濤声 von -aftermath- (Voice of Waves) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1 Leises, ständiges Piepen riss ihn förmlich aus einem merkwürdigen Traum, zumindest konnte er sich gerade nicht mehr in Erinnerung rufen, was er bis eben noch geträumt hatte, aber das komische Gefühl, was der Traum hinterlassen hatte, randalierte noch in seinem Magen. Nur irgendetwas war hier gewaltig falsch, denn sein Körper gehorchte ihm so gar nicht. Jetzt wo er wach war, wollte er aufstehen und ja, was wollte er da machen? Ach ja, Kaffee trinken! Ein Kaffee war eine super Idee wie er fand, aber es bewegte sich keines seiner Körperteile auch nur einen Millimeter. Vielleicht war er noch im Halbschlaf während er eigentlich in der REM-Schlafphase war? Da konnte man sich doch auch nicht bewegen. Doch träumte er gar nicht mehr... Oder doch? War das so ein blöder, Traum, der sich warum auch immer, wie die dumme Realität anfühlte? Verwirrt ließ ihn diese Erkenntnis zurück, denn er verstand immer noch nicht, weshalb er sich nicht bewegen konnte, falls er doch nur träumen sollte, wachte er hoffentlich gleich auf. Sein Körper war zu dem so schwer, als ob jemand einen Sack mit Steinen an diesen gebunden hätte. 'Meine Fresse...', schoß es Kyo durch den Kopf, denn er versuchte sich nun ins Gedächtnis zu rufen, warum er sich nicht rühren konnte, nicht einmal seinen kleinen Finger, obwohl doch der bewegte sich ein kleines Mühchen. Hatte er mit Die etwa den Abend versoffen und das war nun das Ergebnis davon? Konnte man von zu viel Alkohol so etwas erleben? Doch da stellte er sich die Gegenfrage, warum ausgerechnet er, der nie ein Tröpfchen anrührte, ausgerechnet mit Die einen Heben sollte, der die Schnapsdrossel schlecht hin war. Da kam er ja nach einem Drink nicht mehr mit. Also mit Die auszugehen war immerhin eine Sache, sie waren ein Paar, aber dass er dann auch noch trank? Hatte ihm Die etwa heimlich Vodka in seine Cola gemischt? Er spielte bei solchen seltenen Gelegenheiten doch immer Dies ganz persönlichen Anstandswauwau und hielt ihn davon ab noch etwas mehr von seiner grauen Hirnmasse zu zerstören. Bei dem wusste man aber nicht immer, was in seinem Kopf vorging, nur konnte er sich keinen Grund vorstellen, weswegen er ihn abfüllen sollte. Am Sex konnte es wohl nicht liegen! Den hatten sie doch wohl oft genug und dass der gut war, stand außer Frage. Noch immer rührte sich nichts, bis auf dieser beschissene kleine Finger an seiner linken Hand. Er konnte doch spüren, dass er auf einer halbwegs weichen Matratze lag, aber wenn er in seinem Kopf den Befehl formulierte: Beweg' deinen verdammten Arsch aus dem Bett, dann passierte nichts, obwohl... Da war noch dieses Muskelzucken, aber er konnte nicht spüren, dass sich seine Beine bewegten geschweige denn seine Arme. Lage, Position, alles klar. Flach auf einer Matratze mit einem etwas rauem Laken. Nur konnte er nicht spüren, wie sich irgendetwas bewegte... Oh! Da fiel ihm ein, dass er die Augen noch gar nicht geöffnet hatte, erst mal gucken, wo er hier war! Möglicherweise war er hier mit Die in einem Lovehotel und sein rothaariger Freund zerquetschte ihn in seinem Suffkoma nur mal wieder. Das erklärte das komische Laken, denn daheim hatten sie ein weiches, kuscheliges und ja rotes Laken. Ganz nach den Wünschen eines einzelnen Herren. Doch als er die Augen geöffnet hatte, lag nicht wie er gehofft hatte sein schlacksiger Freund auf ihm, da lag eine schnöde weiße Decke auf ihm, mehr nicht. Also versuchte er jetzt erstmal seinen Kopf zu heben, damit er mehr von dem Zimmer sehen konnte. Zum Teufel noch eins, seinen Kopf konnte er auch nicht anheben? Was war hier los? Panisch bewegte er die Augen hin- und her, versuchte so viel wie möglich mit der eingeschränkten Sicht zu erblicken. Moment mal eingeschränkte Sicht? Was war das da neben ihm? Hässliche Holzgitter? In was für einem abgefucktem Lovehotel war er denn hier gelandet? Doch jetzt sickerte es zu ihm durch, das war gar kein Lovehotelzimmer, bestimmt gab es Krankenhausfetischräume, aber da roch es sicher nicht so ekelhaft nach Desinfektionsmittel, das war ein verdammtes, echtes Krankenhauszimmer! Aber warum? Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm etwas zugestoßen war. Und wo war Die? War ihm auch etwas passiert? Wieder ließ er seine Augen von einer Seite zur anderen wandern, mehr war nicht drin, zwischen den Bettholmen konnte er nur ein Stück des Fußbodens sehen und irgendwelche anderen Dinge, es war eh alles verschwommen, denn er hatte keine Brille auf der Nase. Besser war es wohl, wenn er seine Augen wieder schloss, da war eh nichts zu sehen. Gott, wo war er hier nur? Und weswegen überhaupt? Wo war Daisuke? Oder irgendjemand anderes? Irgendwer halt, ganz gleich wer! Denn gerade wollte er nur jemanden, der ihm sagte, dass das hier nur halb so schlimm war wie er dachte, dass er übertrieb, wie er es manchmal tat und dass er morgen schon wieder nach Hause laufen konnte. Nur das flaue Gefühl in seinem Magen, wollte ihn von etwas anderem überzeugen und meistens hatte sein Bauchgefühl recht und er war nicht blöd. Das hier war morgen nicht vorbei, bei seinem Glück würde er so für immer bleiben. Die Tränen, die sich gerade in seinen Augen sammelten, brannten leicht und er wollte sie nicht zurückhalten, ließ sie einfach über seine Wangen rollen. Kapitel 2: ----------- Kapitel 2 Nach vornübergebeugt saß er nun auf der Bettkante, strich sich durch das zerzauste rote Haar und schob mit seinem großen Zeh einen der hässlichen Krankenhauslatschen, die man ihm gegeben hatte, zusammen mit der krankenhausinternen Patientenkleidung, bestehend aus einem kurzärmeligen Hemd und einer dreiviertel Hose, von rechts nach links. Wenigstens waren beide Kleidungsstücke nicht steril weiß sondern eher mintgrün, trotz allem noch hässlich und es biss sich mit seinem kirschroten Haar. Seine eigene Kleidung hing im Schrank, blutverschmiert wohlgemerkt. Wenn er auch nur ansatzweise an den gestrigen Tag dachte, kamen ihm schon wieder die Tränen und ihm wurde speiübel. Wie immer war er gefahren, Kyo besaß nicht mal einen Führerschein oder gar ein Auto. Endlich nach Wochen hatten sie es geschafft sich einige Tage freizuschaufeln, besser gesagt sein kleiner Blonder. Sie hatten ihren Jahrestag feiern wollen und hatten ein Zimmer in einem Onsenhotel gebucht. Fünf Jahre waren sie nun schon ein paar und das mit allen möglichen Höhen und Tiefen. Fünf Jahre waren eine lange Zeit, vor allem für den Gitarristen, der sich davor jede Nacht eine andere geangelt hatte und überhaupt gar nicht der Typ für etwas langwieriges war, aber Kyo hatte es geschafft und ihn in diesem Punkt um 180 Grad gedreht. Während er also von der Stadtautobahn abbog, war plötzlich ein Lastwagen von rechts angerauscht, Die hatte noch ausscheren wollen, aber es war nicht geglückt. Und dann war alles ganz schnell passiert, der laute Knall, das knirschende Geräusch von Metall auf Metall, Schreie, Schmerzen, Dunkelheit. Als Die wieder zu sich gekommen war, hatte man ihn gerade aus dem Auto gezogen, ebenso den Sänger und sie auf Tragen gehoben. Die Schmerzen in seinem Körper waren bis dato das schlimmste, was er jemals gespürt hatte, doch durch das Adrenalin in seinem Körper bekam er das nur nebenbei mit. Sofort hatte er zu Kyo gewollt, denn im Gegensatz zu ihm hatte der bewusstlos auf der Bare gelegen. Kein Lebenszeichen von seinem Freund und niemand hatte wohl das gehört, was er geschrien hatte, aber ab da war seine Erinnerung wirr und durcheinander. Gewehrt hatte er sich wohl, denn er hatte einen der Sanitäter geschlagen, da sie ihn von ihm hatten trennen wollen, wo er doch nicht gewusst hatte, was mit seinem Liebsten war! Doch es hatte alles nichts geholfen, auch wenn er getobt hatte, hatten sie ihn nicht zu ihm gelassen, stattdessen hatten sie ihm irgendein Beruhigungszeug gespritzt und abtransportiert. Er konnte von Glück reden, dass er nur eine gebrochene Nase hatte, ein fettes Brillenhämatom, eine riesige Platzwunde an der Schläfe, mehrere geprellte Rippen, ein angeknackstes Handgelenk und ein Schädelhirntraum mit dazugehöriger Gehirnerschütterung. Aber was mit Kyo war, wusste er nicht und es zermürbte ihn, hatte ihn den größten Teil der Nacht nicht schlafen lassen. Auch heute, wo es ihm schon etwas besser ging körperlich, hatten diese dummen Schweine ihn nicht zu Kyo gelassen, er war ja kein Verwandter, auch wenn er doch mit ihm eine Beziehung führte. Doch wem sollte er das sagen, konnte er sie doch schlecht hier und jetzt outen. Schon den ganzen Tag über hatte er die Schwestern gelöchert mit ein und der selben Frage: „Wo ist Kyo?“ Nicht mal essen hatte er können, denn so bald er auch nur etwas Kummer hatte, stellte sich auch sein Appetit ein. Noch nicht einmal, ob seine Familie gekommen war, wusste er, es sagte niemand auch nur ein Wort zu ihm und er hasste diese Ungewissheit. Wenn sie ihn nicht gleich zu Kyo ließen, würde er diesen dummen Latschen dem nächstbesten an den Kopf schmeißen, der es wagte sein Zimmer zu betreten. In diesem Moment öffnete sich quietschend die Tür und Die hob ungeschickt den Latsch vom Boden, um diesen zu schmeißen, bereute es aber gleich wieder, denn ihm wurde augenblicklich schwindelig dank der Gehirnerschütterung. Grimmig starrte er nur noch zu der eintretenden Person und hatte den Latsch mit einem Klatsch zurück auf den Boden fallen lassen. Erleichtert atmete er auf, als er in das vertraute Gesicht des Leaders blickte, der so eben die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Was ist mit Kyo?“, stellte er auch an ihn direkt die einzige Frage, deren Antwort er wissen wollte. Es war ihm egal, wenn er in diesem hässlichen Zimmer noch die nächsten Wochen bleiben musste, so lange er nur zu seinem Freund konnte. Der brauchte ihn doch bestimmt! „Sachte, Die. Du bist ja ganz blass“, entgegnete dieser ruhig und trat nun auf den größeren zu, um sich zu ihm ans Bett zu setzen. Schweigend sahen ihn nun die braunen Knopfaugen des anderen an und er versuchte zu lesen, was in ihm vorging oder was überhaupt vor sich ging. „Ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht für dich“, fing Kaoru an zu sprechen, nach einem Moment des Schweigens. „Erst die Gute!“, verlangte Die unterbrechend und krallte sich mit seiner nicht eingegipsten Hand in die Bettdecke unter ihm, so dass die Knöchel seiner Finger weiß hervortraten. Sein Herz raste vor Aufregung, ihm war wieder schlecht, diesmal jedoch nicht von der Gehirnerschütterung, sondern wegen seiner Sorgen. „Kyo lebt, aber..“, druckste der andere herum, strich sich nervös über sein Kinnbärtchen dabei. „Was aber?? Was??“ Die war ein nervliches Wrack und wie gerne hätte er den anderen durchgeschüttelt, bis er eine vernünftige Antwort aus ihm herausgeschüttelt hätte. „..Ich.. Das ist nicht so leicht, verstehst du..? Der Unfall..“ Der sonst so wortgewandte und souveräne Gitarrist suchte anscheinend die richtigen Worte, um es Die schonend beizubringen. Nur wollte der die Wahrheit hören und nicht irgendeinen Mist. „Die Ärzte wissen nicht, ob Kyo von dem Unfall bleibende Schäden zurückbehalten wird. Er.. Er liegt wohl im Koma und.. Sie.. sie müssen warten, bis er erwacht..“ Immer leiser war die Stimme geworden und vor Dies Augen wurde ein Film abgespuhlt, gefüllt mit Erinnerungsbruchstücken von ihm und Kyo. Ihr erstes Treffen, der erste Kuss, Streiterein, Sex, Kuscheln, die erste gemeinsame Wohnung. „...Was.. was kann denn mit.. mit Kyo sein?