Chronograph von -Zerschmetterling- ================================================================================ Kapitel 14: ------------ -14-   Der Schreibtisch des Schulleiters sah mindestens genauso unordentlich aus, wie beim letzten Mal. Bücher stapelten sich über Bücher, übersäht mit kleinen Notizzettelchen und zwischendrin die ein oder andere leere Teetasse. Sarutobi bat uns Platz zu nehmen und ließ sich dann seinerseits auf dem großen Chefsessel hinter dem hölzernen Schreibtisch nieder. Seine Miene wirkte ernst und es schien, als wolle er keine Zeit verlieren. Diesmal bot er uns auch keinen Tee an, was mich jedoch nicht im Geringsten störte. Der Tee letztes Mal hatte scheußlich geschmeckt.   „Also zunächst einmal, alles Gute zum Geburtstag ihr beiden“, begann er im geschäftigen Ton.   „Danke“, antworteten Sasuke und ich zeitgleich.   Sarutobi stützte seine Ellbogen vor sich auf der Tischplatte ab und verschränkte die Finger ineinander. Mit einem durchdringenden Blick sah er uns abwechselnd an.   „Nun“, fuhr er dann fort. „Wie ihr wisst, ist dieser Geburtstag leider nicht nur ein Tag der Freude. Naruto, ab heute bist du ein vollwertiger Jinchuriki, das bedeutet, dass dein Chakra ab sofort aktiv eingesetzt werden kann – das ist natürlich einerseits ein großer Vorteil, andererseits macht dich das auch angreifbar.“   Ich spürte, wie sich mein Körper ein wenig versteifte. Das Thema Chakra würde mich wohl nicht mehr loslassen.   „Die Akademie hier ist ein Ort, an dem sich grundsätzlich eine Menge Chakra befindet. Es wird also nicht allzu schnell auffallen, dass du dich hier aufhältst“, er zog beide Brauen nach oben. „Allerdings ist es gleichzeitig auch ein sehr naheliegendes Versteck. Die Schatten können dein Chakra nicht lokalisieren, dennoch werden sie vermuten, dass du dich an einem Ort mit hoher Chakrakonzentration befindest, was bedeutet, dass du hier nicht mehr lang bleiben kannst. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum du die Akademie verlassen musst. Einen wichtigeren. Genau genommen ist das der Grund, weshalb die Schatten überhaupt hinter dir her sind und genau genommen ist das auch der Grund, warum wir dich überhaupt hierher geholt haben, obwohl es sich wahrlich nicht um das beste Versteck handelt.“   Zum zweiten Mal an diesem Tage hatte ich das Gefühl, dass mir etwas Essenzielles vorenthalten worden war. Aus dem Augenwinkel warf ich einen prüfenden Blick auf Sasuke, der sich jedoch entspannt zurück gelehnt hatte, als würde all das ihn nicht im Geringsten etwas angehen. Fast schon machte es den Eindruck, als wüsste er längst, was Sarutobi mir nun eröffnen wollte. Wahrscheinlich wusste er es tatsächlich.   „Sagt euch der Name Mito Uzumaki etwas?“   Einen Moment lang überlegte ich angestrengt, schüttelte dann jedoch den Kopf. Ich war mir sicher, den Namen noch nie in meinem Leben gehört zu haben. Noch bevor Sarutobi eine Gelegenheit hatte, sich uns zu erklären, mischte sich nun auch Sasuke in das Gespräch ein.   „Sie war deine Vorfahrin“, erklärte er knapp. „Ebenfalls ein Jinchuriki.“   „Ganz richtig“, bestätigte Sarutobi. „Sie müsste deine Ur-ur-Großmutter gewesen sein, wenn mich nicht alles täuscht. Auf jeden Fall stammst du in direkter Blutlinie von ihr ab und nicht nur das – du bist sogar der Letzte ihrer Nachfahren.“   Er sagte das, als wäre es ein Grund sich zu freuen, doch ich konnte beim besten Willen nichts Positives daran erkennen, der Letzte in einer Familie zu sein.   „Aber sie ist schon lange tot“, stellte ich nüchtern fest. „Also, was hat es mit ihr auf sich?