Somewhere I belong von Miena ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Kein Entkommen   Evan schwieg. Ich sah ihm an, dass er damit nicht gerechnet hatte, doch was im nächsten Moment geschah, damit hatte ich niemals gerechnet. Evan legte seine Hand sanft auf meine Wange und lächelte mich an. Mit seinem Daumen strich er über meine Wange. „Ist das nicht offensichtlich?“, fragte er mich leise. Mein Herz schlug in diesem Moment so unglaublich schnell. Ich schüttelte mit meinem Kopf, woraufhin sein Blick noch eine Spur sanfter wurde. „Du hast mir schon etwas länger den Kopf verdreht, Melissa.“ „A-Aber wieso hast du mich dann immer so gedemütigt?“ „Ich wollte nicht, dass du etwas von meinen Gefühlen bemerkst. Immerhin hast du keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass du das gleiche für mich empfindest. Also bin ich auf Abwehrhaltung gegangen und habe mir die ganzen Sachen ausgedacht, damit ich von dir weg komme, aber das hat einfach nichts geholfen.“ Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Passierte das gerade wirklich? Evan Peters war schon lange in mich verliebt? Und ich hatte einfach nichts davon bemerkt. Gott, wie naiv ich doch war. Plötzlich schossen mir die Bilder in den Kopf, in denen er mich Gedemütigt hatte. Er hatte keine Chance ungenutzt gelassen, mich zu blamieren. Bei Vorträgen musste ich immer mit der Angst leben, dass er meine Präsentation verändert hatte und ich mich bis auf die Knochen blamierte. Während dem Sport musste ich aufpassen, dass er nicht hinter mir lief, denn oft hatte er mir etwas über meine Klamotten geschüttet. Einmal kam es sogar vor, dass er mir Juckpulver in meine Sachen gekippt hatte und ich mit meinen Sportsachen dem weiteren Unterricht folgen musste. Das schlimmste, was er aber jemals getan hatte, war als er mir meine einzige Erinnerung an meine Eltern genommen hatte. Das Bild, auf dem mein Bruder und meine Eltern abgebildet waren, hatte er mit Freuden vor meinen Augen verbrannt. Damals hatte ich gelernt, ihn zu hassen. Mein Hass war damals so groß gewesen, dass ich mich kaum noch beherrschen konnte. Carrie war damals für mich da gewesen und hatte dafür gesorgt, dass ich keine Dummheiten machte. Damals hatten wir beschlossen, zusammen zu ziehen und uns einen Job zu suchen, damit wir nicht mehr von unseren Eltern Abhängig waren. „Es tut mir leid.“ Seine Worte rissen mich aus meinen Erinnerungen, die ich am liebsten für immer vergessen würde. Diese Zeit zählte nicht zu den beliebtesten meiner Erinnerungen. Und doch hatte ich mich in diesen Mann verliebt, obwohl er mich immer wieder aufs Neue fertig gemacht hatte. Erneut spürte ich seine Finger an meiner Wange. „Ich liebe dich, Melissa.“ Sanft legte er seinen Finger unter mein Kinn und zwang mich so, ihm in die Augen zu schauen. Ich versank augenblicklich in diesen und erst jetzt wurden mir seine Worte bewusst. Er hatte mir endlich seine Liebe gestanden und in meinem Bauch kribbelte es ohne Ende. Ich war glücklich. Im nächsten Moment legte er seine Lippen auf meine und ich gab mich diesem Kuss ohne zu zögern hin. Er war sanft, vollkommen anders, als die anderen Küsse zuvor. Evan umschlang meine Hüfte und hob mich etwas hoch und im nächsten Moment befand ich mich auf seinen starken Armen. Er trug mich die Treppenstufen hoch, ohne den Kuss zu unterbrechen. Einige Sekunden später legte er mich auf dem Bett ab und blickte mich sanft an. „Ich liebe dich.