My Dear Brother 2 von ellenchain (The Humans) ================================================================================ Kapitel 8: Geständnis --------------------- Auf einmal klackte es.   »Hallo ihr beiden! Seid ihr noch zu Hause? Ich bin wieder da!«   Fuck. Kiyoshi kniff sofort die Augen zu, ließ sich komplett auf mir sinken und entließ einen aufgestauten Seufzer, als mein Glied völlig in ihm verschwunden war. Mitten im Akt kam Mom nach Hause. »Sie kommt ungelegen«, knurrte Kiyoshi sichtlich genervt von der Tatsache, dass Mom gerade das Wohnzimmer betreten hatte. »Ja ...« Sehr ungelegen sogar. Ich steckte nicht nur mitten in meinem Bruder drin, sondern badete auch mit ihm zusammen, sodass es eigentlich keine Möglichkeit gab in der kleinen Wohnung zu beteuern, dass wir nichts unanständiges taten. Also räusperte ich mich und holte tief Luft. »Hallo Mom! Wir sind im Bad!« Kiyoshis Blick rügte mich eindringlich, doch ein Schulterzucken meinerseits ließ ihn verstummen. Was hätte ich sonst tun sollen? Schweigen? »Im Bad? Beide? Was macht ihr da?« Ich hörte Moms Schritte näher kommen. Die Tür war zwar geschlossen, aber nicht verschlossen. Wieso auch? Bis gerade eben waren wir noch alleine gewesen. »Äh... Baden?«, formulierte ich die Antwort in eine Frage und räusperte mich kurz. Kiyoshi bewegte sich unterdessen etwas auf mir. Mit einer hektischen Bewegung brachte ich ihn zum stillen sitzen. Das war absolut keine hilfreiche Idee von ihm, mich jetzt zu reiten! »Baden?« Moms Ton wurde spitz. »Zusammen?« Kiyoshi seufzte stöhnend in mein Ohr. Ja, natürlich, mir war jetzt auch nach köperlicher Vereinung, aber vor der Tür stand Mom! Raffte er das nicht? War ich der einzige, der so nervös war gleich in flagranti erwischt zu werden? »Kann man ... so sagen.« Abermals räusperte ich mich, als würden mir die richtigen Worte nur durch anständiges Husten aus dem Mund fallen. Mom hingeben stieß einen gereizten Seufzer aus. »Ich hoffe, das ist ein Scherz.« »Ja, Mom. Voll witzig, oder?« »Hiro!«, schrie sie nun gegen die Tür. »Du kommst sofort aus dem Bad!« Ein Zusammenzucken meinerseits war noch untertrieben. Selbst Kiyoshi blieb auf einmal still und klammerte sich nur noch spärlich an meinem Körper. Das war's wohl. Ende der Fahnenstange.   »Ja«, sagte ich reumütig. So leise, dass man es kaum verstand, so laut, dass es Mom zum Gehen animierte. Mein Liebster sah mich traurig an, streichelte dann meine Wange. Wir hatten so viel verstecken können und nun? Wegen so eine Eskapade fliegte nun alles auf? Ohne ein weiteres Wort zu verlieren küssten wir uns auf die Lippen. Vielleicht war es vorerst der letzte. Langsam erhob sich Kiyoshi von mir und stieg aus der Wanne. Meine Erregung schlaffte unterdessen gänzlich ab, sodass ich keinerlei Probleme hatte auch raus zu gehen. Nur ein Handtuch verdeckte meine Hüften, welches ich gut festknotete. Kiyoshi blieb ratlos im Raum stehen. »Bade ruhig noch was. Das kann jetzt was dauern.« Mit einem hoffnungsvollen Lächeln deutete ich zur Badewanne. »Du wirst hören, wenn die Luft rein ist.« Doch Kiyoshi konnte mein Lächeln nicht teilen. Er nickte zwar, presste noch ein »Es tut mir Leid« raus und verstummte sofort wieder, ehe er sich in das warme Wasser setzte.   