“   Sarutobi trank einen großen Schluck Tee. Vermutlich war es eine Art Tick von ihm, immer wenn er ein unangenehmes Gespräch zu führen hatte. Hinter der Tasse konnte er sich im Notfall verstecken.   „Du musst wissen, dass die Jinchuriki schon immer gewissen Gefahren ausgesetzt waren“, begann er schließlich zu erzählen. „Es gab Neider. Solche die etwas gegen das System hatten oder einfach nur solche, die die Macht der Jinchuriki besitzen wollten. Man nannte sie damals noch nicht Schatten, doch das bedeutet nicht, dass sie nicht mindestens genauso gefährlich waren. Die Familien der Jinchuriki führten schon immer ein gefährliches Leben und so kam es, dass sie sich Gedanken darüber machten, was passieren würde, wenn es tatsächlich jemandem gelänge, alle Mitglieder der Familie zu töten, die bereits in der Lage waren, ihr Chakra zu nutzen und somit die Funktion als Jinchuriki zu erfüllen.“   „Die Situation kommt mir irgendwie bekannt vor“, knurrte ich leise.   Sarutobi schien es nicht gehört zu haben, doch Sasuke warf mir einen mahnenden Blick zu. Es fühlte sich komisch an, ausgerechnet von ihm so zurechtgewiesen zu werden. Normalerweise war schließlich er derjenige, der sich die überflüssigen Kommentare nicht verkneifen konnte.   „Die Familie – unter ihnen auch Mito Uzumaki – suchte also nach einer Möglichkeit, wie sie ihre Macht unabhängig von ihren eigenen menschlichen Leben erhalten könnten. Für den Fall, dass irgendwann einmal keiner von ihnen mehr übrig sein sollte, der in der Lage war, die Aufgaben eines Jinchuriki zu erfüllen. Und schließlich ist es Mito Uzumaki gelungen ein Amulett zu erschaffen, das die Fähigkeiten eines Jinchuriki besitzt und das in einem Falle wie deinem als Überbrückung eingesetzt werden kann.“   „Also ist das Amulett so eine Art Chakraspeicher?“, schlussfolgerte ich.   Sarutobi wog seinen Kopf leicht hin und her und verzog dabei den Mund.   „Es ist mehr eine Art Chakramagnet“, erwiderte er schließlich. „Ein sehr mächtiger Magnet, der in der Lage ist, Chakra nicht nur aufzunehmen, sondern auch über weite Distanzen hinweg anzuziehen.“   Unwillkürlich fragte ich mich, ob ich selbst dann auch so eine Art Chakramagneten darstellte. War es das was Sasuke mit dem Leuchten gemeint hatte? Bisher hatte ich noch nie etwas davon gehört, dass Magneten leuchten konnten.   „Wenn die Jinchuriki in Gefahr waren, weil andere es auf ihre Macht abgesehen haben, warum haben sie dann dieses Amulett erschaffen?“, Sasukes Stimme klang kühl und es schwang ein unüberhörbar kritischer Tonfall darin mit. „Es ist doch viel leichter, ein Amulett zu stehlen, als einen Menschen zu töten.“   Wenn er es sagte, klang es wie eine simple Feststellung. Dennoch konnte ich nicht verhindern, dass mir eine leichte Gänsehaut den Rücken hinunterkroch. Diese alten Familiengeschichten – meine Familiengeschichten – waren mir irgendwie nicht geheuer.   „Eine berechtigte Frage“, räumte Sarutobi ein. „Aber in vielerlei Hinsicht war es eine geschickte Sicherheitsvorkehrung. Mito Uzumaki war eine kluge Frau. Sie hat das Amulett an die eigene Blutlinie gebunden, um zu verhindern, dass es missbraucht werden konnte. Das Amulett konnte also nur von Mitgliedern der Uzumaki Familie genutzt werden – mit einer Ausnahme: Sollte kein Familienmitglied in der Lage sein, aktiv die Funktion eines Jinchuriki auszuführen, kann das Amulett übergangsweise auch durch jemand anderen genutzt werden. Sobald allerdings ein Mitglied der Familie das zwanzigste Lebensjahr erreicht, verliert das Amulett nach und nach seine Kraft und kann schließlich nur noch von einem Uzumaki wieder aufgeladen werden. Sollte der letzte Uzumaki jedoch sterben, ist die Kraft des Amuletts verloren.