Somewhere I belong von Miena ================================================================================ Prolog: -------- Abschlussball Man sagt immer, dass das Leben ein einfaches Spiel ist, doch das ist nicht so. Jedenfalls nicht für mich. Man hat Höhen und Tiefen, man gewinnt oder verliert; oder man setzt alles auf eine Karte und verliert alles, was einem wichtig war… Ich erinnere mich an den Moment, als wäre er erst gestern gewesen. Ich war damals 10 Jahre alt und saß einsam, alleine und frierend auf einer Parkbank. Ich hatte an dem Tag alles verloren, was mir wichtig war. Meine Eltern starben bei einem Verkehrsunfall und mein Bruder wollte nichts mit mir zu tun haben. Er war ein erfolgreicher Schauspieler geworden, hatte seine eigene Villa und wollte nichts mehr mit uns zu tun haben. So bekam er auch nicht mit, was am heutigen Tag geschehen war.  Es war nicht die Schuld meines Vaters. Er war immer ein guter Autofahrer gewesen, das wusste ich, obwohl ich noch so klein war. Der andere Autofahrer war betrunken gewesen und hatte das Auto meiner Eltern gerammt, sodass mein Vater in den Graben gerutscht war und sich dann mehrmals überschlagen hatte. Die Ärzte sagten, die beiden waren sofort tot gewesen. Tränen flossen mir über meine Wangen und ich schlang meine Arme um meinen Körper. Meine Beine hatte ich fest an mich gepresst. Ich fühlte mich so hilflos, schutzlos und alleine. Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn im nächsten Moment stand ein älterer Herr vor mir und schaute mich mit traurigem Blick an. Er strich mir sanft über meinen Kopf, bevor ein Lächeln seine Lippen umspielte. Das war der Moment, der mein Leben mit nur einem Wimpernschlag verändern würde…   15 Jahre später:   „Melissa, kommst du endlich? Wir haben nur noch eine halbe Stunde Zeit!“ Die Stimme meiner besten Freundin riss mich unsanft aus meinen Erinnerungen. Seufzend erhob ich mich von meinem Platz und machte mich auf den Weg in das benachbarte Zimmer, in dem meine beste Freundin saß. Ihr wurden gerade die Haare fertig gemacht. Ihr Kleid trug sie bereits an ihrem schmalen Körper und ich musste echt zugeben, dass es ihr perfekt stand. Ihre schwarzen Haare wurden gerade zu einer Hoch-Steck-Frisur gemacht. Nervös blickten mich ihre Augen durch den Spiegel an, in dem sie mich hereinkommen sah. „Bist du nicht nervös, Lissy?“, fragte sie mich und biss sich unbewusst auf ihre Unterlippe. Das brachte mich unwillkürlich zum Schmunzeln, denn das war eine lustige Angewohnheit von ihr, um ihre Unsicherheit verbergen zu wollen, doch in Wirklichkeit konnte es jeder  genau an diesem Merkmal erkennen. Lächelnd trat ich neben meine beste Freundin. „Nein, überhaupt nicht“, antwortete ich. Heute war unser Abschlussball. Carrie und ich hatten uns damals in der Uni kennengelernt und gemeinsam studiert und nun erfolgreich eine Schauspielausbildung abgeschlossen. In kürze würden wir unsere ersten Filme drehen dürfen und darauf waren wir wirklich stolz. Niemand von uns hätte jemals gedacht, dass wir es je soweit schaffen würden. „Ich bewundere dich wirklich“, flüsterte Carrie und ich schaute sie fragend an. „Wieso?“ Lächelnd fixierten mich ihre Augen. „Du bist immer so gelassen und überhaupt nicht nervös.“ Schulterzuckend setzte ich mich auf den Stuhl, der neben Carrie stand und schlug meine Beine übereinander. „Man muss einfach nur gut schauspielern können“, zwinkerte ich ihr zu. „Du bist wirklich unmöglich!“   30 Minuten später war es dann endlich soweit. Carrie und ich standen mit einem Cocktail in der Hand an der Bar und beobachteten die anderen. Noch war es früh am Abend und einige Klassenkameraden waren noch nicht da. Vielleicht hatten sie aber auch einfach keine Lust. Es gab einige, die sich für etwas Besseres hielten, weil sie bereits jetzt schon viel Geld hatten. Natürlich nur wegen ihrer Eltern und nichts, was sie selbst verdient hätten. Carrie und ich verdienten während des Studiums und der Ausbildung unser Geld in einem Café, welches sich am Abend in eine kleine Bar verwandelte. Wir bekamen gutes Trinkgeld und so konnten wir die Miete der Wohnung bezahlen, die wir uns zusammen teilten. „Ob wohl noch die gutaussehenden Typen unserer Klasse hier auftauchen?“ Erneut riss mich die Stimme meiner besten Freundin aus meinen Gedanken. Verdammt, heute war ich aber auch viel in meine Gedanken vertieft! „Bestimmt. Noch ist der Abend jung“, erwiderte ich schmunzelnd und nahm einen Schluck meines Cocktails. Je mehr ich davon trank, desto munterer wurde ich. Mir wurde warm ums Herz und eine leichte Röte bildete sich auf meinen Wangen. Bisher war der Abend wirklich langweilig gewesen. Keiner traute sich auf die Tanzfläche, doch das würde ich nun ändern. Wollen wir doch mal sehen, was der Abend so bringt! Ich bewegte meine Hüften rhythmisch zu der Musik und stellte mich dabei gar nicht mal so dumm an, denn wenige Minuten später füllte sich die Tanzfläche und weitere Schüler begannen zu tanzen. Grinsend tauchte Carrie neben mir auf, hakte sich an meinem Arm ein und flüsterte mir ins Ohr: „Du wirst beobachtet!“ Fragend schaute ich sie an, woraufhin sie in die Richtung nickte, in der kein anderer als Evan stand. Er war der Klassenliebling gewesen. Ein echter Mann und auch einfach mit seiner Art war er unglaublich, doch wir hatten uns nie wirklich gut verstanden. Er hatte keinen Moment ungenutzt gelassen, um mich nicht vor der ganzen Klasse bloß zu stellen oder mich zu ärgern. Man konnte schon fast sagen, dass wir eine Hassliebe entwickelt haben. Ich konnte irgendwie nicht recht glauben, dass ausgerechnet Evan mich beobachtete. Sicher steckte wieder etwas dahinter. Durch meine Gedanken schweifte ich mal wieder ab und bemerkte nicht, dass besagter junger Mann sich auf mich zu bewegte und vor mir zum Stehen kam. Als ich seine Stimme plötzlich so nah bei mir wahrnahm, zuckte ich erschrocken zusammen. „Willst du mit mir tanzen?“ Ich schaute verwirrt und auch etwas geschockt mein Gegenüber an. Meinte er das nun Ernst oder wollte er mich wieder auf den Arm nehmen? Hilflos schaute ich zu dem Ort, an dem Carrie vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte, doch in diesem Moment nicht mehr zu sehen war. Verdammt, diese blöde Kuh! Lässt die mich einfach alleine hier mit diesem… diesem atemberaubenden Mann, der mir so verdammt nah war, dass ich seinen Geruch in der Nase wahrnehmen konnte. Roch er schon immer so gut? Verdammt, Melissa, reiß dich zusammen! Was soll ich denn tun? Das sind meine Hormone! Er ist unser Feind! Ich schüttelte kurz mit meinem Kopf, um mein Gewissen zu verbannen und blickte Evan mit entschlossenem Gesichtsausdruck entgegen. „Wie kommt der plötzliche Sinneswandel?“ Endlich hatte ich meine Stimme wieder gefunden und sie klang noch nicht einmal nervös. Perfekt! Chakka! Sanft strich er mir mit seiner Hand über meine Wange, die weiter zu einer meiner Haarsträhnen wanderte und diese hinter mein Ohr strich. Seine Finger waren warm und weich. Unwillkürlich hatte ich meine Augen geschlossen und den kurzen Moment genossen. „Naja…“, flüsterte er und beugte sich zu meinem Ohr herunter, da er einen ganzen Kopf größer war als ich. „Als Drehpartner müssen wir uns doch gut verstehen“, hauchte er. Kapitel 1: ----------- The Fighters Ich musste ein paar Mal mit meinen Augen blinzeln, um zu realisieren, dass das hier die Wirklichkeit war. Verwirrt schaute ich Evan in seine eisblauen Augen, in denen ich zu versinken drohte. Was sollte das? Wie kam er darauf, dass wir Drehpartner sind? „Wie meinst du das?“, fragte ich, nachdem ich erneut meine Stimme wieder gefunden hatte. Mit einem geheimnisvollen Grinsen legte er seine linke Hand an meine Hüfte und mit seiner anderen umfasste er sanft meine Hand. „Wir beginnen nächste Woche mit dem Dreh ‚The Fighters‘. Hast du das schon vergessen?“, stellte er als Gegenfrage. Ich schaute mit geweiteten Augen den braunhaarigen vor mir an. Evan spielte im gleichen Film mit? Das konnte doch nicht wahr sein! Was hatte ich bloß verbrochen, dass das Schicksal so gegen mich war? „Du spielst in dem Film mit?!“, platzte es etwas patzig aus mir heraus. Ich konnte einfach nicht fassen, dass ich das nicht wusste! „Ich spiele eine der Hauptrollen, Liebes. - Max Cooperman ist mein Part.“ Ich zuckte zusammen. Bis vor wenigen Tagen war diese Rolle doch nicht vergeben gewesen. Warum bekam ausgerechnet Evan diese Rolle?! Wir hatten damit begonnen uns zu der Musik zu bewegen. Eines musste man ihm wirklich lassen: Tanzen konnte er. Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal, ich konnte ohnehin nichts mehr daran ändern. Ich hatte die Rolle von Jenny bekommen. Zum Glück waren es nicht viele Szenen, die ich mit Evan zusammen drehen musste, dennoch ärgerte es mich ein wenig, dass er eine der Hauptrollen ergattern konnte. „Wieso so still, Liebes?“, hauchte er plötzlich nah an meinem Ohr, woraufhin sich automatisch meine Nackenhärchen aufstellten. Wütend funkelte ich ihn an. „Lass das!“, fauchte ich. Erneut bekam ich eines seiner typischen Grinsen zu sehen. „Du bist wirklich süß, wenn du so zickig bist.“ Lass dir das nicht gefallen! Zeig ihm, dass er mit dir nicht machen kann, was er will! Wie soll ich das denn anstellen?! Er ist halt so, wie er ist! Darf er dich deswegen beleidigen? Du warst mal schlagfertiger, was den Typen anging. Ach, verschwinde doch aus meinen Gedanken! Kann ich nicht, ich bin dein Gewissen. Seufzend schloss ich kurz meine Augen, um meine nächsten Schritte zu planen. Irgendwie musste ich aus dieser unangenehmen Situation raus kommen, aber wie? Hilfesuchend schaute ich mich in dem Raum um, doch nirgends war Carrie zu sehen. Sie hätte mich mit Leichtigkeit aus dieser Situation befreien können. Im nächsten Moment wurde ich von Evan einmal gedreht und landete etwas wackelig in seinen starken Armen, da ich mein Gleichgewicht verloren hatte. „Du solltest wirklich mal bei der Sache bleiben, Darling. Du bist zu tief in deine Gedanken versunken“, flüsterte er. Ich spürte seinen Atem an meinem Ohr. Wieder breitete sich eine Gänsehaut auf meinem Körper aus. Gott, was stellte der bloß mit mir an? Oder lag es an der Wirkung des Alkohols? Das muss es wohl sein, denn sonst hätten wir uns schon längst zerfleischt. Ich schnaufte kurz auf. „Ich bin vollkommen bei der Sache!“, gab ich mürrisch zurück, rappelte mich wieder auf und zog ihn mit. Jetzt wollte ich ihm mal zeigen, wie gut auch ich tanzen konnte!   Es waren inzwischen zwei Stunden vergangen. Evan und ich hatten noch einige Songs weiter getanzt, bis ich mich von ihm mit der Ausrede, dass ich etwas trinken wollte, entfernen konnte und bis jetzt hatte er sich wirklich nicht mehr blicken lassen. Ich stand an der Bar und wartete auf meinen Cocktail, als ich plötzlich von hinten umarmt wurde und ein Lachen an meine Ohren drang. „Süße, was war denn das zwischen dir und Evan? Ihr könnt euch doch sonst nicht ausstehen!“ Ich nahm meinen Cocktail an und drehte mich in ihrer Umarmung um. Carrie hatte gerötete Wangen und sie klang auch schon etwas angeheitert. Da ich die meiste Zeit damit beschäftigt war, zu tanzen, hatte ich noch nicht wirklich viel Zeit gehabt, zu trinken. Dementsprechend war ich noch ganz gut drauf. „Ich weiß es selbst nicht. Jedenfalls werden wir ab nächster Woche Drehpartner sein“, antwortete ich und sah ihr an, dass sie verwirrt war. „Drehpartner? Das musst du mir aber nochmal genauer erklären.“ Lächelnd schnappte ich meine beste Freundin an der Hand und suchte mit meinen Augen einen freien Platz ab. In der hintersten Ecke war ein freier Tisch zu sehen auf den ich nun mit ihr im Schlepptau zusteuerte. Carrie ließ sich in die weichen Sitze fallen und nahm grinsend einen Schluck von meinem Cocktail, nachdem auch ich mich auf die rote Sitzecke fallen ließ. „Findest du nicht, dass du genug für heute hast?“, fragte ich besorgt. „Ich verspreche dir, dass ich ab sofort nichts mehr anrühren werde“, erwiderte sie wahrheitsgemäß und lehnte sich in den Sitz zurück. „Und nun erzähl mal. Was wollte Evan von dir?“ Ich lehnte mich ebenfalls seufzend zurück in den Sitz. „Evan hat die Hauptrolle von ‚The Fighters‘ bekommen. Der Dreh beginnt, wie du ja bereits weißt, nächste Woche und Evan wollte einfach das Kriegsbeil zwischen uns begraben, denke ich.“ „Und das macht er mit einem Tanz? Komischer Kerl.“ Ich zuckte mit meinen Schultern. Im Grunde genommen war es mir egal, denn nach den Dreharbeiten würden sich unsere Wege wieder trennen. Evan hatte bestimmt noch andere Angebote bekommen, immerhin war er einer der Jahrgangsbesten gewesen und hatte somit keine Probleme, größere Kampagnen für sich zu gewinnen. „Ich weiß auch nicht, was ihn dazu gebracht hat. Immerhin haben wir nur sehr wenige Szenen, die wir zusammen drehen.“ „Vielleicht steht er ja auf dich“, kam es nun fies grinsend von meiner besten Freundin. „Spinn doch nicht rum! Du weißt genau, dass wir uns hassen“, lachte ich. Wie sehr meine beste Freundin Recht hatte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.   Eine Woche später: Endlich war es soweit! Der Dreh zu ‚The Fighters‘ hatte endlich begonnen. Ich stand mit einigen anderen Kollegen am Set und beobachtete gerade Evan, wie er perfekt in seine Rolle eingetaucht war. Ich bewunderte ihn auf eine Art und Weise, denn er konnte auf Knopfdruck einfach in eine andere Rolle tauchen. Ich hatte oft große Mühe und musste viel üben, damit es nur ansatzweise so gut klappte, wie bei ihm. Mit jeder Minute, die verging, wurde ich etwas nervöser. Meine Hände begannen zu schwitzen und ich schaute mich nervös um. Gleich hatte ich meine erste Szene und die musste einfach sitzen! Ich wollte nicht die einzige sein, die die Szene mehrmals drehen musste. „Melissa, Sie sind an der Reihe!“ Ich zuckte kurz zusammen. Schon wieder hatte ich mich von meinen Gedanken dazu verleiten lassen, dass ich alles um mich herum vergaß. Ich atmete noch einmal tief durch und stellte mich dann auf meine Position. Nach wenigen Minuten war die Szene vorbei und ich konnte von Glück sagen, dass alles gut geklappt hatte und die Szene im Kasten war. „Wir legen eine kleine Pause ein!“, ertönte die Stimme des Regisseurs. Ich nahm mir ein Handtuch und wischte mir den Schweiß von meiner Stirn. Ich war jetzt schon ziemlich erschöpft, dabei hatte ich gerade einmal eine Szene gedreht. „Du solltest aufhören, solche Selbstzweifel zu haben, Darling. Du hast es sehr gut gemacht“, ertönte plötzlich die Stimme von Evan. Ich drehte mich ruckartig um und schaute in sein entspanntes Gesicht. Wie machte er das bloß? Er hatte bereits 10 Szenen gedreht und sah noch immer so aus, als wären wir gerade erst angekommen. „D-Danke“, stotterte ich etwas unbeholfen. Was war nur mit ihm los? Noch nie hatte er mich gelobt! Ich beobachtete, wie Evan sich auf einen Stuhl setzte, der neben dem Tisch stand, auf dem die Handtücher platziert waren. Grinsend schaute er mich an. „Was grinst du so dämlich?“ „Ich denke gerade an eine bestimmte Szene, die bald kommen wird. Unser Kuss“, antwortete er. Verwirrt blickte ich ihm in die Augen. Ich hatte das Drehbuch komplett auswendig gelernt und ich war mir sicher, dass es dort keine Kussszene gab! „Es gibt keine Kussszene zwischen Max und Jenny“, erwiderte ich siegessicher mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen. „Ich muss dich leider enttäuschen, Darling. Das Drehbuch wurde gestern noch einmal überarbeitet. Jenny und Max küssen sich, nachdem Max ins Krankenhaus geprügelt wurde“, antwortete er locker. Mir entgleisten sämtliche Gesichtszüge. Ich sollte diesen arroganten Kerl küssen? Oh lieber Gott, wenn es dich gibt, bitte steh mir bei! „A-Aber wieso?“ „Es soll wohl auch etwas Gefühl mit in den Film gebracht werden“, gab er schulterzuckend zurück. „Aber ich freue mich auf den Kuss. Wann hätte ich jemals eine Chance gehabt, dich küssen zu dürfen? Immerhin haben wir uns ja immer gestritten.