Mit einem leichten Seufzer setzte ich mich in Bewegung und öffnete die Tür. Rauchschwaden der stickigen und angeheizten Luft verließen mit mir das Zimmer und verdünnisierten sich in der klaren Luft des Wohnzimmers. Kühle Luft strömte mir entgegen. Mom saß auf dem Balkon und sah stur auf die Straße. Räuspert kam ich auf sie zu. »Hey, Mom. Äh-« Doch sie ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen, drehte sich nur scharfsinnig um und schnauzte mich mit voller Kraft an. »Was denkst du dir eigentlich dabei, hä? Zusammen baden? Ich hör wohl nicht recht! Ihr seid keine 5 mehr!« Mein Blick fuhr zur Seite und fixierte eine Balkonblüte. »Wir haben viel nachzuholen, hm...« »Hiro, verarsch mich nicht immer so!«, brüllte sie weiter. Wenn Mom ausfällig wurde und ihre guten Manieren während eines Gesprächs vergaß, wusste ich, war's ernst. »Ich dachte wirklich ... nein, ich habe gebetet, dass dein Vater mir nur Vermutungen über dich und Kiyoshi weitergibt! Aber was muss ich alles miterleben? Er schläft bei dir im Bett, dein Bett knarzt regelrecht, wie es das letzte Mal bei deiner Freundin getan hat und jetzt? Badet ihr zusammen? Hiro, du sagst mir jetzt sofort was da läuft oder ich schicke ihn umgehend nach Hause!« Die letzten Worte hallten schmerzvoll in meiner Brust, sodass ich die Frau, die mich sonst wie ein Engel auf Erden behandelte, verletzt ansah. »Bitte nicht ... Mom!« »Dann rede!«, forderte sie streng ein. Ihr Blick weichte nicht auf. Sie wurde nicht wieder lieb. Sie blieb eisern. Eine Straßenbahn fuhr ihren Weg durch die Straße und bimmelte ein paar Jugendliche von den Schienen, die laut lachten. Die Vögel um mich herum piepsten, die Ampeln vibrierten, der Wind wehte die Blätter. Und ein großer Vogel umkreiste unser Gebäude. »Hörst du mir zu? Hallo? Bist du auf Drogen?«, fragte meine Mutter ungeniert und rüttelte an meinen Schultern. Doch so schnell sie mich anfasste, so schnell ließ sie auch los. Ein elektrisierender Schlag, so wie ich es kannte, durchfuhr auch meinen Körper. Beschämt sah ich zu Boden. »Nein, Mom, ich bin nüchtern. Nicht mal geraucht hab ich.« Ein leises Seufzen durchfuhr meine trockenen Lippen. Ich suchte nach Worten. Was genau sollte ich ihr jetzt sagen? Dass ich Kiyoshi liebte? Dass ich ein Vampir werden würde? Es schon zur Hälfte war? Dass wir vorhin ein Kaninchen auseinander genommen hatten? »Also ...«, begann ich, brach jedoch wieder ab. Ich bekam keinen Satz zustande. Wie ich bereits erwähnte: Sobald es um mich ging, ich der Schuldige war oder Gefühle eine Rolle spielten, kannte ich nur zwei Zustände: Schweigen oder vorwerfend und gemein werden. Mom seufzte nur und schloss leise die Balkontür, als wüsste sie, dass Kiyoshi aus dem Bad heraus lauschen würde. »Wie ernst ist es?« Da war er wieder. Der ruhige Ton. Der "ich bin jetzt am Telefon und habe einen Liebeskummerpatienten an der Strippe und muss ihm helfen"-Ton. Mein Blick sprach wohl Bände. »Sehr ernst«, gab ich ihr zu verstehen und nickte. Unsicher tastete ich meine Hüften ab. Natürlich nur ein Handtuch. Eine Kippe wäre jetzt schön gewesen. Einfach zur Beruhigung. »Oh, Hiro ... Wie konnte das passieren?« »Ich hab keine Ahnung, Mom. Wahrscheinlich, weil er einfach wie ein fremder Mann für mich ist.