“   „Und der Letzte bin ich“, stellte ich ernüchtert fest.   Zumindest erklärte diese Geschichte zum Teil, warum sie alle so einen großen Terz um mich machten. Vermutlich war es nun meine Aufgabe, dieses seltsame Familien-Amulett wieder aufzuladen, bevor seine Kraft versiegte. Ich seufzte.   „Und wo ist das Teil?“, fragte ich dann.   Sarutobi zuckte unwillkürlich zusammen und aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Sasuke ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken konnte. Ihm war wohl nicht entgangen, dass diese ganzen Gespräche über meine Vorfahren allmählich meine Nerven strapazierten.   „Es ist weg“, antwortete der Schulleiter. „Seit dem Tod deiner Mutter ist es verschwunden.“   Nun verstand ich gar nichts mehr. Seine Miene wirkte mit einem Mal undurchdringlich und nicht zum ersten Mal stellte ich fest, wie schwer es war sein Verhalten zu deuten. Versteckt hinter seinem großen Schreibtisch, zwischen den vielen Bücherregalen und Teetassen wirkte er meist, als wäre er trotz allem meilenweit von einem entfernt. Seine Stimmung konnte von einer Sekunde auf die andere umschlagen und man wusste nie was einen als nächstes erwartete. Im einen Moment wirkte er fast schon kindlich und voller Begeisterung, im anderen strahlte er eine fast schon beängstigende Autorität aus und zwischendrin drifteten seine Gedanken regelmäßig in eine andere Welt ab. Überhaupt dachte er meistens sehr lange nach, bevor er etwas sagte. Er war undurchschaubar. Möglicherweise sogar noch undurchschaubarer als Sasuke.   „Es ist davon auszugehen, dass die Schatten das Amulett damals beim Angriff auf deine Mutter entwendet haben“, erklärte Sarutobi. „Wie du bereits bei unserem letzten Gespräch festgestellt hast, sind regelmäßige Angriffe auf Wächter und ihr Chakra nicht gerade unauffällig, was bedeutet, dass die Schatten eine andere Möglichkeit brauchen um an Chakra zu kommen.“   Das war dann wohl das Amulett. Allerdings funktionierte dieser Weg nur solange, bis ein Mitglied der Uzumaki-Familie die Volljährigkeit erreichte – und das war heute geschehen. Ich konnte förmlich spüren, wie sich die Rädchen hinter meiner Stirn immer weiter drehten und schließlich klickend einrasteten. Das also war der Grund, warum sie wie besessen hinter mir her waren.   „Sie brauchen mich, um das Amulett weiter nutzen zu können“, schlussfolgerte ich.   Auch ohne seine Bestätigung wusste ich bereits, dass ich Recht hatte. Die Wächter hatten jahrelang darauf gewartet, dass ich endlich volljährig werden würde, um so die Macht der Schatten zu schwächen. Nur befürchtete ich, dass diese sich das nicht so einfach gefallen lassen würden.   „Also soll ich mich für den Rest meines Lebens vor ihnen verstecken?“, fragte ich panisch.   Das war definitiv nicht die Art, wie ich mir mein Leben vorgestellt hatte.   „Nein“, sagte Sarutobi entschieden. „Das würde nichts bringen. Früher oder später würden sie dich sowieso finden.“   Das hatte er wohl Recht. Allerdings wusste ich nicht, worauf er stattdessen hinauswollte. Angestrengt runzelte ich die Stirn und ging nochmal alle Informationen durch, die ich bisher über das Amulett erhalten hatte. Die letzten Jahre über, seit dem Anschlag auf meine Mutter, war es den Schatten gelungen, es für ihre Zwecke zu nutzen. Statt durch einen Jinchuriki hindurchzufließen, war das Chakra direkt vom Menschen auf das Amulett übergegangen, wobei die Schatten einen wohl nicht unerheblichen Teil zurückbehalten hatten. Ein bisschen stellte ich es mir wie eine Produktionskette vor, in die von außerhalb jemand eingriff, um Ressourcen abzuzapfen.   