“, fragte Die brüchig nach, schluckte hart, hatte sich ein dicker Kloß in seinem Hals gebildet. „Der Arzt meinte vorhin, dass.. er.. er könnte so bleiben.. für immer. Sie wissen es nicht. Vielleicht Wachkoma...“ So bedrückt hatte er Kaoru noch niemals zu vorgesehen und die Worte mussten sich erst einen Weg in Dies Gehirnzellen fressen, bis wieder eine Regung in den anderen kam. Die konnte es nicht fassen! Wachkoma? Das hieß Kyo war... war... irgendwie.. tot? Geschockt starrte er mit großen Augen auf den kleineren Mann neben sich, seine Unterlippe bebte und er schnaufte laut. „Scheiße..“, nuschelte er fluchend und raufte sich sein Haar. „Das.. Das ist meine Schuld, allein meine!!“, rief er dann laut und fing so wie die letzten Stunden zu vor auch an zu heulen. „Kaoru.. Wäre.. wäre ich nicht gefahren.. und der LKW.. ich“, schluchzte er, wusste nicht mehr, was er jetzt noch machen sollte. Kyo lag vielleicht im Wachkoma, war nicht mehr hier an diesem Ort. Sein Geist war vielleicht tot! „Shh.. Die.. Das.. Das ist ganz sicher nicht deine Schuld“, sprach der Leader beruhigend, hatte seinen Bandkollegen einfach an sich gedrückt, denn er wusste doch selbst nicht, was sie jetzt tun sollten. „Der Lastwagenfahrer war betrunken und ist von der richtigen Fahrbahn abgekommen..“, murmelte er, als ob die Logik den anderen jetzt beschwichtigen würde. Wie ein Häufchen Elend hing der dünne Mann nun in Kaorus Armen, weinte sich an seiner Schulter aus, während die kleinen Leaderhände über seinen Rücken strichen. Es traf ihn mit geballter Wucht. Kyo war die Liebe seines Lebens, sein ein und alles. Seit er mit ihm zusammen war, ging es ihm viel besser. Kyo gab ihm Mut und unterstützte ihn bei seinen Vorhaben, denn auch wenn man es nicht glauben mochte, war Die ein eher unsicherer Typ. Er war immer für ihn da, einfach immer und das obwohl sie wie Tag und Nacht waren und Kyo ein störrischer Esel, aber er war sein kleiner Dickkopf. „Was.. was mach ich denn.. denn nun?“ Eine rhetorische Frage, denn wenn er selbst schon nicht wusste, was er jetzt tun sollte, wusste Kaoru es schon lange nicht. „Kann.. Kann ich denn nun zu ihm? Warst du schon bei ihm?“ Kaoru seufzte schwer, schüttelte den Kopf. „Noch nicht.. Nein.. Möchtest du denn hin?“ Dumme Frage! Natürlich wollte er das! „Ja... Bitte..“ Schniefend strich sich Die über das zerbeulte, verweinte Gesicht und nickte schwach. „Ich frag die Schwestern wegen nem Rollstuhl und dann gehen wir zu ihm, okay?“ In der Band wussten alle, was da zwischen ihnen war, nachdem sie es geschafft hatten es zwei Jahre geheim zu halten. Sie hatten sich gemeinsam zu ihrem Coming-out innerhalb der Band entschlossen, da es eh irgendwann herausgekommen wäre, so oft wie sie auf engstem Raum zusammen waren. Nichts desto trotz, waren sie beide sehr zurückhaltend, wenn sie in der Öffentlichkeit waren oder auch nur mit den anderen Dir en grey Mitgliedern zusammen waren. Man sah es nicht auf den ersten Blick, denn in Japan ignorierten sie sich genauso auf ihren Konzerten wie auch im Tourbus auf Auslandstouren. Nur wenn man genau hinsah, konnte man die Blicke deuten, die sie sich gelegentlich zuwarfen, voller Liebe und teilweise auch voller Sehnsucht. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Wie eine Unendlichkeit kam es ihm vor, dass Kaoru aus dem Zimmer verschwunden war, um einen Rollstuhl für ihn aufzutreiben, aber endlich saß er in dem fahrbaren Ding und ließ sich von Kaoru durch das Gängewirrwarr des Krankenhauses kutschieren. Nervös nibbelte er an dem Gips herum, der um seine linke Hand war. Die Aufregung stand buchstäblich in sein Gesicht geschrieben, denn er musste sich selbst von Kyos Zustand überzeugen. In seinem Wunschdenken war das hier alles ein schlechter Scherz, eine Art versteckte Kamera und gleich sprang Kyo hinter der nächsten Ecke hervor und rief: „Überraschung!“ Sein Gehirn versuchte ihn wohl damit aufzumuntern oder er hatte bei dem Autounfall doch mehr abbekommen, als ihm lieb war. Er sollte nicht albern sein, denn warum sollte Kyo ihm einen so üblen Scherz spielen wollen? „Sind gleich da“, brummte der Bandleader hinter ihm und Daisuke nickte nur stumm, konnte gerade kein Wort herausbringen. Die Angst, die ihn plagte war unbeschreiblich, denn er wollte Kyo glücklich und gesund sehen, egal ob er ihn liebte oder nicht. Stattdessen würde er ihn wohl nicht mehr wiederbekommen und bei dem Gedanken alleine, kamen ihm erneut die Tränen, wobei, er es für unmöglich gehalten hatte, dass er überhaupt noch welche übrig hatte. Intensivstation hieß ihr Ziel und dieses hatten sie nun erreicht. Kaoru übernahm zum Glück das Reden und meldete sie an. Die Schwester war so nett sie auch zu dem Zimmer zu geleiten, in dem Kyo sich wohl befand. „Ich.. Ich glaub.. ich will das nicht..“, sagte er leise, als Kaoru schon die Türklinke in der Hand hatte. Seufzend ließ dieser sie nun wieder los und drehte sich herum. „..Ich kann verstehen, dass du Angst davor hast, auch wenn ich na ja.. du weißt schon.. Aber ich denke.. Wir.. vor allem wohl du, müssen für ihn da sein.. Vielleicht.. Vielleicht ist er noch da.. Es ist noch nichts genaues festgestellt worden. Es ist nur eine Prognose, über das, was passieren könnte..“ Die nickte schweigend bei der kleinen Ansage. Da hatte er recht, ja, aber so leicht ließ sich das, was in seinem Kopf vorging nicht abstellen und er kannte Kyo nur als einen lebendigen Teilnehmer dieses Lebens, nicht als eine passive bewusstlose menschliche Masse. Einfach so ließ er es über sich ergehen, dass Kaoru ihn nun in das Zimmer schob, nach dem er die Tür geöffnet hatte. Angestrengt starrte er auf seinen Schoß, voller Angst, dass er den Anblick, der sich ihm gleich offenbaren würde, nicht ertragen können würde. Schon alleine das Piepen, was den Raum erfüllte, ließ ihn erschaudern und nur Stückweise hob er seinen Kopf an, blickte direkt auf das Bett, in dem Kyo nun lag. Doch wie sah er nur aus? Er war gar nicht mehr wieder zu erkennen! Schluckend drehte er sich leicht zu Kaoru, der einfach nur starr zu Kyo sah. Das hübsche Gesicht des Sängers war ganz blau und geschwollen, sein rechter Ar m komplett in einem Gips, der bis zur Schulter hinauf reichte. Der Rest seines Körpers war zugedeckt, wobei er noch die Kabel des EKGs sehen konnte, an das Kyo angeschlossen war und auch den kleinen Schlauch der Infusion, die er verabreicht bekam. Kein Ton verließ seine Lippen als er langsam zu Kyo hinüberrollte, das Bettgitter nach unten machte und die freie Hand unter der Decke ergriff. Schniefend hob er die warme Hand an, gab einen Kuss auf diese und räusperte sich. „Kyo..“, hauchte er schwach, nahm die Hand nun mit beiden Händen und lehnte seine Stirn an sie. Nach einer Weile waren die Tränen von selbst getrocknet und Kyo lag nun in Schweigen gehüllt da, ohne das etwas passierte. Irgendwann hörte er, wie leise die Tür geöffnet wurde und jemand hineintrat und ihn ansprach. Aha, eine der Schwestern. „Nishimura-san, sie werden jetzt gedreht, also keine Angst.“ Wie nett, dass sie ihm sagte, was sie da machen wollte und plötzlich spürte er, wie sich das Bett von selbst bewegte, also die Matratze tat dies und so gleich brach Panik in ihm aus. Aber er konnte sich nirgends festhalten! Gott sei dank, war er nicht aus dem Bett gefallen, anscheinend konnte die Matratze so ferngesteuert werden, dass sie ihn von selbst von der Rückenlage nach links drehte. Noch etwas zog die Schwester an ihm, bis er halbwegs bequem lag. Und so schnell wie die aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden. Langsam nickte er wieder ein, denn er fühlte sich erschöpft und ausgelaugt. Wenigstens hatte er keine Schmerzen, war auch wohl das einzig gute in dieser beschissenen Situation. Wieder dachte er an Die, der nicht hier war, von dem er nicht wusste, wo er war und was er machte, ob es ihm gut ging. Er wusste ja nicht einmal wo direkt er selbst war, er war in irgendeinem Krankenhaus, aber mehr wusste er auch nicht. Sowieso verstand er nicht, was hier mit ihm geschehen war, was geschehen würde, konnte er sich nicht vorstellen. Ob er mal versuchen sollte zu reden? Mit aller Kraft strengte er sich an etwas zu sagen, doch da war nur eine komische Bewegung seiner Zunge und er fing an zu sabbern, konnte sich die Spucke aber nicht vom Kinn wischen, die da gerade hinab tropfte. Das machte ihm nun erst recht Angst, denn wie sollte er Singen, wenn er nicht einmal sprechen konnte? Wie sollte er auf die Bühne kommen, wenn er nicht einmal aus diesem Scheiß Bett aufstehen konnte? Wie sollte er mit Die zusammenleben? Die Fragen in seinem Kopf überschlugen sich, die Gedanken verknoteten sich zu einem undurchdringlichem Gewirr. Er wollte schreien und konnte es nicht. Irgendwann war er dann schließlich doch eingeschlafen, merkte zunächst nicht, dass die Tür wieder geöffnet wurde. Er träumte jetzt von Die und ihm und wie sie zu Hause mit Dies Katze auf dem Sofa saßen. Plötzlich bewegte sich das Sofa von selbst, auf die andere Seite und er hielt sich an Die fest, der darüber nur lachte. „Lach nicht!“, herrschte er ihn an und dann gab es einen Kuss und er drückte seine Hand an seine Stirn. Dies Hand war so schön groß und warm und er entspannte sich so gleich. Ab und zu hielten sie sogar auf der Couch Händchen, kam aber nur selten vor, denn meistens saß Kyo vor seinem Macbook und arbeitete und er konnte es nicht leiden, wenn Die ihn bei seiner Arbeit störte. Natürlich versuchte der andere ihn von der Arbeit abzuhalten, so oft wie es ging und ab und zu musste er auch nachgeben, denn er wollte auch seinen Schatz bei Laune halten und ihn nicht vergraulen. Eigenartig war nur, dass seine Hand plötzlich nass wurde und da musste er erst einmal nachsehen, woher das kam, also öffnete Kyo seine Augen erneut, versuchte zur Seite zu sehen und das einzige, was er erblickte war ein strähniger Wust aus rotem Haar. Die? War das wirklich Die? Als er ihn dann schniefen hörte und auch seine Stimme, fing sein Herz wild an zu klopfen. „Warum ausgerechnet du?“, fragte Die leise und Kyo hatte keine Ahnung, was der damit meinte. Als er dann von der Hand untätowierten Hand des Kleineren aufsah und sich ihre Blicke trafen, sah Die schon verdattert aus. Einer der Gesichtsausdrücke, den Kyo besonders an ihm liebte. Das planlose Gesicht seines Freundes war zu goldig und wenn er dann auch noch zu grübeln anfing, war das unbezahlbar. „Kyo???“, hörte er die Stimme, die sich fast überschlug vor Aufregung und er spürte, wie ihn der andere von oben nach unten abscannte. Er versuchte etwas zu sagen, doch wieder tropfte nur Speichel von seinem Mundwinkel. „Ist er wach?“, hörte er dann die tiefe Stimme des Bandleaders und er löste seinen Blick von Die, um zu sehen, ob es sich wirklich um besagten handelte. Tatsache! Kaoru war auch hier, aber warum waren die so aufgeregt? Vielleicht klärte sich gleich, was hier vor sich ging? An irgendetwas schien Die zu Fummeln, nur konnte er nicht sehen woran und keine Minute später stand eine Krankenschwester im Zimmer. „Schwester er ist wach!“ Dann hörte er nur schnelle Schritte und die sich zuschlagende Tür, die im nächsten Augenblick wieder aufgerissen wurde. Was für eine Aufregung! Das war fast noch schlimmer als auf einem Bahnhof. In sein Blickfeld trat ein junger Mann in einem strahlend weißen Kittel, leider konnte Kyo das Namensschild nicht lesen. Sofort leuchtete der Arzt mit einer kleinen Taschenlampe in seine Augen und er kniff sie reflexartig zu. Hatte der den Schuss nicht gehört? Man leuchtete doch nicht einfach in fremder Leute Augen. Vorsichtig öffnete er diese wieder und blinzelte einige Male, da er bunte Punkte vor seinen Augen tanzen sah. Er wollte sich beschweren, doch stattdessen sabberte er nur noch mehr. „Wir werden gleich CT und MRT erstellen lassen, um die Auswirkungen zu kontrollieren“, erklärte der Mann sachlich. „Reaktionen zeigt er auf Lichtstimuli, die Schmerzreaktion müssen allerdings noch geprüft werden.