“ Grinsend schaute er mir in die Augen und ich wünschte mir in dem Moment nichts sehnlicher, als im Boden zu versinken. Stell dich nicht so an! Es ist nur ein Film-Kuss. Halt die Klappe!! DU musst ihn ja auch nicht küssen! Du weißt, dass ich du bin? Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Mein Gesicht verfärbte sich rot, jedoch nicht vor Scham, sondern vor blanker Wut. Ich hasste den Regisseur jetzt schon! Ich erwiderte nichts mehr darauf und schrie in das Handtuch hinein, welches noch immer in meiner Hand lag. Evan schaute mir grinsend dabei zu, wie ich meine gesamte Wut in das Handtuch schrie. Danach ging es mir wirklich besser. Außer Atem rang ich nach Luft und schaute mich in dem Raum um. Hier musste es doch irgendwas zu trinken geben, doch anscheinend befand sich hier nichts. Der braunhaarige bemerkte meinen suchenden Blick und hielt mir ein Glas Wasser vor die Nase, als hätte er meine Gedanken lesen können. „Ich hätte auch Durst, wenn ich geschlagene zwei Minuten in ein Handtuch geschrien hätte und das ohne Pause. Du bist wirklich ein Mysterium für sich“, sagte er. Lächelnd nahm ich ihm das Glas ab und trank es in einem Zug leer. Man, tat das verdammt gut! Ich atmete noch einmal tief ein und aus und schaute dann Evan in seine Augen. „Danke, du kannst ja auch mal nett sein.“ Grinsend beugte Evan sich zu mir nach vorne. „Ich kann noch viel nett-“, doch plötzlich ertönte erneut die Stimme des Regisseurs und unterbrach den braunhaarigen bei seinem Satz. „Die Pause ist zu Ende!“ Grummelnd erhob Evan sich. „Wir sehen uns bei der Kuss-Szene, Darling.“ Somit ging er wieder zum Set und ging auf seine Position. Tja, schon blöd, wenn man in fast jeder Szene mitspielt. Da musste er wohl oder übel durch. Ich setzte mich auf den Stuhl, auf dem bis vor einigen Sekunden noch Evan saß und schlug meine Beine übereinander. Gedankenverloren schaute ich Evan dabei zu, wie er Szene für Szene einfach perfekt meisterte. Keine der Szenen musste wiederholt werden. Du stehst auf ihn. Ich habe versagt… Was?! Wie kommst du denn darauf? Du merkst es noch nicht einmal, dass du ihn seit geschlagenen 30 Minuten nicht aus den Augen gelassen hast… du bist ein Fall für die Klapse! W-Was? D-Das stimmt doch gar nicht! Ich beobachte die Szenen, nicht ihn! Versuche nicht, dich rauszureden. Ich fühle, was du fühlst und dein Herz schlägt nicht umsonst so schnell. Unbewusst legte ich meine rechte Hand an meine Brust und spürte meinen Herzschlag, wie dieser schnell gegen meinen Brustkorb schlug. Hatte ich mich wirklich in so kurzer Zeit in diesen arroganten Mann verliebt? Nein, nein, nein! Abrupt wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. „Melissa, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit! Begeben Sie sich bitte zu Evan und fangen Sie mit der Szene an!“ Ich schaute an dem Regisseur vorbei zu Evan, der grinsend im Krankenbett lag. Oh Gott, jetzt ist die Kuss-Szene dran! Mit wackligen Beinen ging ich Schritt für Schritt auf Evan zu und blieb kurz vor dem Bett stehen. Eine Tür wurde vor mich geschoben. „Und Action!“   Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz mir bis zum Hals schlug. Mit zitternden Händen öffnete ich die Tür und betrat das Krankenzimmer, in dem Evan lag. Er sah wirklich miserabel aus. Ich bewunderte immer wieder die Arbeit der Maskenbildner, denn die machten das alles erst möglich. Mit leisen Schritten lief ich zu dem Bett, in dem der schlafende Evan lag. Sanft strich ich ihm eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. „Es tut mir so leid, Max“, flüsterte ich und einzelne Tränen liefen meine Wangen hinunter. „Das ist alles nur meine Schuld!“ Ich setzte mich auf die Bettkante und nahm seine Hand in meine. Sanft streichelte ich diese und versuchte meine Tränen, die noch immer unaufhörlich über meine Wangen liefen, zu unterdrücken. Plötzlich regte sich etwas in meiner Hand und ich zuckte zusammen. „Max?!“ Müde schauten mich seine Augen an. „Tut dir was weh?“, fragte ich weiter, ohne auf eine Antwort zu warten. Leicht nickte er. „Mir tut alles weh, Jenny. Mein ganzer Körper“, erwiderte er und schloss kurz seine Augen. Erneute Tränen kullerten über meine Wangen.  „Es tut mir leid… das ist alles meine Schuld!“, wiederholte ich mich und schaute ihm in sein Gesicht, welches mit verschiedenen Binden verbunden war. „Du hast keine Schuld“, flüsterte er und atmete hörbar aus. Er schaute mir fest in die Augen. „Ich hab es gerne für dich getan!“ Bei den Worten zuckte ich unwillkürlich zusammen. Dann sah ich ihn immer näher kommen, er beugte sich nach vorne und umfasste mit seiner Hand meine Wange. Sanft strich er mir meine Tränen weg. „Bitte weine doch nicht…“, flüsterte er und kam mir noch ein wenig näher. „Nicht wegen mir!“, hauchte er mir in mein Ohr und plötzlich überkam mich eine Gänsehaut. Es war so, als wäre mein gesamter Körper davon befallen. Ich schaute Evan unsicher an und im nächsten Moment spürte ich auch schon seine Lippen auf meinen. Seine Lippen waren warm und weich, ganz anders, als ich es mir je vorgestellt hätte. Sanft strich er mit seiner Zunge über meine Lippen und bat um Einlass. Was zur Hölle? Warum musste es sich auch noch um einen Zungenkuss handeln?! Ich öffnete einen Spalt breit meine Lippen und im nächsten Moment schlüpfte seine Zunge in meinen Mund und erkundete alles, was er finden konnte. In meinem Bauch begann es zu kribbeln und ich krallte meine rechte Hand in seinen Nacken, um ihn noch ein Stückchen näher zu mir ziehen zu können. Nachdem seine Zunge einen Kampf mit meiner begonnen hatte, verlor ich mich in diesem Kuss. Mein Gehirn schaltete vollkommen ab. Sanft strich Evan mir durch meine Haare und kraulte mich an meinem Hinterkopf. Immer leidenschaftlicher wurde es zwischen uns. Was anfangs noch schüchtern und sanft war, wurde immer verlangender. Aus Luftmangel mussten wir uns kurzzeitig voneinander lösen, doch nur wenige Atemzüge später lagen seine Lippen wieder auf meinen. Gott konnte der Kerl gut schauspielern! Und du stehst doch auf ihn! Halt die Klappe und lass mich das genießen! „SCHNITT!“ Ich zuckte zusammen und löste mich abrupt von Evans Lippen. „Was machen Sie da eigentlich? Wer hat etwas von einer Kuss-Szene gesagt?!“, ertönte die wütende Stimme des Regisseurs. Fragend schaute ich erst den Regisseur an und dann fiel mein Blick auf den grinsenden Evan. „A-Aber ich dachte, das Drehbuch wurde gestern umgeschrieben wegen zu weniger Gefühle?“, platzte es aus mir heraus. „Wer hat Ihnen denn diesen Schwachsinn aufgetischt? Es hat sich nichts am Drehbuch geändert!“ Ich wurde knallrot im Gesicht und schaute noch immer in das grinsende Gesicht Evans. „Da hab ich wohl was falsch verstanden, Darling“, kam es entschuldigend von diesem. „D-Du.. du arroganter Volldepp!“, schrie ich und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Nachdem es einen lauten Knall gab, drehte ich mich wütend um und verließ den Raum. Auf Evans Wange bildete sich langsam ein roter Handabdruck.   Noch immer hatte ich Tränen in den Augen, die ich erfolgreich weg blinzelte auf dem Weg nach oben. Ich stieg zahlreiche Treppenstufen hoch, bis ich endlich die Tür erreichte, die auf das Dach führte. Wütend und verwirrt lehnte ich mich gegen die Brüstung und ließ mich an dieser herunter gleiten. Ich zog meine Beine an meinen Körper und legte meine Arme darum. Meinen Kopf bettete ich darauf und schloss meine Augen. Wie konnte ich nur so dumm sein und ihm glauben? Verdammt, mir hat es auch noch gefallen! Tja, wo die Liebe hinfällt… HALT DIE SCHNAUZE! Wütend schrie ich so laut ich konnte. Ich hatte noch nicht einmal bemerkt, dass Evan plötzlich neben mir stand. „Es tut mir leid, Melissa.“ Ich zuckte heftig zusammen, öffnete meine Augen und schaute direkt in seine blauen Augen, die so unendlich tief waren, wie das Meer. Ich drohte in diesen zu versinken, doch wurde ich schnell wieder in die Realität geholt. Evan strich mir sanft meine Tränen weg. Für einen kurzen Moment genoss ich seine Berührung, bis es mir einfach zu viel wurde. „Verdammt, hör auf mit der Scheiße!“, fauchte ich und schlug seine Hand weg. „Was sollte das, verdammt?! Wieso hast du die Kuss-Szene inszeniert?!“ Wütend schrie ich ihn an. Ich wollte einfach nur Antworten! Lächelnd schaute er mich an und beugte sich nach vorne. „Evan, was…“, doch schon hatten sich seine Lippen auf meine gelegt. Der Kuss war genauso schnell vorbei, als er angefangen hatte. Es war ein sanfter Kuss gewesen. Nun verweilte sein Mund vor meinem Ohr, denn ich spürte seinen Atem daran. „Weil ich dich gern habe, Melissa.“ Kapitel 2: ----------- Kriegserklärung   Seit dem Vorfall auf dem Dach waren bereits zwei Wochen vergangen. Evan und ich hatten uns nicht mehr wieder gesehen. Die Szene, die wir vorher gedreht hatten, wurde so gelassen. Mit unserem Kuss! Da der Regisseur doch davon überzeugt war, dass es etwas Gutes bringen würde. Ich saß in meinem Zimmer an meinem Schreibtisch und starrte, seit gefühlten Stunden, die Karte in meiner Hand an. Es war eine Einladung vom Regisseur. Der Film war fertig gedreht worden und er hatte alle Schauspieler eingeladen. Seufzend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. „Willst du nicht hin?“ Ich zuckte heftig zusammen und ließ einen lauten Schrei los. Ich hatte nicht mitbekommen, dass Carrie im Raum war. „Musst du mich so erschrecken?!“, seufzte ich und drehte mich mit meinem Stuhl zu ihr um. Ich blickte in eine lächelnde Carrie. „Tut mir leid“, entschuldigte sie sich und schmiss sich auf mein Bett. „Du sitzt seit Stunden hier in deinem Zimmer und gammelst vor dich hin. Was ist los mit dir? So warst du doch sonst nicht.“ Meine beste Freundin schaute mich mit einem Blick an, der so viel sagte, wie „Beweg deinen Arsch nach draußen und lenk dich ab!“ Ein erneutes Seufzen entkam meinen Lippen und ich schloss kurz meine Augen, um meine Gedanken zu ordnen. Warum war ich so? Tief in meinem Inneren wusste ich die Antwort: Ich kam nicht damit klar, was Evan auf dem Dach zu mir sagte. Ich wusste einfach nicht, ob er es ernst meinte oder ob er es sich zur neuen Lebensaufgabe gemacht hatte, mich brechen zu wollen. Ich verstand diesen Kerl einfach nicht. Du stehst doch auch auf ihn. Wieso darf er nicht? Ich stehe nicht auf ihn! Das sah aber anders aus bei eurem Kuss… „Ach Carrie, ich weiß es doch auch nicht… meine Gefühle fahren momentan Achterbahn“, antwortete ich, um die unangenehme Stille zwischen uns zu brechen. Carrie lächelte. „Du magst ihn“, stellte sie fest. Fragend schaute ich in ihr Gesicht. „Wieso denkt denn jeder, dass ich ihn mag?!“, fragte ich etwas patzig. War ich denn wie ein offenes Buch für alle? Carrie sprang vom Bett auf, nahm mich an der Hand und zog mich hoch. „Komm, wir machen uns für die Arbeit fertig. Vielleicht bringt dich das ja auf andere Gedanken“, sagte sie und zog mich weiter in Richtung Bad. Manchmal verstand selbst ich ihre Denkweise nicht.   Nachdem Carrie und ich uns fertig gemacht hatten, machten wir uns auf den Weg zu unserer Arbeit. Das kleine Café am Rande der Stadt verwandelte sich abends in eine Bar, die gut besucht wurde. Als wir die Bar betraten, wurden wir direkt lächelnd von Kathy begrüßt. Kathy arbeitete hauptsächlich tagsüber im Café, während Carrie und ich uns abends um die Gäste kümmerten. Sie studierte noch und hatte deswegen nicht sehr viel Zeit, um bis spät in die Nacht zu arbeiten. „War alles okay gewesen?“, fragte ich an Kathy gewandt. Carrie war in der Zwischenzeit hinter die Bar getreten und hatte sich ihrer Jacke entledigt. „Alles wie immer gewesen. Ich wünsche euch ne angenehme Schicht“, antwortete sie und verabschiedete sich auch sogleich. Sie hob kurz ihre Hand, um sich von Carrie zu verabschieden und verließ dann die Bar. Ich ging ebenfalls hinter die Bar und gesellte mich zu Carrie, die bereits damit begonnen hatte, die Gläser zu polieren. „Ob sich unser Chef heute mal blicken lässt?“, fragte die schwarzhaarige. Ich zuckte mit den Schultern und schnappte mir einen Stift und Zettel und ging den Getränkestand schnell durch. Nichts war peinlicher, als wenn einem der Alkohol ausging! Nachdem ich die Getränke durchgegangen war und Carrie fertig mit polieren, gingen wir in einen kleinen Nebenraum, um uns umzuziehen. Wir trugen weiße Tops, die das Logo der Bar bedruckt hatten. Hose durften wir uns selbst aussuchen. Hauptsache sie passte zum Oberteil. „Dann lass uns mal die Meute bedienen gehen“, sagte ich lachend, während ich mir meine langen, braunen Haare zu einem Zopf zusammen band. Ich schaute noch einmal prüfend in den Spiegel und verließ dann gemeinsam mit Carrie den Nebenraum. Die Bar war noch nicht recht voll, nur einzelne Gäste waren vor Ort, doch zu später Stunde würde sich das ändern.     Einige Stunden waren seit Beginn unserer Schicht bereits vergangen. Carrie und ich hatten alle Hände voll zu tun, doch mich störte das weniger. Ich liebte es, wenn ich in stressige Situationen kam und sich mein Puls jedes Mal aufs Neue beschleunigte. „Oh Gott, ich kann nicht mehr“, hörte ich meine beste Freundin jammern. Wir standen gerade hinter der Bar und konnten für einige Minuten durch atmen. Alle Gäste waren fürs erste versorgt. Grinsend schaute ich Carrie an, die sich an die Theke gelehnt hatte. „So schlimm ist es doch gar nicht“, erwiderte ich und machte uns einen Drink zum Abkühlen. Ich reichte ihr das Glas und nahm einen großen Schluck aus meinem Glas. „Wir hatten schon stressigere Tage, Maus.“ Carrie seufzte laut auf. „Trotzdem ist es heute irgendwie verdammt anstrengend! Ich bin echt froh, dass wir zusammen Schicht haben!“, antwortete sie. Fragend schaute ich sie an. „Wieso? Wäre dir Carlos heute nicht lieber, als ich?“, hakte ich mit hochgezogener Augenbraue nach. Carrie winkte ab. „Quatsch, du bist mir tausendmal lieber!“ - „Genau das wollte ich hören!“  Ich lachte leise und war in dem Moment einfach so ausgeglichen. Keinen Gedanken hatte ich mehr an Evan und seinem dämlichen Kuss verschwendet, bis mir das Lachen im Hals stecken blieb. Ich sog scharf die Luft ein, als ich sah, wer gerade die Bar betreten hatte. Was macht der denn hier, verdammt?! Feiern, schätze ich. Du musst etwas unternehmen! DU musst etwas unternehmen, Honigschnäuzchen. Knurrend beobachtete ich Evan, der sich auf einen freien Tisch zu bewegte. Carrie stieß mich in die Seite und grinste mich an. „Na, wen haben wir denn da? Na los, geh ihn bedienen!“, sagte sie und lachte leise vor sich hin. „Na warte, das wirst du büßen!“, fauchte ich und machte mich schmollend auf den Weg zu Evan. „Was darf ich dir bringen?“, fragte ich, nachdem ich bei seinem Tisch angekommen war. Verwundert blickten mich seine blauen Augen an. „Darling, was machst du denn hier?“ „Ich arbeite hier?“ Skeptisch zog ich meine Augenbraue nach oben. Eigentlich wusste jeder, dass Carrie und ich uns hier etwas dazu verdienten. Wieso zum Teufel stellte er sich jetzt blöd? Oder wusste er es wirklich nicht? „Das sehe ich“, gab er lässig zurück. „Wirst du kommen?“, fragte er, um das Thema zu wechseln. Ich ignorierte seine Frage. Immerhin ging es ihn nichts an, ob ich zur Feier gehen werde oder nicht. Sonst tauchte er wohl auch noch dort auf! „Was darf ich dir bringen?“, fragte ich erneut und schaute ungeduldig dabei zu, wie er sich die Karte durch las. Carrie kam zu uns und stellte sich neben mich. „Wir müssen noch andere Gäste bedienen, deswegen schlage ich vor, dass du mal einen Gang zu legst!“, kam es gefährlich ruhig von ihr. Ich schaute sie verwirrt an. Was war denn nun mit Carrie los? So war sie doch sonst nicht, oder machte sie sich sorgen um mich? „Cola“, erwiderte er lächelnd. „Ich möchte ein Glas Cola, bitte!