Diese Art des Diebstahls konnte jedoch nur funktionieren solange einige Bedingungen erfüllt waren. Zum ersten durfte kein volljähriger Erbe der Uzumaki-Blutlinie am Leben sein. Diese Bedingung war mit dem Tod meiner Mutter erfüllt worden. Zum zweiten musste jedoch unbedingt ein minderjähriges Mitglied der Uzumaki-Familie existieren, da das Amulett sonst nach und nach seine Macht verlieren würde. Das bedeutete automatisch, dass die Einsatzzeit des Amuletts durch Außenstehende immer zeitlich begrenzt sein würde. Wenn ich nun versuchte, mich in die Sicht der Schatten hineinzuversetzen, wäre der nächste logische Schritt für mich, eine Möglichkeit zu suchen, wie man diese zeitliche Begrenzung aufheben konnte, um das Amulett weiterhin zu nutzen. Und der Schlüssel dazu lag vermutlich im letzten noch lebenden Uzumaki-Erben – und damit in mir.   „Wir müssen ihnen zuvor kommen“, verkündete Sarutobi ernst. „Das ist unsere einzige Möglichkeit, um die Katastrophe abzuwenden. Wenn wir verstehen könnten, wie das Amulett funktioniert oder noch besser – wenn es uns gelingen würde, es aufzuspüren – könnten wir dafür sorgen, dass es in fremden Händen keine Gefahr mehr darstellt. Dann würden die Schatten auch das Interesse an dir verlieren und du müsstest dich nicht mehr verstecken.“   Sasuke schnaubte skeptisch.   „Und wie sollen wir das anstellen?“   Die gleiche Frage stellte ich mir auch. Wenn es möglich war, das Amulett aufzuspüren und gegebenenfalls unschädlich zu machen, konnte ich mir nicht erklären, warum es noch immer in den Händen der Schatten war. Wir befanden uns in einer Akademie, in der Elite-Wächter ausgebildet wurden. Sarutobi hätte längst ein Team von ihnen losschicken können, um nach dem Amulett zu suchen, doch stattdessen hatte er ausgerechnet auf mich gewartet.   „Bedauerlicherweise gibt es nur eine Person, die in der Lage ist, das Amulett aufzuspüren“, räumte Sarutobi zerknirscht ein. „Die Familienchroniken der Uzumakis besagen, dass ein Erbe mit Eintritt in die Volljährigkeit die Fähigkeit erlangt, den Aufenthaltsort zu erspüren. Das ist eine weitere der Schutzfunktionen, mit denen Mito das Amulett belegt hat.“   „Naruto soll dazu in der Lage sein, das Amulett aufzuspüren?“, Sasuke klang diesmal noch skeptischer als vorhin schon, falls das überhaupt noch möglich war.   Obwohl ich eigentlich genau wusste, dass er Recht hatte, fühlte ich mich durch seine Tonlage verletzt. Es war offensichtlich, dass er mir diese Aufgabe nicht einmal ansatzweise zutraute und wenn ich ehrlich war, ging es mir da nicht anders. Bisher hatte ich noch überhaupt nichts von irgendwelchen besonderen Fähigkeiten bemerkt und darüberhinaus war ich ja noch nicht mal dazu in der Lage, mein eigenes Chakra zu spüren. Wie sollte ich  da ein winziges Amulett finden, dass theoretisch überall auf der Welt sein könnte?   „Sasuke hat Recht, ich kann das wirklich nicht“, stimmte ich ihm widerwillig zu.   Sarutobi verengte die Augen und sah mich durchdringend an.   „Dir wird nichts anderes übrig bleiben“, sagte er mahnend.   Die Autorität, die er dabei ausstrahlte, jagte einem kalte Schauer über den Rücken. Trotz allem lag noch immer eine gewisse Sanftheit auf seinem von Falten durchzogenen Gesicht. Ich konnte gut verstehen, warum man ausgerechnet ihn als Schulleiter für diese Akademie ausgewählt hatte.   „Mir ist durchaus bewusst, dass du gegen die Schatten nicht den Hauch einer Chance haben würdest“, räumte er mit einer geradezu brutalen Ehrlichkeit ein. „Aber das ist ja auch der Grund, warum wir dir mit Sasuke und Sakura zwei unserer fähigsten Wächter an die Seite stellen. Durch ihr junges Alter werden sie nicht auffallen. Sie sind sozusagen noch unbeschriebene Blätter und wir haben darauf geachtet, ihre Identitäten vor den Schatten geheim zu halten.“   Sofort musste ich an die Situation im Park zurückdenken. Die Schatten hatten uns dort aus dem Hinterhalt angegriffen und die Art, wie sie ihren Angriff geplant hatten, ließ darauf schließen, dass die bereits Informationen über ihre Fähigkeiten besessen hatten. Wusste Sarutobi davon?   „Wir haben aber noch zwei weitere Asse im Ärmel“, fuhr der Schulleiter fort. „Zum einen geraten die Schatten allmählich in Zugzwang, wenn sie verhindern wollen, dass die Macht des Amuletts gänzlich erlischt. Sie werden Risiken eingehen müssen und Fehler machen. Der Zeitrahmen, in dem sie dich finden müssen, ist eng begrenzt und das können wir uns zu Nutze machen. Der zweite Vorteil ist diese Buch.“   Der Schulleiter erhob sich, wobei mir sofort auffiel, dass er sich für sein Alter noch sehr flüssig bewegte. Mit einer eleganten Handbewegung schob er ein paar Bücher in einem seiner unzähligen, bis unter die Decke reichenden Bücherregale beiseite und sein Arm verschwand fast gänzlich dahinter. Was hatte er nun wieder vor? Ungeduldig rutschte ich auf meinem Platz hin und her, bis ich plötzlich einen leichten Stromstoß bemerkte. Sasuke hatte mir unter dem Tisch bestimmend eine Hand auf den Oberschenkel gelegt und bedeutete mir damit, ruhig zu sein. Mein nervöses Verhalten schien ihm auf die Nerven zu gehen.   „Da haben wir es ja“, stellte Sarutobi zufrieden seufzend fest.   In seiner rechten Hand hielt er ein kleines, schmales Buch mit einem dunkelbraunen Einband, das jedoch keinen Titel zu haben schien. Er legte es vor uns auf die Schreibtischplatte und nun beugte sich auch Sasuke neugierig vor und musterte es interessiert. Es war auch für ihn etwas Neues. Das Buch sah ein wenig schmutzig aus oder zumindest so, als wäre es bereits durch viele Hände gereicht worden. Trotzdem strahlte es irgendwie eine gewisse Macht und Faszination auf mich aus, die ich nicht zu deuten wusste.   „Was ist das für ein Buch?“, fragte ich neugierig.   Am liebsten wollte ich meine Finger danach ausstrecken und mit ihnen über den Einband fahren, doch ich traute mich nicht. Die Faszination die von ihm ausging hatte einen dunklen und gefährlichen Beigeschmack.   „Dieses Buch ist bisher unser einziger Anhaltspunkt“, erklärte Sarutobi mit einer tiefen schweren Stimme. „Es wird der Startpunkt für eure Reise sein und gleichzeitig auch unsere einzige Hoffnung. Bitte Naruto, sieh hinein.“   Er machte eine auffordernde Handbewegung, doch ich zögerte. Ich spürte, wie schwitzig und kalt seine Handflächen waren. Auch er war aus irgendeinem Grund nervös. Unbewusst befeuchtete ich mit der Zungenspitze meine Lippen. Als ich das Buch schließlich wahllos auf irgendeiner Seite aufklappte, hielt ich unwillkürlich die Luft an.   Nichts geschah. Natürlich nicht. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, immerhin handelte es sich hier nur um ein Buch. Allem Anschein nach um ein Notizbuch. Die einzelnen Seiten waren bereits leicht vergilbt und die feinen Linien, die die Zeilen bildeten, auf denen man schreiben konnte, waren schon so gut wie nicht mehr erkennbar. Zaghaft begann ich damit, darin zu blättern. So gut wie jede Seite war von oben bis unten vollgeschrieben, mal in fein säuberlicher Schreibschrift, mal in krakeligen Buchstaben, die so aussahen als wären sie in Eile hineingekritzelt worden. Dennoch handelte es sich um die gleiche Handschrift. Und ich kannte diese Handschrift.   „Das Buch hat früher einmal meiner Mutter gehört“, stellte ich fest.   Sasuke schien diese Erkenntnis kein bisschen zu überraschen. Bestimmt hatte er auch das bereits gewusst.   „Ja, ja genau“, Sarutobi nickte eifrig. „Kannst du es lesen?“   Sein Tonfall klang erwartungsvoll. Aufgeregt. Doch ich musste ihn enttäuschen.   „Kein Wort“, gab ich zu.   Die Seiten waren in einer mir vollkommen fremden Sprache beschrieben worden. Ehrlich gesagt, kam es mir nicht einmal vor wie eine richtige Sprache, sondern vielmehr wie eine sinnlose Aneinanderreihung von Silben und Buchstaben. Ich schob das Buch zu Sasuke rüber, damit er es sich auch ansehen konnte.   „Dieses Buch stammt aus der geheimen Bibliothek der Uzumaki-Familie. Dort werden alle Aufzeichnungen über die Familie, deren Geschichte und natürlich über das Amulett aufbewahrt. Auch deine Mutter hat alles dokumentiert und in diesem Notizbuch aufgeschrieben. Es enthält vermutlich wichtige Informationen, die uns dabei helfen könnten, das Amulett zu finden und unschädlich zu machen. Möglicherweise sogar Informationen, die uns Hinweise auf die Täter beim Anschlag auf deine Mutter geben können.“   Konzentriert betrachtete Sasuke die Seiten des Buches und blätterte dann bedächtig weiter. Es schien fast so, als würde er alles, was er sah, in sich aufsaugen. So fokussiert kannte ich ihn bisher nur während seines Trainings. Sein Kiefer war leicht angespannt, sodass seine Wangen ein wenig einfielen und die Wangenknochen nur noch mehr aus dem blassen Gesicht hervorstachen. Ein wenig erinnerte er mich an eine Statue.   „Diese Sprache…“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Was ist das für eine Sprache?“   Sarutobi schien ihn dennoch gehört zu haben, denn er antwortete.   „Genau das ist ein weiteres Problem. Ehrlich gesagt, hatte ich darauf gehofft, dass Naruto in der Lage sein würde, sie zu verstehen. Es handelt sich dabei um eine Sprache der Jinchuriki und zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass ich mich zu Lebzeiten von Narutos Mutter, nie näher damit auseinandergesetzt habe.“   „Das heißt, wir müssen eine Möglichkeit finden, wie wir dieses Buch übersetzt bekommen“, stellte Sasuke nüchtern fest.   In seiner Stimme schwang ein leiser Vorwurf mit, der sich wohl an mich richtete. Seine Vorstellung von einem Jinchuriki passte offenbar ganz und gar nicht mit der Realität zusammen, die ich ihm bot. Ich konnte weder mein eigenes Chakra spüren, noch das Amulett, noch verstand ich auch nur ein Wort von dieser fremden Jinchuriki-Sprache. In seinen Augen musste ich der totale Reinfall sein. Frustriert stieß ich die Luft aus.   „Und wie machen wir das?“   Es tat gut, das Wort wir zu verwenden, denn so hatte ich zumindest nicht das Gefühl, dass alles von mir abhing. Sarutobi richtete sich gerade in seinem Stuhl auf, wodurch er nur noch mehr an Autorität gewann.   „Das hier wird ein Krieg an mehreren Fronten“, prophezeite er. „Es wird nicht leicht, aber wir können es schaffen. Zum einen müssen wir es schaffen, das Buch zu entziffern, um mehr Informationen über das Amulett zu erhalten. Zum anderen müssen wir es so schnell wie möglich finden. Und zuletzt – und das ist das allerwichtigste – darf es den Schatten unter keinen Umständen gelingen, Naruto in die Finger zu bekommen.“   „Kinderspiel“, knurrte Sasuke und seine Stimmte triefte nur so vor Sarkasmus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)