« Endlich, dachte ich. Endlich kam mal ein Satz aus mir raus. Und die relativ ruhige Art von meiner Mutter entspannte die Stimmung immens. Auf einmal war ich sau froh, dass sie in einer Beratungsstelle arbeitete. Dass sie Verständnis für meine Probleme hatte. Oder es zumindest glaubhaft heucheln konnte. »Damals am Telefon habe ich dich gefragt, ob du ihn liebst... Erinnerst du dich?«, begann sie und hob beide Augenbrauen, um meine Bestätigung einzuholen. Ich nickte. Und als hätte sie das zufrieden gestimmt, sprach sie ruhig weiter. »Ich frage dich jetzt noch einmal und ich möchte eine ernste und ehrliche Antwort von dir hören: Liebst du ihn?« Ich fühlte mich erniedrigt. Auf der einen Seite, weil meine gefühlte zwei Köpfe kleinere Mutter vor mir stand und sich größer anfühlte, als ich war. Und auf der anderen Seite, dass ich das erste Mal in meinem Leben meiner Mutter gegenüber gestehen musste, was ich mir selber nie eingestanden hätte. Was früher niemals über meine Lippen gekommen war. Was ich niemals auch nur einer Person gebeichtet hätte. »Ja. Sehr sogar. Ich habe mich in ihn verliebt.« Ich zitterte am ganzen Körper und wartete Moms Reaktion ab. Zögerlich sah ich zu ihr und versuchte Tränen zurückzuhalten. Sie presste enttäuscht die Lippen aufeinander. Kein Umarmen. Kein Trösten. Einfach ein enttäuschter Blick. »Ach, Hiro... Ich muss dir... ich muss dir nicht erzählen, dass das nicht geht, oder?« »Mom, du verstehst das nicht! Das-«, platzte es aus mir raus, doch sie hob ihre "Jetzt rede ich"-Hand. »Kiyoshi ist dein Bruder. Dass ihr euch gern habt ist schön zu hören, aber nicht auf dieser Ebene. Das ist Inzucht, Hiro«, sprach sie ehrfürchtig vor ihren eigenen Worten und wurde zum Ende hin immer leiser. »Ich weiß«, stimmte ich ihr knapp zu und wollte schon wieder Luft holen, um mich zu verteidigen, um die Situation weiter zu erklären - doch sie ließ mich nicht. »Ich will auch nicht weiter bohren, das Geständnis reicht mir. Aber eins will ich auch noch ehrlich von dir hören: Hattet ihr Sex? Habt ihr miteinander geschlafen?« Müde schlossen sich meine Lider. Zittrig entließ ich abermals heißen Atem aus meinem Mund. Wieso musste sie das Fragen? Wieso stand das auf einmal zur Debatte? Es hat sie doch sonst nie interessiert, wo ich meinen Penis hatte... »Ja, haben wir.« Das Geständnis tat weh. Ich fühlte mich so offenbart. Auch noch leicht bekleidet auf dem Balkon vor meiner rügenden Mutter. Ich fühlte mich... nackt. Ausgezogen. Seelisch angreifbar. »Verdammt, Hiro!«, zischte sie mir böse zu. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst!« »Doch, Mom.« Ich wusste nicht, woher meine Ruhe kam. Es war wohl die Enttäuschung, endlich alles gesagt zu haben. Die Enttäuschung darüber, dass es jetzt vorbei sein würde. Kiyoshi und ich könnten niemanden mehr täuschen. Zumindest Mom nicht mehr. Die hatte für solche Sachen ein Auge. Und wie mir schien auch ein gutes Gedächtnis. »Hat er dich gebissen, Hiro? Während des Sex? Hat er dich ausgesaugt?« Sie wurde hektisch. Und wahrscheinlich erinnerte sie sich an den einen Abend bei Vater, wo ich noch schwächlich ins Telefon ächzte, dass es mir nicht gut ginge. Sie ahnte es. »Nein. Nur so ... geknabbert.« »Geknabbert? Was heißt geknabbert?« »Boah«, begann ich schnippig, »was man halt beim Sex macht! Mal jemanden anknabbern! Und ja: vielleicht ist da auch mal Blut geflossen, aber nichts geschah ohne meine Einwilligung!