“ Sein Lächeln wurde immer breiter und er fixierte Carrie mit einem Blick, der Berge hätte versetzen können. Was war hier bloß los? Carrie drehte sich um und zog mich an meinem Arm mit sich. Nachdem wir hinter der Bar standen, ließ sie mich los. „Danke, Maus, du hast mir den Arsch gerettet“, sagte ich. Grinsend nahm sich Carrie ein Glas und befüllte es mit Cola. „Kein Problem, aber der Angeber wird noch sein Fett weg kriegen!“, erwiderte sie. Fragend schaute ich sie an und bekam bei ihrem hinterhältigen Grinsen doch etwas Angst. Wenn Carrie sauer war, konnte sie ein Miststück sein. „Was hast du vor?!“, hakte ich nach, als ich sah, wie sie zu dem Behälter mit dem Salz griff. Sie schüttete eine gute Menge in das Cola-Glas und rührte es gut um, sodass sich das Salz nach einer kurzen Zeit aufgelöst hatte. „Und nun lassen wir es ihm schmecken!“, kicherte sie. „Du bist wahnsinnig!“ Meine beste Freundin brachte Evan die Cola und verließ grinsend den Tisch. Evan trank nicht sofort davon, sondern beobachtete noch eine Weile die anderen Gäste, bis er einen Schluck davon nahm und es im hohen Bogen wieder aus spuckte. „Was ist das denn für ein Gesöff?“, fragte er hustend. Hinter der Bar begann Carrie laut los zu lachen. „Das kommt davon, wenn du meine Freundin ungestraft küsst!“, sagte sie. Sein Blick verfinsterte sich und seine Augen starrten mich böse an. „Das bedeutet Krieg, Melissa!“ Na super, ich konnte doch gar nichts dafür! Wütend war er aufgestanden und kam direkt auf mich zu. Oh, oh, was passierte denn jetzt? Mein Herz schlug mir unbewusst bis zum Hals und ich bekam es mit der Angst zu tun. Ich kannte Evan gut genug, dass er seine Drohung wahr machen würde. Verdammt, jetzt hatte ich ihn richtig zum Feind! Konnte es denn noch schlimmer werden? Kapitel 3: ----------- Blackout   Evan griff nach meinem Arm und zog mich von der Theke weg in einen abgelegenen Bereich der Bar. Wütend fixierten mich seine Augen. „Was sollte das?“, hakte er nach und suchte meinen Blick, den ich starr nach unten gerichtet hatte. Was sollte ich darauf antworten? Immerhin war Carrie diejenige, die Schuld an dem ganzen Schlamassel war! „Ich weiß nicht, was in Carrie gefahren ist. Sie ist eben manchmal… ein wenig verrückt, was Dinge angeht, um sich an anderen zu rächen“, versuchte ich ihn zu besänftigen, doch das schien nicht wirklich zu klappen, denn der Griff um mein Handgelenk wurde etwas fester. Ich kniff schmerzvoll meine Augen zusammen und versuchte mich irgendwie aus dem Griff zu befreien. „Lass mich los!“, fauchte ich und funkelte ihn wütend an. „Und wenn nicht?“ „Ich schreie um Hilfe!“ Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Mit einem Ruck zog er mich ganz nah an sich heran und kam mit seinem Mund nah an mein Ohr. Sein Atem streifte meine Haut, woraufhin sich eine leichte Gänsehaut auf meinem Rücken ausbreitete. Verdammt! Er soll aufhören damit! „Ich kann dich ganz schnell zum Schweigen bringen, Darling“, hauchte er in mein Ohr. Erneut versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien. Ich wollte so schnell wie möglich raus aus dieser unangenehmen Situation. „Verdammt, Evan, lass mich los! Ich habe nichts mit der Sache zu tun!“, wiederholte ich mein gesagtes von vorhin und endlich lockerte er seinen Griff um mein Handgelenk und gab meinen Arm frei, nur um kurz darauf meinen Körper gegen die Wand hinter mir zu pressen. Ich zog scharf die Luft ein, denn mit solch einer Aktion hatte ich nicht gerechnet. Sein Gesicht war meinem so nahe, dass ich erneut seinen Atem auf meiner Haut fühlen konnte. Seine Arme hatte er links und rechts neben meinem Körper abgestützt, sodass es für mich unmöglich war zu fliehen. Was hatte er jetzt schon wieder vor? „Ich glaube, ich sollte dir mal ein paar Manieren beibringen“, hauchte er und strich sanft meine Wange entlang, über meine Lippen und setzte seinen Weg weiter zu meinem Kinn fort. Ich hatte meine Augen geschlossen und krampfhaft versucht, dass seine Berührung nicht mehr in mir auslöste, doch ich war gescheitert. Mein ganzer Körper wurde von einer Gänsehaut überrannt und mein Herz schlug so verdammt schnell, dass ich Angst hatte, es würde mir gleich aus der Brust springen. Hoffentlich bekam er nicht mit, wie nervös er mich machte! „Schau mich an“, flüsterte er und ich öffnete meine Augen, aber ich schaute ihn nicht an. Ich fixierte einen Punkt hinter ihm an der Wand, damit ich ihn nicht anschauen musste. Würde ich ihm in die Augen schauen, würde er sehen, welchen Kampf ich innerlich führte und das wollte ich nicht. Seine Finger schlossen sich um mein Kinn und zwangen mich förmlich dazu, ihm in seine Augen zu sehen, in denen ich drohte zu versinken. „Und jetzt, Darling…“, hauchte er und kam mit seinem Gesicht immer näher und näher. Ich schloss meine Augen, wusste ich bereits, was gleich passieren würde und ich freute mich sogar ein kleines bisschen darauf. Mein Herz schlug immer heftiger gegen meine Brust und ich konnte es kaum noch erwarten, als plötzlich der Druck von meinem Körper wich und ich verwirrt meine Augen öffnete. „Was zum…?“, doch weiter kam ich nicht, denn Evan hatte zwei seiner Finger auf meine Lippen platziert. Grinsend schaute er mich an. „Jetzt habe ich eine Schwachstelle gefunden, Darling“, sagte er. „Ich dachte, ich hatte mir das nur eingebildet bei unserem Dreh-Kuss, aber mir scheint so, dass du wirklich etwas für mich übrig hast“, fuhr er fort, ohne eine Antwort von mir zu erwarten. Ich kochte vor Wut und konnte einfach nicht glauben, was Evan hier für eine miese Show abzog. „Ich weiß wirklich nicht, wovon du redest! Eine Schwachstelle musst du lange bei mir suchen!“, gab ich patzig zurück und verschränkte meine Arme vor der Brust. Wütend schaute ich ihn an, während sein Grinsen immer breiter wurde. „Ach ja? Dann stimmt meine Vermutung also nicht?“, fragte er. „Du triffst es auf den Punkt.“ Blitzschnell war Evan wieder bei mir und presste mich erneut gegen die Wand. Meine Hände lagen auf seiner Brust und versuchten, ihn auf Abstand zu bekommen, doch es gelang mir einfach nicht. Evan war zu stark, doch im nächsten Moment wurde meine Sehnsucht endlich gestillt, als sich seine Lippen auf meine legten. Wie ein Stromschlag durchflutete es meinen Körper und ich hörte sofort auf, Druck auf seine Brust auszuüben, sondern krallte mich regelrecht in seinem T-Shirt fest. Verlangend strich seine Zunge über meine Lippen und ich gewährte ihm sofort den Einlass. Unsere Zungen entfachten einen Kampf, den keiner so leicht verlieren wollte. Evans Hände gingen auf Wanderschaft und strichen meinen Seiten entlang und kamen auf meiner Hüfte zum Stehen. Mein Körper begann zu zittern und ich löste den Kuss. Außer Atem schloss ich meine Augen und atmete ein paar Mal tief durch. „Warum machst du das mit mir?“, fragte ich, nachdem ich meine Lungen wieder mit Sauerstoff gefüllt hatte. Evan hatte seinen Kopf auf meiner Schulter abgelegt und ich merkte, dass auch er außer Atem war. Seine Hände ruhten noch immer auf meiner Hüfte. „Ich liebe es dich aus der Reserve zu locken. Ich bin nicht blind, Melissa. Ich sehe durchaus, was ich in dir auslöse. Weißt du… Körpersprache lässt sich nicht so leicht abstellen“, hauchte er in mein Ohr, stieß sich von der Wand ab, ging zu seinem Platz zurück und trank die Cola mit dem Salz in einem Zug leer. Triumphierend stellte er das Glas auf der Theke ab. „Das nächste Mal musst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen, Kleines“, sagte er an Carrie gewandt. Mit einem Grinsen auf den Lippen und einem letzten Blick in meine Richtung, drehte er sich um und verließ die kleine Bar. Carrie stand entsetzt hinter der Theke und schaute noch immer auf das Glas vor sich. Mein Blick war jedoch noch immer auf die bereits geschlossene Tür, durch die Evan gerade gegangen war, gerichtet. Meine Gefühle fuhren Achterbahn und wieder hatte er es geschafft, mich vollkommen aus dem Konzept zu bringen. Wie sollte das bloß mit uns weiter gehen?   Drei Tage später:   Ich stand vor meinem Spiegel und schaute mich seit gefühlten Stunden an. Ich trug ein schwarzes Kleid, welches mir bis kurz über meine Knie ging. Dazu hatte ich schwarze Sandaletten an, eine silberne Kette und an meinem rechten Arm passende Armreifen. Ich hatte mich nur ganz dezent geschminkt. Meine braunen Haare hatte ich offen, die mir etwas lockig über meine Schultern fielen. Hinter mir auf meinem Bett lag meine schwarze Handtasche, die nur darauf wartete, dass es endlich losging, doch irgendwie konnte ich mich einfach nicht dazu durchringen, los zu gehen. Heute war die Party des Regisseurs. Du wirst zu spät kommen, wenn du dich nicht langsam beeilst. Ich weiß, aber irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl, was den Abend anbelangt. Kann es sein, dass du einfach schiss hast, dass Evan auch kommt? Quatsch! Wieso sollte ich Angst haben? Weil er dich mit nur einem Wimpernschlag in Beschlag nehmen kann? Mein Gewissen hatte wohl Recht. Nach unserer letzten Begegnung gab es keinen Zweifel mehr, dass ich etwas für ihn übrig hatte. Doch wie sah es bei ihm aus? Nicht umsonst hatte er mich bereits zweimal geküsst. Da musste doch mehr dahinter stecken! Seufzend begutachtete ich mich noch einmal im Spiegel, schnappte mir meine Handtasche und stieg die Treppenstufen hinab. In der Küche brannte Licht und ich hörte Carrie leise Summen, als sie sich eine Pizza aus dem Ofen holte. Lächelnd lehnte ich mich an den Türrahmen und schaute ihr dabei zu, wie sie sich ihre Pizza zurecht schnitt. „Ich bin dann weg, Maus“, sagte ich. Erschrocken drehte Carrie sich um, doch als sie mich erblickte, stahl sich ein Grinsen auf ihre Lippen. „Da hat sich aber jemand schick gemacht… etwa für Evan?“, hakte sie nach. Ich wurde etwas rot im Gesicht. „Quatsch!“ „Süße, deine rote Farbe verrät dich! Ich wünsche dir viel Spaß heute Abend und wer weiß… vielleicht geht ja was bei dir und Mr. Salztrinker“, lachte sie und nahm mich in ihre Arme. „Viel Glück, Maus“, flüsterte sie. Ich musste unwillkürlich Lächeln. Ich war in dem Moment so froh, Carrie als Freundin zu haben. Sie war wirklich immer für einen da und stand einem zur Seite - egal, um was es ging, man konnte sich immer auf sie verlassen und das liebte ich an ihr. „Und jetzt ab mit dir, Süße. Sonst bist du noch zu spät“, sagte sie und ich verabschiedete mich mit einem Kuss, den ich auf ihre Wange platzierte. „Danke!“   Gerade noch rechtzeitig kam ich mit dem Taxi in dem Hotel an, in dem die Party stattfinden sollte. Nachdem ich aus dem Taxi ausgestiegen war, betrat ich das 5-Sterne-Hotel und fragte an der Information nach, in welchem Stockwerk die Party stattfand. Ich machte mich auf den Weg zu den Aufzügen und drückte den entsprechenden Knopf. Laut Anzeige war der Aufzug gerade im 30. Stock, also könnte es noch eine Weile dauern, bis er im Erdgeschoss angekommen ist. Seufzend beobachtete ich die Anzeige, wie sie Schritt für Schritt nach unten rollte, als sich plötzlich zwei Hände auf meine Augen legten und ich mich tierisch erschrak. „Na, wer bin ich?“, fragte mich eine sehr bekannte Männerstimme. Genervt drehte ich mich um und blickte in Evans Gesicht. „Wie alt bist du? 10?!“, fragte ich schlecht gelaunt. Na super, der Abend beginnt ja mal wieder großartig! Ach komm, vielleicht wird es ja ganz lustig. Ich hoffe es… Ein Signalton ertönte und riss mich aus meinen Gedanken. Der Aufzug war endlich im Erdgeschoss angekommen. Evan zog mich in diesen, grinste mich an und drückte die Taste für den 35. Stock. Seufzend lehnte ich mich gegen die kühle Wand. Es war ein komisches Gefühl mit Evan auf so kleinem Raum alleine zu sein. Ich schaute zu ihm. Er stand noch immer grinsend an dem Platz, an dem er vor wenigen Sekunden bereits schon stand. Evan trug ein weißes Hemd, welches die obersten drei Knöpfe offen hatte, eine blaue Jeans und gewöhnliche Sneakers. Es waren harmlose Klamotten, doch ich fand, dass er darin verdammt gut aussah. Bei dem Gedanken an unsere letzte Begegnung, wurde mir ganz warm und mein Herz schlug schneller gegen meine Brust. Verdammt, was brauchte der Aufzug denn so lange? Endlich ertönte der erlösende Ton und ich konnte etwas auf Abstand gehen. Auch Evan verließ den Aufzug und lief mir brav hinterher. Wir blieben vor einer großen Tür stehen. „Dann lass uns mal in die Höhle des Löwen gehen“, sagte er lachend, schlang einen Arm um meine Hüften und öffnete die Tür. Als wir den Raum betraten, kam sofort ein etwas angeheiterter Regisseur auf uns zu. „Da sind ja meine zwei Lieblinge! Euer Kuss wird mir den Durchbruch ermöglichen!“, sagte er und drückte uns ein Glas Sekt in die Hand. „Das war doch nicht der Rede wert, Mister!“, kam es freundlich von Evan. Wahnsinn, der kann ja auch mal nett sein! Kurz darauf war der Regisseur bereits wieder verschwunden. Ich nahm einen kleinen Schluck des Sekts und wollte mich zum Buffet aufmachen, als ich von Evan zurückgehalten wurde. Fragend schaute ich ihn an. „Ich lass dich heute nicht alleine hier“, sagte er. Ich zog eine meiner Augenbrauen in die Höhe. „Bin ich ein kleines Kind?“, stellte ich als Gegenfrage. Lächelnd schüttelte er seinen Kopf. „Keineswegs, Darling. Ich habe mir bereits einen Überblick verschafft. Hier sind Leute auf der Party, die nicht gut für dich sind.“ „Und das weißt du woher? Ich kann gut auf mich alleine aufpassen. Ich brauche keinen Beschützer und erst Recht nicht dich, Evan!“ Somit riss ich mich von ihm los und ging zum Buffet. Ich trank meinen Sekt aus und bestellte mir einen leckeren Cocktail.   Evan hatte mich keine Minute aus den Augen gelassen. Zwar ließ er mir meinen Freiraum, für den ich ihm auch sehr dankbar war, aber irgendwie fand ich sein Verhalten merkwürdig. Wieso tat er das? Ich schlürfte an meinem Cocktail und beobachtete die anderen Gäste. Evan tanzte gerade mit einer jungen Frau, die hinter den Kameras viel gearbeitet hatte. Trotzdem blieb sein Blick stets auf mir. Ich seufzte und trank meinen Cocktail in einem Zug leer, stellte das Glas auf dem Tisch, der neben mir stand, ab und machte mich auf den Weg zu Evan. Dieser sah mich bereits kommen und in seinem Blick lag Verwunderung. Grinsend legte ich meine Hand auf die Schulter der Frau. „Darf ich abklatschen?“, fragte ich an sie gewandt. Die blondhaarige machte mir platz und ich nahm ihre Position ein. Lächelnd legte ich meine Hände jeweils an seine Schulter und seine Hüfte. Evan tat es mir gleich und begann mich zu führen. „Wie kommt es, dass du freiwillig mit mir tanzt?“, fragte er und zog mich etwas näher an sich. Die Musik spielte nun einen langsamen Song, sodass ich meinen Kopf auf seiner Schulter ablegte und meine Augen schloss. „Du hast mich nicht einmal aus den Augen gelassen heute Abend. Da dachte ich mir, ich mache es dir mal einfacher und bleibe in deiner Nähe und außerdem bist du ein ausgezeichneter Tänzer“, flüsterte ich. „Ich wollte noch einmal einen letzten Tanz mit dir genießen.“ Abrupt stoppte Evan in seiner Bewegung und drückte mich sanft etwas von sich weg. Ich hatte meine Augen bereits geöffnet und schaute ihn fragend in seine Augen. Hatte ich was Falsches gesagt? Sanft legte er seine Hand auf meine Wange, strich darüber und schaute mir mit einem Blick in die Augen, den ich bisher noch nie bei ihm gesehen hatte. Er sah mich so Ernst an, dass ich irgendwie ein bisschen Angst bekam. „Es wird nicht unser letzter Tanz gewesen sein. Das ist ein Versprechen und das halte ich für gewöhnlich auch“, sagte er mit fester Stimme. Nun war ich diejenige, die ihn verwirrt anstarrte. Was hatte das jetzt schon wieder zu bedeuten? Im nächsten Moment schnappte er sich meine Hand, wirbelte mich einmal herum und fing mich in seinen Armen auf. „Dafür ist es viel zu schön mit dir zu tanzen“, hauchte er mir in mein Ohr. Ja, das war es wirklich. Mein Körper erzitterte und eine wohlige Gänsehaut breitete sich über diesen aus. Mein Herz schlug hart gegen meine Brust und ich versuchte, die aufkommende Röte in meinem Gesicht zu unterdrücken, doch das wollte mir nicht so recht gelingen. Ich stieß mich etwas von ihm ab, wurde jedoch auf direktem Wege wieder von ihm zurückgezogen und landete erneut in seinen starken Armen. Warum war mir vorher noch nie aufgefallen, dass er so muskulöse Arme hatte? Unwillkürlich stieg mir sein Geruch in die Nase. Ich konnte den Geruch nicht einordnen, aber er roch verdammt gut und es benebelte meine Sinne. Der Alkohol tat wohl sein Übriges, denn ich hob meinen Kopf und schaute ihm direkt in seine Augen. Sanft strich ich ihm über seine Wange und ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Er hatte seine gerade geschlossen, um sich meiner Berührung vollkommen hingeben zu können, als plötzlich die Musik aufhörte und die Stimme des Regisseurs ertönte. „Ich möchte Sie alle Herzlich willkommen heißen! Mit dieser Party möchte ich mich bei allen bedanken, die es mir ermöglicht haben, den Film in so kurzer Zeit fertig drehen zu können. Aber ein besonderer Dank geht an meine zwei Schauspieler, die den Film den Durchbruch bringen werden! Melissa und Evan, darf ich Sie kurz zu mir bitten?