“ Der hatte wohl gut aus dem Lehrbuch auswendig gelernt, dachte Kyo. „Und was heißt das jetzt auf deutsch?“ Daisuke versuchte daraus schlau zu werden, so wie Kyo auch. „Schätzungsweise sind all die Reaktionen nur reflexartiger Natur. Das heißt Nishimura-san hat ein apallisches Syndrom, sprich er liegt im Wachkoma.“ Wie bitte? Er war doch nicht im Koma! Er war hier und anwesend mit seinem Geist und dieser Typ sollte wohl noch einmal zurück auf die Universität gehen! Sein kleiner Finger der linken Hand zuckte wieder, denn er musste sich bemerkbar machen. Nach diesen Worten war es totenstill im Zimmer, niemand sagte auch nur ein Wort und das schnelle Piepen des Vitalwertemonitors, war das einzige, was diese Stille unterbrach. Kyo sah immer wieder von einem zum Anderen und fühlte sich verloren, denn Die hatte seine Hand wieder losgelassen, dabei hatte er doch mit seinem Finger gegen seinen Handrücken drücken wollen, in der Hoffnung, dass Die verstand, dass er nicht noch bei Bewusst sein war, dass er alles mitbekam, was um ihn passierte. „Und.. Die Bewegungen der Augen? Er sieht einen doch an..“, warf Die leise ein und Kyo stimmte ihm innerlich zu. „Das ist ein häufiges Phänomen bei Wachkomapatienten“, antwortete der Arzt und verließ den Raum mit einer Verbeugung. War damit etwa sein Schicksal besiegelt? Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Kapitel 4 Seit zwei Wochen lag er nun schon hier in diesem Bett, hatte seit zwei Wochen die Außenwelt nicht mehr gesehen, die Sonne in der frischen Luft auf seiner Haut gespürt. Die Intensivstation hatte er nach einigen Tagen verlassen, sie hatten ihn in einer der normalen Stationen aufgenommen, da seine Vitalwerte stabil waren. Er galt noch immer als komatös, konnte selbst aber auch nichts daran ändern. Anscheinend bemerkte niemand wie er versuchte durch die Bewegung seines kleinen Fingers auf sich aufmerksam zu machen. Jeder Tag glich dem anderen und jeder Tag war gleich schlimm. Es war so demütigend, dass ihn jeden Tag eine ihm fremde Person wusch, ihn ankleidete und das aller schlimmste die Windeln wechselte. Die Schwestern nannten das IKM-Wechsel (IKM = Inkontinenzmaterial), aber so etwas konnte man nicht schön reden, es war, was es war, eine Windel für Erwachsene und auch wenn er sich versuchte so steif wie möglich zu machen, wenn die Schwestern ihn trocken legten, wusste er doch, dass er sich erstens nicht dagegen wehren konnte und dass er zweitens eigentlich nicht in seinem eigenen Urin und Kot liegen wollte. Also Augen zu und durch, die hatte er meistens eh geschlossen, da es ihm unangenehm war den Schwestern ins Gesicht zu blicken, wenn diese ihre Arbeit verrichteten. Die einzige Zeit, die er seine Augen geöffnet hatte, war die Zeit, die er entweder alleine hier verbrachte, seinen Gedanken und Empfindungen ausgesetzt oder wenn Die hier war, den wollte er nämlich ansehen, aber obwohl dieser jeden Tag kam, hatte er dennoch Sehnsucht nach seiner Nähe, es war nicht das gleiche, denn Die schien es auch sehr mitzunehmen. Zum Glück stand sein Bett so, dass er, wenn das Kopfteil hochgestellt war er auch einmal aus dem Fenster schielen konnte, denn seinen Kopf konnte er nicht bewegen. Der Gitarrist war nach fünf Tagen entlassen worden, hatte er ihm erzählt, denn Die sprach zu ihm, auch wenn er gar nicht antworten konnte, aber es war schön seine liebe Stimme zu hören, ebenso die Berührungen, die er ihm zukommen ließ, wenn sie unter sich waren. Er hielt seine nicht lädierte Hand, streichelte ihm durch sein Haar oder kraulte ihm auch ab und an den Nacken. Dies Besuche waren die Highlights seines sonst trostlosen Lebens. Die Ärzte hatten ihm geraten Kyo einiges von zu Hause mitzubringen, vor allem etwas um sein Unterbewusstsein zu stimulieren, das hieß im Klartext, dass Die ihm seinen iPod mit einer entsprechenden Box mitgebracht hatte, die die Schwestern ihm täglich anstellten, so dass er wenigstens Musik hören konnte und auch einige seiner Lieblingsfilme sehen, wenn ihm denn jemand den Tragbaren-DVD-Player anmachte. Das Krankenhausnachthemd, was hinten offen war, musste er auch nicht mehr tragen, Die hatte ihm einige T-Shirts mitgebracht von zu Hause. Vor einigen Tagen hatte man ihm eine PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie = Magensonde) gelegt, durch die er jetzt ernährt wurde. Der operative Eingriff war ohne seine Zustimmung erfolgt, wer auch immer dem ganzen zugestimmt hatte, den verfluchte er. Denn was brauchte er so etwas, wenn sein Leben gar keinen Sinn mehr machte? Die Narkose hatte ihn bestimmt nach der Operation für mehrere Stunden halb ausgeknipst und er war gar nicht richtig zu sich gekommen, immer wieder hatte er die Augen verdreht, nachdem er seine Augen geöffnet hatte und war nicht ganz in die Realität zurückgekehrt. Einen halben Tag später hatte ihm dann eine Krankenschwesterschülerin die erste Nahrung verabreicht mit einer großen Blasenspritze. Die ausgebildete Pflegerin, die das ganze beaufsichtigte, hatte anscheinend auch keinen Schimmer von nichts, denn so schnell wie die Schülerin ihm das Zeug gespritzt hatte, so schnell war es nach verlassen des Zimmers der beiden auch wieder draußen gewesen. Er hatte bestimmt eine knappe Stunde in seiner eigenen Kotze gelegen, bis jemand nach ihm gesehen hatte. Die Schwester war natürlich nicht erbaut darüber gewesen und hatte sich die ganze Zeit über den Zustand beschwert, als sie ihm das Oberteil und die Bettdecke gewechselt hatte. Was glaubte die blöde Kuh denn, wie er sich fühlte? Es war bestimmt nicht sein Wunsch mit Erbrochenem auf seiner Brust zu liegen... Mittlerweile lief die künstliche Nahrung und auch das Wasser über eine Sondenpumpe und Kyo hatte sich seitdem auch nicht mehr übergeben. 'Was für ein Lichtblick', dachte er sarkastisch, als sie das Ding das erste mal benutzt hatten. Zwei Mal am Tag bekam er Physiotherapie und der Therapeut bewegte jeden Tag seinen Körper durch. Der Typ schien sehr nett, denn er unterhielt sich auch mit ihm, obwohl er gar nicht antworten konnte, die meiste Zeit quatschte er zwar belangloses Zeug, über das Wetter, Nachrichten, Kinofilme oder mal über sein Privatleben, doch so bekam er wenigstens etwas von der Welt da draußen mit. Trotzdem war er ein gefangener in seinem eigenen Körper, dem ausgeliefert, was andere mit ihm machten oder nicht machten, er war kein eigenständiger Mensch mehr und für die Leute um ihn herum, war er nur eine leere Hülle, die versorgt werden musste, ein Klotz am Bein der Gesellschaft, denn er lag nur herum, konnte nichts mehr ohne fremde Hilfe bewältigen. Natürlich merkte jetzt niemand, wie depressiv er sich fühlte und auch wie einsam er war, obwohl er jeden Tag für mehrere Stunden Besuch bekam, aber er konnte nichts weiter machen als Die anzustarren, sprechen konnte er nicht und auf die Bewegungen seines Fingers schien dieser nicht zu achten, wollte es vielleicht nicht wahr haben, denn er hatte gehört, was ihm der Arzt gesagt hatte, als er es das erste Mal gespürt hatte. Spontanbewegungen, von wegen! Er wollte Die auf sich aufmerksam machen, ihm zeigen, dass er sich mitteilen konnte. Es war so frustrierend und der kleine Sänger wünschte sich fort, einfach nur weg von hier. Wenn man ihm die Wahl gelassen hätte, wäre er lieber bei dem Unfall ums Leben gekommen, denn was war dies schon für ein Leben, wenn er es nicht leben konnte so wie er es wollte? Seit genau anderthalb Wochen war Die wieder bei sich zu Hause, alleine allerdings. Kyo musste noch im Krankenhaus bleiben, sie hatten sich noch nicht entschieden, was mit ihm passieren sollte und mit sie meinte er die Eltern des blonden Sängers. Um sich um ihn zu kümmern, hatten sie keine Zeit, aber es stand im Raum ihren Sohn in eine Einrichtung für Komapatienten zu geben. Schon bei dem Gedanken, dass Kyo in so einer Einrichtung leben musste, wurde ihm ganz anders und er konnte sich lebhaft vorstellen, dass dem anderen das nicht gefallen würde, so freiheitsliebend wie er war und dann war er doch auch weggesperrt und das wohl für immer. Zuhause war er eigentlich nur zum Schlafen und um sich um seine süße Katze zu bemühen, die Kyo anscheinend vermisste, denn sie maunzte viel mehr als sonst. Die restliche Zeit verbrachte er bei Kyo, hielt nicht nur die Hand seines Freundes, sondern er versuchte sich auch richtig um ihn zu kümmern, er führte Mundpflege durch, wischte ihm den Speichel vom Kinn und half auch beim Positionswechsel des Sängers mit. Seine eigenen Verletzungen waren fast abgeheilt, nur sein Handgelenk war noch geprellt, aber es hatte ihn nicht so schlimm erwischt, wie seinen Freund. Zum Glück klangen die Schwellungen langsam ab in Kyos Gesicht und er sah von Tag zu Tag mehr aus wie er selbst. Aber das war es auch schon. Der Rest war unverändert. Vielleicht war es Dies Wunschdenken, wie ihm der Arzt letztens wieder gesagt hatte, aber er hatte ganz stark das Gefühl, dass Kyo nicht im Koma lag, sondern sich einfach nur nicht mehr bewegen oder sich mitteilen konnte. Wenn er die Schwester nach seinem Befinden fragte, bevor er das Zimmer betrat, berichteten die meist, dass er immer, wenn sie nun pflegerische Handlungen durchführen wollten, seine Augen schloss und sie nicht mehr öffnete, so lange wie sie anwesend waren. Daisuke hingegen konnte dies nie bestätigen, denn so bald er ihn besuchte, hatte Kyo die Augen geöffnet und sah ihn auch an, zumindest hatte er das Gefühl, dass dieser das tat. Er war doch auch nicht bekloppt, okay ein bisschen schon, aber doch nicht so sehr, dass er nicht mehr merkte, wenn ihn sein eigener Freund in die Augen sah und die Stirn gerunzelt hatte. Doch der Arzt erklärte mit viel Logik, warum er dieses Gefühl hatte. Komapatienten, zumindest diese, die im Wachkoma lagen, fixierten schon mal Gegenstände und Personen mit ihren Augen, einfach aus Reflex und dass er die Stirn runzelte lag wohl daran, dass er Schmerzen hatte, was auch nur eine natürliche Reaktion des Körpers war. Nachdenklich saß er nun in der Bahn auf dem Weg zum Krankenhaus, er hatte sich noch kein neues Auto zugelegt, hatte es in nächster Zeit auch nicht vor und dachte nach. Was wenn Kyo ein Locked-In-Syndrom hatte? Die hatte sich darüber im Internet belesen. So etwas kam durchaus vor, wenn die Reaktionen nicht richtig gedeutet werden konnte. Es gab viele Parallelen zum Wachkoma. Genau das wollte er heute herausfinden, er hatte gespürt, dass Kyo immer mal wieder mit seinem kleinen Finger gegen seinen Handrücken tippte und bis jetzt hatte der Arzt dieses immer als Spontanbewegung oder Muskelzucken abgetan. Vielleicht war es auch der Mediziner, der in dem Falle keine Ahnung hatte, auch wenn er durchaus ein breites theoretisches Wissen hatte, aber das alleine machte noch keinen guten Arzt aus. Es fehlte ihm auf der anderen Seite an Mitgefühl. Wie er das Zimmer betrat und zu seinem Freund sah, schlug dieser kurz die Augen auf und die Augen drehten sich in seine Richtung, blieben offen. „Na, mein Kleiner“, sagte er ruhig, rang sich ein Lächeln ab, obwohl es ihm täglich immer schwerer fiel, denn er wusste nicht, was nun aus ihm werden sollte. Liebevoll küsste er seine Stirn und nahm dann neben ihm Platz. „Ich hab was für dich mitgebracht von Zuhause“, sprach er weiter, spürte, wie der Blick auf ihm ruhte während er aus seinem Rucksack den Raumerfrischer zog, den Kyo designet hatte und der nach seinem Lieblings Tempel in Kyoto roch. „Dann riecht es hier nicht mehr so sehr nach Krankenhaus“, murmelte er, schraubte das Ding zusammen und stellte es auf das Fensterbrett. Sofort entfaltete sich der angenehme Duft im Raum. „Ich wünschte, ich könnte Mochi mitbringen. Die vermisst dich ganz schön. Abends liegt sie immer auf deinem Kopfkissen und außerdem maunzt sie vorwurfsvoll...