Kleine Augenblicke von Goetterspeise (Eine Geschichte über Aufzüge) ================================================================================ Kapitel 13: Eine Geschichte über Liebe -------------------------------------- 19. Oktober Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick. Ich denke auch nicht, dass ich Sasuke liebe. Es ist eher eine Verknalltheit – das angezogen fühlen, wie Ino meinte. Allerdings machte es das nicht besser, als ich am nächsten Morgen aufwachte und mich mit tierischen Kopfschmerzen daran zurückerinnerte, was ich gestern getan hatte – und vor allem an seine Reaktion. Dieser Blick! Ich drückte mein Gesicht tief in mein Kissen und schrie hinein. Das konnte doch nicht wirklich mein Ernst gewesen sein. Ich konnte es ihm noch nicht einmal übel nehmen, dass er mich anschließend eisern angeschwiegen hatte (zum Glück wurden wir kurz danach aus dem Aufzug geholt). Wie kam ich nur auf so eine bescheuerte Idee? Diese Frage kann ich mir auch eine Woche später immer noch nicht beantworten und bin ausgesprochen froh, dass nicht nur ich versuche, Sasuke aus dem Weg zu gehen, sondern auch er kein Bedürfnis zu verspüren scheint, mich zu sehen. Obwohl dieser Gedanke dennoch einen Stich in meinem Herzen hinterlässt. Nicht, dass es jetzt gebrochen wäre oder so, ich glaube eher, es hat etwas mit meinem Ego zu tun, das mit Sasukes Abweisung nicht sonderlich gut zurecht kommt – und mit Scham. Zumindest rede ich mir das jedes Mal ein, wenn ich durch den Türspion schaue, um zu sehen, ob Sasuke gerade in der Nähe ist, bevor ich meine Wohnung verlasse. Tatsache ist aber, dass ich ihn zwar nicht liebe (wie denn auch, wenn man jemanden so wenig kennt?), aber mir dennoch seine Nähe wünsche, die ich leider bisher kaum habe genießen dürfen. Und das einzige Mal, als er es wirklich zugelassen hat, war ich zu betrunken, um es mir richtig einzuprägen und habe ihn dann auch noch gleich mit diesem dummen Kuss verscheucht. Und erneut taucht die Frage in meinem Kopf auf. Wieso? Ich weiß es nicht, ich kann mein betrunkenes Ich nicht verstehen. Kein bisschen. Und Ino macht es mir auch nicht einfacher, weil sie seit gut zehn Minuten neben mir auf der Couch sitzt, die Beine angewinkelt, und lacht. Nicht durchgängig, aber immer, wenn ich glaube, sie hat sich endlich wieder eingekriegt, verfällt sie erneut in schallendes Gelächter. „Na danke“, flüstere ich gereizt vor mich hin und erdolche Ino mit finsteren Blicken, während diese erneut vergebens versucht, sich zu beruhigen. „Sorry. Ich finde … also ich freue mich total, dass du mal was riskiert hast“, erklärt sie mir mit ernstem Blick, bevor sich erneut ein breites Grinsen auf ihr Gesicht schleicht. „Nur vielleicht hättest du vorerst mal mit ihm reden sollen?“, fährt sie fort. Ach nein. Als wäre ich auf diese Idee nicht selbst gekommen. Und als hätte ich mir nicht genau das vorgenommen. Langsam angehen lassen. Nichts überstürzen. „Schau nicht so. Du kannst ja immer noch mit ihm reden“, schlägt Ino mit einem Zwinkern vor. „Schließlich könnt ihr beide nach wie vor sprechen. Warum dann nicht miteinander?“ „Weil Sasuke Uchiha nicht redet“, erwiderte ich gereizt. Das ist mir einfach zu viel. Wie ich schon feststellte, bin ich höchstens etwas in ihn verknallt, aber dafür stört es mich viel zu sehr, dass es gerade so scheiße läuft. Mein Herz dürfte es ruhig weniger kümmern als es das tut. „Gut. Dann redet er halt nicht. Aber du. Geh rüber, klopf und sag ihm, was du von ihm willst. Oder erfinde eine Ausrede, die euch peinlich berührt zurücklässt und die Wahrheit somit für ewig unausgesprochen zwischen euch stehen wird.