“ In diesem Moment gingen die Strahler der Deckenleuchten auf uns über und zeigten uns eng aneinander stehend in mitten der anderen Gäste. Meine Hand lag noch immer auf seiner Wange, die ich nun schnell weg zog und ich knallrot anlief. Verdammt, wieso musste das denn jetzt passieren?! Ich blickte Evan an, der keine Miene verzog und mich bei der Hand nahm. „Lass es uns schnell hinter uns bringen und da weiter machen, wo wir gestört wurden“, flüsterte er mir zu und zog mich währenddessen in Richtung der Bühne, auf welcher der Regisseur uns freudig erwartete. Seufzend und peinlich berührt ließ ich mich von ihm auf die Bühne ziehen. Evan stand neben dem Regisseur und ich neben Evan, der noch immer meine Hand in seiner hielt. Unbewusst drückte ich sie fester und verschränkte unsere Finger miteinander. Kurz schaute er mir in die Augen, ließ es aber unkommentiert und dafür war ich ihm wirklich dankbar. „Evan und Melissa, ich bin Ihnen wirklich verdammt dankbar! Wie kam es zu der Kuss-Szene? Was hat Sie dazu inspiriert, das zu tun?“, fragte nun der Regisseur. „Nun ja… ich wollte Melissa etwas ärgern, was auch wirklich gut geklappt hat. Sie hat mir zwar eine heftig dafür verpasst, aber das war es mir definitiv wert gewesen“, kam es von Evan, der anfing zu lachen. Auch der Regisseur lachte los. „Oh ja, die Szene haben wir auch auf Band und werden wir so schnell nicht vergessen!“ Bitte was?! Wieso haben sie die Szene auf Band, wenn doch zu dem Zeitpunkt nicht mehr gedreht wurde? Tja, Honigschnäuzchen… das Leben ist hart und ungerecht. Genervt funkelte ich den Regisseur an.   Nach 10 weiteren Minuten durften wir uns endlich von der unangenehmen Situation befreien. So schnell ich konnte, ging ich die einzelnen Treppenstufen hinunter und atmete einmal tief durch. Gott, war das peinlich gewesen! Hinter mir stand Evan und strich mir einmal beruhigend über den Rücken. „Komm schon, Darling, war doch lustig gewesen“, sagte er. Ich stöhnte genervt auf. „Nein, war es nicht“, erwiderte ich und seufzte. Wie sollte ich den weiteren Abend bloß überstehen? Jetzt, wo wirklich alle Gäste, die uns vorher nicht kannten, anstarrten. „Komm, ich hol uns mal was zu trinken. Vielleicht lockert dich das wieder etwas auf“, kam es von Evan, der sich sogleich auf den Weg machte und uns etwas besorgte. Nach wenigen Minuten war er wieder bei mir angekommen und überreichte mir einen Cocktail. „Danke“, sagte ich und nahm ihm das Glas ab. Ich sah zu, wie Evan seinen Cocktail in einem Zug leer trank und mich grinsend anschaute. „Na, kannst du das auch?“ Ich zog meine Augenbraue in die Höhe. „Soll das eine Herausforderung sein?“ „Vielleicht.“ Mit nur einem Zug trank auch ich meinen Cocktail leer. Wäre ja gelacht, wenn ich das nicht auch könnte! Doch irgendwas war anders an dem Cocktail gewesen. Es hatte einen bitteren Beigeschmack gehabt. Mir wurde warm und kurzzeitig verschwamm meine Sicht. Ich hatte nach dem erst besten gegriffen, um nicht zu fallen. Es war Evans Hemd gewesen, an das ich mich krampfhaft festgehalten hatte. „Hoppla“, sagte er überrascht. „Nicht so stürmisch, Darling.“ Sanft zog er mich in seine Arme, um mir noch etwas mehr Halt zu geben. Was war bloß los mit mir? Meine Beine wurden weich wie Pudding und ich hatte das Gefühl, als wäre jegliche Kraft aus ihnen verschwunden. „Ich… ich muss mich kurz setzen. Geht gleich wieder“, hauchte ich und hielt mir mit einer Hand meinen Kopf. Ein stechender Schmerz durchfuhr mich. Evan stützte mich und führte mich zu einem Stuhl, auf den ich mich niederließ. Er kniete sich zu mir runter und blickte mich besorgt an. „Alles okay?“, fragte er. Ich nickte, aber ich wusste wirklich nicht, was plötzlich mit mir los war. Mein Herz schlug immer schneller gegen meine Brust. Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen und ich bekam langsam, aber sicher Angst. Was war hier los? „Du siehst gar nicht gut aus. Vielleicht sollte ich dich besser nach Hause bringen“, murmelte er vor sich hin. Nach Hause? Nein, das wollte ich nicht. Ich griff nach seiner Hand und hielt sie fest. „Nein“, sagte ich und schaute ihm in seine Augen. „Ich will dir nicht den Abend verderben und außerdem geht es mir schon wieder besser.“ „Na gut, wenn du meinst.“ Evan erhob sich und zog mich wieder auf meine Beine. Kurzzeitig wurde mir wieder schwarz vor Augen und ich hielt erneut meine Hand an meinem Kopf. „Vielleicht tut dir frische Luft was gut“, meinte er und nahm meine Hand in seine. Nickend zeigte ich ihm, dass ich ihn verstanden hatte. Gemeinsam gingen wir zum Aufzug, der uns in das oberste Stockwerk brachte. Nachdem wir ausgestiegen waren, führte Evan mich sicher einige Treppenstufen nach oben und einige Schritte später standen wir auf dem Dach des Hotels. Mir blieb der Atem weg, denn es war einfach nur wunderschön hier. In der Mitte des Dachs befand sich ein kleiner Pool, der von einzelnen Sonnenliegen umrandet wurde. Etwas weiter abseits befand sich ein Whirlpool. Schlagartig ging es mir besser, allein bei dem Anblick, der sich über uns bot. Tausende Sterne waren am Himmel zu sehen, keine einzige Wolke störte das wunderschöne Bild. Es war einfach atemberaubend. „Wow“, war das einzige, was mir bei dem Anblick einfiel. Evan stand hinter mir und schlang plötzlich seine Arme um mich. Seinen Kopf hatte er auf meine Schulter gelegt. „Es ist schön, dass ich diesen Moment mit dir erleben darf“, hauchte er in mein Ohr und erneut überrannte mich eine Gänsehaut. Ich schaute ihn fragend an und er deutete auf den Himmel, wo in dem Moment zwei Sternschnuppen vorbei schossen. Meine Augen weiteten sich. Evan ließ mich los und drehte mich sanft zu sich um, blickte mir tief in meine Augen. „Wünsch dir was“, flüsterte er und streichelte meine Wange. Ich hatte in diesem Moment nur einen einzigen Wunsch. So absurd es auch war, aber ich wollte ihn heute bei mir haben. Wollte ihn… küssen und ihn fühlen. Ich wusste wirklich nicht, woher dieses Verlangen kam. War es der Alkohol? Oder war es wirklich das, was ich wollte? Wollte ich Evan? „Ich wünsch mir auch etwas“, sprach er weiter, als ich keine Anstalten machte, zu antworten. Fragend blickte ich ihm in seine schönen Augen. „Und was?“, hauchte ich. Ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihm abwenden. Ich sah, wie sein Gesicht meinem immer näher kam. Doch in diesem Moment kam mir eine Erinnerung in den Kopf, die ich schon so lange verdrängt hatte. Unser Kennenlernen.   Es war einer dieser warmen Tage gewesen, die bei uns allen aufs Gemüt schlug. Die Zeit wollte einfach nicht vorbei gehen und so beschloss ich kurzerhand, die Sitzung für heute zu verlassen. Nachdem ich meine Schreibutensilien zusammengepackt hatte, erhob ich mich. Carrie, die neben mir saß, warf mir einen fragenden Blick zu, den ich gekonnt ignorierte. Mit schnellen Schritten hatte ich den Raum verlassen und lehnte mich gegen die kühle Tür. Nachdem ich einige Sekunden so verbracht hatte, stieß ich mich von der Wand ab und ging den langen Gang entlang, in Richtung der Treppen, die mich nach draußen führten. Nachdem ich das Gebäude verlassen hatte, kam mir eine warme Hitzewelle entgegen. Verdammt! Und ich dachte schon, dass es in der Schule warm war, aber hier draußen war es ja noch wärmer. Verflucht! „Gib ab, Evan!“, ertönte plötzlich eine männliche Stimme. Mein Blick glitt nach rechts. Dort erstreckte sich ein großer Platz, an dem gerade ein paar meiner Mitschüler Basketball spielten, aber diesen Evan hatte ich noch nie gesehen. War der neu? Hatte ich was verpasst? In diesem Moment beförderte Evan den Ball mit einem gezielten Wurf in den Korb, doch einige Augenblicke später boxte ihm ein anderer Junge gegen die Schulter. „Das Spiel spielt man nicht im Alleingang, man!“, fluchte er. Evan zuckte nur mit seinen Schultern und blickte ihm kalt in die Augen. „Nicht mein Problem, wenn du so schlecht spielst“, erwiderte dieser nur. Ich sog scharf die Luft ein. Das würde gleich richtig ärger geben, denn der Junge, mit dem Evan sich gerade anlegte, war kein geringerer als Mark, der Schlägertyp schlecht hin und leider auch Carrie’s Stiefbruder. Ich ließ meine Tasche auf den Boden sinken und rannte zum Spielfeldrand. Mark hatte Evan bereits am Kragen gepackt und hielt ihn etwas in der Luft. „Hey Jungs, lasst gut sein“, rief ich Mark zu. Mark sah mich an und grinste. „Melissa, Süße, welch ein hoher Besuch.“ Ich verdrehte genervt meine Augen. „Mark, ich mache alles was du willst, nur lass Evan in Ruhe. Er scheint sich hier noch nicht wirklich auszukennen!“, versuchte ich die Situation zu entschärfen. Mark ließ Evan wieder auf den Boden sinken, der sich hustend an den Hals griff. „Alter, was bist du denn für einer?“ Ich kam bei den beiden Jungs an und zog Evan weg von Mark. Dieser rief mir allerdings noch etwas hinterher, woraufhin ich mich noch einmal zu ihm umdrehte. „Ich werde Carrie alles sagen, Mark! Damit kommst du nicht durch!“, fauchte ich und drehte mich wieder um. Evan hatte sich inzwischen von meiner Hand befreit und war zu seiner Tasche gegangen, aus der er eine Flasche Wasser herausgeholt hatte und einen guten Schluck davon nahm. „Was sollte das, du blöde Kuh? Was denkst du eigentlich, wer du bist? Mutter Theresa? Ich kann gut auf mich alleine aufpassen!“, fauchte er. „Ich wollte dir nur helfen, du Idiot!“, keifte ich zurück und funkelte ihn ebenfalls an. Im nächsten Moment schüttete Evan seine Flasche in meiner Richtung aus und traf mich komplett am Oberkörper. Da mein Top weiß war, wurde es sofort durchsichtig und ich hielt schützend meine Hände vor meine Brust. „Sag mal, bist du bescheuert?!“ „Was denn? Gibt doch eh nichts zu sehen bei dir, Darling.“ „Bitte was? Ich hab mich wohl verhört? Wie frech kann man denn sein und das als Neuling!“ Ich konnte es einfach nicht fassen, wie unverschämt dieser Junge war. Ich half ihm und so dankte man es mir? Na super! Ich drehte mich wütend um, schnappte mir meine Tasche und rannte nach Hause. Am nächsten Tag wurde uns Evan vorgestellt und wie es das Schicksal so wollte, studierte er das gleiche wie ich. Na das konnte ja noch was werden.   Sanft legten sich seine Lippen auf meine und mit einem Schlag war ich wieder in der Wirklichkeit. Ich schlang ganz automatisch meine Arme um seinen Hals und presste mich an ihn. Unser Kuss wurde immer wilder, leidenschaftlicher. Ich merkte, wie Evan mich langsam nach hinten drängte, bis ich einen Wiederstand an meinen Beinen spürte und er mich sanft nach unten drückte, während unser Kampf zum Ende kam und wir uns kurz voneinander lösten. Ich blickte kurz hinter mich und stellte fest, dass ich auf einer der Sonnenliegen saß, Evan stand zwischen meinen Beinen und schaute mich mit glänzenden Augen an. Evan beugte sich zu mir nach unten und küsste mich erneut. So intensiv, dass es meinen Körper innerlich regelrecht verbrennen ließ…   Erschrocken wachte ich auf und riss meine Augen auf, die ich sogleich wieder schloss, da mich das grelle Licht blendete. Mein Kopf dröhnte und es jagten tausende, kleine Stiche durch diesen. Gott, wie viel hatte ich gestern getrunken? Und wie kam ich in mein Bett? Ich startete einen erneuten Versuch und öffnete meine Augen. Nachdem sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, starrte ich geschockt die gegenüberliegende Wand an. Die Wand war weiß! Wieso war die Wand weiß, wenn sie doch eigentlich rot war?! Verdutzt blickte ich mich in dem Zimmer um und musste feststellen, dass es sich nicht um mein eigenes Zimmer handelte, doch wo war ich? Neben mir bewegte sich etwas und ich schrie auf. Verdammt, was war denn hier los?! „Was machst du denn für einen Krach am frühen Morgen?“, fragte mich eine sehr vertraute Stimme. Nein, nein, nein! Das durfte jetzt wirklich nicht wahr sein! Ich sprang aus dem Bett und musste feststellen, dass ich vollkommen nackt vor Evan stand. Schnell wickelte ich die Decke um meinen Körper. „Da ist nichts, was ich nicht schon gesehen hätte“, kam es müde von Evan, der sich wieder umdrehte. „W-was? Was hast du da gerade gesagt?“, fragte ich noch einmal nach. Vielleicht war alles nur ein Traum und nicht die Wirklichkeit. Ja, genau so musste es sein! Ich schlafe bestimmt noch! Doch Evan war bereits wieder im Land der Träume. Krampfhaft hielt ich die Decke um meinem Körper fest und versuchte mich an irgendwas zu erinnern. Ich wusste nur noch, dass wir auf dem Dach gewesen waren, aber ab den Moment, wo ich auf der Sonnenliege saß, wusste ich nichts mehr. Verdammt, wir hatten uns geküsst und so wie es aussah, hatten wir auch miteinander geschlafen! Schlimmer konnte es wirklich nicht mehr kommen! Verwirrt ging ich in das Bad, um mir den Schlaf aus den Augen zu waschen, doch ich kam nicht einmal in die Nähe des Waschbeckens, denn etwas ganz anderes erhielt meine volle Aufmerksamkeit. In der Badewanne lag ein weißes Hemd. Doch das war nicht das außergewöhnliche, was mich entsetzt die Augen aufreißen ließ, sondern die Tatsache, dass an dem Hemd rote Flecken waren. Kapitel 4: ----------- Schockierende Ereignisse   Was zum Teufel war letzte Nacht passiert? Bisher war ich nur davon ausgegangen, dass Evan und ich uns näher gekommen waren, doch jetzt war ich da nicht mehr so sicher. Meine Augen fixierten noch immer das Hemd, welches unberührt in der Badewanne lag. Meine Gedanken überschlugen sich und wenige Schritte später, stand ich vor der Wanne und griff nach dem Hemd. Ich hielt es an meine Nase und roch daran. Es war eindeutig Evans Geruch, der mir in die Nase stieg und ein etwas süßlicher. Konnte es sein? Ich rieb mit meinem Daumen über eine der roten Flächen und erstarrte. „B-Blut?!“, hauchte ich fassungslos und ließ das Hemd im gleichen Moment auf den Boden fallen. Panisch rannte ich aus dem Bad und rannte zu Evan. Etwas unsanft rüttelte ich ihn wach, doch ich war in dem Moment einfach zu keinem anderen Verhalten in der Lage. Wenn es sich wirklich um Blut handelte, musste etwas schreckliches letzte Nacht passiert sein. Ich hatte keinerlei Erinnerungen mehr, aber ich hatte eine kleine Hoffnung, dass Evan vielleicht etwas mehr wusste. „Evan, wach auf“, schrie ich ihn an und endlich rührte er sich. Er murmelte etwas vor sich hin, was ich nicht verstand und drehte sich wieder auf die andere Seite. Unglaubliche Wut kochte in mir hoch und ich ballte meine Hand zu einer Faust. „Verdammt, Evan, wach endlich auf!“ Langsam öffnete er seine Augen, blinzelte ein paar Mal vor sich hin und schaute mich dann an. „Morgen, Melissa. Gut geschlafen?“, fragte er mich und lächelte schief. Ich war fassungslos. Dieser Mann machte mich einfach fertig. „Was ist letzte Nacht passiert? Bitte sag mir, dass du dich an irgendwas erinnerst!