24 Farben der Liebe von Evilsmile (Adventskalender 2015) ================================================================================ 16. Türchen: Badboy ------------------- Katja saß mit dem Rücken gegen ihre Badezimmertür gelehnt, eine wenig bequeme Pose, und das auch noch in ihrem dünnen rosa Seiden-Negligé. Seit Minuten hämmerte ihr Freund von außen gegen die Tür, doch sie würde nicht aufmachen. „Katja, bitte! Bald ist Weihnachten“, versuchte er es weiter. Sie schnaubte. „Für dich gibt es kein Weihnachten mehr. Nicht nach dem, was du getan hast.“ „Na gut. Du wirst schon rauskommen, wenn du Hunger hast.“ Sie hörte, wie er sich entfernte und flammte auf vor Zorn angesichts ihrer Dummheit; sie allein, mit ihrem Smartphone im Badezimmer eingeschlossen wie ein ängstliches kleines Mädchen! Dies war immer noch ihre Wohnung! Die Sorgen und Problemchen ihrer Freundinnen, die würde sie heute gern haben wollen – mein Freund findet mich zu fett, hat mich betrogen oder ist mies im Bett – alles Lappalien! Sie dagegen hatte sich mit einem Kriminellen eingelassen! Was sie wohl dazu sagen würden? Sie riss die Tür auf, verdammt bereit dazu, die 110 zu wählen, das war sogar ihre Pflicht! Hier war er nicht, im Flur auch nicht. Etwa seelenruhig die Brötchen am Frühstückstisch weiter verzehrend, von dem sie abrupt aufgestanden war, seit er ihr sein großes, schmutziges Geheimnis anvertraut hatte – seelenruhig zwischen Kaffee und Frischkäseaufstrich. Genau dort fand sie ihn an. Von ihrem Schnauben, als sie die Hände in die Hüften stemmte, flackerten die drei brennenden Kerzen am Adventskranz. „Immer noch das Ding in der Hand? Du bist doch keine Petze, Katja.“ „Sag mir nicht, was ich bin, Thorsten!“, erwiderte sie scharf, „ich weiß jetzt, was du bist!“ Bloß wusste sie nicht so wirklich, was sie mit dem Wissen anfangen sollte. „Schatz“, sagte er und es klang liebevoll. „Ist es nicht das, von dem du träumst, seit du ein kleines Mädchen bist? Reich zu sein wie eine Prinzessin? Zehn Millionen. Mit mir kannst du ein Leben in Luxus führen.“ „Das kann ich auch mit jemand anderem haben. Ganz legal.“ Er schüttelte den Kopf. „So abgebrüht bist nicht mal du, dass du einen alten Sack mit Kohle der wahren Liebe vorziehen würdest.“ „Bist du dir da sicher? Du kennst mich kaum. Ein Dreivierteljahr, was ist das schon.“ Eine Weile blickten sie sich abschätzig an. Sekunden, in denen sie die Monate mit ihm Revue passieren ließ. Das Für und Wider abwägte. Die Risiken mit den Chancen, die sich boten, verglich. „Ruf an. Ich werde mich stellen, mit allen Konsequenzen, und dir versprechen, dass dir nichts passiert. Ich würde doch niemals etwas tun, was dir schadet, mein Schatz!“ „Du bist ein Gauner, ein durchtriebener Hund, der mit allen Wassern gewaschen ist, und wahrscheinlich kann man es dir nicht mal nachweisen.“ Er grinste sein fieses Grinsen, das seinen Teil dazu beigetragen hatte, dass sie sich in ihn verliebt hatte, in diesen stillen IT-Angestellten mit der Streberbrille. Doch stille Wasser waren tief. „Du nicht minder. Du bist die Schöne und das Biest in einem. Du würdest es nie zugeben, aber bei jedem Kinofilm schlägt dein Herz für den Bösewicht! Und dein Lieblings-Pärchen ist Bonnie und Clyde. Denn auch du hast deine dunkle Seite, bist ein Narziss, wie er im Buche steht. Wie oft hast du in deinem Leben schon gelogen, etwas mitgehen lassen, das Vertrauen anderer ausgenutzt, einem Mann das Herz gebrochen und seine teuren Geschenke verkauft? Wie viele Leichen hast du wirklich im Keller, Katja?“ Sie kniff die Augen zu, und meinte mit gefährlicher Stimme: „Ich werde dir auch das Herz brechen. Und dann schneide ich es heraus und dünste es mit Zwiebeln an.“ „Du bist die einzige Vegetarierin, der ich das zutrauen würde.“ Sie hielt das Phone immer noch in der Hand, bloß einen Fingerdruck von der Polizei entfernt – und haderte mit sich. Seine Hände schlangen sich um ihre Taille. Er war vom Esstisch aufgestanden, ganz leise, ganz seine Art. Küsste sie auf ihre Haare. „Du liebst das Meer. Wie wäre es mit einer Insel im Süden, da wo es warm und zwölf Stunden am Tag hell ist? Wir kaufen ein schickes Häuschen mit Pool, mein Prinzesschen, du willst es doch auch. Du liebst die Freiheit, den Schöngeist und die Liebe.“ „Fass mich nicht an.“ Und er ließ sie augenblicklich los, sprach aber weiter: „Die Welt ist schlecht, das weißt du. Aber durch eine, auf den ersten Blick noch schlechtere Tat, kann man sie manchmal ein bisschen besser machen. Diese Manager sind schlechte Menschen. Und diese Firmen haben genug Dreck am Stecken, hinterziehen Steuern und beuten arme Arbeiter aus!“ „Grund, es ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen? Geld macht auch nicht glücklich.“ „Aber Geld ausgeben schon. Vor allem wenn man sich vorstellt, in welchen korrupten Löchern es sonst versickert wäre…“ Ein Lächeln huschte über Katjas Gesicht. „Außerdem kommen sie mir nicht auf die Schliche, niemals, denn ich habe jahrelang darauf hingearbeitet und alles sorgfältig organisiert. Es war, sozusagen, der Coup meines Lebens.“ Jetzt drehte sie sich zu ihm um, in der Hand noch immer das Phone, mit der Sprachaufnahme-App am Laufen. „Du liebst mich. Du würdest alles für mich tun. Ich kann es spüren, wenn ich dir in die Augen sehe“, flüsterte er. „Du musst keine überflüssigen Worte verschwenden, die die Gefühle nur schwammig umschreiben, die du empfindest.“ „Dann sag mir doch mal, was Romantik für mich ist!“ Doch er streckte einfach nur seine Finger aus und fuhr mit einem Millimeter Abstand die Konturen ihres Gesichts nach. Sie schloss die Augen, seufzte und genoss. Die Erinnerung an diese zärtliche Geste, hundertmal gespürt, war es, die ihr jetzt dieses wohlige Kribbeln verpasste. „Romantik. Das kann ich dir sagen: Du träumst von hauchzarten, kalorienarmen Waffeln, die man in einem Eisen gebacken hat, das mit Rosenöl gefettet ist, und serviert werden sie dir an einem Tisch am Meer, von einem Mann, der bloß Fliege und Schürze trägt… Ist es das?“ Er wusste ganz genau, wo sie verwundbar war. Stil, Eleganz und Eloquenz, diese Kombination war bei Männern heutzutage rar gesät. „Haargenau. Und wann erfüllst du mir diesen Traum?“ Er nahm ihre Hand, und küsste sie und nahm ihr das Handy ab. Beendete die laufende Sprachaufnahme und löschte sie. „Schon morgen früh, wenn du willst. Schatz, wir sind reich, und bald ist Weihnachten!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)