Dunkelheit von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich schlage die Augen auf. Es ist alles wie immer. Ich blicke der kalten Steinplatte entgegen. Routiniert hebe ich den Arm so weit es geht und schiebe mit Leichtigkeit die Platte bei Seite und steige dann behänd aus meinem kalten harten Bett. Die gleichen mit Grünspan überzogenen Steinwände, die gleichen eisernen Kerzenhalter an den Wänden, in denen schon seit Jahrzehnten keine Kerze mehr gebrannt hat. Mittlerweile sind sie von Spinnenweben und Rost überzogen. Seufzend mache ich mich auf den Weg zur Tür. Ich stoße sie mit einem Ruck auf. Für einen normalen Menschen unmöglich. Aber ich bin ja kein normaler Mensch. Ich bin etwas menschenähnliches. Ich gehe den langen dunklen Gang entlang. Auch hier immer das gleiche Bild. Feuchte, alte Steinwände. Vor mir die alte Wendeltreppe durch die ich in mein Haus kommen kann. Ein letztes Mal steige ich sie hinauf. Mein Entschluss steht fest. Meine langes Leben ist durch Tod und Leid gezeichnet. Ich kann nicht mehr. Ich trete mit meinem Fuß gegen das morsche Holz der Kellertür, welche laut in sich zusammenbricht. Über die alten Bretter gehend, schaue ich mich ein letztes Mal um. Überall Spinnenweben, Ratten und verrottete Gegenstände aus einer alten Zeit. Nie hat mich dieser Anblick so gestört wie in diesem Augenblick. Früher war es ein schönes Haus gewesen. Doch nun rollt sich die Tapete von den Wänden und die kostbaren Teppiche sind mit Dreck und getrocknetem Blut überzogen. An diesem Abend nehme ich alles mit einer Klarheit wahr, die mir noch nie zu Teil gekommen ist. Mir fällt selbst die angerissene Vase mit den vertrockneten Blumen auf. Wann haben sie das letzte Mal Wasser bekommen? Es muss ein halbes Jahrhundert her sein. Ich gehe weiter und schaue mich um. Mein Mantel schleift durch den Staub auf dem Boden. Noch vor kurzer Zeit brannten hier Kerzen auf dem teuren Kronleuchter und Gelächter schallte durch die Räume. Doch was bedeutet "kurze Zeit" für mich? Sicherlich einen längeren Zeitraum als für einen Menschen. Ich werfe noch einen letzten Blick in das Wohnzimmer. Auf dem Kamin steht ein Bild von Ihm. Es ist vergilbt und ist nun nur noch eine schmerzliche Erinnerung. Er ist tot. Jedenfalls toter als früher als er noch an meiner Seite dieses Haus bewohnte. Damals zog er mit mir durch die pulsierenden Großstädte früherer Zeiten und wir stillten gemeinsam unseren Durst. Doch das ist vergangen und kann nicht wieder rückgängig gemacht werden. Mein Entschluss festigt sich durch den Anblick des alten Bildes nur noch mehr. Ich gehe aus dem Haus und schaue in die sternenklare Nacht. Kalter Wind streift meine ebenso kalte Haut. Der Vorgarten ist verwildert, doch noch ist ein Durchkommen möglich. Nachdenklich öffne ich da quietschende Gartentor. Der Rost bleibt an meinen Hände. Ich seufze. Kein Vogel singt, keine Grille zirpt, nur Stille. Als ich auf die Klippe vor unserem Haus zugehe, knirscht der Sand unter meinen Stiefeln. Damals hatte mich dieses Grundstück viel Geld gekostet, so nah am Meer. An der Klippe angekommen, schaue ich hinunter in die wilde Brandung, die durch den scharfen Wind nur noch mehr aufgeheizt wird. Ich habe keine Zweifel mehr. Mein Leben ist leer ohne ihn und ich sehe keinen Grund mehr in meiner Existenz. Ich setze mich an den Rand der Klippe, ziehe meine Beine an und lege meine Arme darüber. Doch nicht weil es kalt ist, sondern weil er es früher genauso getan hat. Er hat oft an der Klippe gesessen und auf das Meer herausgesehen. Ich habe ihn deswegen so manches Mal verspottet. Nun sitze ich genauso hier und warte. Warte darauf das meiner zu langen Existenz ein Ende gesetzt wird. Warte das der Schmerz vergeht. Der Schmerz den sein Tod in mir verursacht hat. Warte darauf, dass die Sonne aufgeht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)