nachdachten, aufzuhören um ein normales Leben zu führen. Aber, weisst du….was ist ein normales Leben ohne die Hilfe von uns, die die Mauern schützen und die Titanen bekämpfen?“ Abermals wuschelte sie Shiori über den Kopf, die ihre Augen leicht zukniff. „Eines ist sicher…man wird dort erwachsen.“ Ein trauriges, aber auch erfülltes Leuchten blitze in ihren Augen auf, was Shioris Herz höher schlagen liess. Ihre gross gewordenen Augen liessen Sophie leise auflachen. „Willst du immer noch beitreten?“ Eine Gänsehaut breitete sich auf Shioris Armen aus und sie holte Luft. Mit einem Nicken ihrerseits, senkte sich Sophies Blick. „Wenn ich du wäre, würde ich aber nicht.“ Das braunhaarige Mädchen öffnete den Mund und wollte etwas erwidern, aber Sophies ernst gewordener Blick liess sie inne halten. „Dein Charakter wäre nicht stark genug dafür. Sie würden an deinen Grenzen nagen, bis du innerlich zu bluten beginnst und dann würden sie dich für unfähig einstufen, die Ausbildung abzuschliessen…“ „Warum sagst du sowas?“ Shioris leise Frage, liess sie verstummen. Das braunhaarige Mädchen blickte zu ihr auf und Sophie begriff sofort, dass sie einen wunden Punkt berührt hatte. „Alle…sie alle sagen immer und immer wieder das Gleiche. Vielleicht mögen meine Gedanken naiv und dumm sein. Ja, ich könnte wirklich ein friedvolles Leben haben mit einem Mann an meiner Seite. In naher Zukunft würde ich Kinder zur Welt bringen…aber weisst du was Sophie?“ Tränen schwammen in ihren Augen und Sophie sah ihr Herz bluten. „…ich hänge an dem Wunsch, meine Familie zu beschützen. Mag sein, dass mein kleiner Bruder eines Tages in die Fussstapfen meines Vaters treten und die ganze Familie stolz machen wird. Dieser Gedanke ist egoistisch, aber wenn ich es nicht einmal versuchen würde, dann würde ich es mein ganzes Leben lang bereuen.“ Sophie, die ihren Worten Gehör geschenkt hatte, sagte nichts. Dieses Kind, das gerade mal sechzehn Jahre alt war, wollte eine Kämpferin werden? Sie lächelte. „Dein Herz steht in Flammen und schlägt für das Schlachtfeld ausserhalb der schützenden Mauern. Unseren neu ernannten Kommandanten, Erwin Smith, würde das höchst beeindrucken.“ Shiori blinzelte. „Erwin Smith?“ murmelte sie und Sophie nickte einmal. „Er ist gerademal 23 Jahre alt und der jüngste Kommandant seit jeher. Du wirst es am Anfang mit ihm zu tun bekommen, wenn du dich wirklich für das Militär entscheidest.“ Aufmunternd klopfte Sophie ihr auf die Schultern. „Meine Worte haben dich verletzt nicht wahr?“ fragte sie mütterlich und lächelte auf sie herab. „Das tut mir sehr leid. Wenn du das Gefühl hast stark genug zu sein, dann wirst du es ganz sicher schaffen und deine Familie eines Tages stolz machen. Es ist ein einziger Überlebenskampf und wenn du diesen Kampf gewinnst, kannst du absolut alles bezwingen, was dir im Weg steht.“ Shioris Herz begann auf einmal an Tempo zuzulegen und der hoffnungsvolle Schimmer in ihren Augen kehrte zurück. „Gib nicht auf, Shiori“ sagte Sophie, richtete sich auf und salutierte stolz, worauf Shiori wie gelähmt dastand. „Ob du eines Tages das Schwert in den Händen halten wirst, oder die Rose…ja wohlmöglich sogar die Schwingen an deinen zarten Schultern, wird sich zeigen“ sagte sie, zwinkerte ihr zu und rauschte an ihr vorbei. Hinterliess ein junges Mädchen, dessen Blick sich im Horizont ihrer Träume verloren hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)