“   Warme Sonnenstrahlen schienen mir ins Gesicht. Müde öffnete ich meine Augen und fand mich in Evans Armen wider. Ich drehte meinen Kopf und bemerkte, dass Evan noch tief und fest schlief. Vorsichtig befreite ich mich aus seinen Armen, stieg aus dem Bett, schnappte mir sein T-Shirt, das neben dem Bett lag und zog es mir über. Unwillkürlich stieg mir sein atemberaubender Geruch in die Nase, der mich sogleich wieder in den Bann zog. Verträumt schaute ich Evan beim Schlafen zu und dachte an die letzte Nacht. Evan und ich hatten miteinander geschlafen und dieses Mal wussten wir beide, was wir taten, denn nachdem Evan mir seine Liebe gestanden hatte, hatte auch ich mich dazu überwinden können, ihm meine Liebe zu gestehen. Was danach folgte, war einfach nur wunderschön gewesen. Ich schüttelte kurz meinen Kopf, um meine Gedanken zu ordnen und verließ dann den Raum. Leise schloss ich die Tür hinter mir und schaute mich in dem langen Flur um. Da ich mich im Haus noch nicht auskannte, musste ich das Badezimmer wohl oder übel suchen gehen. Seufzend schlug ich die linke Richtung ein und wurde auch sogleich bei der ersten Tür fündig. Ich hatte aber auch ein verdammtes Glück! Als ich das Bad betrat, schaltete sich automatisch das Licht an und leise begann Musik zu spielen. Alles war mit weißen Fließen verarbeitet worden. Die Einrichtung allerdings war aus dunklem Holz gehalten. Es war einfach atemberaubend! Nachdem ich im Schrank eine eingepackte Zahnbürste gefunden hatte, putzte ich mir meine Zähne und wusch mir das Gesicht. Danach entkleidete ich mich und stieg unter die Dusche. Das warme Wasser prasselte über meinen Körper und beruhigte mich auf einen Schlag. Wohlig seufzte ich auf und genoss die Wärme, die meinen Körper vollkommen in Beschlag genommen hatte. Als ich mich fertig gewaschen hatte und mein Haar von den Überresten des Shampoos befreit hatte, schaltete ich das Wasser auf eiskalt. Sofort umgab mich eine Gänsehaut. Ich schloss meine Augen und wartete noch einige Sekunden ab, bevor ich das Wasser abstellte und aus der Dusche stieg. Auf einem kleinen Hocker hatte ich zuvor zwei Handtücher bereit gelegt. Eines wickelte ich um meine langen Haare und mit dem anderen begann ich mich abzutrocknen. Im Schrank fand ich eine Bodylotion, mit der ich meinen Körper eincremte. Zum Schluss wickelte ich mir das Handtuch um meinen Körper und verließ das Badezimmer, um mich auf den Weg in unser Schlafzimmer zu machen. Denn dort befanden sich ja noch meine Sachen, die ich jetzt gut gebrauchen könnte. Leise betrat ich das Schlafzimmer und bemerkte, dass das Bett leer war. Wo war Evan denn abgeblieben? „Warst du schon duschen?“ Erschrocken drehte ich mich um und sah Evan, der direkt hinter mir stand. Erleichtert legte ich eine Hand auf meine Brust. „Musst du mich so erschrecken?“, fauchte ich genervt. „Und ja, ich war schon duschen.“ „Tut mir leid, wollte dich nicht erschrecken. Ich hab Frühstück gemacht.“ „Ich zieh mir schnell was an, dann komme ich runter.“ Ich hörte Schritte, die sich entfernten. Ich atmete hörbar aus und betrat unser Schlafzimmer. Schnell hatte ich mir mein Kleid von gestern Abend übergezogen, schaute noch einmal in den großen Spiegel, der neben der Tür hing und verließ das Zimmer. Mit schnellen Schritten ging ich die Treppenstufen hinunter und bog nach rechts. Dort fand ich Evan, der bereits am gedeckten Tisch saß und auf mich zu warten schien. „Du hättest ruhig schon anfangen können“, sagte ich und setzte mich ihm gegenüber auf den Stuhl. Evan lächelte mich sanft an. „Ich warte gerne auf meine bezaubernde Frau.“ Ich wurde leicht rot um die Nase. An sowas musste ich mich wohl noch gewöhnen. „Alter Charmeur!“ Wir fingen mit dem Frühstück an. Es erinnerte mich stark an das Frühstück vom Vortag in dem Hotel, als die Nachricht überbracht wurde, dass Jeff tot sei. Seufzend biss ich in mein Croissant. „Was ist los?“, fragte Evan, der sofort merkte, dass etwas nicht mit mir stimmte. „Ach… weißt du, ich mach mir noch immer Gedanken wegen Jeff. Wir waren zwar zum Zeitpunkt im Standesamt, aber wie kam das Blut an dein Hemd?“ Evan zuckte nur mit seinen Schultern. „Mach dir keine Sorgen. Die Polizei wird den Täter schon finden.“ Damit war die Sache für Evan auch beendet, aber für mich noch lange nicht. Ich musste herausfinden, was in der Nacht wirklich passiert war, nur hatte ich keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte.   