« Da erstarrte sie förmlich in ihrer Statue und sah mich entsetzt an. »Er hat... von dir getrunken?« Ihre Worte klangen wie die eines Predigers, der zum ersten Mal in die Augen von Satan blickte. »Ja. Und es war geil«, benannte ich die Dinge beim Namen. Ich fühlte mich auf einmal überlegener als zuvor. Es war eine Sache, die Mom Angst machte. Die ich kannte und in der ich mich gut auskannte. Ich hatte wieder die Überhand. »Du... machst das... nie wieder, verstanden?«, drohte sie mir in einem leisen, fast beängstigenden Ton. Das Gefühl der Überhand schwand wieder sehr rasch. Ich zuckte nur mit den Schultern. »Wahrscheinlich werde ich auch nie wieder mit ihm schlafen dürfen. Dann hat sich das Knabbern auch erledigt.« »Ich bitte doch drum! Hiro... Ich will nicht, dass meine Söhne- « Da brach sie ihren Satz ab und fasste sich an die Stirn. Für eine Mutter zweier Söhne, von denen einer ein Vampir war, der zweite im Kommen, die auch noch bekanntlich schwul waren, sicherlich nicht einfach zu verarbeiten. »Sorry, Mom. Glaube mir... es hat mich genauso überrascht wie dich ...« Da lachte sie verzweifelt auf. »Wie kann man sich in seinen eigenen Bruder verlieben? Hiro, ich hatte gehofft, dass es nur die vampirische Aura ist, die dich in seinen Bann gezogen hat, aber nun!« Abermals warf sie ihre Hände über den Kopf. Ich wusste nicht mehr, was ich noch sagen sollte. Sie hingegen fand noch viele weitere Worte, die sie benutzte, um mich weiter in die Ecke der Scham zu treiben. »Ich kann froh sein, dass es kein Mädchen geworden ist, sonst hättest du sie wohl noch geschwängert! Aber was kommt als nächstes? Wollt ihr auch noch heiraten? Ihr seid eine Woche zusammen! Das lässt hoffentlich nach, sobald Kiyoshi und du wieder getrennt seid! Was hast du dir nur dabei gedacht, deinen Bruder zu verführen?«   Irgendwann schob sich die Balkontür auf. Kiyoshi kam mit gesenktem Blick zu uns raus und legte einen Bademantel um meine Schultern. Dankbar blickte ich in seine Augen und lächelte sogar ein Stück. Mein Liebster erwiderte die Geste. Fast verloren sah er in meine Augen. Mom hingegen schwieg auf einmal und sah uns beide an. »Hört auf... Bitte! Ihr seid Brüder! Verwandt!«, klagte sie abermals und verschränkte ihre Arme. Es war, als stände sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch. »Mutter«, begann Kiyoshi leise und dreht sich von mir weg, um auf sie zuzugehen. Vorsichtig streckte er seine blasse Hand nach ihr aus. Der schwarze Stoff seines Hemdes ließ ihn blasser als sonst aussehen. Vielleicht war es auch die bereits untergehende Sonne am Horizont, die uns alle in ein rot-violettes Licht tunkte. War der Tag wirklich schon bald zu Ende? Wieso verging die Zeit so schnell? Kiyoshis Finger nahmen sanft Moms Hand in seine und drückten sie sanft. »Mutter bitte, verstehe doch, dass... – Hiroshi ist alles für mich geworden. Er ist wie ein Segen für mich. Ein Engel, der mir Halt gibt.« Kiyoshis Worte rührten mich zutiefst. Besonders stark, weil er sie nicht mir, sondern Mom sagte. Einer dritten Person, jemand, der das Band zwischen uns nicht verstehen konnte. »Ich liebe ihn und... ich bin Schuld, dass ich ihn zu dummen Dingen verführt habe. Aber im Nachhinein«, und dabei drehte er sich noch einmal lächelnd zu mir um, »habe ich erfahren, dass er mich genauso sehr liebt. Dass diese Liebe eine brüderliche übersteigt. Und ich danke euch für jeden Tag, den ich mit ihm verbringen darf.