Der Gesang eines Vogels von Finnyan ================================================================================ Kapitel 2: Das Haus am Fluss ---------------------------- Vorgaben der Göttin - Du findest ein Haus an einem Fluss, wo du bleiben kannst - Du realisierst, in welcher Welt du dich befindest _________________________________ Der Waldboden war uneben und wegen den Wurzeln und Steinen musste ich aufpassen mich nicht der Länge nach hinzulegen. Er glich unruhigen Wellen im Meer, die in der Zeit stehen geblieben waren und mit frischem Laub bedeckt wurden. Ich war mir nicht sicher, wie lange mich meine Beine schon durch das Unterholz getragen hatten, aber plötzlich lichtete sich der Wald und spendete dem Boden mehr Sonnenlicht und Raum. Meine Haut spürte die angenehme Wärme, die sich wie ein Schleier auf mein Gesicht und meine Unterarme legte. Büsche und Blumen präsentierten mir das Ende meiner Wanderung und zeigten eine riesige Wiesenlandschaft, die sich an den Seiten eines großen Flusses befand. Es erinnerte mich an einen der Bildschirmhintergründe auf meinem Computer und ließ mich staunen. „Wahnsinn!", sagte ich und ging über die grüne Landschaft. Der Fluss zog sich von mir aus von links nach rechts und plätscherte fröhlich vor sich hin, eine Bergkette war in der Ferne zu sehen und davor entdeckte ich ein alleinstehendes Haus, weiter flussabwärts. Mein Kopf drehte sich suchend nach einer Brücke um, doch mit einem Seufzen musste ich feststellen, dass hier noch keine erbaut wurde. Sollte ich springen? Aber das waren bestimmt über vier Meter! Zu riskant. Ich hatte keine Lust, dass meine Kleidung und meine Kamera nass we- „Meine Kamera!" Sofort griff ich nach ihr und fotografierte das wunderschöne Panorama, das mir die Natur offenbarte. Nachdem ich ein Bild geschossen hatte sah ich mich weiter um. Vorsichtig ging ich am Uferrand umher und grinste triumphierend, als ich ein paar Felssteine entdeckte, die wie lauernde Krokodilrücken aus dem Wasser ragten. Summend sprang ich von einem Stein zum nächsten und landete schließlich am anderen Ufer. „Hopp! Geschafft!", sagte ich zufrieden und eilte durch das Gras, direkt auf das Haus zu. Es sah aus wie ein typisches altes Bauernhaus. Mit eigenem Gemüsegarten, frei herumlaufenden, pickenden Hühnern, einem Wasserrad und einem hohen Stapel Feuerholz an der Hauswand. Es weckte in mir ein Gefühl der Harmonie und Ruhe. Hier lebte mit Sicherheit ein altes Ehepaar, deren Enkelkinder in den Sommerferien immer zu Besuch kamen und auf der Wiese herumtollten. Ob ich hier wohl fragen könnte, wo ich war? Vielleicht irrte ich mich auch und dort lebte nur ein alter Opa mit Jagdgewehr und mieser Laune. „Naja. So schlimm wird's schon nicht werden", munterte ich mich selber auf und schritt zur Tür. Sie war aus altem, dunklem Eichenholz und mit einem aufgehängten Blumenkranz verziert worden. Einmal tief durchgeatmet drückte ich die Klingel und trat einen Schritt zurück. Erst hörte ich gar nichts außer dem Rauschen des Wassers und das leise Gackern der Hühner, doch dann ertönte das schnelle Klopfen von Schuhen auf Holzboden. Ich richtete mir noch schnell meine Haare und legte mir Sätze im Kopf bereit, damit ich gleich nicht ganz so planlos vor dem Hausbesitzer stand, wie ich mich eh schon fühlte. Irgendwie war das alles viel zu bizarr... Als die Tür geöffnet wurde, blickte ich in das Gesicht einer jungen Frau, ungefähr Mitte zwanzig mit braun-orangenen Augen und kastanienbraunen Haaren, die ihre sanften Gesichtszüge umrahmten und zu einem bezaubernden Gesamtbild machten. Sie trug eine beige Schürze