Am Mittag saß ich auf der Terrasse und beobachtete kleine Vögel, die in der Mitte des Gartens auf dem Boden saßen. Hier war alles so friedlich und ruhig, obwohl wir mitten in der Stadt waren. Das Grundstück war von einem riesigen Zaun, der mit hochbewachsenem Grün von außen nicht sichtbar war, umgeben. Es sah einfach wunderschön aus. So, als wäre man in einer anderen Welt. Evan trat neben mich, in der Hand hielt er eine Sporttasche. Ich schaute ihn fragend an. „Verreisen wir?“ Nickend setzte er sich neben mich, die Tasche ließ er auf den Boden sinken. „Ja, ich weiß nicht, ob wir hier sicher sind.“ Ob wir hier sicher sind? Was zum Teufel meinte er damit? Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als alles auch schon ganz schnell ging. Man hörte, wie die Tür aufgebrochen wurde und sich Schritte und Stimmen näherten. Ruckartig war Evan aufgesprungen, hatte mich am Arm mit gezogen, schulterte sich die Tasche und hielt plötzlich eine Pistole in der Hand. Ich  hatte ungläubig meine Augen aufgerissen und mir automatisch die Hand vor den Mund gehalten. Wo kam die Waffe her? Und was hatte er damit vor? Im nächsten Moment kamen 5 Polizisten mit Schusssicheren-Westen auf die Terrasse gestürmt. „Evan Peters, Sie werden beschuldigt, Jeff Wadlow getötet zu haben! Hiermit sind Sie bis auf weiteres festgenommen!“, ertönte die schrille Stimme eines Beamten. Ich zuckte heftig zusammen. Evan wurde beschuldigt? Aber wieso? Plötzlich tat Evan etwas, womit ich niemals gerechnet hätte. Er drückte mir die Pistole gegen meine Schläfe und hielt mich an meinem Arm fest. Mich überkam die Panik und ich riss geschockt meine Augen auf. „Keine Bewegung, sonst ist sie tot!“, sagte Evan gefährlich ruhig. Mein Körper begann zu zittern und in meinem Kopf ratterte es. Was tat Evan da? Evan ging ein paar Schritte rückwärts, behielt die Beamten stets im Auge. Mein Puls beschleunigte sich immer mehr, mein Atem ging stoßweise. Ich wusste einfach nicht, was in Evan gefahren war und wie ich aus dieser Situation wieder rauskommen sollte. Und ich blöde Kuh hatte ihm auch noch vertraut! Ich war mit einem Mörder verheiratet! Evan ging weitere Schritte zurück. „So ist es gut, schön brav sein!“ Ich blickte hilflos in die Augen der Polizisten. Wir kamen an eine Art Tor an, als er stehen blieb. „Wenn ich ‚jetzt‘ sage, läufst du so schnell es geht durch das Tor. Dahinter steht mein BMW, steig so schnell es geht ein. Hast du das verstanden?“, flüsterte er mir ins Ohr. Geschockt weiteten sich meine Augen. Spielte Evan das alles nur?! „Jetzt!“ Evan ließ mich los und ich drehte mich so schnell es ging um und nahm die Beine in die Hand. Ich rannte was das Zeug hielt. Schnell war ich durch die Tür gerannt und sprang regelrecht in das Auto, doch Evan kam nicht. Ich hörte Schüsse. Eins. Zwei. Drei. Erneut weiteten sich meine Augen und ich schloss fassungslos meine Augen. Im nächsten Moment sprang Evan ins Auto und fuhr in einem gewaltigen Tempo davon. „Oh Gott, du blutest!“, platzte es aus mir heraus. An seinem Oberarm lief Blut herunter. Schlagartig wurde mir schlecht. Verdammt, reiß dich bloß zusammen und kipp jetzt nicht um! Das sagst du so leicht!! Ich kniff meine Augen zusammen, atmete tief ein und aus. „Das ist halb so wild, mach dir keine Sorgen.“ Evan drückte noch einmal aufs Gas und fuhr auf die Autobahn. Er schaute im Rückspiegel, ob die Polizei uns verfolgte, doch nirgends war jemand zu sehen. Gott sei Dank! Die nächste Abfahrt fuhr Evan von der Autobahn, in ein abgelegenes Waldstück. Er parkte seinen BMW vor einer kleinen Hütte. Erleichtert atmete er aus. „Das ging ja nochmal gut.“ Ich schaute ihn geschockt an. „Nochmal gut gegangen? Sag mal, spinnst du? Was ist da eben vorgegangen? Wie kommst du an eine Waffe? Und wieso verdächtigen die dich?!“ Die Fragen schossen nur so aus mir heraus. Ich war noch immer am Zittern und mir war so unglaublich schlecht, als ich das viele Blut an seinem Arm sah. „Wir müssen deinen Arm verarzten! Hast du einen Erste-Hilfe-Koffer da?