« Langsam drehte er sich wieder zu Mom. Die starrte noch immer wie völlig aus dem Ruder geraten auf Kiyoshis blassen Arm, der ihre Hand liebevoll drückte. Eine Geste, die er sonst nur mir zeigte. Als Mom weiterhin auf eine Antwort warten ließ, fuhr Kiyoshi einfach ruhig fort. »Ich weiß, und Hiro auch, dass du und Vater euch Sorgen macht. Dass das offiziell verboten ist und... niemand gerne hört, dass die eigenen Kinder ... homosexuell geworden sind, aber«, und damit holte er tief Luft, setzte seinen sanftesten Blick ein, den er je hatte, »... bitte lass mich hier bleiben. Bei dir. Und Hiro! Ich brauche euch. Besonders meinen Bruder. Ohne ihn wüsste ich nicht mehr, was ich tun sollte.« Da regte sich etwas in Moms Blick. Sie presste ihre Lippen aufeinander, sah verletzt in die Augen ihres Erstgeborenen und schluckte. Sofort suchten ihre Augen auch meine. Ich stand etwas Abseits, soweit das der kleine Balkon erlaubte, in meinem Bademantel und betrachtete das Schauspiel. »Ich ...«, begann sie leise und löste sich langsam von Kiyoshis Griff. »Ich habe nichts gegen Homosexualität. Und auch nichts dagegen, dass meine beiden Söhne... mir wohl keine Enkelkinder schenken können, aber...« Sie rang mit den Tränen, während sie uns betrachtete. »Wieso macht ihr es uns so schwer...? Euer Vater und ich... wir sind am Ende unseres Lateins.« »Mom, wir haben nur eine Bitte an euch beiden: Lasst uns. Wir wissen, was wir tun. Wir leben es nicht aus. Wir verstecken es. Wir werden es niemals publik machen. Niemand wird je davon erfahren, aber ...«, und da machte ich Halt. Kiyoshi nahm meine Worte auf und führte sie fort, während er wieder ein kleines Stück zu mir zurücktrat und meine Hand nahm. »... wir brauchen einander. Wir wollen nicht getrennt werden.« Unsere Blicke trafen sich. Sehnsuchtsvoll sahen wir in die jeweils gegenüberliegenden Augen. Mom schien auf einmal nicht mehr anwesend zu sein. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Kiyoshis Lippen. Dieses konnte ich nur erwidern. Da legte ich wie weggetreten eine Hand auf Kiyoshis Wange und küsste sanft seine Lippen. »Das nennt ihr also ... es nicht publik machen?«, ächzte Mom auf einmal los und schniefte auf. Sofort trennten sich unsere Lippen voneinander; entsetzt sah ich in ihre Richtung. »Mom, nicht weinen... Es nimmt doch niemand Schaden!«, versuchte ich sie zu beruhigen und kam auf sie zu. Doch sie schlug meine Hand weg und schüttelte den Kopf, während sie sich akribisch genau die Tränen unter ihren stark geschminkten Augen wegwischte. »Ich werde mit Fudo reden. Und dann entscheiden wir. Ich sehe... wie sehr ihr einander braucht. Aber trotzdem kann ich euch nicht versprechen, dass wir das so stehen lassen können. Das bedarf.... Zeit.« Mit diesen Worten schlängelte sie sich an uns vorbei, als seien wir zwei Aussätzige.   Stille trat ein, als sie sich in ihr Zimmer verzog und die Tür schloss. Ich hörte Kiyoshi leise ausatmen. Die Anspannung verflog. Wenn auch nur für einen Moment. »Meinst du... es lief gut?