Christmas Crush von Hoellenhund ([Secret Love]) ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Auch am nächsten und übernächsten Tag gelang es Takeda nicht, mit Mizuki zu sprechen. Nicht, dass er keine Gelegenheit dazu gehabt hätte – aber jedes Mal, wenn er sich vorgenommen hatte, ihre Neujahrsverabredung abzusagen, brachte er die Worte einfach nicht über die Lippen. Es lag an der Art, wie Mizuki ihn ansah – und wie sie lächelte. Er konnte es einfach nicht über sich bringen, es ihr zu sagen. Und so verstrichen die Tage. Es war bereits der 30. Dezember, als Takeda allmählich begann sich zu fragen, ob es nicht vielleicht eher so war, dass er Mizuki schlicht nicht absagen wollte. Was erhoffte er sich davon, sie hinzuhalten? Je näher der Neujahrstag rückte, desto unangenehmer würde es für Mizuki sein, wenn er ihr absagte. 'Du bist so ein Arsch', fuhr es Takeda durch den Kopf, während er gerade in der Küche mit dem Abwasch aushalf. Er spürte das Gewicht seines Handys in seiner hinteren Hosentasche. Heute würde er es ihr sagen, heute nach der Arbeit. Er musste es einfach tun. Und so ließ sich Takeda heute mit dem Abwasch besonders viel Zeit. So lange, bis Mizuki wie jeden Abend mit der Kasse in die Küche gestürmt kam und die Ergebnisse des Tages verkündete. „Der Umsatz heute war nicht schlecht. Könnte aber besser sein“, sagte sie, während sie einige Münzen in ein großes, schwarzes Portemonnaie klimpern ließ. Dann erst fiel ihr Blick auf Takeda. „Was machst du denn da mit dem Teller? Meinst du nicht, der ist jetzt sauber genug?“ Überrascht wandte Takeda den Kopf. Er hatte überhaupt nicht bemerkt, dass er die ganze Zeit über mit dem Schwamm über denselben Teller geschrubbt hatte. „Wenn du so weitermachst, bist du ja morgen noch nicht fertig. Was ist denn mit dir los?“, neckte Mizuki ihn und stieß ihm spielerisch den Ellenbogen in die Seite. Die unerwartete Berührung ließ Takeda zusammenzucken und beinahe hätte er den Teller zurück ins Spülwasser fallenlassen. Mizukis Gegenward machte ihn merkwürdig nervös. „Ich helfe dir gleich damit. Ich drücke nur schnell Papa die Kasse in die Hand. Dann kann er das Geld schon mal einzahlen. Das wird er jawohl hinkriegen.“ Sie warf Herrn Kanao, der mit seinem Feierabendbier in der Hand im Türrahmen lehnte, einen zweifelnden Blick zu, reichte ihm dann aber das Portemonnaie. „Sieh zu, dass du‘s auf dem Weg nicht versäufst“, schimpfte sie noch ein wenig übertrieben, ehe sie sich die Ärmel hochkrempelte und Takeda den Teller aus der Hand nahm. „Du trocknest am besten ab. Deine Finger sind schon ganz schrumpelig.“ Sie hatte Recht. Takedas Augen verharrten einen Augenblick lang auf seinen Händen, bevor er sich ein trockenes Handtuch schnappte und sich zurück an die Arbeit machte. Mit Mizukis Hilfe war der Abwasch in Nullkommanichts erledigt und schon kurz darauf verließen die beiden Seite an Seite das Café. Während Mizuki noch die Tür hinter ihnen abschloss, ließ Takeda den Blick zum dunklen Himmel hinauf wandern. Es war so kalt, dass ihm der Atem gefror – und es hatte angefangen zu schneien. Es waren nicht mehr als ein paar kleine Flocken, die sofort wieder verschwanden, sobald sie den Boden berührten – doch für Takeda waren sie etwas ganz Besonderes. Er streckte die Hand aus, um einige der Flocken aufzufangen. Sobald sie mit seiner warmen Haut in Berührung kamen, zerschmolzen sie zu feinen Wassertropfen. Mizuki musste den Schnee ebenfalls bemerkt haben, denn sie rannte unter dem Vordach des Cafés hervor, breitete die Arme aus und drehte sich zweimal um die eigene Achse, das Gesicht gen Himmel gewandt. „Wie wunderschön!“, seufzte sie. Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke. Dann trat Mizuki ganz langsam auf Takeda zu, Schritt für Schritt, immer weiter, bis sie ganz nahe beieinander standen. Ihre hellen Augen fixierten Takeda mit festem Blick. Dann sagte sie: „Ich habe mich in dich verliebt.