Persephone und Hades von -Claire-Farron- (Eine Liebesgeschichte aus der Griechischen Vergangenheit wird nun in die Gegenwart versetzt) ================================================================================ Kapitel 62: Hades Prüfungen --------------------------- Ein Ungeheuer der Tiefe mit einem Herz kälter als die See, die es bewohnt. Hades hatte sich nicht geirrt. Die erste Zeile des Rätsels, das ihm die Prüfungen offenbaren sollte, die in dieser Grotte auf ihn warten würden und ihm den Weg zum Goldenen Vlies versperren würden, wies tatsächlich auf einen Leviathan hin. Ein mächtiges Seeungeheuer mit dunkel geschuppter Haut, messerscharfen Zähnen und Augen, die im Dunkeln gelblich leuchteten. Umso besser war es, dass der Todesgott eine Silberklinge gewählt hatte, die sich als überaus effektiv erwies. Für einen einzelnen Menschen mochte eine Bestie wie diese schier unüberwindbar sein, doch er war nicht nur ein Mensch, sondern ein Gott und so dauerte der Kampf, wenn er auch erbittert war und beider Parteien Blut floss, nicht lange. Hades linker Ärmel war blutgetränkt, hatte ihn der Leviathan doch an diesem mit einem seiner Zähne erwischt, ehe er mit einem grollenden Geräusch blutend in die Tiefen des Wassers gesunken war, schwer verwundet und sterbend. Hades hatte bei seinem Erscheinen nicht gezögert und ihn sogleich angegriffen, ehe es der Bestie gelingen hatte können, ihn in die Tiefe zu zerren, wo sie womöglich sogar ihm überlegen gewesen wäre. Es tat ihm Leid, dass das Geschöpf, das doch so alt und ebenso vergessen von den Menschen war, wie er selbst, sterben musste, doch es hätte ihn niemals einfach ziehen lassen, das wusste der Gott mit den sturmgrauen Augen, die nur einen Moment lang mitleidig zu dem blutgetränkten Wasser sahen, in dem das Wesen verschwunden war, um in der Tiefe sein Ende zu finden. Ein Pfad, schwer zu begehen und doch der einzige, mit Blut der Zoll zu entrichten. Er ignorierte den Schmerz, der sich durch seinen Arm zog und entschied, er habe keine Zeit zu verplempern, sodass er eilig voranschritt, um sich der nächsten Prüfung zu unterziehen, wie immer diese auch aussehen möge. Der schmale Pfad, der von hellem Stein war und ihn tiefer in die Höhle führte. Nach nur wenigen Metern führte ihn der Weg immer tiefer in die Erde hinab. Die Treppenstufen waren glatt von der herrschenden Feuchtigkeit und es war dunkel. Hätte er nicht in weiser Voraussicht eine Taschenlampe mitgebracht – seiner Meinung nach eine der besseren Erfindungen der Menschheit – hätte er die Hand vor Augen kaum gesehen und das obwohl seine Nachtsicht nicht einmal die schlechteste war. Nach endlosen Minuten, die bald zu einer Stunde wurden, erreichte Hades einen kleinen Raum, nur wenige Meter und Höhe und Breite, der abgesehen von einer kleinen Säule, die auf seiner Bauchhöhe endete, leer war. Eine Tür war nicht zu sehen, doch er ahnte, dass es eine weitere geben musste, vermutlich lediglich verborgen. Ohnehin würde sie sich wohl erst öffnen, wenn er diesen Test bestanden hatte, worin auch immer er bestehen mochte. Langsam trat er an die Säule heran, auf der er schließlich einen kleinen Dolch erkennen konnte. Sollte es so einfach sein? Ein Pfad, der schwer zu gehen war und für den man Blutzoll entrichten musste? Unsicher, ob es das sein könnte, verschmierte er das Blut, das ohnehin längst über seinen Arm lief auf der Säule, doch nichts geschah. Zumindest auf den ersten Blick. Nach und nach formten sich nun Schriftzeichen auf der Oberfläche und verrieten ihm, dass der Blutzoll erst noch zu entrichten wäre und zwar mit jedem Schritt, den