“ Für Kyo und für die Katzendame wäre es sicher gut, wenn er sie mitnehmen können würde. Aber im Krankenhaus waren Tiere verboten. Langsam ließ er sich wieder auf seinen angestammten Platz fallen, sah ihm dabei direkt in die Augen und strich durch das blonde, strubbelige Haar. Mittlerweile stand es am Hinterkopf etwas ab, da Kyo die meiste Zeit lag. „Das gute ist, dass ich dir jetzt sagen kann, wie niedlich du bist, ohne, dass ich Prügel beziehen muss“, sagte er dann doch grinsend und seufzte leise. Sogar das wäre ihm jetzt recht, dass Kyo ihm wegen so etwas Prügel androhte oder ihm gegen den Oberarm boxte, weil er sich darüber ärgerte. Dann nahm er doch wieder die warme Hand des anderen in seine und drückte sie sanft. Wieder hatte er das Gefühl, als ob Kyo mit seinem kleinen Finger gegen seinen Handrücken tippen würde. Er konnte sich doch nicht so irren, da er das doch nicht andauernd machte. Und wenn er mal versuchte Kyo ein paar Fragen zu stellen? Er wusste nicht, wem er glauben sollte, seinem Bauchgefühl oder dem Arzt... „Ich wünschte, ich könnte etwas tun...“, nuschelte er und sah ihn traurig an, küsste ihn kurz und fuhr sich mit seiner freien Hand durch sein rotes Haar. Innerlich rang er mit sich. Sollte er es wagen? Es konnte sicher dann doch nur ein Zufall sein, aber wenn er es nicht wagte, würde Kyo vielleicht für immer so bleiben müssen. „Kyo... Wenn du mich verstehst, dann tipp mit deinem Finger zweimal gegen meine Hand..“ Sofort setzte Kyo das um und Die schluckte etwas, merkte, wie sein Puls schneller wurde und atmete tief durch. „Ich stell dir jetzt ein paar Fragen, die du nur mit Ja und Nein beantworten musst. Ja ist zwei Mal tippen und nein einmal.“ Schnell überlegte er sich ein paar Fragen, die er ihm stellen konnte. „Du bist nicht im Koma oder?“ Zwei mal Tippen. „Du hast bis jetzt alles mitbekommen?“ Wieder das gleiche. „Du stehst jeden Tag zwischen 5 und 6 Uhr auf.“ „Mochi leckt dir immer die Nase.“ „Du hast letztens beinahe deine Playstation geschrottet.“ Alles Aussagen, die er mit Ja beantworten musste und dies auch tat. Den Gitarristen suchte die Zuversicht heim. Das war doch kein Traum! „Meine Lieblings Farbe ist grün!“ Nur einmal Tippen und Kyo, rollte mit den Augen. Das war eindeutig eine Reaktion und jetzt war nur die Frage, wie er das den Ärzten beweisen sollte. Ein paar Tränen der Freude hatten sich allmählich in seinen Augen gesammelt und er lächelte ihn an. „Ich wusste es die ganze Zeit über“, hauchte er leise und schluckte hart. Also drückte Die einfach auf die Notrufklingel und keine Sekunde später, stand eine Schwester neben ihm und fragte, ob etwas passiert sei. „Holen sie den Arzt her“, verlangte der Gitarrist mit Nachdruck und die Schwester ging mit zuckenden Schultern los um diesen zu suchen. Es dauerte natürlich bis der junge Arzt auftauchte, anscheinend hatte er die Diskussionen satt, aber dies hatte Die auch und dieses mal würde er sich durchsetzen! „Was gibt es denn, Andou-san?“, fragte der Akademiker mit einer angedeuteten Verbeugung. „Kyo ist bei Bewusstsein, Sensei“, fing er an zu sprechen, wurde jedoch so gleich unterbrochen. „Diese Art von Gespräch hatten wir schon...“ „Das weiß ich zufälligerweise“, murrte der sonst so friedliche Die und schluckte seinen Ärger erst einmal runter. „Dann würde ich gerne wieder meiner Arbeit nachgehen und..“ Doch diesmal war es Die, der ihn unterbrach. „Nein! Das hier ist auch ihre Arbeit und sie hören mir jetzt verdammt noch einmal zu! Kyo ist nicht komatös und schon gar nicht im Wachkoma!“ Es war selten, dass der großgewachsene Japaner laut wurde, doch eben diese Situation war nun eingetreten, dass auch er seine Stimme erheben musste, wenn nicht für sich, dann für Kyo! „Wie wollen sie denn das beweisen?“ Der Arzt klang genervt, aber es reichte Die einfach. „Die ganze Zeit über hat er versucht mir mit den Bewegungen seines Fingers zu zeigen, dass er hier ist und ich kann es ihnen beweisen!“ „Na, dann bitte...“ Einmal atmete er durch und bat den anderen Mann nun selbst Kyos Hand zu nehmen. „Kyo, wenn du diesem Arzt gerne deine Meinung sagen würdest, wenn du könntest, dann tippe zwei Mal für ja.“ Sofort reagierte der kleine Blonde und tippte zwei Mal für ja. „Ach... Das beweist noch gar nichts..!“ Der Arzt ließ die Hand sinken. Doch Die drückte die Hand des Arztes einfach auf die seines Freundes. „Würdest du dem Typen gerne ein paar verpassen?“, knurrte er durch seine Zähne und wieder tippte Kyo zwei Mal gegen die Hand des Fremden, der ihn verwirrt und geschockt zu gleich ansah. „Du isst gerne Karotten!“ Diesmal tippte Kyo nur einmal gegen die Hand des Arztes. „Kaoru sieht aus wie ein Wischmopp!“ Zwei mal Tippen. „Unsere Katze steht auf alte Lappen und rollt sich darin herum!“ Wieder das Ja-Tippen. „Gestehen sie es sich ein! Sie haben ihn fehldiagnostiziert!“ Stockend schluckte sein Gegenüber und zog die Hand wieder zurück, die Die in jenem Moment wieder losgelassen hatte, „Kyo ist hier oder warum sollte er sonst die Augen schließen, wenn so ein inkompetenter Quacksalber mit irgendwelchen Diagnosen um die Ecke kommt, ohne richtig zu überprüfen, ob sie stimmen?“ Anscheinend hatte dem Kerl noch niemand die Meinung gesagt, denn der sah gerade sehr schuldbewusst aus und plötzlich verbeugte er sich sehr tief und bat um Verzeihung. „Die Entschuldigung können sie sich sonst wohin stecken!“ Die ganze Zeit über hatte er recht behalten und nun konnten sie die richtige Therapie für Kyo einleiten, denn Daisuke hatte auch im Internet gelesen, dass wenn noch etwas Restbewegung der Muskeln übrig war, dass man diese mit einer Menge Geduld und Therapie wieder in Gang bringen konnte. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Kapitel 5 So sehr hatte sich Die noch für nichts und niemanden eingesetzt, wie für seinen Freund. Mittlerweile war Kyo in ein Therapiezentrum verlegt worden, nachdem sie ihn im Krankenhaus noch etwas aufgepäppelt hatten. Doch auch wenn alles gerade sehr positiv erschien, wusste er nicht genau, wie es weitergehen sollte. Was wenn Kyo so bleiben würde? Der Gedanke spukte ihm ständig im Hinterkopf herum während er die Wohnung auf Kyos Ankunft vorbereitete. Es war klar, dass der Sänger nicht von heute auf Morgen genesen würde, also musste die Wohnung so eingerichtet sein, dass es für jemanden mit einer körperlichen Behinderung auch gerecht war. Wobei sich der Jüngere eh nicht selbst vom Fleck bewegen konnte, also war es fast egal, aber auch nur fast. Zumindest das Pflegebett war schon da und stand direkt neben ihrem eigentlichen gemeinsamen Bett. Den Pflegerollstuhl hatten sie schon im Krankenhaus beantragt und in diesem saß Kyo jetzt für einige Stunden am Vormittag. Er würde niemals den strahlenden Ausdruck seiner Augen vergessen und das Lächeln, was Kyo wieder auf den Lippen gehabt hatte, als er das erste Mal mit ihm nach Draußen gefahren war. Fast fünf Wochen lang hatte der Sänger nicht mehr frische Luft geschnuppert und anscheinend hatte er das wahnsinnig vermisst, obwohl er sonst nur das Haus verließ, wenn er musste. Doch gerade war keine Zeit mehr für eine Spazierfahrt, denn Kyo hatte fast jeden Tag Therapie vormittags. Physiotherapie, Logopädie und auch Psychotherapie, denn es war sicher nicht leicht in seinem eigenen Körper gefangen zu sein. Zudem hatte er auch einen Sprachcomputer den er mit seinen Augen bedienen konnte, was die Kommunikation erleichterte, auch wenn er mit diesem nicht so wie Steven Hawkins ganze Sätze formulieren konnte, sondern mit seinen Augen immer nur auf programmierte Floskeln wie: Ich bin müde, Ich möchte mich hinlegen, ich möchte aufstehen, ich möchte meine Ruhe usw., deuten konnte. Aber es reichte vollkommen aus. Nachmittags, wenn Die dann zu Besuch kam, war der kleine Mann so erschöpft, dass er nicht mehr aufstehen wollte. Es sollte ihm recht sein, so lange er seinen Mut nicht verlor, denn das war wohl das schlimmste was passieren können würde. So wie er ihn einschätzte, glaubte er, dass er sicher auch nachmittags so ein Programm wollte, um schneller voran zukommen, denn er war einfach zu ungeduldig. Auch um die Pflege hatte er sich gekümmert, denn auch wenn er ihn sehr liebte, wollte er ihn nicht waschen, zumindest wollte er ihm nicht die Windeln wechseln. Ihm beim Anziehen zu helfen war da eine andere Sache oder ihn zu waschen, hatte er dies doch auch ab und an unter der Dusche mit ihm gemacht, aber da hatte es eher etwas sinnliches gehabt und er wollte damit immer Zärtlichkeiten austauschen und es war weniger der Reinigung gedacht. Ihr Zusammenleben würde sich um 180 Grad drehen und er hoffte, dass er das auch können würde, denn gerade fühlte sich Die dem nicht gewachsen, wenn er sah, wie hilflos Kyo war und wie sehr er auf andere angewiesen war. Er fragte ihn nie danach, da er sich vorstellen konnte, dass er nicht darüber reden wollte, zumal er es auch nicht konnte. Wenn das nichts bringen würde, würde er für immer mit einem behinderten Kyo zusammensein. Er liebte ihn, aber konnte er das? Das war viel Verantwortung und wenn Dir en grey auf Eis gelegt war, dann kam auch weniger Geld rein und so würden sie die Wohnung nicht halten können. Normalerweise lebte Die einfach vor sich hin neben dem eifrigen Kyo, natürlich arbeitete er auch hart für Decays und auch für Dir en grey, aber er war beiweitem nicht so diszipliniert wie Kyo, der immer so früh aufstand, dass er es manchmal gar nicht mitbekam. Müde strich er Mochi durch ihr weiches Fell und sah die weiße Birma Katzen mit der Seal Point Färbung im Gesicht an, die sich zufrieden auf seinem Schoß rekelte. In letzter Zeit hatte er nur wenig geschlafen, denn er hatte sich ständig Gedanken über die Zukunft gemacht und um Kyo. „Ich muss dann jetzt zu Kyo“, murmelte er und setzte die Katze neben sich auf das Sofa. Im Flur enthaarte er erst einmal seine dunkle Jeans mit einer Fusselrolle und schlüpfte anschließend in seine Sneakers. Mit dem Pflegebett im Schlafzimmer sah das auch nicht mehr aus wie das, was sie zusammen eingerichtet hatten und ihm gefiel der Gedanke nicht, den er in letzter Zeit hegte, dass Kyo für immer so bleiben würde... Kyo lag jetzt wieder im Bett nachdem er sein ganzes Programm an Therapie durchgezogen hatte und schlief. Er war kaum noch belastbar, denn er selbst musste sich auch sehr anstrengen dabei, aber bis jetzt sah er kaum Fortschritte. Das einzige, was jetzt besser funktionierte, waren die Bewegungen seiner Zunge, etwas, was er auch ohne den Logopäden üben konnte, denn die brauchte er nun mal zum Sprechen, denn seine Stimmbänder konnten noch Geräusche von sich geben. Das machte der Jüngere auch ab und zu, wenn er zu frustriert war, weil nichts klappte. Einen kleinen Fortschritt gab es jedoch, ab morgen wollte der Logopäde mit ihm die ersten Schluckübungen machen. Auch ihn beschlich der Gedanke, dass dies hier vielleicht gar nichts brachte und dass er bald einsehen würde müssen, dass sein Körper für immer ein lebloser Sack sein würde, der zu nichts zu gebrauchen war. Und ob Die ihn dann noch wollte? Er konnte auf der einen Seite verstehen, wenn ihn dieser verlassen würde, denn was wollte er mit so einem anfangen für den Rest seines Lebens, auf der anderen Seite hätte er dann nichts mehr, für was er am Leben bleiben sollte. Er liebte Die nun mal und er wollte nicht noch einsamer sein als er es jetzt schon war. Dieser Gedanke nagte an ihm sehr und er konnte ihn nicht zum Ausdruck bringen, gab dies der dumme Sprachcomputer nicht her. In seinen Vorstellungen steckte Die ihn in ein Heim für Pfelegebedürftige und dort musste er den Rest seines Lebens versauern und nur an seinem Geburtstag bekam er Besuch von ihm. Er merkte gar nicht, wie Die das Zimmer betrat und erwachte erst, als er die Lippen seines Freundes auf seiner Stirn spürte. „Hrmm..