«, fragte er zögerlich und tastete wieder nach meiner Hand. Bestimmend griff ich nach seinen Fingern und drückte sie. »Ging so.« Ich schüttelte nachdenklich den Kopf. »Normalerweise... weint sie nicht vor mir. Nicht mal, als sie mich mit Drogen erwischt und aus der Klinik fischen musste... da wurden ihre Augen glasig, aber nicht mehr... « Ich seufzte. Kiyoshi hingegen sah das als gefundenes Fressen, das Thema wieder auf mich zu lenken. »Sie musste dich wegen Drogenkonsum aus der Klinik holen? Hiro! Was hast du dir denn geschmissen?« »Man, irgendwelche Pillen, weiß nicht mehr!«, fauchte ich sofort los und wedelte mit der freien Hand. »Ist doch egal! Jedenfalls ... hat sie es nicht schlecht aufgenommen. Es hätte schlimmer sein können, denke ich. Aber auch besser. Wir werden abwarten müssen.« Ich hatte wirklich gehofft, dass sie es mit dem einen Spruch hingenommen hätte. "So toll sind sie nicht". Mag sein, aber Kiyoshi war so toll. Auch wenn er seine Eigenarten hatte; abgehoben und eitel, ein bisschen sexsüchtig war und vielleicht ein Stück seiner Jugend nachzuholen hatte: Er war trotzdem perfekt. Das machte ihn eigentlich erst perfekt: seine Macken.   »Dann... warten wir?« Kiyoshis Augen trafen meine. Als sie sich leicht verengten, vernahm ich ein strahlendes Lächeln in seinem Gesicht. Seine weißen Zähne glänzten in der untergehenden Sonne. »Was macht dich so glücklich?«, fragte ich und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Es war wahrlich ansteckend. »Du ...«, säuselte er und küsste meine Lippen. »Wir haben uns vor Mutter geküsst... Ist das nicht krass?« Eine leichte Röte trieb sich mir ins Gesicht. »Stimmt ... Oh man, da habe ich wieder mal nicht nachgedacht ...« »Nein, das war perfekt. Es war der perfekte Moment mich zu küssen! So hat sie gesehen... dass wir es wirklich ernst meinen!« »Ich kann nur hoffen, dass sie das nicht noch weiter verstört hat.« Mein Seufzen wurde lauter, als Kiyoshi sich dicht an mich stellte. »Ich denke nicht.« Wir küssten uns erneut auf dem Balkon. Liebevoll wanderten seine Hände um meinen Nacken und drückten mich an ihn. Meine lagen ruhend auf seiner Taille. »Gut siehst du aus...«, murmelte ich und küsste ihn abermals auf die Lippen. Sehnsuchtsvoll seufzte er gegen meinen Mund. »Danke...« Dabei zupfte ich an seinem Hemd. Schließlich löste ich mich etwas von ihm. »So schick. Wieso? Gibt es was zu feiern?« Da hob Kiyoshi eine Augenbraue und sah mich etwas überrascht an. »Wir wollten doch heute Abend mit Jiro weg, oder nicht? In diesen Club.« Sofort raunte ich genervt auf und ließ mich zur Seite gegen das Geländer fallen. »Ach ja! Och nee!« Kiyoshi lachte nur. »Das habe ich verdrängt...«, gestand ich und kratzte mich an der Brust; schob dabei meinen Bademantel zur Seite und gab meinen nackten Körper preis. Kiyoshis Zunge fuhr auf einmal über seine Lippen. Als er sich an mich lehnte und eine Hand fast unbemerkt in meinen Schritt wanderte, brach ich jeglichen Gedanken über den Club ab und sah zu meinem Bruder. »Und... was wird das?«, fragte ich recht leidenschaftlich und strich über Kiyoshis blasse Wangen, die sich sofort danach röteten. »Eine Fortsetzung?«, säuselte er mir ins Ohr und rieb mein Glied. Es dauerte nicht lange und wurde steif. Etwas angespannt ließ ich meinen Kiefer knacken, sah an Kiyoshi vorbei und deutete auf mein Zimmer. »Aber nicht hier. Die Nachbarn sollen nicht wissen, wie groß mein Schwanz ist. Oder deiner.