und darunter ein waldgrünes Kleid mit langen Ärmeln. Ihr Lächeln hielt ihre Zähne zwar verborgen, aber es strahlte trotzdem zu mir herüber, sodass meine Mundwinkel von alleine die freundliche Geste erwiderten. „Hallo~." Ihre Stimme war feminin und ein bisschen zu hoch für meinen Geschmack, aber das störte mich nicht weiter. „Hallo, entschuldigen Sie die Störung, aber ich habe mich leider im Wald verlaufen und Ihr Haus gerade entdeckt. Können Sie mir bitte sagen, wo die nächste Stadt ist?", fragte ich und entschied mich dafür, lieber nicht zu sagen, dass ich keine Ahnung hatte, wie zum Teufel ich hier her gekommen war. Schließlich sollte sie nicht von mir denken, dass ich verrückt geworden war. Mit leicht besorgter Miene musterte die junge Frau mich kurz und sah mir dann entschuldigend in die Augen. „Oh je. Ich kann dir den Weg zwar zur nächsten Stadt sagen, aber heute wirst du dort leider nicht ankommen. Es ist zu weit weg zu Fuß", sagte sie mit ehrlichem Bedauern. Auf einmal hörte ich eine alte, krächzende Stimme aus dem Inneren des Hauses, die mich an einen alten Raben erinnerte. „Wer ist da?", rief die Stimme. Ich schätzte den Ursprung der Stimme auf mindestens sechzig Jahre, weiblich und offenbar schwerhörig. Die Frau vor mir drehte den Kopf nach hinten „Hier hat sich jemand im Wald verirrt und sucht den Weg zur nächsten Stadt, Oma!" Leise, schlurfende Schritte waren zu hören, als die alte Dame mit den asphaltgrauen Haaren und der Strickjacke aus dem Wohnzimmer trat und zur Tür ging. Ich hatte selten eine so klischeehafte Oma gesehen, wie diese hier. Es fehlten nur noch die Katzen, die um ihre Beine schlichen und schnurrten und der angefangene Baumwollpullover für die Enkel in den Händen mit Wollknäul und Nadeln. Doch ich war mir sicher, dass sie ihn nur im Wohnzimmer hat liegen lassen. Ich entgegnete ihr ebenfalls mit einem Lächeln. Tja, was nun? Ich würde garantiert nicht die komplette Nacht bis zur Stadt latschen, wobei ich sowieso weder Handy noch Portemonnaie bei mir trug. Ich war also auf Deutsch gesagt im Arsch... „Ah, lass das junge Ding bloß nicht in der Dunkelheit bis zur Stadt laufen, Lia. Das ist zu gefährlich", sagte sie zu ihrer Enkelin mit lauter Stimme, ehe sie mich wieder mit weisen, hellen Augen ansah. „Wie heißt du? Und wo kommst du her?" „Ich bin Finny. Ähm...ich komme...ehrlich gesagt...weiß ich nicht, wie ich hier her gekommen bin. Plötzlich war ich im Wald. Kurz nachdem ich von einem Baum am Flussufer gefallen bin." Die Peinlichkeit stand mir ins Gesicht geschrieben. Aber dennoch wusste ich genau, dass ich nicht ansatzweise in der Nähe meiner Heimat war. Die Landschaft passte nicht und mein Bauchgefühl bestätigte mir das ungute Gefühl, weit…weit weg zu sein... Doch die Oma und Lia schienen mich allen Anschein nach nicht für verrückt zu halten. Dabei würde ich mir selbst gerade den Vogel zeigen! Es klang total absurd. Was war nur los?! Träume ich das alles nur und liege noch bewusstlos unter dem Baum? Oder im Krankenhaus im Koma? Wow... eine Möglichkeit besser als die andere. „Dann bleib über Nacht hier und iss mit uns zusammen zu Abend. Wir hatten lange keinen Besuch mehr gehabt und mein Enkel freut sich immer über Gäste. Lia, bereite eine Suppe und etwas Brot vor. Das Mädchen ist ja nur Haut und Knochen!" Die Oma musterte meine schlanke Silhouette und schlurfte dann wieder in kaum erkennbarer Geschwindigkeit in das Wohnzimmer. Ihr Enkel nickte freudig und strahlte mich an, als ob ich hier erwartet wurde. Mit so einer Gastfreundschaft hätte ich im Leben nicht gerechnet! Essen und eine Unterkunft! Der