“ „Ha ha.“ Ino erhebt sich plötzlich und ich folge ihr mit meinem Blick, als sie in die Küche geht, den Kühlschrank öffnet und eine Packung Eis aus dem Gefrierfach nimmt. Sie holt einen Löffel aus der Schublade neben dem Herd und kommt wieder zurück ins Wohnzimmer, um mir wortlos, aber bestimmt, das Eis in die Hand zudrücken. „Das wäre dann meine einzige Idee. Ich glaube nämlich nicht, dass du deinen Kummer gern in Alkohol ertränken willst, da er doch schuld daran ist“, erklärt sie mir auf meinen fragenden Blick ihre Aktion. Mit einem Murren öffne ich die Packung und beginne mir das Eis ins den Mund zu schaufeln. Manchmal hasse ich sie wirklich dafür, dass sie weiß, was ich brauche, bevor ich es selbst überhaupt erahne. Nur das Auslachen davor hätte sie sich wirklich sparen können. In diesem Zustand kann ich allerdings auch nicht mehr sprechen und so beginnt nun Ino mir ihr Liebesleben bis ins kleinste Detail zu erzählen – und wie ich es schon ahnte, es läuft um einiges besser als bei mir. „Und der Sex im Aufzug erst. Erotisch und voller Leidenschaft“, schwärmt sie mir übertrieben vor, da Ino nun einmal ein Mensch des Übertreibens ist. „Der Aufschug, vor demsch du Angscht hattescht?“, frage ich mit vollem Mund und verdrehe bereits innerlich die Augen. „So habe ich das nicht gesagt. Er ruckelt eben etwas mehr als andere. Das ist alles. Und ich hatte danach Abdrücke auf meinem Rücken von diesen Schrauben im Metall, aber das war es auf jeden Fall wert“, widerspricht sie mir sofort und ich nicke zustimmend, um meine Ruhe zu haben. „Na dann.“ Zumindest kommt eine von uns auf ihre Kosten. „Und … da wäre noch etwas“, fährt sie fort und ich bin mir sehr sicher, dass sich ein Rotschimmer auf ihren Wangen ausbreitet. Oh nein. Bitte nicht das. „Ich glaube … ich mag ihn. Also so wirklich“, erklärt Ino mir schüchtern und ich verschlucke mich beinahe an meinem Löffel Eis, obwohl ich es doch bereits geahnt hatte. „Aha“, bringe ich gerade noch so heraus und wünsche mir augenblicklich, etwas Sinnvolleres über die Lippen gebracht zu haben. Aber Ino ist so in ihrem Verliebt-sein-Rausch, dass sie gar keine Antwort von mir erwartet. Wie meistens eben. Ich meine, ich freue mich für sie. Genauso wie für alle anderen Pärchen um mich herum, ob ich sie nun kenne oder nicht, aber gerade ist einfach ein ganz mieser Zeitpunkt, um mir freudestrahlend von den ersten großen Gefühlen zu erzählen, die man für eine andere Person hat. Missmutig und auf Durchzug schaltend, mampfe ich deswegen den Eisbecher komplett leer und schäme mich gleichzeitig dafür, dass ich Ino nicht mehr Beachtung schenken kann. Aber wenn ich das tun würde, müsste ich am Ende noch heulen, weil ich es mir auch wünsche. Und weil ich vor Neid zerfressen bin und mich das wütend auf mich selbst werden lässt. Dabei will ich es mir gar nicht wünschen. Ein schreckliches Gefühl jagt sozusagen das nächste in mir drinnen. Ich hätte ihr Hinatas Nummer geben sollen, als ich die Chance dazu hatte, dann würden sie sich jetzt gegenseitig vorschwärmen, wie toll ihre Freunde sind und ich könnte allein und deprimiert auf meiner Couch sitzen und vor mich hinstarren. Es ist aber auch herzlos von Ino, mir ihr Glück unter die Nase zu reiben. Was erwartet sie denn, wie ich reagiere, wenn es mir selbst im Moment so mies geht? Oder muss ich mich für sie