“, brummte er leise und blickte ihn, lächelte leicht, als er ihn erblickte. „Na, du kleine Schlafmütze?“, fragte dieser nach, aber sein Grinsen wirkte eher gezwungen und Kyo seufzte leise. „Hast du gut geschlafen?“, fragte er nach während er ihm über das blonde Haar strich, dass mal wieder einen Schnitt vertragen konnte. Normalerweise rasierte Kyo sich selbst seinen Sidecute nach, aber das konnte dieser wohl schlecht. Der Sänger zeigte mit seinem Sprachcomputer auf „Ja“ und sah Die wieder an, der sich neben ihn gesetzt hatte. „Soll ich dir morgen mal deinen Sidecut nachrasieren?“, fragte er wieder nach und Kyo antwortete wieder mit „Ja“. „Dann mach ich das Morgen mal.“ Dann schwieg Die wieder und hielt seine Hand während der Sänger ihn mit seinem Blick musterte. Er sah seinem Rotschopf an, dass es ihm nicht gut ging, dass die Situation natürlich auch an seinen Nerven zerrte und obwohl er für ihn da sein wollte, konnte er es einfach nicht, was ihn traurig machte, denn sein Freund brauchte doch auch jemanden. „War es heute wieder sehr anstrengend?“, fing Die wieder an die gleichen Fragen zu stellen wie auch gestern und Kyo antwortete wieder mit Ja. Er merkte, dass es Die schwer fiel hier zu sein, denn es war nichts mehr sowie früher und es würde sich jetzt zeigen, ob ihre Beziehung weiterhin bestand haben würde oder nicht. Er wusste, dass ihre Wohnung behinderten gerechter werden würde, trotzdem hatte er Angst, dass ihn der andere irgendwann abweisen würde. Wie lange die Therapie gehen würde und ob sie etwas bringen würde, würde die Zeit zeigen. Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Kapitel 6 Nach ganzen 12 Wochen, die er in der Reha-Einrichtung verbracht hatte, war Kyo wieder zuhause. Einiges an Fortschritten hatte er dann doch gemacht und er hatte wirklich Glück gehabt bei dem Unfall, dass nicht alle Nervenstränge zerstört worden waren, so dass er, zwar mühselig, sprechen und gehen wieder erlernen können würde. Mittlerweile konnte Kyo seine Hände und Füße etwas bewegen und auch die Arme und den Kopf konnte er auch drehen und auch ohne Hilfe für einige Zeit kurz frei sitzen. Das Sprechen war noch sehr erschwert, er konnte die Worte kaum formulieren. Dafür konnte er aber wieder essen, wenn auch nur passierte Kost, da die Schwierigkeiten mit dem Schlucken noch gravierend waren. Trotzdem hatte er noch immer die PEG, da er bei weitem nicht genug aß für seine Körpergröße und auch nicht genug trank. Aber noch immer war er inkontinent, was somit das peinlichste an der ganzen Sache war. Und obwohl ihm jeder Therapeut sagte, dass seine Fortschritte für die kurze Zeit enorm waren, war Kyo sehr frustriert. Er wollte jetzt wieder gehen können und vor allem sprechen! Er war es leid so ein blöder Krüppel zu sein, der auf die Hilfe anderer angewiesen war. Er wollte wieder selbstständig sein. „Na? Freust du dich auf Zuhause?“, fragte Die nach, als er ihn in den Fahrstuhl ihres Wohnhauses schob und den Knopf für die oberste Etage drückte. „Geht so“, murmelte der Kleinere, der obwohl er gleich wieder in seinem trauten Heim war, sich beschissen fühlte. Er war dem Gitarristen doch nur ein Klotz am Bein und außerdem hatte er gestern den Mietvertrag für seine Wohnung in Kyoto gekündigt, denn er würde sich keine zwei Wohnungen mehr leisten können. Er vernahm ein leises seufzen hinter sich und spürte, wie Die ihm durch das wieder schwarze Haar strich. „Wenn du wieder fit bist, dann kannst du dir doch auch die Wohnung wieder leisten.“ Der Rothaarige kannte ihn gut, hatte er doch gleich erraten, was ihn bedrückte. „Wann auch immer das ist...“, dachte Kyo verärgert. Dann schwiegen sie, bis sie wieder in der Wohnung waren und Die für sie aufschloss und Kyo über die Schwelle hineinbuchsierte mit seinem Rollstuhl. Kaum, dass Die Kyo seine Schuhe ausgezogen und die Hausschuhe an, kam Mochi aus dem Wohnzimmer geflitzt und stoppte für einen kleinen Moment, da sie wegen des Rollstuhls sichtlich irritiert schien. Neugierig umrundete sie diesen und beschnüffelte ihn, markierte ihn und sprang dann auf Kyos Schoß, um ihr weiches Fell an seinem Oberkörper zu reiben. „Siehste hab dir ja gesagt, dass sie dich vermisst hat“, meinte Die, fuhr hinüber ins Wohnzimmer und kratzte sich am Kopf. „Ich geh nochmal nach unten und hol deine Taschen, ja?“ „Is' okay“, meinte er leise und hob in Zeitlupe seinen Arm und streichelte unbeholfen das weiche Fell der Katze, die sich noch immer an ihn schmiegte und ihn zufrieden anmaunzte. Vorsichtig sah er sich etwas um, stellte aber fest, dass das Wohnzimmer noch normal aussah und dass man hier noch nicht sah, dass hier ein Behindi wohnte. Ja, Kyo dachte von sich selbst so, denn mehr war er doch gar nicht mehr. Traurig ließ er den Kopf hängen und sofort nutzte Mochi ihre Chance um über Kyos Nase zu lecken. „Nich..“, brummte er, konnte die Katze aber gerade auch nicht wegschieben, die sich zum Glück danach auf seinem Schoß zusammenrollte. „Bin wieder da!!“, hörte er kurz darauf Die rufen, der die Taschen ins Schlafzimmer stellte und zu ihm kam. „Ähm... Kyo?“ „Hm?“ „Bist.. Bist du irgendwie nass oder so?“ Auch wenn Die vorsichtig nachfragte, starrte Kyo ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Beschämtheit an. „Nein..“, sagte er und wendete seinen Blick wieder von Die ab, damit der nicht sah, wie ihm das gerade zusetzte. Schon wieder hatte er Tränen in den Augen, aber er wollte jetzt nicht vor ihm weinen. „Tut mir leid.. Ich wollte nur sicher gehen.. Der Pflegedienst kommt erst in ein paar Stunden... Willst.. willst du Kaffee trinken oder Wasser?“ „Ka..f..“, bemühte sich Kyo gerade und knirschte mit den Zähnen, weil er so ein einfaches Wort nicht hinbekam. „..e“, kam nur noch von ihm. „Okay.. Wie viele Löffel sollen von dem Andickzeug da rein?“ Da Kyo ja nicht richtig schlucken konnte, mussten alle Getränke mit einem speziellen Andickpulver angedickt werden, damit er sich nicht daran verschluckte. „Vieee..“ Vielleicht würde er für heute gar nichts mehr sagen, wenn da nur solch ein Müll rauskam. „Gut, dann koch ich schnell welchen.“ Und schon ließ ihn Die wieder allein. Warum konnte er ihn nicht mitnehmen? Die ganze Zeit über hatte er sich gewünscht, dass er wieder mit ihm zusammen sein konnte, auch nachts, aber das würde sich als schwierig darstellen, wenn Die immer vor ihm davon lief. Heute hatte er noch nicht mal einen Kuss bekommen oder gar ein Umarmung. Mehr wollte er doch nicht. Der frische Duft von Kaffee drang in seine Nase und er seufzte schwer. Er hasste es Kaffee mit dem Andickpulver zu trinken, auch wenn das angeblich geschmacksneutral war, schmeckte sein Kaffee nicht mehr wie sonst. Er verfolgte Die mit seinen Augen als dieser wieder ins Zimmer zurückkam und auf den Wohnzimmertisch eine große Tasse und einen Schnabelbecher mit zwei verdickten Henkeln, denn Kyo konnte logischerweise auch kaum greifen oder etwas halten, wenn es nicht grob genug war. Die fuhr ihn an den Tisch heran und bevor er sich selbst setzen konnte, hielt Kyo ihn am Ärmel fest, mit seinen großen Augen sah er ihn an . „Küss..ich..“, sprach er dann und schüttelte etwas den Kopf, wartete Die geduldig, dass er das noch einmal wiederholen würde, denn anscheinend hatte der auch nicht verstanden, was er von ihm wollte. Konzentriert runzelte er die Stirn, fing von vorne an seinen Satz zu formulieren. „Küss mich..“, kam es dann nach drei weiteren Anläufen und Die beugte sich zu ihm vor, drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen. Seine Hände vergrub Kyo so gut es ging in seinem Shirt, versuchte ihn bei sich zu behalten, denn in letzter Zeit hatten sie kaum noch Zärtlichkeiten ausgetauscht, da Die die Wohnung vorbereiten musste und nur kurz zu Besuch gekommen war. Endlich spürte er wieder die Arme des anderen um sich und er lehnte sich gegen ihn, schob seine Arme schrittweise so, bis auch er ihn umarmen konnte. Nur fehlte es ihm an Kraft um ihn richtig an sich zu drücken. „Gut so?“, fragte Die nuschelnd in den Kuss, als er auch noch seinen Rücken kraulte und Kyo seufzte einfach nur wohlig als Antwort. Genau das brauchte er gerade. Die Geborgenheit und Nähe des anderen beruhigten ihn wieder und er entspannte sich wieder mehr. Nachdem Die den Kuss gelöst hatte, gab er ihm mit seinen Lippen noch einen Kuss auf die Stirn und drückte ihm den Kaffee in die Hände. Langsam und zittrig hob Kyo die Öffnung des Schnabelbechers an seine Lippen und trank einen Schluck. Nur kleine Schlucke konnte er zu sich nehmen und so dauerte es sehr lange bis er überhaupt mal irgendetwas ausgetrunken hatte. Hustend verkrampfte er sich, da er sich am zweiten Schluck verschluckte und der Gitarrist konnte gerade so Mochi vor dem heißen Kaffee retten, denn beinahe war der Becher aus Kyos Händen gerutscht. „Geht es?“, fragte Die besorgt, hielt Kyos Becher in der Hand und rieb ihm über den Rücken. „Ja..“, nuschelte Kyo und ließ die Schultern hängen. Er war noch nie normal gewesen, aber das hier, machte ihn fertig. Diese Situation nagte an ihm, er hasste es und jetzt wo er wieder hier war, war er nicht nur auf irgendwelche fremde Pflegekräfte angewiesen sondern auch auf Die. Aber er wollte nicht so ein Krüppel sein, denn so brachte er ihm doch rein gar nichts, da er immer und ständig auf Hilfe angewiesen war. Langsam trank er dann weiter, denn er wusste, dass er sich nicht unterkriegen lassen durfte, er musste weiter üben, damit er irgendwann wieder ein selbstständiges Leben führen können würde. Die war sichtlich nervös über Kyos Wiederkehr in ihre Wohnung. Die Angst, dass er das alles nicht schaffen würde und dem Pflegebedarf seines Freundes nicht gerecht wurde, zerrte an seinen Nerven. Er aß in letzter Zeit nur wenig, bekam einfach nichts runter, wenn er an seinen Freund dachte und dem was passiert war. Wie sehr wünschte er sich, dass es ihn getroffen hätte und nicht Kyo, denn sein Kleiner hatte der Welt doch mehr zu geben als er, der ja meistens doch nur vor sich hinlebte, auch wenn er mit Decays jetzt sein eigens Projekt hatte, war er bei weitem nicht so produktiv wie Kyo. Doch das alles war im Moment Geschichte. Die ganze Pflege für Kyo hatte er besorgt, hatte im Internet recherchiert über die Möglichkeiten die es gab. Jeden Tag kam vier mal eine Schwester, die ihm helfen würde beim Waschen und auch beim Windelnwechseln, denn das konnte er einfach nicht machen. Schon alleine die Vorstellung fand er ekelhaft. Nachts würde dann eine Schwester hier bleiben und Kyo drehen, denn Die brauchte seinen Schlaf. Auch für die Therapie hatte er gesorgt und es würde nach Kyos Wunsch der Physiotherapeut zwei Mal am Tag kommen von Montags bis Samstags und mit ihm Übungen durchführen. Der Logopäde sollte auch so oft kommen. Er kannte seine ehrgeizigen Freund ja, aber er fand es zu viel, wo er doch nicht sonderlich fit war. Das ganze Liegen hatte Kyo sichtlich geschwächt. Den Rest würde er hinbekommen. Kochen hatte er sich halbwegs in den letzten Monaten beigebracht, so dass er für Kyo allerlei Kochen würde, was er dann auch mit dem Pürierstab zerkleinern würde. Als er Kyo aus dem Krankenhaus abgeholt hatte, waren sie mit dem Krankentransport gefahren worden, zumindest Kyo und Die war mit seinem Auto hinterher gefahren. Hoffentlich würde alles gut werden, betete er, denn er wollte nicht, dass Kyo für immer so blieb, er wollte seinen Freund wieder haben so wie er vor dem Unfall war. Der erste Tag verlief bis auf, dass sich Kyo an seinem Kaffee verschluckt hatte, weitestgehend Ereignis los. Am Abend war die Pflegekraft aufgetaucht, hatte Kyo mit Hilfe eines Lifters ins Bett gehoben. Das Ding war praktisch, man steckte Kyo einfach ein spezielles Tuch, das bis zu seinem Steißbein ging in den Rücken, machte die angebrachten Schlaufen am Lifter fest und so konnte man ihn vom Rollstuhl per Fernbedienung ins Bett heben und wieder zurück. Die hatte das schon geübt und würde ihn so auch alleine transferieren können, falls Kyo mal in sein Bett wollte, wenn gerade nur er bei ihm war. „Willst du was essen?