« Ein leichtes Kichern entfuhr meinem Bruder, als er divenhaft mit erhobenen Armen durch das Wohnzimmer lief und die Tür zu meinem Zimmer öffnete. Ich folgte nur langsam, mein steifes Glied dabei im Zaun haltend. Als ich die Tür schloss und den Vorhang zuzog, den Bademantel ins Bad warf und Kiyoshi nackig in mein Zimmer folgte, lag der schon ausgezogen auf meinem Bett. Das erntete nur ein belustigtes Kopfschütteln meinerseits. »Du kleines Biest ...« Grinsend schloss ich die Tür, ging auf meinen erregten Bruder zu und ließ es abermals geschehen. Den göttlichen Sex.   Als die Sonne unterging und ich mit Kiyoshi zufrieden im Bett lag, vibrierte mein Handy. Jiro. »Jo, Alter, wie sieht's aus? Heute Abend? 23 Uhr? Ich warte vorm Eingang! Hab auch Schnaps gekauft ;-)«   Ich grinste und antwortete, dass wir um 23 Uhr dabei wären, trotzdem meine Laune deswegen nicht sonderlich gehoben war. Mehr Schlecht als Recht, zugegebenermaßen. »Geht es dir denn besser?«, erkundigte sich Kiyoshi, der sich noch nackig an meinen Körper schmiegte. »Hörst du noch diese Dinge?« Ich nickte, wog aber mit dem Kopf ab. »Ich versuche es auszublenden. Es geht schon besser als heute früh und heute Nacht. Ich scheine mich daran zu gewöhnen.« »Davon gehe ich auch aus... Irgendwann hörst du das alles nicht mehr, sondern nur noch das, was du auch hören möchtest.« Ein zuversichtliches Lächeln meines Bruders ließ mich es gleichtun. »Ich denke auch. Ansonsten werden die Stimmen eben mit Alkohol ruhig gestellt«, spaßte ich und streckte alle Viere von mir. Hier und da knackten die Knochen. »Nicht so viel, okay?«, bat mich mein Liebster. Besorgt sah er auf meinen nackten Körper, von dem ich die Decke gestrichen hatte. »Wieso? Heute ist abnehmender Mond... du wirst kein Tier, ich fühl mich wieder besser...« Doch Kiyoshis Blick blieb unergründlich. »Komm schon«, versuchte ich es weiter, »das bin ich Jiro schuldig!« »Du bist ihm doch kein Besäufnis schuldig«, mahnte mich Kiyoshi und verdrehte die Augen. »Wenn Vater wüsste, in was für Sachen du mich ziehen würdest.« »Umso besser, dass er es nicht weiß, oder?« Sofort knuffte ich ihn in die Seite. Spielerisch versteht sich. »Hattest du dich jetzt eigentlich bei ihm gemeldet?«, fragte ich in den Raum, während ich mich langsam anzog. Die enge Shorts um meine Hüfte ziehend. .. Die saß auch mal enger ... »Nee. Du?« »Oh man, nein. Hoffentlich hat Mom ihm Bescheid gegeben...« »Gehe ich mal schwer von aus, sonst hätte er schon längst verängstigt angerufen.« Ich nickte und suchte mir ein paar Klamotten raus. Ein normales Shirt mit der Lederjacke würde reichen. Dazu die neue, alte Hose aus dem Norden. Ich liebte sie über alles. Sei es wegen ihres Aussehens oder der Erinnerungen, die ich mit ihr trug. Während ich an meinem Regal stand und mir Nietenarmbänder und Halsketten anzog, stand Kiyoshi ebenfalls angezogen neben mir und bewunderte meinen Schmuck. »Magst du davon was anziehen?«, fragte ich unverblühmt, während Kiyoshi sich einen Ring ansah. »Äh, oh nein ...«, lachte er nervös. »Das ist mehr so dein Style... Ich bin der Lederbandtyp, weiß du doch.