“, fauchte ich ihn regelrecht an. Mein Herz schlug mir so heftig gegen meine Brust und mein Körper zitterte leicht vor Aufregung. Ich hatte mich kaum unter Kontrolle und das kam wirklich sehr selten vor. Verwirrt blickten mich seine Augen an. „Das letzte an das ich mich erinnere, war der Moment auf dem Dach“, erwiderte er. „Was ist denn los?“, fügte er noch hinzu. „Du weißt also auch nicht, wie wir hier her gekommen sind und was wir gemacht haben?“, hakte ich vorsichtig nach. Evan schüttelte leicht mit dem Kopf. Mein letzter Funken Hoffnung erlosch in diesem Moment. Ich sank auf die Knie und langsam bildeten sich Tränen in meinen Augen. Ich war einfach komplett überfordert mit der Situation. „Verdammt“, schluchzte ich. Tränen flossen unaufhörlich meine Wangen herunter. Evan schaute mich entsetzt und verwirrt zugleich an. „Was ist denn los?“, fragte er. Wütend funkelte ich ihn an. „Was los ist? WAS LOS IST?!“, brüllte ich los und stand ruckartig auf. Ich rannte in das Badezimmer, schnappte mir sein Hemd und warf es ihm gegen den Kopf. „Das hier ist los! Das ist dein Hemd und es ist voll mit Blut! Verdammt, Evan, was zum Teufel ist letzte Nacht passiert?!“ Entsetzt über meine Worte betrachtete er sein Hemd und begann zu zittern. Anscheinend hatte er wirklich keine Ahnung, was passiert war. Sonst hätte er schon längst einen seiner Sprüche abgelassen. Plötzlich zuckten wir beide heftig zusammen, denn ein Klopfen hatte uns aus unserer Schockstarre geholt. Panik machte sich in mir breit und ich schaute ängstlich zu Evan. Evan reagierte schnell, steckte das Hemd unter sein Kissen, sprang aus dem Bett und nahm sich auf dem Weg zur Tür den Bademantel, den er sich schnell überzog. Mit einem Ruck öffnete er die Tür und erblickte den Zimmerservice. „Guten Morgen, Mister Peters. Haben Sie angenehm genächtigt?“, fragte eine junge Frau und lächelte ihn sanft an. Hinter ihr stand ein Wagen, auf dem das Frühstück bereit stand. Frische Brötchen und Croissants waren zu sehen, aber auch Kaffee, Milch, Orangensaft und Tee. Verschiedene Wurst- und Käsebeilagen lagen auch dort. „Äh… ja, danke der Nachfrage.“ „Ist Miss Peters bereits wach? Ich würde gerne das Frühstück servieren“, kam es auch sogleich von dem Dienstmädchen. Ich stockte. Miss Peters? Seit wann war ich Evans Frau? Ganz automatisch glitt mein Blick zu meiner rechten Hand und tatsächlich war dort ein goldener Ring. Warum war er mir nicht vorher schon aufgefallen? „Es wäre nett, wenn Sie mir den Wagen überreichen. Ich werde den Tisch dann selbst decken. Meine Frau schläft noch, wissen Sie…“, hörte ich Evans Stimme, die mich wieder in die Realität zurück holte. „Wie Sie wünschen.“ Einige Sekunden später hörte ich ein poltern und ein leises klicken. Evan kam mit dem Wagen herein und blieb damit vor mir stehen. Auch er hatte in der Zwischenzeit den Ring an seiner Hand bemerkt. „Wir müssen auf schnellstem Wege herausfinden, was letzte Nacht passiert ist!“, kam es von ihm. Oh ja, da hatte er vollkommen Recht! In dem Moment knurrte mein Magen so heftig, dass ich sofort rot um die Nase wurde. So absurd die ganze Sache an diesem Morgen auch war, aber mit diesem peinlichen Moment konnte ich unsere Anspannung lösen und wir beide lachten zusammen los. „Na komm, lass uns erst einmal was essen“, meinte er und begann damit, den Tisch zu decken. Als er fertig war, setzten wir uns. Auf dem Tisch stand ein kleines Radio, welches Evan nun einschaltete und leise Musik drang an unsere Ohren. Ich nahm mir eines der lecker duftenden Croissants und beschmierte es mit Marmelade. Ich biss genüsslich hinein und schloss meine Augen. Verdammt, war das lecker! Im nächsten Moment wurde das Radio automatisch etwas lauter, denn es war Zeit für die 10 Uhr Nachrichten, doch was ich dort hörte, ließ mir das Blut in meinen Adern gefrieren.   „Heute Morgen wurde die Leiche des berühmten Regisseurs Jeff Wadlow gefunden. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Der Todeszeitpunkt beträgt ca. 3 Uhr und die Leiche wurde auf dem Dach des The Mark-Hotels gefunden. Wer irgendwelche Hinweise hat, soll sich bitte umgehend bei der Polizei melden.“   Es vergingen ein paar Minuten, in denen keiner von uns etwas sagte. Zu groß war der Schock, der uns sichtlich in den Knochen lag. Das Blut an Evans Hemd. Unser Regisseur und der Tatort auf dem Dach, auf dem auch Evan und ich gewesen waren. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Alles sah danach aus, als hätten wir ihn auf dem Gewissen. Was war bloß letzte Nacht geschehen?! Evan war der Erste gewesen, der seine Stimme wieder fand. „Mach dir keine Sorgen. Es gibt bestimmt eine ganz plausible Erklärung dafür, warum mein Hemd voller Blut ist und am gleichen Ort, an dem wir gestern Abend waren, jetzt die Leiche unseres Regisseurs liegt. Es wird alles gut gehen, Melissa. Vertrau mir.“ Er nahm sanft meine Hand in seine, drückte sie etwas fester und streichelte mir mit dem Daumen über den Handrücken. Wie konnte er in solch einem Moment so ruhig sein? Mein Körper zitterte wie Espenlaub und ich hatte das Gefühl, erneut die Kontrolle zu verlieren. „Was ist, wenn wir wirklich etwas damit zu tun haben? Wenn wir ihn getötet haben, während wir… während wir nicht bei uns waren? Wir haben beide einen Blackout, mir ging es nach dem letzten Cocktail nicht gut! Evan, was ist, wenn in dem Getränk irgendwelche Drogen waren? Du hast doch gesagt, dass auf der Party Leute waren, denen du nicht traust!“ Am Ende hin wurde ich immer hysterischer. Ich redete mich total in Rage, denn mir blieb die Luft aus und ich fühlte mich plötzlich so unglaublich schwach und hilflos. Evan legte sanft seine Hände auf meine Schultern und rüttelte mich leicht durch. „Melissa, beruhige dich! Es bringt uns nichts, wenn du jetzt in Panik ausbrichst!“ Ich schaute ihm in seine Augen, die Willenskraft und Stärke ausstrahlten. Ich beneidete Evan, dass er in solch einer Situation einen kühlen Kopf behielt und ich war ihm verdammt dankbar dafür. „Was tun wir denn jetzt?“, fragte ich leise, nachdem ich mich etwas beruhigt hatte. Mein Blick war stur geradeaus gerichtet. Evan saß bereits wieder auf seinem Stuhl und hatte mich keine Sekunde aus den Augen gelassen, immer bereit dazu, mich wieder zu beruhigen. Seufzend lehnte er sich im Stuhl zurück. „Gute Frage… ich weiß es nicht.“   Wenige Minuten waren vergangen. Evan hatte sich ins Bad begeben, um sich dort zu duschen. Ich nutzte den Moment, um nach meinem Handy zu suchen. Ich musste Carrie Bescheid sagen, dass es mir gut ging, sonst machte sie sich nur unnötig sorgen. Ich lief um das Bett herum und fand meine Tasche, die auf dem Boden in der Ecke lag. Schnell holte ich mein Handy raus und gab meinen Pin-Code ein. 15 Anrufe in Abwesenheit. Sie waren alle von Carrie gewesen! Schnell tippte ich eine SMS ein, die ich dann auch sogleich abschickte.   Hey Maus, es tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe. Ich habe die Nacht bei Evan verbracht, mach dir bitte keine Sorgen. Es geht mir gut. Melde mich später bei dir. Lissy   Carrie musste von dem ganzen Schlamassel nichts wissen. Ich wollte sie nicht unnötig in Gefahr bringen, falls Evan und ich wirklich etwas mit dem Mord an Jeff zu tun hatten. Hinterher geriet sie noch ins Visier der Polizei, wobei sie wohl die erste Anlaufstelle wäre, da sie mit mir zusammen wohnte und noch dazu meine beste Freundin war. Seufzend schloss ich die Augen und setzte mich auf die Bettkante. Wie konnte das alles nur passieren? Was hatte ich verbrochen, dass das Leben nur so ungerecht zu mir war? Evan kam in diesem Moment ins Zimmer. Er hatte sich seine Jeans und seine Sneakers angezogen, sein Oberkörper lag frei, was verständlich war, denn sein Hemd konnte er unmöglich wieder anziehen. Er ging um das Bett herum und schien etwas zu suchen. Ich kam nicht umhin, ihn mir etwas näher anzusehen. Wir hatten zwar miteinander geschlafen, aber ich hatte jegliche Erinnerung daran verloren. Ein bisschen gucken war ja nicht verboten, oder? Sein braunes Haar lag zerzaust auf seinem Kopf, an einzelnen Strähnen tropfte es und einzelne Tropfen suchten sich ihren Weg über sein Kinn, über seinen Hals und weiter über seine muskulöse Brust. Ich hatte zwar gewusst, dass sich unter seinem Shirt mehr verbarg, als nur ein flacher Bauch, aber dieser Anblick ließ mich doch etwas die Luft anhalten. Mein Blick wanderte zu seinen Armen, an denen sich ebenfalls einzelne Muskeln zeigten, was ich mir schon dachte, denn gestern Abend fiel es mir das erste Mal auf. Ein Klingeln riss mich aus meiner Beobachtung. Ich schüttelte kurz den Kopf, um wieder klare Gedanken zu bekommen und schaute auf mein Handy. Carrie hatte mir geantwortet.   Hey Süße, Gott sei Dank geht es dir gut! Ich hoffe, du hattest Spaß mit Mr. Salztrinker! Heute Abend erwarte ich dich mit ganz viel Chips und dann möchte ich ALLES wissen! Carrie   „Ich habe mir Gedanken gemacht“, hörte ich Evans Stimme. Ich packte mein Handy in meine Tasche zurück und schaute ihn fragend an. „Schieß los.“ „Ich habe einen Freund, der mir noch einen Gefallen schuldet. Er ist Krankenpfleger und kann herausfinden, ob wir Spuren von Drogen in uns haben. Mithilfe eines Bluttests kann er das schnell herausfinden“, erklärte er mir. „Das ist doch super! Dann lass uns los gehen“, erwiderte ich und stand auf. „Willst du nicht vorher duschen?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue nach. Ich schaute an mir herunter und merkte, dass ich noch immer die Decke um mich geschlungen hatte. Eine leichte röte stieg auf meine Wangen. „Du hast Recht“, sagte ich schnell und verschwand in Windeseile im Bad. Nachdem ich mich geduscht und die Spuren der letzten Nacht erfolgreich weggespült hatte, zog ich mir mein schwarzes Kleid über und stieg in meine Sandaletten. Ich schaute noch einmal in den Spiegel und verließ dann das Bad. Evan saß auf dem Stuhl und hatte die Nachrichten laufen, doch von Jeff wurde nichts mehr berichtet. „Werden sie nicht nach uns suchen? Die Schauspieler sind doch die ersten, die von der Polizei befragt werden. Immerhin waren wir auf der Party, auf die er zuletzt lebend war“, sagte ich besorgt. „Mach dir keine Gedanken. Das wird sich wohl noch etwas in die Länge ziehen“, erwiderte er. „Können wir dann?“ Ich nickte leicht, schnappte mir meine Tasche und verließ mit ihm das Hotelzimmer. „Findest du nicht, dass wir extrem auffallen, wenn wir so hier raus spazieren?“, fragte ich und deutete auf seinen freien Oberkörper. Evan zuckte nur mit seinen Schultern. „Du hast es mir halt bei unserer heißen Nacht in Stücke gerissen“, grinste er. Ich wurde knallrot und schlug ihm gegen seine Brust. „Du bist unmöglich!“ Der Aufzug hielt und wir stiegen ein. Sanft nahm er meine Hand in seine und verschränkte unsere Finger miteinander. „Wir schaffen das. Gemeinsam.“ Ich schaute ihm in seine Augen, die solch eine Entschlossenheit wiederspiegelten, dass ich ihm einfach vertrauen musste. Evan wusste schon, was er tat. Nachdem wir mit dem Aufzug nach unten gefahren waren, stiegen wir aus und wollten das Hotel verlassen, doch wir wurden von der Empfangsdame aufgehalten. „Mister Peters! Miss Peters!“ Abrupt blieben wir stehen und ich blickte Evan leicht panisch an. Er drückte sanft meine Hand. „Bleib ruhig, ich mach das schon“, flüsterte er sanft und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Geh schon mal raus.“ Ich blickte ihm noch einmal hinterher und verließ dann das Hotel.   Es waren nur wenige Minuten vergangen, doch die kamen mir wie Stunden vor, bis Evan endlich aus dem Hotel trat und sich auf mich zu bewegte. Ich rannte ihm entgegen und schmiss mich in seine Arme. Sanft hielt er mich im Arm fest und streichelte meinen Hinterkopf. „Es ist alles gut, Melissa.“ Ich schaute ihm in die Augen und musste lächeln. „Ich bin froh, dass du da bist.“ Das entlockte auch Evan ein Lächeln. „Na komm, lass uns gehen“, sagte er, nahm meine Hand und zog mich mit. Er rief uns ein Taxi, in das wir einstiegen. Der Fahrer schaute uns etwas verdutzt an, brachte uns aber ohne einen Kommentar ins städtische Krankenhaus. Dort arbeitete Evans Freund. Evan hielt die Tür offen und half mir beim Aussteigen. Er hielt meine Hand direkt fest und zog mich weiter Richtung Eingang. Als wir die Notaufnahme betraten, ruhten einige Blicke auf uns, die Evan gekonnt ignorierte und er zielstrebig weiter lief. Ich hatte kaum Zeit mir die verschiedenen Räume anzusehen. Nur der sterile Geruch in meiner Nase wurde immer intensiver. „Wo arbeitet dein Freund denn?“, fragte ich dann doch mal nach. Nur aus reiner Neugierde. „Wir sind gleich da.“ Mehr sagte er nicht dazu, sondern beschleunigte seinen Schritt noch etwas. Einige Gänge später standen wir vor einer Tür, die jedoch verschlossen war. Evan holte sein Handy heraus und tippte eine Nachricht ein. Wenige Minuten später bog ein junger Mann in weißer Kleidung um die Ecke. Als er uns sah, begann er zu Grinsen. „Alter, Evan, wie läufst du denn hier rum? Willst wohl die Frauenwelt zum schwärmen kriegen“, sagte er und schlug mit ihm ein. „Laber nicht so einen Mist, Dario. Ich brauch deine Hilfe“, erwiderte er. Nun fiel sein Blick auf mich und sein Grinsen wurde breiter. „Ist sie Schwanger von dir? Willst du’s vertuschen?“, fragte er lachend nach. Ich schaute den jungen Mann vor mir geschockt an. Wie kam er bitte auf solch eine absurde Idee? Evan seufzte und blickte mich an. „Entschuldige, er ist leider immer so.“ „Kein Problem.“ Dario schloss die Tür auf und ließ uns eintreten. Ich setzte mich mit Evan auf zwei Stühle, die vor einem Schreibtisch standen. Dario setzte sich an den Tisch und blickte uns ernst an. „Und jetzt mal ernsthaft. Was für ein Problem habt ihr beiden?“ „Du musst uns sofort Blut abnehmen und uns auf verschiedene Drogen testen! Bitte stell keine Fragen, tu es einfach!“, meinte Evan und schaute Dario fest in die Augen.   Dario hatte uns sofort Blut abgenommen, ohne Fragen zu stellen. Die Blutwerte würden in einer Stunde bei ihm auf dem Tisch liegen. Ich saß auf der Liege, die ebenfalls im Raum stand und hielt mir meinen linken Arm. Ich hasste Spritzen und vor allem Blut. Ich musste mich immer zusammenreißen, dass ich nicht umkippte. „Wollt ihr mir jetzt vielleicht mal sagen, was los ist? Nicht umsonst wollt ihr wissen, ob ihr Drogen im Körper habt“, versuchte Dario es abermals. Ich seufzte. „Wir hatten beide einen Blackout, sind heute Morgen nackt nebeneinander aufgewacht und hatten beide einen Ring am Finger“, erklärte ich und hob zur Bestätigung meine Hand, sodass er den Ring sehen konnte. Dario musste lachen. „Na, ihr seid mir ja welche. Einfach so geheiratet! Sowas kenne ich nur von Filmen!“ Evan schnaubte genervt auf. „Ich hatte mir meine Hochzeit auch anders vorgestellt, glaub mir“, sagte er. Er rieb sich genervt seine Schläfen. Scheinbar hatte auch er Kopfschmerzen, denn mir ging es nicht anders. „Naja, wie sieht es denn mit Gefühlen bei euch aus? Bleibt ihr verheiratet?“, fragte Dario plötzlich und ich wurde knallrot im Gesicht. Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht! Über meine Gefühle für Evan war ich mir im Klaren, doch wie sah es bei Evan aus? Und wollte ich überhaupt mit ihm verheiratet sein? Mein Herz schlug schneller gegen meine Brust, denn ich wollte unbedingt wissen, wie Evans Antwort war. „Ich denke nicht, dass die Ehe rechtskräftig ist, wenn wir beide wirklich mit Drogen in Kontakt gekommen sind“, erwiderte er darauf. Irgendwie versetzte mir diese Antwort einen Stich ins Herz. Also wollte er es nicht? Er hatte keinerlei Gefühle für mich? Ich senkte meinen Blick, als plötzlich die Tür aufging und jemand ins Zimmer trat. „Hier sind die Blutergebnisse“, sagte der junge Mann. „Danke, Steffen, du hast einen gut bei mir“, kam es von Dario, der den Umschlag entgegen nahm. „Kein Problem, für dich doch immer!“, zwinkerte er ihm zu und verließ wieder das Zimmer. Grinsend schaute Evan seinen Freund an. „Fans?