“, fragte ich. Nickend stieg Evan aus und holte ihn aus seinem Kofferraum. Mit schnellen Schritten ging er auf die kleine Hütte zu und schloss die Tür auf. Nanu? Die Hütte gehörte also auch Evan? Verblüfft stieg ich aus dem Auto aus und folgte Evan, der sich bereits auf eine Couch gesetzt hatte und sein Shirt gerade auszog. Mir wurde nur noch schlechter und ich konnte ein Würgen nicht mehr unterdrücken. Gott, wieso war ich nur so empfindlich, was Blut anging? „Wenn das alles zu viel für dich ist, dann geh lieber etwas an die frische Luft. Ich kriege das schon alleine hin.“ Ich schüttelte mit dem Kopf und ging in die Küche. Ich nahm mir eine Schüssel, die ich mit Wasser befüllte und setzte mich zu ihm auf die Couch. Ich nahm mir eine Kompresse und säuberte vorsichtig die Wunde. Nachdem das meiste Blut entfernt war, nahm ich mir eine neue Kompresse und benetzte diese mit Desinfektionsmittel. „Das wird jetzt etwas weh tun“, sagte ich, bevor ich die Wunde desinfizierte. Schmerzerfüllt kniff Evan seine Augen zusammen. „Stell dich nicht so an, du bist doch ein Mann!“ Ich legte eine weitere Kompresse auf die Wunde und verband mit einer Mullbinde die Wunde, sodass sie halten würde. „Du hattest Glück. Keine Kugel, war wohl Gott sei Dank nur ein Streifschuss.“ Lächelnd lehnte sich Evan zurück. „Danke, Schwester Melissa.“ Das entlockte auch mir ein Lächeln. Sanft strich ich ihm durch seine Haare, die total durchnässt waren. Schweiß klebte an seiner Stirn. „Ich bin froh, dass es dir gut geht“, hauchte ich. Sanft zog er mich zu sich und legte seine Lippen auf meine. Der Kuss war sanft und ganz kurz. So schnell er begonnen hatte, so schnell war er wieder vorbei. „Ich bin auch froh.“ Ich setzte mich lächelnd auf und brachte das Verbandszeug und die Schüssel weg. „Meinst du, sie finden uns hier?“ „Wenn sie uns dort gefunden haben, werden sie uns hier auch finden.“ Seufzend setzte ich mich zu ihm auf die Couch. „Hast du wirklich nichts mit dem Tod von Jeff zu tun? Ich meine, wie kam denn das verdammte Blut an dein Hemd?“ Zum Ende hin wurde ich immer verzweifelter. Ich wollte einfach nicht, dass es sich um die Wahrheit handelte. Sanft strich er mir über meine Wange. „Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut werden.“ „Ich hoffe es so sehr…“   Durch einen lauten Knall wurde ich aus meinem Schlaf gerissen. Die Tür wurde aufgerissen und erneut stürmten Polizisten die kleine Hütte. Erschrocken weiteten sich meine Augen. Es war zu spät! Evan wurde von einem der Beamten überrumpelt und auf den Boden gedrückt. Mit einem Bein kniete er auf seinem Rücken und drückte ihm an der Schulter, an dem er die Wunde am Oberarm hatte. Evan schrie qualvoll auf. „EVAN!“ Einer der Beamten hatte mich durch meinen Schrei bemerkt und kam nun auf mich zu. Ich griff das erst Beste, was ich kriegen konnte und hielt es vor mich. Ich hätte in diesem Moment so lachen können, wäre die Situation nicht so verdammt ernst. Ich hielt doch tatsächlich eine Bratpfanne in den Händen, die ich krampfhaft festhielt. „Kommen Sie mir nicht zu nahe!“ „Miss Peters, das ist zwecklos.“ Ich schaute ihn verwundert an, doch im nächsten Moment packte mich einer von hinten und ich ließ die Bratpfanne abrupt fallen. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, da wurden mir schon Handschellen angelegt. „Und jetzt raus hier, Miss Peters!“ Mit diesen Worten drückte er mich nach vorne, sodass ich nach vorne stolperte. „Evan! Evan, ich liebe dich!“ Lächelnd blickte Evan mich an. „Mach dir keine Sorgen!“ Unsanft drückte mich der Polizist in den Streifenwagen, schnallte mich an und schloss die Tür. Kurz darauf stieg er neben mich ein, während ein anderer bereits am Steuer saß. „Fahren Sie uns zurück zur Wache!“ Ich schloss meine Augen. Wieder zitterte mein Körper vor Aufregung und einzelne Tränen suchten sich ihren Weg über meine Wangen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)