“, fragte er nach, nachdem der Sänger im Bett lag und er ihm noch ein Kissen unter den Kopf geschoben hatte. „Nei..n.. Fernseh..“ „Okay, ich mach ihn dir an.“ Also stellte er dem Jüngeren den Schlafzimmerfernseher an und setzte sich zu ihm ans Bett. Es war zwar schwer ihn so zu sehen, aber er war auch froh, dass Kyo nicht tot war und vor allem, dass es eine Aussicht auf Heilung gab. Er wollte wirklich alles dafür tun, dass Kyo es schaffen würde, dass er wieder Musik machen können würde und auch all die anderen Dinge. „Morgen kann ich dir gerne dein Macbook an deinen Sprachcomputer anschließen, dann kannst du das benutzen.“ „Dange..“ Er streichelte durch das kurze Haar und küsste wieder seine Stirn. „Iss du was?“ „Hm?“, machte Die fragend, als Kyo ihn etwas gefragt hatte, gerade hatte er zu den Nachrichten gesehen, die im Fernsehen gezeigt wurden. „Issu was?“ „Achso.. Nein.. Hab gerade noch keinen Hunger.“ Bestimmt war ihm aufgefallen, dass er abgenommen hatte, aber daran konnte er nichts ändern. Dann schwiegen sie sich wieder an. Mal sehen wie das dann in der Nacht wurde, wenn die Schwester hier war. Ob er da auch schlafen können würde? Immerhin stand das Bett hier im Schlafzimmer und die Frau musste sicher öfter hier rein. Auch wegen der Sonde, die in der Nacht lief und Kyo mit der Sondennahrung versorgte. Tagsüber lief nur Wasser, dass er ihm auch mit einer großen Spritze geben können würde. Die Zeit würde zeigen, wie sich das alles entwickeln würde. Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7 Kyo machte Fortschritte, viele kleine, aber er machte sie. Zumindest sah Die dies so. Der Sänger übte jeden Tag bis zum Umfallen, auch wenn ihm die Ärzte davon abgeraten hatten. Aber so kannte er seinen Freund einfach. Der Ehrgeiz hatte ihn gepackt. Zumindest konnte Kyo schon sehr viel besser sprechen als vor einigen Monaten noch, so dass es viel leichter war mit ihm eine Unterhaltung zu führen. Auch essen und trinken ging jetzt wieder besser, auch wenn es noch immer passiert sein musste und das Trinken angedickt. Gerade kochte er für Kyo und sich Curry mit Reis, das hatte sich der andere gewünscht, auch wenn er bei Kyo Reisbrei dazu kochte, denn pürierter Reis war widerlich. Immer mal wieder lauschte er den Geräuschen aus dem Wohnzimmer, denn Kyo versuchte sich gerade an einem alten Final Fantasy Teil. Seine Reaktion war einfach noch ziemlich eingeschränkt, aber das schien ihm Spaß zu machen, auch wenn er ihn andauernd fluchen hörte. Das einzige, was Die nicht schön fand war, dass er Kyos Bett ins Wohnzimmer hatte stellen müssen, denn wenn die Schwester andauernd ins Zimmer kam nachts, konnte er nicht schlafen und das Piepen der Sondenpumpe ging ihm auch auf den Senkel. Am Anfang war Kyo ziemlich traurig deswegen gewesen, er hatte es ihm angesehen. Aber was sollte er machen? Er versuchte ja für ihn da zu sein, aber es stellte sich als schwierig heraus, denn nun war er es, der Geld verdienen musste, damit sie hier wohnen bleiben konnten. Mit Kyos Geld zahlte er die Pflege. Es hatte schließlich auch lange genug gedauert alle Leute davon zu überzeugen, dass er sich um ihn kümmern konnte. Vor allem seine Eltern hatten nicht verstanden, warum er ihn bei sich haben wollte. Sie wusste nicht, dass sie ein Paar waren und sollten es auch nie erfahren. Doch Die hatte damit argumentiert, dass es nicht gut für Kyos Psyche war, wenn er in einem Heim bleiben würde und seine Schwester hatte ihn dabei unterstützt. Auch wenn es ihm vielleicht niemand glauben wollte, war er froh, dass der Jüngere bei ihm war, obwohl man kaum noch von einer normalen Beziehung sprechen konnte. Doch Die hatte noch immer die Hoffnung, dass sein Freund wieder der alte werden würde. Laufen konnte er noch nicht, aber kurzzeitig stehen funktionierte. Noch einmal rührte er in seinem Topf herum, dann stellte er den Herd aus und tat ihnen auf. Kyos Essen machte er in eine Schüssel, aus der konnte er besser essen und brachte ihre Portionen ins Wohnzimmer. „Essen ist fertig!“, sagte er und stellte dem kleineren seine Schale hin und drehte den Rollstuhl einfach zum Tisch herum. „Ey.. bin mim im Kampf!“, murrte Kyo und Die drückte grinsend für ihn auf die Pausetaste. „Jetzt iss erstmal, das Spiel läuft nicht weg. Also lass es dir schmecken.“ „Du dir auch.“ Immer mal wieder schob Die sich einen Löffel voll Curry mit Reis in den Mund und beobachtete seinen Freund, der sich sehr auf das Schlucken konzentrieren musste. Doch es klappte sehr gut und er war zufrieden. Hoffentlich ging es so weiter! Es dauerte eine halbe Stunde bis Kyo seine Schale leer hatte, aber dann legte er ihn in sein Bett, denn gleich würde die Schwester kommen, die nach ihm sehen würde. „Willst du Mittagsschlaf halten oder lieber noch weiter spielen?“ „Dumme Frage.. Gib her!“ Lachend gab er Kyo den Kontroller wieder in die Hand, da er auch von seinem Bett aus spielen konnte und er sah ihm so lange zu, bis es an der Tür klingelte. Er ließ die nette Dame herein und ging dann wieder zu seinem Freund, dem er eine kleine Fernbedienung auf den Tisch für sein Bett legte, womit er den Fernseher, die Playstation und die Musikanlage steuern konnte. „Ich muss dann arbeiten gehen, bis nachher.“ Bevor die Pflegerin auch nur das Zimmer betreten konnte, küssten sie sich noch einmal und dann machte sich Die auf zu den Decays Proben. Bald würde Kyo doch in ein Heim müssen, wenigstens so lange wie die Tour ging, denn er konnte ihn schlecht mitnehmen. „Man... Du bist ja heute so unkonzentriert, Die.“ „Was?“, fragte er verwirrt und sah zu Yusuke hinüber, der ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue ansah. „Du hast eben etwas von Dir en grey gespielt...“, entgegnete er und Die starrte auf seine rote Gitarre hinab. Hatte er das? „Oh.. Sorry... War keine Absicht.“ Er grinste leicht und strich sich durch sein Haar. „Das scheint mir halt zu fehlen...“ Das tat es ja auch. Er liebte es mit Dir en grey auf der Bühne zu stehen, wenn gleich alles andere so ziemlich bei ihnen eingeschlafen war, was nicht mit der Band zu tun hatte. Doch jetzt musste er sich auf das konzentrieren und so spielten sie gleich noch einmal Secret Mode. Kyo spürte auch selbst, dass er Fortschritte machte, aber es waren zu wenige. Seit knapp 3 Monaten war er wieder zu Hause und kaum etwas hatte sich für ihn verändert. Er konnte weder gehen noch wirklich stehen oder seinen Rollstuhl alleine betätigen und essen konnte er auch nur diese Pampe, die Die für ihn kochte. Klar schmeckte es ihm, aber er wollte so gerne mal wieder in ein richtiges Stück Fleisch beißen oder Sushi essen. Und noch immer war er ein Klotz an Dies Bein, er behinderte ihn und auch wenn sich Die nichts anmerken ließ, konnte sich Kyo einfach nicht vorstellen, dass er so glücklich war. Es war ihm auch nicht entgangen, dass er viel weniger lachte als sonst. Zum Glück war er heute nicht so depressiv wie sonst und er hatte sogar Spaß daran das Final Fantasy Spiel zu spielen, was Die ihm runtergeladen hatte für seine Playstation. Viel zum Spielen kam er eh nicht, denn er hatte viel Therapie. Nachdem Mittagessen musste Die jedoch weg und er sah ihm nur traurig nach. Die Schwester war nett zu ihm, wie immer, aber eigentlich hatte er keine Lust mehr darauf wie ein Baby versorgt zu werden. Jetzt wo er wieder alleine war, hatte er Zeit zum Nachdenken während der Fernseher vor sich hin dudelte. Seit geraumer Zeit ertrug er es nicht, wenn er die ganze Zeit im Stillen lag, wenn er alleine war. Schweigend lag er nun in seinem Bett und starrte die Decke an. Bald würde er in so eine Einrichtung müssen für zwei Wochen, denn Die ging auf Tour. Auch wenn ihm der Gitarrist fast jeden Tag beteuerte, dass er ihn täglich anrufen würde, half das trotzdem nicht über den Fakt hinweg, dass er von seinem Freund getrennt sein würde. Außerdem wusste er nicht, wie die Menschen da waren, die sich um ihn kümmern würden. Was wenn die ihn einfach in seinen eigenen Exkrementen liegen lassen würden? Oder sie ihm einfach nichts zu essen gaben, weil es leichter war ihn über die Sonde zu ernähren? Dann würden sie ihn sicher auch im Bett liegen lassen und er musste da für zwei Wochen versauern. Was für großartige Aussichten... Müde schloss Kyo dann doch die Augen und versuchte einfach zu schlafen, während er auf seinen Rothaarigen Freund wartete. In seinem Traum lag er auch in seinem Bett, gefesselt an irgendeinen Apparat, der ihm die Lebensenergie aussaugte. Der Apparat war bestimmt so groß wie Dies großer Marashall Gitarrenverstärker und einige Kabel und Schläuche steckten in seinen Aterien, seinen Nasenlöchern, seiner Mundöffnung. Zudem piepte das Teil ganz laut und fürchterlich. Erschrocken machte er die Augen auf, richtete sich ächzend auf und sah sich irritiert um. Das was so piepte, war nicht irgendein Apparat sondern die Sonde, durch die er Wasser erhalten hatte, das Hydroback war leer und Mochi lag auf seinem Bauch. Kein Wunder, dass er sich nicht rühren konnte, denn die Katze, hatte sich ziemlich breit gemacht, maunzte ihn leise an. Liebevoll strich er durch das weiche Fell und sah zum Fernseher. Da hatte er aber lange geschlafen, denn Die würde bald wieder zu Hause sein. Seufzend ließ er sich zurücksinken und kraulte die kleine Katze, die auf seinen Brustkorb gerobbt war und ihm ins Ohr schnurrte. Sie würde auch bald ins Tierhotel kommen, mitnehmen durfte Kyo sie natürlich nicht. In dem Moment öffnete sich die Wohnungstür und Mochi sprang mit Leichtigkeit vom Bett, um nach ihrem Herrchen zu sehen, der gerade zur Tür hereingekommen war. „Na? Hast du brav auf Kyo aufgepasst, meine Süße?“, hörte er Die mit der Katze sprechen, als ob sie ein kleines Kind wäre und verdrehte die Augen etwas. „Wie war's?“, fragte Kyo nach und ließ sich nur zu gerne durch die Haare streicheln. „Joa, lief gut. Ich denke wir sind startklar für die Tour.“ „Das is seha gut“, erwiderte der Schwarzhaarige und sah Die dabei zu, der die Sonde ausstellte und für sie beide Kaffee kochen ging. „Ich hab ein bisschen Torte mitgebracht, willst du was davon?“ „Was'n für welche?“ „Schoko-Erdbeer.“ Und schon hatte Kyo ein Stück vor sich zustehen und dazu den Kaffee im Schnabelbecher. „Gib mir ne Tasse“, murrte er leise und schob frustriert den Becher wieder weg. Das Ding hasste er eben so. „Ist gut...“ Und schon war Die seufzend von Dannen gezogen, um alles umzufüllen. Er machte Kyo den Kleiderschutz um und setzte sich dann einfach auf den Rollstuhl, der neben dem Bett stand. „Schmeckt dir die Torte?