“ Schulterzuckend riss er den Umschlag auf und las sich die Ergebnisse durch. „Tut mir wirklich leid, euch das jetzt sagen zu müssen, aber: Ihr habt beide ein positives Ergebnis vorliegen.“ Geschockt riss ich meine Augen auf. Evan schnaubte verächtlich aus. „Was für eine Droge?“, fragte er. „Ecstasy. Das erklärt auch, warum ihr beide einen Blackout hattet und wieso ihr solche Kopfschmerzen habt. Mit der Droge ist echt nicht zu Spaßen und an eurer Stelle würde ich die Polizei darüber informieren. Vielleicht haben sich noch mehr Opfer gemeldet.“ Kapitel 5: ----------- Die Ruhe vor dem Sturm   Inzwischen hatten Evan und ich das Krankenhaus wieder verlassen. Evan hatte vorgeschlagen, dass wir im Hotel noch einmal nachfragen könnten, wann wir im Hotel angekommen waren und ob wir zu diesem Zeitpunkt schon Mann und Frau waren. Wir liefen stumm nebeneinander her. Evan hatte sich ein T-Shirt von Dario geliehen, weshalb wir ohne Probleme durch die Stadt laufen konnten. Wir hingen beide unseren Gedanken nach. Noch immer saß der Schock in meinen Knochen und ich hoffte inständig, dass wir nicht für Jeffs Tod verantwortlich waren. Seufzend schloss ich für einen Moment meine Augen und schaute dann auf meinen Ring. Er war aus purem Gold, ganz schlicht gehalten. Ein kleiner Stein zierte die Mitte des Rings. Er war einfach wunderschön. „Ich möchte so schnell wie nur möglich herausfinden, was letzte Nacht passiert ist.“ Ich zuckte kurz zusammen und blickte Evan an. „Ja, das möchte ich auch.“ Mehr fiel mir in diesem Moment nicht ein. Was sollte ich auch großartig dazu sagen? Ich hatte die gleichen Ansichten, wie Evan. Natürlich wollte ich wissen, was letzte Nacht alles passiert war. Doch vor allem wollte ich Gewissheit wegen Jeff haben. Ich hatte Angst. Angst davor, dass einer von uns oder wir beide durch die Droge zum Mörder wurden.   Die Uhr schlug 13 Uhr. Endlich waren wir am Hotel angekommen. Evan nahm mich an der Hand und ich schaute ihn fragend an. Warum nahm er jetzt meine Hand? „Wir müssen ein bisschen schauspielern. Das dürfte für uns ja nicht so schwer sein“, erklärte er. Nickend stimmte ich ihm zu. Gemeinsam betraten wir das Hotel und bewegten uns auf die Rezeption zu. Dort saß noch immer die Empfangsdame, die uns vor einigen Stunden bereits gesehen hatte. „Mister Peters, Miss Peters, was kann ich für Sie tun?“, fragte sie uns höflich, als wir vor ihr standen. „Ich habe eine Frage an Sie: Wissen Sie, wann wir hier im Hotel eingecheckt haben?“ Die junge Frau runzelte kurz die Stirn, gab einige Daten in ihrem Computer ein und lächelte uns dann an. „Sie haben um halb 4 eingecheckt.“ Evan lächelte die junge Frau an. „Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen.“ Damit verabschiedete er sich von ihr und zog mich zum Aufzug. Nachdem er den Knopf betätigt hatte, seufzte er. Der Aufzug hielt nach einigen Sekunden und wir stiegen ein. „Scheinbar waren wir schon verheiratet, als wir im Hotel ankamen. Jeff wurde gegen 3 Uhr umgebracht, wir checkten um halb 4 ein. Das heißt also, dass wir zur Tatzeit vielleicht ein Alibi haben, denn wir waren gegen halb 1 auf dem Dach des Hotels. Wir müssten also zwischen halb 1 und halb 4 geheiratet haben.“ Ich nickte. Das klang logisch, doch wie sollten wir herausfinden, wann und vor allem wo wir geheiratet haben? Der Aufzug hielt in unserem Stockwerk und wir gingen in unser Zimmer. „Lass uns nach irgendwelchen Hinweisen suchen. Vielleicht finden wir ja was“, kam es von ihm, nachdem wir das Zimmer betreten hatten. „Du guckst im Schlafzimmer und ich durchsuche das Bad“, fügte er hinzu. Nickend machte ich mich an die Arbeit. Ich hob die Matratzen an und schaute, ob sich darunter etwas verbarg, doch Fehlanzeige. Nichts war zu sehen. Ich überflog mit meinem Blick das Bett, doch das schien ebenfalls keine Spuren zu haben, die darauf hinwiesen, wo wir geheiratet haben könnten. Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe. In diesem Moment kam Evan in den Raum mit einem Grinsen im Gesicht. In der Hand hielt er einen Flyer. „Ich hab Neuigkeiten. Dort haben wir geheiratet!“   Evan und ich standen vor einem Standesamt. An der Tür hing ein Schild mit den Öffnungszeiten und tatsächlich hatte dieses Standesamt bis 2 Uhr morgens auf. Ich starrte noch immer verwundert auf das Schild, denn ich hatte noch nie gehört, dass es so etwas gab. „Dann lass uns mal rein gehen!“, meinte Evan und ging die Treppenstufen hoch. Stumm folgte ich ihm und wir betraten gemeinsam das Standesamt. Wir erkundigten uns bei einer Dame und fanden heraus, dass wir von einem Pfarrer Klaus getraut wurden. „Ich führe Sie gerne zu ihm“, sagte die blondhaarige und führte uns zu dem Pfarrer. Dieser traute gerade ein weiteres Paar. Ich beobachtete fasziniert, wie Pfarrer Klaus dabei vorging. „Ich hoffe, er erinnert sich noch an uns“, flüsterte ich leise zu Evan. Dieser schaute mich verwirrt an. „Natürlich wird er das! Es sind nur wenige Stunden seit unserer Trauung vergangen.“ Nickend drehte ich meinen Ring, der sich an meiner Hand so richtig anfühlte. Nach einer halben Stunde kam Pfarrer Klaus auf uns zu. Freundlich gab er uns seine Hand. „Mister Peters, Miss Peters, schön Sie wieder zu sehen“, begrüßte er uns. Gott sei Dank erinnerte er sich an uns! „Wir hätten gerne einige Fragen an Sie an letzte Nacht. Wir hoffen, Sie können uns da weiter helfen“, kam es von Evan. „Aber natürlich.“ Er deutete uns an, ihm zu folgen. Ein paar Gänge weiter blieben wir vor einer Tür stehen, die der Pfarrer aufschloss. Er betrat das kleine Büro, welches nur einen Schreibtisch und einige Blumen beinhaltete. Der Pfarrer setzte sich. „Setzen Sie sich.“ Evan und ich setzten uns auf die zwei Stühle, die vor dem Schreibtisch standen und warteten ab, bis er uns aufforderte zu Sprechen. „Nun… was kann ich für Sie tun?“ Evan atmete noch einmal tief ein und aus. „Meine Frau und ich können uns leider an nichts mehr erinnern, was letzte Nacht passiert ist. Können Sie uns sagen, wann genau wir hier ankamen?“ Grinsend schaute uns der Pfarrer an. „Wie könnte ich das nicht mehr wissen? Sie beide waren ziemlich schräg drauf. Ich war bereits dabei gewesen, das Standesamt abzuschließen, als Sie beide zu mir kamen und mich so sehr darum angefleht haben diese Nacht noch getraut zu werden. Ich muss wirklich sagen, in meiner Zeit als Pfarrer, habe ich so etwas noch nie erlebt. Es war wie ein Abenteuer für mich.“ „Wissen Sie noch, wann wir das Standesamt wieder verlassen haben?“, fragte ich nervös nach. Der Pfarrer überlegte kurz. „Das müsste so gegen 3 Uhr gewesen sein. Die Zeremonie ging etwas länger als geplant, da Sie beide immer ziemlich oft dazwischen geredet haben. Ich konnte kaum mein Gebet zu Ende sprechen.“ Die Antwort ließ mich erleichtert ausatmen. Das war der Beweis dafür, dass wir mit dem Tod von Jeff nichts zu tun hatten! Auch Evan schien die Erleichterung ins Gesicht geschrieben zu sein, denn ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich danke Ihnen für die Informationen“, sagte er und erhob sich. „Kein Problem, Mister Peters.“ Ich erhob mich ebenfalls und gab dem Pfarrer meine Hand. Nachdem Evan sich ebenfalls von ihm verabschiedet hatte, verließen wir den Raum. Evan schloss hinter sich die Tür und wir fielen uns glücklich in die Arme. „Ich bin gerade so verdammt glücklich!“, flüsterte ich und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Evan entfernte sich etwas von mir, strich mir meine Tränen von den Wangen und küsste meine Stirn. „Ich auch, Melissa. Ich auch!“ Er hielt mich fest an sich gedrückt. Wir verweilten einige Minuten so, doch mir kam es wie Stunden vor. Ich fühlte mich so wohl in seinen Armen. Nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten, nahm er meine Hand und wir verließen das Standesamt.   Inzwischen war es dunkel draußen. Die Sonne war untergegangen und die Sterne leuchteten am Himmel um die Wette. Evan und ich hatten unsere Sachen zusammen gepackt und dann hatten sich unsere Wege getrennt. Evan war nach Hause gefahren und ich war auf dem Weg zu Carrie. Ich war noch immer total in einem Gefühlschaos gefangen. Auf der einen Seite war ich total glücklich darüber, dass Evan und ich nichts mit dem Tod Jeffs zu tun hatten, aber auf der anderen Seite fragte ich mich, wie die Blutflecke auf Evans Hemd gekommen waren. Ich schloss noch immer in Gedanken die Tür auf und wurde direkt von Carrie in die Arme genommen. „Mein Gott, Süße, ich hab mir echt Sorgen gemacht! Wieso hast du dich nicht noch einmal gemeldet?“, fragte sie direkt drauf los. Ich lächelte und drückte mich etwas von ihr weg. „Hey, mir geht’s doch gut!“ Im nächsten Moment zog sie mich in unser Wohnzimmer, in dem einzelne Kerzen brannten und eine Schüssel Chips auf dem Tisch standen. Sie schmiss sich auf das Sofa und grinste mich an. „Und nun musst du mir alles erzählen!“, forderte sie mich auf. Ich seufzte. Was sollte ich ihr jetzt erzählen? Langsam begab ich mich zu dem Sofa und setzte mich, griff nach den Chips und nahm eine Handvoll. „Zu aller Erst muss ich dir gestehen, dass Evan und ich letzte Nacht nicht nur Sex hatten…“, fing ich an. Carrie zog eine Augenbraue in die Höhe. „Was habt ihr denn noch gemacht?“ Ich atmete noch einmal ein und aus. „Wir haben geheiratet.“ Zur Bestätigung zeigte ich ihr meinen Ring, den sie sich genauestens ansah. Skeptisch schaute sie mich an. „Der ist wirklich echt!“ „Natürlich.“ „Und wie kam es dazu?“ „Tja… das ist so eine Sache…“   Es waren inzwischen zwei Stunden vergangen seitdem ich bei uns angekommen war. Carrie hatte ich alles erzählt und je mehr ich erzählte, desto entsetzter wurde ihr Gesichtsausdruck. Sie konnte nicht fassen, dass Evan und ich unter Drogen gestanden haben. Die Sache mit Jeff ließ ich aus. Sie musste ja nicht alles wissen. „Du erlebst in einer Nacht mehr, als ich in meinem ganzen Leben. Echt der Wahnsinn!“, kam es von Carrie, die noch immer leicht neben sich stand. „Glaub mir, ich hätte mir das alles nicht so gewünscht. Ich kann mich an nichts mehr erinnern…“, flüsterte ich. Carrie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als mein Handy klingelte. Ich griff in meine Tasche und holte es raus. Auf dem Display stand Evans Name. Was wollte er denn jetzt von mir? Meine beste Freundin grinste mich an und verließ den Raum mit den Worten: „Ich lass dich mal alleine mit ihm, Maus.“ Als Carrie den Raum verlassen hatte, nahm ich das Gespräch an. „Evan… was gibt’s?“ „Kann ich dich sehen?“ Perplex über die schnelle Frage, wusste ich im ersten Moment nicht, was ich antworten sollte. „Bist du noch dran, Melissa?“ „Äh… ja, bin noch dran.“ „Können wir uns sehen, oder hast du was anderes heute Abend vor?“ Mein Blick glitt zur Uhr. 22:15 - Was wollte er so spät noch von mir?! „Wo soll ich hin?“ „Ich hole dich ab. Bis gleich!“ Somit legte er auf, ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten. Woher sollte er denn wissen, wo ich wohnte?! Ich schüttelte lächelnd mit dem Kopf. Dieser Mann trieb mich noch in den Wahnsinn! „Verlangt dein Mann nach dir?“, fragte plötzlich Carrie, die bereits wieder im Wohnzimmer stand. Ich erschrak. Ich hatte sie wirklich nicht bemerkt! „Sieht wohl so aus“, erwiderte ich. Es hörte sich komisch an, wenn Carrie ihn als meinen Mann bezeichnete. Eine leichte Gänsehaut breitete sich auf meinem Rücken aus. Lächelnd kam sie auf mich zu und nahm mich in ihre Arme. „Mach dir keine Gedanken über den weiteren Verlauf. Lass dich einfach drauf ein“, sagte sie. Ich zog eine Augenbraue nach oben. „Was meinst du?“ „Na… was will ein Mann wohl zu solch später Stunde von seiner Frau?“ Ich lief rot an. „Und dieses Mal steht ihr nicht mal unter Drogen!“, lachte sie. Recht hatte sie, doch ich wurde unglaublich nervös. Was, wenn Carrie Recht hatte?   Nervös stand ich vor meiner Wohnung. Carrie hatte mich dazu überreden können, ein kurzes, enganliegendes Kleid anzuziehen. Meine Haare hatte ich zu einer Hochsteck-Frisur gemacht. Der Wind wehte leicht um mich herum, sodass sich eine angenehme Gänsehaut auf meiner Haut bildete. Mein Blick glitt nach oben in den Himmel, an dem sich einige Wolken gesammelt hatten. Es sah nicht mehr so schön aus, wie noch vor einigen Stunden. Die Sterne sah man nur vereinzelt zwischen den Wolken funkeln. Im nächsten Moment hielt ein schwarzer BMW vor der Tür und Evan stieg aus. Ich wusste gar nicht, dass Evan den Führerschein besaß. Wirklich schockierend, wie wenig ich eigentlich von ihm wusste. Er ging um das Auto herum, öffnete die Beifahrertür und lächelte mich an. „Darf ich meine Frau entführen?“, fragte er und hielt mir seine Hand hin. Kopfschüttelnd trat ich auf ihn zu, legte meine Hand in seine und lächelte ihn an. „Ja, darfst du“, flüsterte ich. Noch immer lächelnd hob er meine Hand und gab mir einen Handkuss. Ein echter Gentleman! Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und schnallte mich an, während Evan die Tür schloss und es sich auf dem Fahrersitz bequem machte. Nachdem auch er sich angeschnallt hatte, legte er den Gang rein und fuhr los. „Ich wusste gar nicht, dass du Auto fahren kannst“, sagte ich. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Während er die Straße fixierte und in den nächsten Gang schaltete, antwortete er mir: „Du weißt so vieles nicht von mir.“ Ich seufzte. „Das stimmt. Ich bin eine miserable Ehefrau.“ Evan lachte etwas auf. „Ich weiß genauso wenig über dich, Melissa.“ Recht hatte er! Ihr seid wirklich das Traumpaar schlecht hin! Was denn? Wir fangen vielleicht in der falschen Reihenfolge an, aber das wird schon! Dein Wort in Gottes Ohr… Evan fuhr auf die Autobahn und beschleunigte sein Auto. Er fuhr in einem gemütlichen Tempo über die Autobahn. „Wo fahren wir eigentlich hin?“, fragte ich nach einer Weile. „Lass dich überraschen.“ Ich lehnte mich seufzend in den Sitz zurück und schloss meine Augen. Dann musste ich wohl oder übel warten.   Nach 30 weiteren Minuten fuhr er von der Autobahn. Nach einigen Minuten bog er in eine Seitenstraße ein, die uns zu einem riesigen Haus führte. Das Haus war riesig und sah verdammt teuer aus! Tatsächlich hielten wir vor dem gewaltigen Tor. Evan hielt seinen Finger auf einen Display und schon öffnete sich das Tor. Evan fuhr hinein und automatisch schloss sich das Tor wieder. Wir hielten vor einer Treppe, die zum Eingang des Hauses führte. Ich war sprachlos von dem Anblick. Evan stieg aus und half mir aus dem Auto. „Wow“, kam es von mir. „Gefällt es dir?“, fragte er und ich konnte nur Nicken. So etwas hatte ich bisher immer nur im Fernsehen gesehen! Ich wusste ja, dass Evans Eltern reich waren, aber so reich hätte ich nicht für möglich gehalten! Er zog mich die Treppenstufen nach oben und schloss die Tür auf. Wir betraten den Flur, den ich mit einer Eingangshalle vergleichen könnte. Er war einfach gewaltig! Links und rechts waren Türen, die irgendwohin führten. In der Mitte des Flures ging eine große Treppe hoch in das 1. Stockwerk. Ich war einfach sprachlos. „Links ist die Küche, rechts befindet sich das Wohnzimmer“, erklärte er. „Im oberen Stockwerk befinden sich zwei Schlafzimmer und zwei Badezimmer.“ Ich schaute ihn fragend an. „Wieso jeweils zwei?“ „Naja… Dieses Haus wurde oft an Torristen vermietet.“ „Verstehe… und was machen wir jetzt hier?“, fragte ich neugierig nach. „Das wird ab sofort unser Haus sein.“ Geschockt schaute ich ihn an. „W-Was?“, stotterte ich. Das soll wohl ein Scherz sein! „Wir sind verheiratet. Bald wird die Öffentlichkeit erfahren, dass wir Mann und Frau sind und dann wirst du in deiner Wohnung kaum noch sicher sein.“ Das klang logisch. Evans Vater war ein bekannter Unternehmer. Es konnte durchaus sein, dass verschiedene Magazine darüber berichten würden, wenn der Sohn eines solchen Unternehmers geheiratet hatte. „Also möchtest du die Ehe bestehen lassen?“ „Das hatte ich vor, oder hast du etwas dagegen?