freuen, weil sie meine beste Freundin ist und man das einfach so macht? Klar, will sie es mir als erstes erzählen und unter normalen Umständen wäre ich überglücklich deswegen. Aber es ist nun einmal ganz schlechtes Timing. So schlechtes Timing, dass ich gar nicht mitbekomme, wie sie sich plötzlich erneut erhebt und mir den leeren Becher aus der Hand reißt. „Er hat dir nichts getan“, erklärt sie mir mit einem mitfühlenden Blick und ich kann mir gerade noch eine bissige Antwort verkneifen. Das nächste Mal malträtiere ich sie eben mit dem Löffel. „Magst du mich noch nach unten begleiten?“, fragt sie mich und in Ermangelung einer besseren Beschäftigung, zucke ich mit den Schultern und erhebe mich. Auf dem Weg nach draußen, schmeißt sie den Becher weg und ich bin froh, dass wir das Thema Sai nun endlich abgehakt haben. Ich sollte eigentlich nicht so genervt von ihr sein, aber das fällt mir manchmal wirklich schwer, wenn sie so … so Ino ist. Zumindest bleibt mir ihr Geschwärme auf dem Weg nach unten erspart und ich beantworte ihr nur zu gern ein paar banale Fragen über meine nächste Schicht, die Hausarbeiten, die noch anstehen und wann ich mich endlich für eine Fachrichtung entscheide. An den Briefkästen bleiben wir schließlich stehen und Ino umarmt mich fest. „Danke dir. Ich weiß, dass du im Moment nichts von Beziehungen hören möchtest. Aber du bist einfach die erste Person, der ich alles erzählen möchte und dann ist es schwer, es nicht zu tun“, flüstert sie mir ins Ohr und drückt mich noch einmal an sich, bevor sie wieder von mir ablässt. „So schlecht geht es mir nun auch nicht“, winke ich nonchalant ab. Es geht mir schließlich nicht schlecht … nur ein bisschen mies. „Wenn du das sagst“, erwidert Ino mit einem Augenzwinkern. „Ruf mich auf jeden Fall an, falls was sein sollte.“ „Klar.“ Ich hasse sie gerade wirklich für ihr ausgesprochenen Gewissensbisse und ihre lieben Worte. Jetzt fühle ich mich noch schlechter, weil ich ihr nicht zuhören konnte. Ino verabschiedet sich und ich nutze die Gelegenheit, um in meinem Briefkasten nach neuer Post zu schauen. Werbung. Werbung. Werbung. Und oh, eine Rechnung. Die Flyer und Prospekte schmeiße ich ungelesen in den Mülleimer, der vom Hausmeister geistesgegenwärtig im Eingangsbereich hingestellt wurde und mache mich anschließend zurück auf den Weg zum Aufzug, der sogar offen steht als würde er auf mich warten. Er und … Sasuke. Mein Herz macht einen verräterischen Hüpfer und ich verfluche mich für meine Gefühle, die allein sein Anblick in mir auslösen. Also tief durchatmen und so tun als wäre nichts gewesen. Das schaffe ich. „Warte. Hältst du den Aufzug für mich auf?“, rufe ich ihm deswegen zu und beschleunige meinen Schritt. Doch Sasuke schaut mich nur mit ausdrucksloser Miene an und bewegt sich keinen Zentimeter, weshalb die Türen sich schließen, als ich auf halbem Weg dorthin unterwegs bin. Wie erstarrt bleibe ich stehen und kann es einfach nicht fassen, was er da gerade getan hat. Ja, gut. Ich habe ihn vor ein paar Tagen betrunken geküsst und das war sicher nicht clever und hat nicht dazu beigetragen, dass wir uns näher kommen. Aber meine Fresse, was ist das für ein Arsch, wenn er nur deswegen nicht den Aufzug für mich aufhält? Und nein, ich bin nicht so sauer, weil mein Herz gerade ein klein wenig bricht – schließlich bin ich nicht in ihn verliebt! Ich bin sauer, weil man das einfach nicht macht. Nur mal fürs Protokoll. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)