“ „Hm.“ „Was hab ich nun wieder falsch gemacht?“ Auch Die riss wohl der Geduldsfaden und Kyo sah ihn wieder an. „Nix. Schmeck gut.“ Ihm schmeckte die Torte wirklich, aber womit hatte er das verdient? Er konnte ihm nichts zurückgeben, absolut gar nichts. Er war doch bloß da, verbrauchte Sauerstoff. Nichts produktives konnte er mehr machen, außer Texte zu schreiben. Das hatte er ab und zu getan, steckte seine ganzen negativen Emotionen, die sich angesammelt hatten hinein, doch etwas fehlte einfach und das war der Bühnenauftritt. Die hatte es gut, er würde bald auf Tour fahren, konnte diesem Leben wenigstens für zwei Wochen entkommen. Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Kapitel 8 Kyo war nun schon seit über einer Woche in diesem Heim und hatte das Gefühl, dass er hier noch verrückt werden würde. Kaum jemand war hier mit dem er sich unterhalten konnte und das obwohl er lieber für sich war. Klar waren die Pfleger und Pflegerinnen nett und sprachen auch mit ihm, aber doch bloß immer nur für die kurze Zeit, die sie in seinem Zimmer waren. Im Aufenthaltsraum saß er schon gar nicht, weil er nicht ständig diese vor sich hin sabbernden alten sehen wollte, das machte ihn noch depressiver als er eigentlich war. Wenigstens kamen seine Therapeuten hier her und übten mit ihm. Stehen funktionierte halbwegs, aber er wollte wieder laufen können. Doch bis dahin war es wohl noch ein weiter Weg, denn seine Beine machten einfach nicht das, was er wollte. Auch wenn Die jeden Abend anrief, fühlte er sich verlassen von ihm. Er sagte es ihm nicht, wollte er nicht, dass sich sein Freund deswegen schlecht fühlte, obwohl er es sich sicherlich denken konnte. Jetzt lag er im Bett und wartete auf seinen Anruf nach dem Konzert und schob den Becher, der vor ihm stand hin und her. Wie er warten hasste! Es brachte aber auch nichts selbst anzurufen, denn Die war sicher noch beschäftigt und er wollte auch nicht zu sehr klammern. Doch endlich klingelte das Telefon und Kyo drückte auf den grünen Hörer auf seinem Display. „Hey, Kyo“, meldete sich sofort Dies Stimme und der Sänger lächelte leicht. „Wie war dein Tag?“ Leise seufzte er. „Na, es ging... Ich wurde heute im Garten spazieren gefahren.“ Das Highlight des Tages, wow. „Frische Luft schadet dir sicher nicht.“ „Das hab ich auch nicht behauptet... Aber es war nicht sonderlich spannend. Und dein Konzert?“ „Oh! Das war super! Wir fahren gerade zum Hotel.“ „Das ist gut.“ Doch irgendwie machte es ihn traurig, denn er wollte auch so gerne zurück auf die Bühne, nur war er davon meilenweit entfernt. Wenigstens konnte er nach einem Jahr wieder halbwegs sprechen, ohne wie ein zurückgebliebenes Irgendwas zu klingen. „Ja, ich vermisse dich übrigens.“ „Ich dich auch...“ Vorsichtig wischte er sich die aufkommenden Tränen weg und schluckte hart. Warum war das alles nur so beschissen? Davor hatte er doch auch damit leben können, wenn Die und er mal nicht zusammen waren, das kam doch auch relativ oft vor. Aber jetzt wollte er nur noch heulen. Jeden Tag rief er seinen Kleinen an und auch wenn er nach den ersten zwei malen wusste, dass Kyo nicht viel zu berichten hatte, rief er trotzdem an. Einmal wollte er seine Stimme hören und zum anderen wusste er, dass Kyo ihn sehr vermisste. „Ich bin ja bald wieder da...“ Nur eins hatte er ihm noch nicht gesagt, dass Kyo in einer Woche wieder zurück ins Heim musste, denn sie würden als DECAYS auch in Europa touren. Er würde es ihm noch beichten müssen, denn er hatte ihn nicht zu sehr aufregen wollen. Doch sicher würde sich sein Freund darüber aufregen, sobald er es ihm gebeichtet hatte. „Ja..“, hörte er es leise von der anderen Seite des Telefons und er konnte sich gut vorstellen, dass er gerade weinte. „Kyo... Ich muss dir noch was sagen... Wir werden in einer Woche auch durch Europa touren...“ „Was? Das sagst du mir jetzt erst? Seit wann weißt du das?“ Seine Stimme klang aufgebracht. „Ja, ich.. Wollte.. Naja .. Ich wollte dich nicht aufregen, aber wir touren nur eine Woche lang, eigentlich zehn Tage. Ich bin also nicht lange weg“, versuchte er ihn zu beschwichtigen und schluckte hart, denn sein schlechtes Gewissen hatte sich gemeldet. Er hätte es ihm eher sagen müssen... „Und wenn das Flugzeug abstürzt??“ „Kyo... Sei nicht albern. Du bist doch auch noch nicht mit dem Flieger abgestürzt.“ „...“ „Kyo... Ich bin doch dann bald wieder da und du musst nur zehn Tage hier bleiben.“ „Ich will nicht...“ Seine Antwort klang trotzig. „Ich kann dich aber nicht alleine zuhause lassen.“ Diese Diskussion führte doch ins Nichts. „Ich will das nicht“, wiederholte Kyo nochmals mit Nachdruck, doch Die seufzte nur etwas genervt und rieb sich den Nasenrücken. Warum war er nur so stur? „Hör zu... Wenn du gehen könntest, wäre das kein Problem und wenn du für dich selbst sorgen könntest, aber du kannst es gerade nicht...“ „Ich weiß, dass ich ein dämlicher Krüppel bin!“ „Das hab ich damit nicht gesagt, ich..“ „Was weißt du schon.“ Das spöttische Schnaufen seinerseits war nicht zu überhören und in diesem Augenblick zog sich sein Herz fest zusammen. „Das ist nicht nur für dich schwer, klar? Ich liebe dich, also leb' damit, denn gerade verdiene ich damit unser Geld.“ Die Worte waren wohl etwas hart, aber es stimmte doch. Was sollte er schon machen? Irgendwoher musste das Geld kommen. Für eine Weile schwiegen sie, ehe er wieder das Wort ergriff. „Ich ruf dich morgen Abend nochmal an. Schlaf gut.“ „Du auch...“ Schweren Herzens stieg Die aus dem Van aus und trottete nun auch hinüber zum Hotel. Es war Zeit sich besinnungslos zu besaufen, denn gerade nagte diese beschissene Situation an ihm. Einerseits wollte er den anderen nicht so lange alleine lassen, aber auf er anderen Seite wollte er dieser Hölle entkommen. An manchen Tagen war es so schwer Kyo so hilflos zu sehen und selbst ihn, der eigentlich immer optimistisch war, verließ an einigen Tagen die Hoffnung. Was würde werden wenn Kyo so bleiben würde? Was würde aus ihnen werden? Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- Kapitel 9 Ein halbes Jahr war nun vergangen und Kyo saß auf dem Sofa mit der Katze auf dem Schoß, kraulte sie, während er einhändig die Tastatur seines Macbooks bediente. Immer kam Mochi an, wenn er gerade arbeiten wollte und so dreist wie sie war, war ihr das vollkommen Schnuppe. Sie legte sich entweder auf seinen Schoß oder gar gleich auf die Tastatur des Laptops. Da blieb Kyo gar nichts anderes übrig als sie zu kraulen oder ihr anderweitig seine Aufmerksamkeit zu schenken, denn sie würde so lange nerven, bis sie das bekam, was sie wollte. Er schrieb gerade an einem neuen Gedichtband, den er auch mit dem Computer gestalten wollte. Seine körperliche Lage hatte sich sehr verbessert, endlich konnte er einige Schritte gehen, es reichte um vom Bett aufs Sofa zu kommen, wenn er sich dabei abstützte und auch langsam bekam er die Kontrolle über seine Blase zurück, nur schaffte er es nicht rechtzeitig zur Toilette, er war viel zu langsam. Jeden Tag übte er nun gehen vor ihrer Wohnungstür. Dort hatte ihm der Physiotherapeut einen Stuhl hingestellt und wenn Kyo mit seinem Rollstuhl nach draußen rollte und sich diesem gegenüber am Geländer platzierte, konnte er zwischen diesen hin und her gehen. Die Oma, die neben ihnen wohnte, kam sogar manchmal raus und brachte ihm etwas zu trinken, was er nett fand, aber es war ihm auch ziemlich peinlich. Aber hier hatte er genügend Platz. Er und Die waren umgezogen, denn ihre alte Wohnung war zu groß und zu teuer gewesen, nachdem viel Geld für seine Pflege drauf gegangen war. Hier in einem dieser Familien freundlichen Viertel, konnte man sich ganz wohl fühlen, zumindest wenn man dem Schild glaubte, das irgendwo in der Nähe aufgestellt war und für die Wohnungen hier bewarb. Gähnend lehnte er sich dann zurück und sah auf seine Armbanduhr. Bald würde Die sicher zurückkommen. Hoffentlich hatte er daran gedacht, dass er etwas zu essen mitbringen wollte, denn allmählich bekam Kyo Hunger. Ab und zu verschluckte er sich noch, aber endlich konnte er wieder normales Essen zu sich nehmen. Es kam auch zum Glück keine Pflegekraft mehr zu ihnen nach Hause, trotzdem schlief Kyo noch in seinem Pflegebett, denn er wachte nachts oft auf, weil er mal musste und er wollte Die nicht stören. Da er es ja nicht zur Toilette schaffte, hatte er an seinem Bett einen Toilettenstuhl zu stehen, den er benutzen konnte. Er war auch sehr froh, dass er die Windeln los war und nur noch Einlagen trug, zur Sicherheit eben. Kyo konnte gar nicht glauben wie glücklich er über solche normalen Dinge war, aber er wusste sie jetzt auch mehr zu schätzen und wusste auch wie anstrengend es war das alles wieder zu erlernen, wie ein kleines Kind, doch die schienen damit weniger Schwierigkeiten zu haben. Nur eins hatte er bis jetzt noch nicht versucht. Singen. Nicht, weil er dachte, dass er es nicht mehr konnte, sondern weil er Angst hatte, dass er nie wieder auf der Bühne stehen können würde. Es war nicht sicher, ob überhaupt jemand Dir en grey hören wollte, nachdem sie über zwei Jahre weg vom Fenster gewesen waren und bis ein neues Album fertig war, dauerte es. Außerdem konnte er nicht einschätzen, ob er dem ganzen Tourstress gewachsen war. Langsam klappte er den Laptop wieder zu und nahm Mochi auf die Arme und knuddelte sie einfach, um sie zu ärgern. Miauend wand sich die Katze in seinen Armen und Kyo lachte leise. „Mir entkommst du nicht, hehe“, lachte der kleine Blonde und drückte sein Gesicht in das weiche Fell der heiligen Birmakatze. „Das ist die Rache dafür, dass du mich immer störst.“ Jammernd drückte Mochi ihre Pfote gegen Kyos Lippen und der Sänger happste danach. Doch dann ließ er sie wieder frei und schwupps, war sie davon gelaufen und versteckte sich auf ihrem Kratzbaum. Doch lange blieb sie da nicht sitzen, denn einige Minuten später öffnete sich die Wohnungstür und er hörte Dies Stimme aus dem Flur. „Bin wieder daaaa!“ Dann hörte er Mochi miauen und ein leichtes Poltern, weil Die sicher versuchte nicht über die Katzendame zu fallen. „Hier, hab Essen mitgebracht“, sagte Die grinsend und stellte ihm eine Tüte mit zwei Aluschachteln vor die Nase. „Es gibt Gyoudon für mich und für dich hab ich Miso-Tori-Katsudon mitgebracht.“ Vorsichtig nahm der Sänger die noch heißen Schachteln aus der Tüte, schob sein Macbook zur Seite und lächelte Die an. „Klingt gut.“ Sofort erhielt er noch einen Kuss auf die Schläfe und packte vorsichtig das Essen aus, was ihm noch schwer fiel, denn seine Feinmotorik war einfach nicht die Beste. Er wusste, dass Die gerade den Drang unterdrückte für ihn die Schachtel zu öffnen, aber Kyo wollte das alleine schaffen. „Na, dann. Guten Appetit!