“, hauchte er, als er mich von hinten in den Arm nahm und begann, meinen Hals sanft zu küssen. Ich schloss automatisch meine Augen und drehte meinen Kopf etwas zur Seite, damit er mehr Fläche hatte. „Nein…“, flüsterte ich. Im nächsten Moment biss er mir sanft in den Hals. Ich riss geschockt meine Augen auf. „Aua!“ Er lachte kurz leise und küsste mich dann an der Stelle, in die er mich gebissen hatte. „Ich glaube, wir sollten unsere Hochzeitsnacht noch einmal wiederholen und zwar so, dass wir uns auch gerne daran erinnern können und werden“, flüsterte er. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich drehte mich in seinen Armen um und schaute ihm fest in die Augen. „Nur unter einer Bedingung“, sagte ich. „Alles, was du willst, Melissa.“ Mein Herz schlug schneller gegen meine Brust. „Sag mir, dass du mich liebst.“ Kapitel 6: ----------- Kein Entkommen   Evan schwieg. Ich sah ihm an, dass er damit nicht gerechnet hatte, doch was im nächsten Moment geschah, damit hatte ich niemals gerechnet. Evan legte seine Hand sanft auf meine Wange und lächelte mich an. Mit seinem Daumen strich er über meine Wange. „Ist das nicht offensichtlich?“, fragte er mich leise. Mein Herz schlug in diesem Moment so unglaublich schnell. Ich schüttelte mit meinem Kopf, woraufhin sein Blick noch eine Spur sanfter wurde. „Du hast mir schon etwas länger den Kopf verdreht, Melissa.“ „A-Aber wieso hast du mich dann immer so gedemütigt?“ „Ich wollte nicht, dass du etwas von meinen Gefühlen bemerkst. Immerhin hast du keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass du das gleiche für mich empfindest. Also bin ich auf Abwehrhaltung gegangen und habe mir die ganzen Sachen ausgedacht, damit ich von dir weg komme, aber das hat einfach nichts geholfen.“ Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Passierte das gerade wirklich? Evan Peters war schon lange in mich verliebt? Und ich hatte einfach nichts davon bemerkt. Gott, wie naiv ich doch war. Plötzlich schossen mir die Bilder in den Kopf, in denen er mich Gedemütigt hatte. Er hatte keine Chance ungenutzt gelassen, mich zu blamieren. Bei Vorträgen musste ich immer mit der Angst leben, dass er meine Präsentation verändert hatte und ich mich bis auf die Knochen blamierte. Während dem Sport musste ich aufpassen, dass er nicht hinter mir lief, denn oft hatte er mir etwas über meine Klamotten geschüttet. Einmal kam es sogar vor, dass er mir Juckpulver in meine Sachen gekippt hatte und ich mit meinen Sportsachen dem weiteren Unterricht folgen musste. Das schlimmste, was er aber jemals getan hatte, war als er mir meine einzige Erinnerung an meine Eltern genommen hatte. Das Bild, auf dem mein Bruder und meine Eltern abgebildet waren, hatte er mit Freuden vor meinen Augen verbrannt. Damals hatte ich gelernt, ihn zu hassen. Mein Hass war damals so groß gewesen, dass ich mich kaum noch beherrschen konnte. Carrie war damals für mich da gewesen und hatte dafür gesorgt, dass ich keine Dummheiten machte. Damals hatten wir beschlossen, zusammen zu ziehen und uns einen Job zu suchen, damit wir nicht mehr von unseren Eltern Abhängig waren. „Es tut mir leid.“ Seine Worte rissen mich aus meinen Erinnerungen, die ich am liebsten für immer vergessen würde. Diese Zeit zählte nicht zu den beliebtesten meiner Erinnerungen. Und doch hatte ich mich in diesen Mann verliebt, obwohl er mich immer wieder aufs Neue fertig gemacht hatte. Erneut spürte ich seine Finger an meiner Wange. „Ich liebe dich, Melissa.“ Sanft legte er seinen Finger unter mein Kinn und zwang mich so, ihm in die Augen zu schauen. Ich versank augenblicklich in diesen und erst jetzt wurden mir seine Worte bewusst. Er hatte mir endlich seine Liebe gestanden und in meinem Bauch kribbelte es ohne Ende. Ich war glücklich. Im nächsten Moment legte er seine Lippen auf meine und ich gab mich diesem Kuss ohne zu zögern hin. Er war sanft, vollkommen anders, als die anderen Küsse zuvor. Evan umschlang meine Hüfte und hob mich etwas hoch und im nächsten Moment befand ich mich auf seinen starken Armen. Er trug mich die Treppenstufen hoch, ohne den Kuss zu unterbrechen. Einige Sekunden später legte er mich auf dem Bett ab und blickte mich sanft an. „Ich liebe dich.“   Warme Sonnenstrahlen schienen mir ins Gesicht. Müde öffnete ich meine Augen und fand mich in Evans Armen wider. Ich drehte meinen Kopf und bemerkte, dass Evan noch tief und fest schlief. Vorsichtig befreite ich mich aus seinen Armen, stieg aus dem Bett, schnappte mir sein T-Shirt, das neben dem Bett lag und zog es mir über. Unwillkürlich stieg mir sein atemberaubender Geruch in die Nase, der mich sogleich wieder in den Bann zog. Verträumt schaute ich Evan beim Schlafen zu und dachte an die letzte Nacht. Evan und ich hatten miteinander geschlafen und dieses Mal wussten wir beide, was wir taten, denn nachdem Evan mir seine Liebe gestanden hatte, hatte auch ich mich dazu überwinden können, ihm meine Liebe zu gestehen. Was danach folgte, war einfach nur wunderschön gewesen. Ich schüttelte kurz meinen Kopf, um meine Gedanken zu ordnen und verließ dann den Raum. Leise schloss ich die Tür hinter mir und schaute mich in dem langen Flur um. Da ich mich im Haus noch nicht auskannte, musste ich das Badezimmer wohl oder übel suchen gehen. Seufzend schlug ich die linke Richtung ein und wurde auch sogleich bei der ersten Tür fündig. Ich hatte aber auch ein verdammtes Glück! Als ich das Bad betrat, schaltete sich automatisch das Licht an und leise begann Musik zu spielen. Alles war mit weißen Fließen verarbeitet worden. Die Einrichtung allerdings war aus dunklem Holz gehalten. Es war einfach atemberaubend! Nachdem ich im Schrank eine eingepackte Zahnbürste gefunden hatte, putzte ich mir meine Zähne und wusch mir das Gesicht. Danach entkleidete ich mich und stieg unter die Dusche. Das warme Wasser prasselte über meinen Körper und beruhigte mich auf einen Schlag. Wohlig seufzte ich auf und genoss die Wärme, die meinen Körper vollkommen in Beschlag genommen hatte. Als ich mich fertig gewaschen hatte und mein Haar von den Überresten des Shampoos befreit hatte, schaltete ich das Wasser auf eiskalt. Sofort umgab mich eine Gänsehaut. Ich schloss meine Augen und wartete noch einige Sekunden ab, bevor ich das Wasser abstellte und aus der Dusche stieg. Auf einem kleinen Hocker hatte ich zuvor zwei Handtücher bereit gelegt. Eines wickelte ich um meine langen Haare und mit dem anderen begann ich mich abzutrocknen. Im Schrank fand ich eine Bodylotion, mit der ich meinen Körper eincremte. Zum Schluss wickelte ich mir das Handtuch um meinen Körper und verließ das Badezimmer, um mich auf den Weg in unser Schlafzimmer zu machen. Denn dort befanden sich ja noch meine Sachen, die ich jetzt gut gebrauchen könnte. Leise betrat ich das Schlafzimmer und bemerkte, dass das Bett leer war. Wo war Evan denn abgeblieben? „Warst du schon duschen?“ Erschrocken drehte ich mich um und sah Evan, der direkt hinter mir stand. Erleichtert legte ich eine Hand auf meine Brust. „Musst du mich so erschrecken?“, fauchte ich genervt. „Und ja, ich war schon duschen.“ „Tut mir leid, wollte dich nicht erschrecken. Ich hab Frühstück gemacht.“ „Ich zieh mir schnell was an, dann komme ich runter.“ Ich hörte Schritte, die sich entfernten. Ich atmete hörbar aus und betrat unser Schlafzimmer. Schnell hatte ich mir mein Kleid von gestern Abend übergezogen, schaute noch einmal in den großen Spiegel, der neben der Tür hing und verließ das Zimmer. Mit schnellen Schritten ging ich die Treppenstufen hinunter und bog nach rechts. Dort fand ich Evan, der bereits am gedeckten Tisch saß und auf mich zu warten schien. „Du hättest ruhig schon anfangen können“, sagte ich und setzte mich ihm gegenüber auf den Stuhl. Evan lächelte mich sanft an. „Ich warte gerne auf meine bezaubernde Frau.“ Ich wurde leicht rot um die Nase. An sowas musste ich mich wohl noch gewöhnen. „Alter Charmeur!“ Wir fingen mit dem Frühstück an. Es erinnerte mich stark an das Frühstück vom Vortag in dem Hotel, als die Nachricht überbracht wurde, dass Jeff tot sei. Seufzend biss ich in mein Croissant. „Was ist los?“, fragte Evan, der sofort merkte, dass etwas nicht mit mir stimmte. „Ach… weißt du, ich mach mir noch immer Gedanken wegen Jeff. Wir waren zwar zum Zeitpunkt im Standesamt, aber wie kam das Blut an dein Hemd?“ Evan zuckte nur mit seinen Schultern. „Mach dir keine Sorgen. Die Polizei wird den Täter schon finden.“ Damit war die Sache für Evan auch beendet, aber für mich noch lange nicht. Ich musste herausfinden, was in der Nacht wirklich passiert war, nur hatte ich keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte.   Am Mittag saß ich auf der Terrasse und beobachtete kleine Vögel, die in der Mitte des Gartens auf dem Boden saßen. Hier war alles so friedlich und ruhig, obwohl wir mitten in der Stadt waren. Das Grundstück war von einem riesigen Zaun, der mit hochbewachsenem Grün von außen nicht sichtbar war, umgeben. Es sah einfach wunderschön aus. So, als wäre man in einer anderen Welt. Evan trat neben mich, in der Hand hielt er eine Sporttasche. Ich schaute ihn fragend an. „Verreisen wir?“ Nickend setzte er sich neben mich, die Tasche ließ er auf den Boden sinken. „Ja, ich weiß nicht, ob wir hier sicher sind.“ Ob wir hier sicher sind? Was zum Teufel meinte er damit? Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als alles auch schon ganz schnell ging. Man hörte, wie die Tür aufgebrochen wurde und sich Schritte und Stimmen näherten. Ruckartig war Evan aufgesprungen, hatte mich am Arm mit gezogen, schulterte sich die Tasche und hielt plötzlich eine Pistole in der Hand. Ich  hatte ungläubig meine Augen aufgerissen und mir automatisch die Hand vor den Mund gehalten. Wo kam die Waffe her? Und was hatte er damit vor? Im nächsten Moment kamen 5 Polizisten mit Schusssicheren-Westen auf die Terrasse gestürmt. „Evan Peters, Sie werden beschuldigt, Jeff Wadlow getötet zu haben! Hiermit sind Sie bis auf weiteres festgenommen!“, ertönte die schrille Stimme eines Beamten. Ich zuckte heftig zusammen. Evan wurde beschuldigt? Aber wieso? Plötzlich tat Evan etwas, womit ich niemals gerechnet hätte. Er drückte mir die Pistole gegen meine Schläfe und hielt mich an meinem Arm fest. Mich überkam die Panik und ich riss geschockt meine Augen auf. „Keine Bewegung, sonst ist sie tot!“, sagte Evan gefährlich ruhig. Mein Körper begann zu zittern und in meinem Kopf ratterte es. Was tat Evan da? Evan ging ein paar Schritte rückwärts, behielt die Beamten stets im Auge. Mein Puls beschleunigte sich immer mehr, mein Atem ging stoßweise. Ich wusste einfach nicht, was in Evan gefahren war und wie ich aus dieser Situation wieder rauskommen sollte. Und ich blöde Kuh hatte ihm auch noch vertraut! Ich war mit einem Mörder verheiratet! Evan ging weitere Schritte zurück. „So ist es gut, schön brav sein!“ Ich blickte hilflos in die Augen der Polizisten. Wir kamen an eine Art Tor an, als er stehen blieb. „Wenn ich ‚jetzt‘ sage, läufst du so schnell es geht durch das Tor. Dahinter steht mein BMW, steig so schnell es geht ein. Hast du das verstanden?“, flüsterte er mir ins Ohr. Geschockt weiteten sich meine Augen. Spielte Evan das alles nur?! „Jetzt!“ Evan ließ mich los und ich drehte mich so schnell es ging um und nahm die Beine in die Hand. Ich rannte was das Zeug hielt. Schnell war ich durch die Tür gerannt und sprang regelrecht in das Auto, doch Evan kam nicht. Ich hörte Schüsse. Eins. Zwei. Drei. Erneut weiteten sich meine Augen und ich schloss fassungslos meine Augen. Im nächsten Moment sprang Evan ins Auto und fuhr in einem gewaltigen Tempo davon. „Oh Gott, du blutest!“, platzte es aus mir heraus. An seinem Oberarm lief Blut herunter. Schlagartig wurde mir schlecht. Verdammt, reiß dich bloß zusammen und kipp jetzt nicht um! Das sagst du so leicht!! Ich kniff meine Augen zusammen, atmete tief ein und aus. „Das ist halb so wild, mach dir keine Sorgen.“ Evan drückte noch einmal aufs Gas und fuhr auf die Autobahn. Er schaute im Rückspiegel, ob die Polizei uns verfolgte, doch nirgends war jemand zu sehen. Gott sei Dank! Die nächste Abfahrt fuhr Evan von der Autobahn, in ein abgelegenes Waldstück. Er parkte seinen BMW vor einer kleinen Hütte. Erleichtert atmete er aus. „Das ging ja nochmal gut.“ Ich schaute ihn geschockt an. „Nochmal gut gegangen? Sag mal, spinnst du? Was ist da eben vorgegangen? Wie kommst du an eine Waffe? Und wieso verdächtigen die dich?!“ Die Fragen schossen nur so aus mir heraus. Ich war noch immer am Zittern und mir war so unglaublich schlecht, als ich das viele Blut an seinem Arm sah. „Wir müssen deinen Arm verarzten! Hast du einen Erste-Hilfe-Koffer da?“, fragte ich. Nickend stieg Evan aus und holte ihn aus seinem Kofferraum. Mit schnellen Schritten ging er auf die kleine Hütte zu und schloss die Tür auf. Nanu? Die Hütte gehörte also auch Evan? Verblüfft stieg ich aus dem Auto aus und folgte Evan, der sich bereits auf eine Couch gesetzt hatte und sein Shirt gerade auszog. Mir wurde nur noch schlechter und ich konnte ein Würgen nicht mehr unterdrücken. Gott, wieso war ich nur so empfindlich, was Blut anging? „Wenn das alles zu viel für dich ist, dann geh lieber etwas an die frische Luft. Ich kriege das schon alleine hin.“ Ich schüttelte mit dem Kopf und ging in die Küche. Ich nahm mir eine Schüssel, die ich mit Wasser befüllte und setzte mich zu ihm auf die Couch. Ich nahm mir eine Kompresse und säuberte vorsichtig die Wunde. Nachdem das meiste Blut entfernt war, nahm ich mir eine neue Kompresse und benetzte diese mit Desinfektionsmittel. „Das wird jetzt etwas weh tun“, sagte ich, bevor ich die Wunde desinfizierte. Schmerzerfüllt kniff Evan seine Augen zusammen. „Stell dich nicht so an, du bist doch ein Mann!“ Ich legte eine weitere Kompresse auf die Wunde und verband mit einer Mullbinde die Wunde, sodass sie halten würde. „Du hattest Glück. Keine Kugel, war wohl Gott sei Dank nur ein Streifschuss.“ Lächelnd lehnte sich Evan zurück. „Danke, Schwester Melissa.“ Das entlockte auch mir ein Lächeln. Sanft strich ich ihm durch seine Haare, die total durchnässt waren. Schweiß klebte an seiner Stirn. „Ich bin froh, dass es dir gut geht“, hauchte ich. Sanft zog er mich zu sich und legte seine Lippen auf meine. Der Kuss war sanft und ganz kurz. So schnell er begonnen hatte, so schnell war er wieder vorbei. „Ich bin auch froh.“ Ich setzte mich lächelnd auf und brachte das Verbandszeug und die Schüssel weg. „Meinst du, sie finden uns hier?“ „Wenn sie uns dort gefunden haben, werden sie uns hier auch finden.“ Seufzend setzte ich mich zu ihm auf die Couch. „Hast du wirklich nichts mit dem Tod von Jeff zu tun? Ich meine, wie kam denn das verdammte Blut an dein Hemd?“ Zum Ende hin wurde ich immer verzweifelter. Ich wollte einfach nicht, dass es sich um die Wahrheit handelte. Sanft strich er mir über meine Wange. „Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut werden.“ „Ich hoffe es so sehr…“   Durch einen lauten Knall wurde ich aus meinem Schlaf gerissen. Die Tür wurde aufgerissen und erneut stürmten Polizisten die kleine Hütte. Erschrocken weiteten sich meine Augen. Es war zu spät! Evan wurde von einem der Beamten überrumpelt und auf den Boden gedrückt. Mit einem Bein kniete er auf seinem Rücken und drückte ihm an der Schulter, an dem er die Wunde am Oberarm hatte. Evan schrie qualvoll auf. „EVAN!“ Einer der Beamten hatte mich durch meinen Schrei bemerkt und kam nun auf mich zu. Ich griff das erst Beste, was ich kriegen konnte und hielt es vor mich. Ich hätte in diesem Moment so lachen können, wäre die Situation nicht so verdammt ernst. Ich hielt doch tatsächlich eine Bratpfanne in den Händen, die ich krampfhaft festhielt. „Kommen Sie mir nicht zu nahe!“ „Miss Peters, das ist zwecklos.“ Ich schaute ihn verwundert an, doch im nächsten Moment packte mich einer von hinten und ich ließ die Bratpfanne abrupt fallen. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, da wurden mir schon Handschellen angelegt. „Und jetzt raus hier, Miss Peters!