“ Hirakawa erstarrte. Er hatte sich von Takedas Mutter die Adresse des Cafés geben lassen, um Takeda nach der Arbeit abzuholen. Nun aber zog er sich um die nächste Straßenecke zurück, lehnte den Rücken gegen die nahe Hauswand. In ihm war alles taub - doch dieses Gefühl rührte nicht von der klirrenden Kälte oder dem Schnee. Es breitete sich ganz langsam von innen heraus in seiner Brust aus, durchfuhr ihn bis in die Fingerspitzen. Takeda und dieses Mädchen... Hirakawa hatte sich nie gefragt, wie Takeda dieses eine Jahr, in dem sie voneinander getrennt gewesen waren, verbracht hatte. Ob er... eine Freundin gehabt hatte. Es lag doch auf der Hand. Takeda war immer beliebt bei den Mädchen gewesen, als sie noch zusammen in Tokyo zur Mittelschule gegangen waren. Nur hatte er sich nie recht dafür interessiert. Genauso wenig wie Hirakawa selbst. Sie waren immer zusammen gewesen; in ihrer kleinen Welt hatte es nur sie beide gegeben – niemanden sonst. Aber dann hatte Hirakawa Takeda verlassen, ihn zurückgelassen. Allein. Das taube Gefühl in Hirakawas Brust verwandelte sich in einen stechenden Schmerz. Ganz langsam ballten sich seine Hände zu Fäusten. Seine Fingernägel gruben sich in seine Handflächen, doch er spürte es kaum. Dann stieß er sich von der Hauswand ab und ging mit zielstrebigen Schritten in die entgegengesetzte Richtung davon. Ein Stein sank in Takedas Magen. Mizukis Worte hallten noch immer in seinen Ohren nach. Einen Augenblick lang wusste er nicht, was er sagen sollte, konnte er nichts weiter tun, als in diese hellen, ehrlichen Augen zu starren. Er hatte es sich nicht eingebildet – sie hatte sich tatsächlich in ihn verliebt. Und wenn Takeda ehrlich zu sich selber war, dann empfand er etwas Ähnliches für sie. Und doch konnte er ihr nicht antworten, war sein Herz nicht erfüllt von Glück, sondern zerrissen von widersprüchlichen Gefühlen. Hirakawa... Er konnte den Gedanken an seine dunklen Augen und das heimliche Lächeln, das so oft seine Lippen kräuselte, einfach nicht abschütteln. Plötzlich veränderte sich etwas in Mizukis Blick. Ganz langsam trat sie einen Schritt zurück und sagte mit ernster Stimme: „Du hast eine Freundin, hab ich Recht? Deshalb hast du neulich gesagt, dass du kein Draufgänger mehr bist.“ Takeda erwiderte ihren Blick genauso fest, auch wenn der Drang, den Kopf zu senken beinahe unwiderstehlich war. Er hatte das Gefühl, es ihr schuldig zu sein. „Einen Freund“, korrigierte er ehrlich und er konnte hören, wie Mizukis Lungen alle Luft entwich. „Es tut mir Leid.“ Nie zuvor hatte er diese Worte so ernst gemeint wie in diesem Augenblick. Ganz am Rande nahm er wahr, wie das Handy in seiner Hosentasche vibrierte. „Ach so ist das“, gab Mizuki leise zurück. Sie lächelte - doch Takeda konnte Tränen in ihren Augenwinkeln glitzern sehen. „Tut mir Leid“, sagte sie und wandte sich ab, um es zu verbergen. Am liebsten hätte Takeda sie in den Arm genommen, um sie zu trösten – doch damit hätte er ihr nur noch mehr wehgetan. Und so konnte er nichts weiter tun, als auf ihren Rücken zu starren, während sie das Gesicht in den Händen verborgen hielt. „Wir arbeiten zusammen. Also lass uns einfach weiter Freunde sein, okay?“, sagte sie schließlich und ihre Stimme klang dabei unerwartet fest. Takeda nickte – und obwohl sie ihn nicht sehen konnte, hatte er das Gefühl, dass sie ihn verstanden hatte. Als sie sich nun zu ihm umwandte, waren ihre Tränen getrocknet und ihre Mine wirkte ruhig und gefasst. Es gelang ihr nicht zu lächeln, doch ihre Stimme klang warm und freundlich, als sie sich von ihm verabschiedete: „Also dann, wir sehen uns morgen.“ Und damit machte sie sich auf den Weg die Straße hinab. Takeda sah ihr eine Weile nach, noch immer ein flaues Gefühl in er Magengegend, bis er sich plötzlich wieder daran erinnerte, dass er vorhin eine SMS bekommen hatte. Rasch zog er das Handy aus seiner Hosentasche. Dezembergrau Ich tanze im Nebel Und warte. Die Nachricht war von Hirakawa. Takeda hatte nicht viel Ahnung von Poesie, aber das war eindeutig ein Haiku. Was sollte das bedeuten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)