Tag ist erst einmal gerettet. „Vielen Dank! Das ist sehr nett von Ihnen." Ich trat in den Eingangsflur, Lia schloss die Haustür hinter mir und winkte kichernd ab. Sie fand es für selbstverständlich, jemanden zu helfen, der in Not war und sagte, dass wir ruhig per du sein könnten. „Wir sind ja fast gleich alt, oder? Da passt er besser und ich komme mir nicht so alt vor", lachte sie. Ich nickte und konnte mich genauer umschauen, als ich mir die Schuhe auszog und die Augen schweifen ließ. Holz und helle Brauntöne bildeten den ersten Gesamteindruck und gaben mir ein Gefühl der Wärme und Nostalgie. Es war Ewigkeiten her, seitdem ich in einem Bauernhaus war. Der Flur war offen und man konnte direkt in das Wohnzimmer schauen, welches von einem großen, weinroten Teppichs eingenommen wurde, der sich bis zum Kamin zog und dort eine nackte Stelle frei ließ, die von beigen Fliesen geziert wurde, auf der sich einige Aschereste, Holzstaub und Kohlekrümel wiederfanden. Auf dem Sessel direkt vor der prasselnden Feuerstelle hatte sich die alte Dame gepflanzt und häkelte tatsächlich in aller Ruhe einen blau-karierten Wollpullover. Lia Schritt an ihr vorbei und durch eine Tür, die anscheinend zur Küche führte. „Du kannst das Zimmer meines Enkels benutzen! Das steht momentan leer", krächzte die Oma und ich gab mit einem lauten und klarem „Okay!" zu verstehen, dass ich sie gehört hatte, ehe ich auf der anderen Seite des Wohnzimmers eine Treppe entdeckte. Mit leichter Neugier betrat ich das Obergeschoss und entdeckte erst das kleine, aber niedlich eingerichtete Badezimmer. Die Handtücher waren farblich mit dem Duschvorhang abgestimmt, auf dem ich einen pinken Flamingo ausmachte, der auf einem Bein zwischen ein paar Gräsern im Wasser stand. Ich verließ das Bad wieder und blickte nun zu einer nur angelehnten Zimmerpreise und riskierte einen Blick. „Hui. Der Enkel muss ein Bücherwurm sein!", sprach ich meinen ersten Gedanken laut aus. Ein riesiges Pentagramm prangte an der Wand genau vor meinen Augen und aberhunderte von alten Büchern stapelten sich auf den Regalen, Schränken und Tischen und zwängten sich in jede Ecke des Raumes. Ich konnte kaum noch den Boden sehen! Das Bett stand direkt neben dem Fenster und war als einziges Möbelstück nicht komplett von den Büchern zugestapelt worden. Es sah sogar frisch gemacht aus. Anscheinend hatte hier schon seit einiger Zeit keiner mehr geschlafen, doch Lia schien hier immer trotz des Chaos sauber zu machen. Ich konnte keine verstaubten Oberflächen ausmachen, als ich durch das Zimmer ging und mich schließlich auf die Matratze setzte. „Au!“ Sofort griff ich unter die Decke und schob ein Buch hervor, auf dessen Kante ich mich eben gesetzt hatte. Meine Augen weiteten sich, als sie den Titel erblickten. Mein Körper wurde durch einen Adrenalinstoß durchströmt und ließ mein Puls rasen. „Die Geschichte….von Fiore…? I-ist das nicht…?“ Konnte das wahr sein? So ein Buch gab es nicht einfach so und schon gar nicht so vergilbt und alt, dass die Seiten in meinen Fingern schon anfingen zu bröseln. Vorsichtig blätterte ich durch und konnte es kaum fassen. Quatsch! Ich konnte es überhaupt nicht fassen! Fiore gab es nicht. Es war ein fiktiver Ort von ‚Fairy Tail‘! „Ich bin im falschen Film…scheiße…oder etwa in der falschen Welt…?!“ Und in diesem Zeitpunkt bemerkte ich, warum das alles hier so seltsam fremd erschien… Die Landschaft, das Haus und dieser Zimmer hier waren nicht von dieser Welt. Und ich...? „Wie zum Teufel komme ich hier her?! …Ah! Und wie komme ich wieder zurück?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)