“ Mit diesen Worten drückte er mich nach vorne, sodass ich nach vorne stolperte. „Evan! Evan, ich liebe dich!“ Lächelnd blickte Evan mich an. „Mach dir keine Sorgen!“ Unsanft drückte mich der Polizist in den Streifenwagen, schnallte mich an und schloss die Tür. Kurz darauf stieg er neben mich ein, während ein anderer bereits am Steuer saß. „Fahren Sie uns zurück zur Wache!“ Ich schloss meine Augen. Wieder zitterte mein Körper vor Aufregung und einzelne Tränen suchten sich ihren Weg über meine Wangen. Kapitel 7: ----------- Der Anfang vom Neubeginn   Es dauerte nicht lange, vielleicht 10 Minuten, bis der Polizist am Steuer das Auto parkte und ausstieg. Er umrundete den Streifenwagen einmal und öffnete seinem Kollegen die Tür, damit er aussteigen konnte. Brutal riss dieser an meinem Arm und zog mich somit aus dem Streifenwagen. Ich stolperte leicht und fiel zu Boden. „Stehen Sie auf, Miss Peters!“ Wütend blickte ich in die braunen Augen meines Gegenübers, die mich kalt ansahen. Als ich keinerlei Anstalten machte, um aufzustehen, wurde ich mit einem groben Ruck wieder auf die Beine befördert. Mit festem Griff hielt er meinen Arm fest und zeigte mir so den Weg, den wir gemeinsam zu gehen hatten. Immer wieder suchten meine Augen jeden Zentimeter der Polizeistation nach Evan ab, doch er war nirgends zu sehen. Wo war er denn bloß? Und was hatten die mit uns vor? Nach zwei weiteren Gängen wurde ich in ein Zimmer gebracht und auf einen Stuhl platziert. Die Handschellen wurden mir leider nicht abgenommen. „Sitzen bleiben!“, befahl der Polizist und verließ den Raum, den er hinter sich abschloss. Mein Blick glitt durch den Raum, in dem ich mich schon seit gefühlten Stunden aufhielt. Ich saß noch immer brav auf einem braunen Stuhl, vor mir stand ein Tisch. Außerdem befanden sich noch zwei weitere Stühle in dem Raum und ein großer Spiegel. In der obersten linken Ecke befand sich eine kleine Kamera, die wohl dafür da war, dass ich gehorchte. Seufzend lehnte ich mich in dem Stuhl zurück und dachte an die letzten Tage. Ich hoffte inständig, dass Evan nichts mit dem Tod Jeffs zu tun hatte, denn dann war auch ich automatisch mit dran, da wir die ganze Nacht nicht getrennt voneinander waren. Genervt schloss ich meine Augen und versuchte den Schmerz zu ignorieren, der meine Handgelenke langsam taub werden ließ. Diese verdammten Handschellen hätte der Polizist mir auch abnehmen können, wenn er den Raum sowieso abschloss! Wie sollte ich denn mit freien Händen ausbrechen? Die Tür knacken? Natürlich…   Je mehr Zeit verging, desto genervter wurde ich. Mein ganzer Körper tat inzwischen weh, da ich die Position auf dem Stuhl einfach nicht ändern wollte. Ich sah die Kamera, die sich immer wieder hin und her drehte und mich stets im Blick hatte. „Scheiß Bullen! Was wollt ihr von mir, verdammt?!“, schrie ich einfach meine Wut raus. Natürlich konnte mich keiner hören, doch es tat einfach gut. Irgendetwas musste man hier tun, damit man nicht den Verstand verlor. Im nächsten Moment vernahm ich ein vertrautes Klicken und mein Blick glitt sofort zur Tür, die zeitgleich auch schon aufgerissen wurde und ein junger Mann eintrat. Er schloss die Tür hinter sich wieder ab und kam auf mich zu. „Miss Peters, mein Name ist Officer Clarks. Ich bin für Ihren Fall zuständig“, sagte er in einem ruhigen Ton und nahm mir meine Handschellen ab. Erleichtert rieb ich mir über meine Handgelenke, in denen nun endlich wieder ordentlich Blut fließen konnte. Das Brennen war noch immer vorhanden, doch das würde bald verschwunden sein. Officer Clarks hatte sich in der Zwischenzeit einen Stuhl genommen und ihn sich ebenfalls vor den Tisch positioniert. „Wieso bin ich hier?“, platzte es aus mir heraus. „Können Sie sich das nicht denken?“ Genervt atmete ich aus. Officer Clarks lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Erst jetzt fiel mir auf, dass er nicht viel älter sein musste, als ich selbst. Er hatte kurze blonde Haare, stechendscharfe blaue Augen und einen gutgebauten Körper. Seine Arme waren ziemlich muskulös. Er trug jedoch keine Uniform, wie die ersten beiden Polizisten. „Zivil unterwegs, Officer Clarks?“ Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und seine Augen fixierten mich. Es schien mir so, als könnte er mit nur einem Wimpernschlag in meine Seele schauen. Eine Gänsehaut breitete sich über meinen Körper aus und diese Tatsache schien auch ihm nicht entgangen zu sein. „Miss Peters… mache ich Sie etwa nervös?“ Verwirrt blickte ich ihm in seine blauen Augen. „Nein“, war meine schlichte Antwort darauf und ich sah in seinen Augen etwas aufblitzen, denn im nächsten Moment wurde sein Lächeln zu einem breiten Grinsen. „Ich möchte nur reden, Miss Peters. Sie werden nicht beschuldigt, sondern ihr Ehemann. Sie haben also nichts zu befürchten“, sagte er. Seufzend lehnte ich mich ebenfalls in meinem Stuhl zurück und schlug meine Beine übereinander. Zudem verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Ich kann Ihnen aber nichts über die besagte Nacht erzählen, weil ich nichts mehr darüber weiß! Genauso wenig weiß Evan etwas!“ „Sie wissen aber, dass Sie verheiratet sind. Das ist alles ziemlich komisch, Miss Peters.“ Genervt verdrehte ich meine Augen. „Aber auch nur, weil wir das auf eigene Faust herausgefunden haben! Fragen Sie Pfarrer Klaus! Der kann Ihnen bestätigen, dass wir zur Tatzeit bei ihm waren“, fauchte ich den Beamten vor mir an. Wieder erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. „Ganz ruhig, Miss Peters.“ Seine ruhige Art brachte mich nur noch mehr in Rage. Wütend tippte ich mir auf meinem Oberarm und schaute ihn mit einem Blick in die Augen, bei dem andere bereits schon das Weite gesucht hätten. Doch bei Officer Clarks biss ich wohl auf Granit. „Pfarrer Klaus werden wir dazu noch befragen. Mister Peters hat uns nämlich das gleiche erzählt“, kam es von Officer Clarks und sofort wurde ich hellhörig. „Wo ist Evan jetzt?“, hakte ich nach. „Mister Peters ist ebenfalls hier. Machen Sie sich also keine Sorgen, Sie werden schneller wieder vereint sein, als Ihnen lieb ist“, erwiderte er schulterzuckend auf meine Frage und erhob sich. Verwirrt schaute ich dabei zu, wie Officer Clarks den Raum durchquerte. „W-Was? Was soll das heißen?“ Der Beamte verließ noch immer lächelnd den Raum und schloss die Tür wieder ab. Ich saß noch immer stocksteif auf dem Stuhl. Was hatte das alles zu bedeuten? Mach dir keine Sorgen hatte auch Evan jedes Mal zu mir gesagt. Gott, was war hier nur los?! Tränen sammelten sich in meinen Augen und flossen in Strömen meine Wangen hinunter. Meine Kraft war am Ende, ich hatte zu viele Fragen und einfach keine Antworten darauf. Ich kam einfach nicht mehr mit all dem klar. Ich sackte auf dem Stuhl zusammen und schrie meine ganze Verzweiflung aus mir heraus. Nur am Rande bekam ich mit, wie die Tür aufgerissen wurde und zwei Männer in den Raum gestürmt kamen. Im nächsten Moment spürte ich ein Stechen und ein Brennen in meinem Arm. Ich blickte schmerzerfüllt auf und sah in Evans Augen. Kurz darauf wurde alles schwarz um mich herum…   „Machen Sie sich keine Sorgen, Evan.“ „Das ist alles Ihre Schuld, verdammt!“ „Beruhigen Sie sich doch!“ Alles war dunkel um mich herum, ich hörte nur leise Stimmen, die sehr weit weg waren. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch es wollte mir einfach nicht gelingen. Ich konzentrierte mich darauf, herauszuhören, wem die andere Stimme gehörte. Denn eine erkannte ich sofort: Evans Stimme. Erneut versuchte ich meine Augen zu öffnen und schaffte es dieses Mal auch, doch im nächsten Moment schloss ich sie wieder, da mich ein grelles Licht blendete. Stöhnend machte ich auf mich aufmerksam. Sofort spürte ich zwei warme Hände, die meine umklammerten und Küsse darauf verteilten. „Melissa, Schatz, geht’s dir gut?“ Erneut öffnete ich meine Augen und nach kurzer Zeit hatte ich mich an das Licht gewöhnt. Ich blickte in Evans Augen, die mich erleichtert musterten. Nickend bestätigte ich seine gestellte Frage und schaute mich im Raum um. Ich lag in einem Krankenbett und auf einem Stuhl neben dem Bett saß Jeff. In meinem Kopf drehte sich alles und ich hielt mir schmerzhaft meinen Kopf. „Ich glaube, mir geht’s doch nicht gut. Ich sehe schon Gespenster.“ Mehr als ein Flüstern bekam ich nicht heraus, denn mein Hals war ziemlich trocken. Müde schloss ich meine Augen und rieb über die geschlossenen Lider. „Nein, Melissa, Ihnen geht es bestens. Ich lebe und ich glaube, ich habe Ihnen so einiges zu erklären“, hörte ich nun Jeffs Stimme. Sofort riss ich meine Augen auf und blickte in die Richtung, in der Jeff auf dem Stuhl saß. Doch wie war das möglich? Er war doch tot? „W-Wie ist das möglich?“, hauchte ich und blickte Evan an, der mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Sein Blick wirkte auf einmal so traurig und verletzlich. Jeff war inzwischen aufgestanden und an mein Bett getreten. Er sah wirklich kerngesund aus. Ich verstand einfach gar nichts mehr. „Ich habe Sie und Evan unter Drogen gesetzt und meinen Tod vorgetäuscht. Sie und Evan… Sie wurden die ganze Zeit gefilmt. Das alles sollte als Material später zusammen geschnitten und zu einem neuen Film produziert werden.“ Mir wurde schlagartig heiß. Mein Körper fühlte sich an, als würde er jeden Moment verbrennen. Ich blickte Evan an, dann zu Jeff und wieder zurück. Ich bewegte meine Lippen, doch bekam einfach kein Wort heraus. Der Schock über das gesagte, saß einfach zu tief. Die Geräte, an denen ich angeschlossen war, begannen zu piepen. In meinem Kopf begann es wieder zu pochen und alles drehte sich. Im nächsten Moment stürmte eine Krankenschwester ins Zimmer und schob Evan und Jeff bei Seite. Schnell hatte sie eine Spritze an meine Kanüle, die sich in meiner Hand befand, angesetzt und spritzte eine brennende Flüssigkeit in meine Venen. Ich wurde so unglaublich müde davon, doch kurze Zeit später hörte das Piepen auf und die Krankenschwester atmete erleichtert aus. „Sie bringen sie noch um!“, fauchte sie die beiden Männer an. „Ist schon in Ordnung“, hauchte ich kraftlos. Ich hatte noch immer die Lage nicht verstanden. Mein Körper fühlte sich so verdammt schwach an. Erneut fühlte ich die kalte Hand Evans an meiner Wange. „Es wird alles gut werden.“ Er gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn. „Es war alles nur gespielt?“, fragte ich leise, nachdem ich endlich eins und eins zusammen gezählt hatte. „Nein, Melissa, das musst du mir glauben! Ich wusste nichts davon. Nichts war gespielt, das war alles echt! Auch unsere Hochzeit!“, kam es sofort von Evan. Ich schaute ihm in die Augen und wusste, dass es die Wahrheit war. Wie konnte ich bloß an seiner Liebe zweifeln? Jeff legte Evan seine Hand auf die Schulter. „Evan sagt die Wahrheit, Melissa. Er wusste ebenfalls nichts davon. Ich hatte an dem Abend gesehen, wie Sie beide auf das Dach gingen. Dort sah ich auch, wie Sie sich näher kamen, weshalb ich den Plan fasste, Sie unter Drogen zu setzen. Es tut mir wirklich unglaublich leid. Aber eines muss ich echt zugeben: Eine Hochzeit zwischen Ihnen beiden war nicht geplant gewesen.“ Leicht schmunzelnd schaute er mir in die Augen. Erschöpft lehnte ich mich ins Bett zurück. „Das lassen Sie mal unsere Sorge sein!“   Zwei Tage später durfte ich endlich das Krankenhaus verlassen. Ich war so unendlich froh, dass ich wieder nach Hause durfte. Vor dem Krankenhaus standen bereits Carrie und Evan. Ich nahm Carrie sanft in meine Arme. „Ich bin froh, dass es dir gut geht, Süße.“ Lächelnd schaute ich ihr in die Augen. „Ich auch, Maus. Ich auch“, flüsterte ich und blickte zu Evan. Als ich auf ihn zutrat, schloss er mich sanft in seine Arme. „Ich liebe dich, Melissa.“ Lächelnd blickte ich ihm in seine strahlenden Augen. „Ich weiß.“ Behutsam strich er mir über meine Wange. „Lass uns nach Hause gehen, ja?“ Nickend nahm ich seine Hand und gemeinsam fuhren wir in Evans Villa, die nun auch endlich mein neues Zuhause sein würde.   Abends saßen Evan und ich auf unserer Terrasse und schauten uns den Sternenhimmel an. Es war genauso wie in der Nacht, in der sich unser beider Leben auf einen Schlag verändert hatte. Evan und ich hatten gemeinsam beschlossen, dass Jeff nicht ungestraft davonkommen sollte. Wir zeigten ihn an. Lächelnd zog Evan mich in seine Arme. „Etwas Gutes hatte das alles ja doch…“, hauchte er in mein Ohr, weshalb sich sofort meine Nackenhaare aufstellten. Als ich keine Anstalten machte, sprach Evan weiter: „Wir haben endlich den Hintern hoch bekommen und uns unsere Liebe gestanden und was noch schöner ist: Wir sind ganz offiziell verheiratet.“ Lächelnd lehnte ich mich gegen seine Brust. „Da hast du Recht, aber…“ „Aber?“ „Ich finde, wir sollten nochmal heiraten. Damit wir uns immer an den schönsten Tag unseres Lebens erinnern!“ „Alles was du willst, Darling.“ Epilog: -------- Zukunft   Nervös blickte ich in den großen Spiegel. Unbewusst biss ich mir auf meine Unterlippe, die leicht anfing zu bluten. Schnell wischte ich mir das aufgequollene Blut von meinen Lippen und atmete noch einmal durch. Ein Klopfen an der Tür ertönte und kurz darauf erschien Carrie in meinem Zimmer. Ihr stockte der Atem bei meinem Anblick. „Maus, du siehst wirklich wunderschön aus“, flüsterte sie und einzelne Tränen sammelten sich in ihren Augen. Lächelnd drehte ich mich zu ihr um und nahm sie sanft in meine Arme. „Danke, Süße.“ Nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten, machten wir uns gemeinsam auf den Weg nach unten. Wir stiegen die zahlreichen Stufen hinunter und begaben uns auf direktem Weg ins Wohnzimmer, in dem bereits Evan auf uns wartete. Lächelnd stand Evan auf und kam auf mich zu, als wir den Raum betraten. „Du siehst wunderschön aus, Schatz“, hauchte er mir ins Ohr, bevor er mir einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte. „Hey, küssen könnt ihr euch gleich noch!“, beschwerte sich Carrie, die ja noch immer hinter mir stand. Widerwillig löste ich mich von Evan und ging mit Carrie in den Garten, in dem bereits die anderen Gäste warteten. Evan sprintete an uns vorbei und gesellte sich zu seinem besten Freund, der neben Pfarrer Klaus stand. „Ich glaube, wir können dann so langsam mit der Zeremonie beginnen“, kam es von dem Pfarrer, der seinen Blick nun auf mich richtete. „Sind Sie soweit, Miss Peters?“ Nickend trat ich auf meinen Mann und den Pfarrer zu. „Dieses Mal werden Sie sich hoffentlich an Ihre Hochzeit erinnern.“ Lächelnd nahm ich Evans Hand und ließ sie nicht mehr los.   „Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut nun küssen!“ Ich fühlte Evans Hände an meiner Taille, als er mich langsam zu sich zog und er mir den unglaublichsten Kuss, den ich jemals hatte, schenkte. Nachdem wir uns voneinander lösten, blickte ich ihm noch lange in die Augen.  „Ich freue mich auf die Zukunft mit dir“, hauchte ich lächelnd. Sanft strich er mir über meinen Bauch, der bereits deutlich eine Rundung aufwies. „Ich freue mich auch auf die Zukunft mit dir und der Kleinen“, sagte er. Hinter uns tauchte Carrie auf. „Kommt, lasst uns ein Erinnerungsfoto schießen!“ Kopfschüttelnd nahmen wir alle unsere Positionen ein, während Carrie den Auslöser betätigte und los rannte, damit sie auch noch auf das Bild kam, doch während sie rannte, rutschte sie aus und landete direkt vor meinen Füßen. Wir prusteten alle los, als in dem Moment die Kamera das Bild schoss.   Man sagt immer, dass das Leben ein einfaches Spiel ist, doch das ist nicht so. Jedenfalls nicht für mich. Man erlebt Höhen und Tiefen, gewinnt oder verliert… oder man bekommt vom Schicksal einen Schubs in die richtige Richtung. Mit nur einem Wimpernschlag änderte sich damals mein Leben, denn nun weiß ich endlich, zu wem ich gehöre. Zu Evan Peters - meinem Ehemann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)