“, wünschte ihm sein nun braunhaariger Freund und sie beide fingen an zu essen, wobei Kyo mit Kinderessstäbchen aß, die hinten noch eine Halterung hatten, die die Stäbchen zusammenhielt. Den restlichen Abend verachten sie zusammen auf dem Sofa, bis Kyo sich dann in sein Bett legte, um zu schlafen und Die ihn auch in Ruhe ließ. Den halben Tag lang hatte er immerhin geübt, da war er jetzt ziemlich müde. Doch mitten in der Nacht wurde er durch sein Durstgefühl geweckt. Müde tastete er auf seinem kleinen Beistilltisch herum und stellte fest, dass Die vergessen hatte ihm etwas zu trinken hinzustellen. Schluckend sah er sich um. Ob er ihn wecken sollte deswegen? Bis in die Küche schaffte er es meistens nicht zu gehen, denn einmal war es zu weit und außerdem hatte Die seinen Rollstuhl geputzt und der stand jetzt dummerweise in der Wanne. Den bekam er da niemals heraus! Also half alles nichts und er musste in die Küche laufen. Leise stand er auf und lief auf seinen Antirutschsocken und sich überall festhaltend in den Flur. Hier gab es nur leider nichts mehr zum Festhalten und er starrte den nicht allzu langen Gang hinab, den er zu gehen hatte. Nur konnte er wohl froh sein, dass er überhaupt laufen konnte, denn vor einem Jahr noch, hatte er es gerade so geschafft aufzustehen. Wie oft war er bei dem Versuch zusammengesackt, weil ihn seine Beine nicht hielten? Viel zu oft! Immer einen Fuß vor den anderen setzend ging er los, versuchte sein Gleichgewicht zu halten, so gut es ihm möglich war. Auch wenn es lange gedauert hatte, bestimmt fünf Minuten, hatte er es in die Küche geschafft. Hier konnte er sich wenigstens am Küchentisch und an der Anrichte festhalten, was er auch tat. Nun war da nur noch die Schwierigkeit den Kühlschrank zu öffnen und das Wasser herauszuholen, was er trinken wollte. Sich mit einer Hand festhaltend an der Arbeitsplatte streckte er sich und versuchte den Kühlschrank zu erreichen. Da zwischen war nichts, wo er sich hätte festhalten können, denn neben dem Kühlschrank stand der Mülleimer. Wer hatte sich das nur ausgedacht? Ächzend schaffte er es dann doch die Tür zu öffnen und erreichte mit den Fingerspitzen die Wasserflasche, die er dann mit einem Ruck ergatterte und an sich zog. Über seinen Sieg grinsend öffnete er die Flasche und wurde unvorsichtig dabei, denn gerade als er die Flasche mit beiden Händen umklammert hielt, verlor der ehemalige Sänger das Gleichgewicht und kippte nach hinten über, begoss sich dabei mit dem ganzen Wasser und während des Versuches Halt zu finden, riss er dabei dreckiges Geschirr mit sich und landete mit einem lauten Scheppern und Knallen auf dem Küchenfußboden. Die hatte heute wieder den halben Tag im Studio gesessen und hatte Musik geschrieben. Er machte es ungern zuhause, weil sie nur noch zwei Räume hatten und er das Gefühl der Enge einfach nicht ertragen konnte und so auch nicht fähig war Musik zu schreiben. Wenigstens nahm ihm sein Freund das nicht übel, dem es wieder so gut ging wie schon seit zwei Jahren nicht mehr. Das machte ihn am glücklichsten! Kyo war fast wieder der Alte, wenn man von den Defiziten beim Gehen absah. Bald war der Unfall drei Jahre her und dafür war der Sänger schon sehr gut dran. Was er alles wiedererlernt hatte, war schier unglaublich. Heute jedoch verließ er frühzeitig seine Arbeitsstelle, da er ihm versprochen hatte zum Mittag zu Hause zu sein und auch etwas zu essen mitzubringen. Den restlichen Nachmittag und Abend über hatten sie vor dem Fernseher verbracht und wie seit eben bald drei Jahren schlief Kyo in seinem Pflegebett. Dafür hatte er vor dem Schlafen den Rollstuhl seines Freundes mal geputzt, der hatte das auch bitter nötig gehabt. Da Die noch nicht müde war, lag er im Halbschlaf in seinem Bett und lauschte dem Fernseher, den er im Schlafzimmer zu stehen hatte und von dem er sich berieseln ließ und so bekam er gar nicht mit, dass Kyo alleine aufstand. Erst das laute Scheppern ließ den Gitarristen hochschrecken. Was war das denn? Auch Mochi hatte sich erschrocken, die friedlich neben ihm gelegen hatte, bevor sie unter Garantie zu Kyo abhauen würde, denn morgens fand er sie immer auf dem Kopfkissen des Sängers und wie sie mit ihrer Pfote sein Gesicht betätzelte und leise dabei schnurrte. Schnell war er aus dem Bett geklettert um der Ursache des Kraches auf den Grund zu gehen. „Kyo!!“, war sein entsetzter Ausruf, als er den Sänger auf dem Küchenfußboden liegen sah, vollkommen durchnässt, neben ihm ein Haufen Scherben und wie er in einer Lache aus etwas Blut und Wasser lag. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er nach setzte sich zu ihm und half ihm sich aufzurichten. „Du blutest ja an der Hand!!“ „Mein Kopf...“, murmelte Kyo leise und lehnte sich erschöpft an den Gitarristen. Die wusste im ersten Moment gar nicht, was er machen sollte und lehnte seinen Freund erst einmal an den Spülschrank, ehe er schnell etwas zum Verbinden suchte und dann mit dem Aufwischen begann. Doch er hielt inne, als er es plötzlich leise schluchzen hörte. „Ich bin zu nix zu gebrauchen..“, hörte er die gebrochene Stimme seines Liebsten hinter sich und er schluckte hart. Vorsichtig lehnte er den Wischer an den Küchentisch und kniete sich zu ihm hin. „Das stimmt gar nicht, hörst du!“ „Ach was.. Ich kann ja nicht mal alleine für mich Sorgen..“ So bitterlich weinen hatte er ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen und er beugte sich zu ihm, um ihn in die Arme zu schließen. Sanft küsste er seine Schläfe, dann seine Stirn und gab ihm dann einen Kuss auf den Mund. „Ich liebe dich, egal was ist.“ Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- Kapitel 10 Die Zeit war wie im Flug verstrichen und heute war der Unfall mehr als drei Jahre her und obwohl es Kyo offensichtlich wieder gut ging, schien dieser sich gegen eine Rückkehr auf die Bühne zu sträuben. Zumindest kam es ihm so vor, denn so bald er das Thema ansprach, blockte der Sänger ab oder sie stritten sich. Vielleicht musste er sich damit abfinden, dass es nie wieder etwas mit Dir en grey werden würde, auch wenn Kyo sich in letzter Zeit häufiger mit Takumi traf. Doch hatte dies nichts zu bedeuten. Ihm war es sogar ganz recht, dass Kyo mal nach Draußen kam und unter andere Menschen. Heute jedoch hatte ihn Kaoru am frühen Morgen schon angerufen und ihn in ihren alten Proberaum gebeten, der alten Zeiten wegen. Davor jedoch hatte er noch einige Besprechungen mit dem Manager gehabt wegen einer neuen DECAYS Tour durch Europa, aber jetzt war er auf dem Weg dahin. Gedankenverloren ließ er die letzten Jahre Revue passieren. Das waren die drei nervenaufreibendsten Jahre seines Lebens gewesen und er war mehrfach an den Punkt gekommen, an dem er am liebsten alles hingeschmissen hätte, auch die Beziehung zu Kyo. Fast jeden Tag hatte er sich vor Augen führen müssen, dass er den anderen noch liebte und ihn nicht nur aus Mitleid pflegte. Oft hatte Kyo ihm genau das unterstellt und sicher war auch ein Fünkchen Wahrheit an dem gewesen, das stritt er nicht ab. Er war sehr glücklich darüber, dass nach all der Zeit alles wieder halbwegs normal funktionierte und dass auch ihr Sexleben wieder in Gang gekommen war. Auch wenn Sex nicht das wichtigste in einer Beziehung war, hatte er ihm der doch nach einer Weile der Abstinenz gefehlt. Ein bisschen stolz war er ja schon, dass er es geschafft hatte in den drei Jahren vor Frust nicht fremdzugehen. Durchaus hatte ihm Kyo das des öfteren unterstellt, wenn er einmal spät in der Nacht erst aus irgendeiner Kneipe nach Hause getorkelt kam. Es war ihm nicht zu verübeln, kannte er seinen charmanten großen Freund doch recht gut. Seufzend schob er, als er angekommen war die schwere Eisentür auf, hinter der ihr Proberaum lag und stockte in der Sekunde, als er die ersten Töne von Kyos Stimme hörte. Wie lange war es her, dass er wieder angefangen hatte zu singen? Sicher waren es fast zwei Monate, die er nun täglich wieder übte, um zurück auf sein altes Level zu kommen und wenn ihn einmal der Ehrgeiz gepackt hatte, konnte er auch so schnell nicht wieder damit aufhören. Die hatte ihn zuhause alleine gelassen für eine Woche, da er mit seiner Band durch Japan touren wollte. Zum Glück musste er nicht wieder in irgendein Heim und konnte ganz unbesorgt mit Mochi daheim bleiben. Irgendwann jedoch hatte ihn die Neugierde heimgesucht, denn er hatte seit drei Jahren nicht einmal mehr wirklich gesungen, klar hatte er ab und an mal leise mitgesungen zu irgendeinem Song, aber so wie früher war das nicht gewesen und dann lag ihm Die auch oft damit in den Ohren, dass er doch mal wieder singen sollte und das nervte ihn. Natürlich waren die Töne alles andere als gerade gewesen, die seine Lippen verlassen hatten, aber mit etwas Übung klang es wieder recht passabel und da war ihm der Einfall gekommen! Warum nicht Die überraschen? Was er wohl für Augen machen würde, wenn er mitbekommen würde, dass er wieder sang, dass er wieder zurück auf die Bühne wollte? Ein Anruf bei dem ehemaligen Bandleader hatte gereicht, um ihn für seine Idee zu begeistern. Lass uns einen Song schreiben, hatte Kyo nur gesagt und schon hatte ihn Kaoru am nächsten Tag abgeholt. Mittlerweile brauchte der Sänger auch den Rollstuhl nicht mehr, auch wenn seine Bewegungen noch immer etwas steif waren, hatte er immer noch den Willen auch dies noch zu verbessern. Aus dem einen Song, den sie hatten schreiben wollen, waren ganze fünf geworden und sogar als Die wieder zuhause gewesen war, hatten sich die beiden heimlich getroffen mit Takumis Hilfe. Der hatte Kyo alle zwei, drei Tage abgeholt unter dem Vorwand, dass sie etwas unternehmen würden und hatte ihn zu Kaoru gefahren, damit sie an ihren Songs feilen konnten. Auch die anderen beiden Mitglieder von Dir en grey hatten sie ihre Demos gezeigt, nachdem diese fertiggestellt waren und schon bald hatten sie die fünf Songs mit Bass, Schlagzeug und auch Rhythmusgitarre aufgenommen. Ein Glück für sie, dass Dies Gitarrenroadie da auch mitmachte und erst einmal dessen Gitarrenpart übernahm. Mächtig aufgeregt war Kyo, als ihn Kaoru kurz nach zwölf Uhr unten abholte, heute war der Tag an dem sie Die überraschen wollten. Denn nach Kyos Empfinden hatte er doch am meisten durchgemacht, erst der Unfall, der ihm selbst das Leben hätte kosten können und dann hatte er einen Krüppel zum Freund gehabt und Kyo selbst hoffte, dass er niemals in Dies Lage kommen musste. Nervös wartete er unten vor der Haustür, hob noch einmal die Hand zum Gruß für die Nachbarin, die ihm gerade von oben zugewunken hatte. Aber da war Kaoru ja mit seiner Ballonmütze und den wuscheligen Haaren und natürlich einer Kippe zwischen den Lippen. „Kann's losgehen?“, fragte der Leader gelassen und Kyo nickte nur. „Was hast du Die eigentlich gesagt?“ „Hab gemeint, dass ich ihn mal sehen will, der alten Zeiten wegen“, meinte Kaoru verschmitzt grinsend und zuckte die Schultern. „Hm... Alles klar“, murmelte Kyo nachdenklich. Es würde schon schiefgehen! Nachdem auch die anderen eingetroffen waren, übten sie einmal und warteten dann gespannt im Proberaum. Den Manager hatten sie auch eingeweiht, der ihnen sagen wollte, wann Die sein Büro verließ. Schon bald nachdem ersehnten Anruf, öffnete sich die Tür und Kaoru begann die ersten Takte auf seiner Gitarre zu spielen, nachdem Kyo angefangen hatte zu singen. Ungläubig sah Die zu ihnen hinüber, hatte den Mund etwas geöffnet dabei und schien seinen eigenen Augen nicht zutrauen. Da konnte auch Kyo sich das Grinsen während des Singens nicht verkneifen. Sie hatten einen eher ruhigeren Song geschrieben mit harten Gitarrenriffs und ihm persönlich gefiel dieser Song schon jetzt sehr gut. Als sie geendet hatten, sah Kyo seinen Freund fragend, aber mit einem Lächeln an. „Und? Was sagst du?“ „Du bist blöd!!“, sagte er vor Freude strahlend, hatte die wenigen Meter, die zwischen ihnen lagen in einigen Sätzen überwunden und schloss den Kleineren in seine Arme. „Und wie es mir gefallen hat, endlich konnte ich sie wieder hören.. Deine Stimme“, flüsterte er gegen seinen blonden Haarschopf. Lächelnd sah Kyo auf und in diesem Augenblick brauchte es kein Wort, um die Liebe und Zuneigung für den anderen zu beschreiben. Endlich war er wieder glücklich, nein sie waren glücklich und das endlich auch wieder gemeinsam. -ENDE- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)