« Natürlich wusste ich das noch. Wie er an dem Laden stand und sich die Holz- und Lederarmbänder ansah, als wären es heilige Stücke. »Irgendwann kaufe ich dir ein schönes. Mit einem Holzanhänger.« Dieser Satz zauberte eines der wunderbarsten Lächeln auf Kiyoshis Lippen und ließen mich erschaudern. Dieses Zeichen, etwas Gutes gesagt zu haben, ließ mich aufatmen. Auch wenn alles um uns herum den Bach runtergehen würde: solange Kiyoshi mich noch so anlächeln könnte, wäre es in Ordnung.   Erst, als wir uns im Wohnzimmer die Schuhe anziehen wollten, fiel mir die leere Küche auf. Die dunklen Zimmer. Die ruhige Wohnung. »Mom ist weg?«, fragte ich rhetorisch, nicht auf eine Antwort wartend. »Eigentlich... wollten wir heute doch auch Steak essen«, stellte ich traurig fest und ging in die Küche. Als ich den Kühlschrank aufmachte, sah ich die Stücke Fleisch liegen. Geplant war es also. Die jüngsten Ereignisse jedoch schienen das Fleisch in Vergessenheit geraten zu haben. »Sie verließ die Wohnung wohl, als wir noch miteinander beschäftigt waren.« »Konnte es wohl nicht mehr hören, haha«, lachte ich nervös und kratzte mich im Nacken. Dabei waren wir dieses Mal wirklich leise gewesen! »Frage mich nur... wo sie hin ist.« Vielleicht zu einer Freundin? Einer Arbeitskollegin? Vielleicht auch einfach in die Stadt, um mal einen kühlen Kopf zu bekommen.   Auf dem Weg nach unten, ging ich noch in der Waschküche vorbei und schmiss eine Waschmaschine an. Es dauert ein bisschen, bis wir herausgefunden hatten, was genau wir drücken mussten, aber irgendwann lief sie. Beruhigt, dass ich es geschafft hatte, Wäsche zu waschen, ging ich mit Kiyoshi an der Hand hoch. Die würde ich morgen hoch holen und aufhängen, dachte ich mir und summte vor mich hin. Kiyoshi hingegen blieb still, sah in den Innenhof, an dem wir vorbeigingen. »Ihr Auto ist weg.« »Vielleicht ist sie irgendwohin gefahren. Manchmal macht sie das, wenn wir Streit hatten.« Manchmal war gut. Das war bisher zwei Mal vorgekommen. Und da hatten wir noch nicht einmal richtig Krach. Aber es war ihr Verhalten, mit schwierigen Dingen umzugehen. Erst einmal fliehen, dann darüber nachdenken und sich der Sache noch einmal stellen, wenn sie sich gewachsen dafür fühlte.   Als ich mit Kiyoshi an der Hand die lange Straße zur Stadt entlang schlenderte, bemerkte ich hier und da verwirrte Blicke. Natürlich sah es komisch aus, wenn Zwillinge, ausgewachsen, männlich, händchenhaltend durch die Straßen liefen. Aber was soll's. Who cares. Just in dem Moment blieb Kiyoshi stehen. Ich tat es ihm gleich und sah ihn verwundert an. »Was ist?« Sein Blick galt einer Seitengasse. Sie war gut mit Menschen gefüllt, trotzdem es Sonntag war. Doch in der Ferienzeit machte man anscheinend keinen Unterschied bei den Wochentagen. Die Leute lachten, sauften und gröhlten wie wild rum. »Spürst du das?«, fragte er und konnte seinen Blick nicht abwenden. »Nicht wirklich ...«, murmelte ich und lauschte. Doch nichts war zu vernehmen. Die Leute um uns herum waren zu laut. Kiyoshi zögerte, nickte dann aber zustimmend und lächelte. »Dann hab ich mir das wohl eingebildet.«   Mit diesen Worten gingen wir weiter in die volle Innenstadt. Erst, als ich den großen Vogel am Himmel sah, wurde mir bewusst, dass das nicht mehr Zufall sein konnte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)