er gehen würde. Mit einem lauten Rumpeln schob sich Stein über Stein und auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes öffnete sich ein Spalt, durch den der Totengott energisch schritt. Die Warnung hatte er nicht wirklich ernst genommen, doch bald begriff er, was die Worte meinten. Blutzoll, in der Tat, denn es bedurfte Blut, um ihm alle paar Meter auf einer Säule die Worte lesbar zu machen, die ihm verrieten, welchen Weg er an jeder Abzweigung wählen musste. Doch selbst, wenn er es gewusst hätte, hätte es ihn nicht abgehalten, diesen Weg zu beschreiten und so brachte Hades auch diese Prüfung hinter sich. Ein Ton so hell, dass er die Sicht vor dem Offensichtlichen abzulenken versteht, bis die Stunde schlägt. Der Gang endete in einer gigantischen, unterirdischen Halle mit hoher Decke, die groß genug war, um ein ganzes Dorf zu fassen. Tatsächlich jedoch fand sich darin nur ein einziges Gebäude, eine Art Tempel von griechischer Bauart und doch gab es etwas darin, was sich eindeutig von dieser unterschied: Glocken. Jede Menge Glocken. Jedes der drei Stockwerke hing voll mit den verschiedensten Glocken. Goldene, silberne, bronzene und einige von einem Material, das er nie zuvor gesehen hatte. Sie waren von unterschiedlicher Größe, waren ungleich geformt und während einige schmucklos waren, waren andere wiederum schon allein um ihrer Verzierungen willen wahre Kunstwerke. Die Zeit lief ihm davon und so sah er sich schnell um. Überall Glocken und in der Mitte des mittleren Stockwerkes war die Rätselzeile wiederholt. Noch während er sich umsah, bemerkte Hades, dass alle paar Minuten eine andere Glocke kurz ertönte. Doch wirklich helfen tat ihm das nicht. Allerdings war ihm aufgefallen, dass hier einige Eulen hausten und die wiederum könnten ihm durchaus helfen, befand er und zog die Feder heraus, die er von Athene bekommen hatte. Entschlossen hielt er sie der nächstbesten Eule hin, die er in seiner Nähe ausmachen konnte und das kluge Tier reagierte sofort. Mit einem leisen, schrillen Schrei stieß es hinab, ergriff die Feder und umkreiste den Gott einmal, ehe sie zielgenau durch die Glockenhallen flog. Hades folgte ihr so schnell er konnte. An einer kleinen, unscheinbaren Glocke mit einfachen Gravuren hielt sie inne, ließ sich auf dem tragenden Balken nieder und sah, den Kopf drehend, zu Hades hinab, der die Glocke, zu der ihn die Eule geführt hatte, näher in Augenschein nahm. Wie hieß es noch in dem Rätsel? Der Ton lenkt vom Offensichtlichen ab? Das hieß hoffentlich, dass es keine Rolle spielte, wann welche Glocke ertönte. Doch die Eule hatte ihn zu dieser hier geführt. Warum also, wenn das Vlies nicht hier war? Vielleicht konnte man hören, wo das Vlies war, wenn diese Glocke geschlagen wurde? Und da verstand er auch. Ja, würde man, denn das Vlies war an der Glocke befestigt, sodass diese nicht ihren vollen klaren Klang entfalten konnte. Doch dem Rätsel war damit genüge getan, denn der Ton selbst spielte keine Rolle, ebensowenig wie der Zeitpunkt – sah man davon ab, dass die Glocke nur zu einer bestimmten Zeit ertönte. Es war einfach und doch brilliant! Tatsächlich fand er das gesuchte Vlies in der Glocke, unter die er ohne zu zögern kletterte. Er hatte es geschafft, es war ihm gelungen! Und das kaum in der Zeit, denn er spürte bereits den Sog der Unterwelt, in die er bald zurückkehren musste. Es blieb ihm nur zu hoffen, dass ihn dort entweder Aphrodite, Demeter oder Athene aufsuchten, um das Vlies zu dem Gewand zu verarbeiten, das seine Liebste so dringend brauchte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)