Waiting for Superman von fragile ================================================================================ Prolog: Super Heroes -------------------- Comics waren meine erste Lektüre, bevor ich überhaupt die erste Klasse besuchte. Wirklich lesen konnte ich nicht, aber das störte mich kaum. Ich schwärmte hauptsächlich von den Zeichnungen und fieberte bei jedem Heft mit. Sie prägten mich und begleiteten mich mein ganzes Leben lang. Sie waren meine Beschützer, meine Zuflucht. Auch wenn ich oft eine lange Lesepause einlegte, kehrte ich immer wieder gerne zu den Highlights der Superhelden-Sparte zurück. Wahrscheinlich, weil ich noch immer darauf hoffte, selbst in einem Action- Comic zu landen, in dem es um die Definition der Grenzen zwischen Gut und Böse ging und fast schon flatterhaft die Liebe hin und wieder zwischen einigen Zeilen zu erkennen war. Jeder Held brauchte eine Frau, die er erretten konnte. Oder nicht? Welche Frau will denn schon keinen Helden? Am besten noch einen, mit einem Doppelleben. Das und die ganzen Dilemmata, die ein solches Superhelden-Leben mit sich brachten, ließen mein Herz so aufgeregt in meiner Brust trommeln, wie schon lange nicht mehr. Stellt euch doch mal vor, Green Lantern leuchtet euch den Weg aus der Dunkelheit mit seinem sexy hautengen Anzug. Ja, der Name war bescheuert – und ja, der Ring und die Laterne waren irgendwie… skurril, aber attraktiv war er schon. Und der Ring war magisch. Im wahrsten Sinne des Wortes. Was auch immer du dir wünschen würdest, allein mit deinem Willen und deiner Fantasie könntest du es erschaffen. Um dessen Ring würdig zu sein, galt es sich seinen Ängsten zu stellen. Im Leben einen Schritt vorwärts zu machen, ohne zu zögern. Ich wäre dem Ring nie würdig gewesen. Nur allzu gern ging ich eher einen Schritt zurück, um eine mögliche Konfrontation zu vermeiden. Und dann zerfloss ich in Selbstmitleid, über meine mangelnde Charakterstärke, die eigentlich existent, aber in einem Schlummermodus verfallen war. Mir entfloh ein Grummeln und ich rutschte auf meinem schwarzen Koffer herum. Es waren eisige Temperaturen, dabei hatte sich der Sommer erst vor wenigen Tagen verabschiedet. Meine Gedanken huschten zu Batman und dessen starke Muskeln. Gab es einen männlicheren Superhelden als ihn? Dieses Dunkle, das ihn umgab, ließ mich oft frösteln. Selbstjustiz war natürlich nicht unbedingt das Beste… und er war in den Jahren noch düsterer geworden, als zu Beginn. Dennoch zögerte nicht mal Batman, eine Frau in Nöten zu retten. Batman vermied es, seine Gegner zu töten und er besaß keinerlei übernatürliche Kräfte. Er eroberte mich mit seinem Intellekt. Er war ein gebrochener Charakter, dennoch versuchte er, die Welt um ihn herum neu zu erschaffen. Ich hingegen unterwarf mich den gesellschaftlichen Normen. Sträubte mich dagegen, auch nur ansatzweise gegen den Strom zu schwimmen. Die Gesellschaft formte die Regeln und ich war gewillt, diesen immer zu folgen. Dennoch landete ich hier. Irgendwo in der Innenstadt. Auf einem Koffer sitzend und umgeben vom flackernden Licht der Straßenlaterne, die eigentlich auch aus sein könnte, denn die erzeugte Helligkeit wurde im Sekundentakt unterbrochen. Ich hätte mich unwohler gefühlt, wäre der Supermarkt auf der gegenüberliegenden Straße bereits geschlossen. Seltsamerweise fühlte ich mich sicherer und entspannte, sobald meine Augen eine alte Dame aus dem Markt gehen sahen. Hin und wieder malte ich mir aus, was passieren würde, wenn ein Kleinkrimineller einer Frau die Tasche stahl. Und gerade als ein schriller Laut des Schreckens und der Empörung ihre Kehle verlassen würde, käme schon Spiderman um die Ecke geschwungen. Der Underdog unter den Superhelden. Während Batman als Bruce Wayne ja nun wirklich nichts zu jammern hat und Superman allein mit einem Fingerschnippen die Welt verändern könnte, muss good old Spidey täglich um die Miete kämpfen. Und ich? Ich war seit drei Monaten und vierzehn Tagen arbeitslos. Der Antrieb fehlte. Ich sollte mir eine Scheibe von Spiderman abschneiden. Obwohl er für seine Heldentaten kaum Anerkennung bekam, gab er dennoch nie sein Leben auf. Er zog sich trotz dem mühseligen Geldverdienen am Tag, jede Nacht sein Kostüm über und rettete immer wieder Mary Jane. Mir entfuhr ein Seufzen. Ich würde sofort mit Mary Jane den Platz tauschen. Und noch viel lieber hätte ich mit Lois Lane den Platz getauscht. Warum? Weil sie Superman’s Herz besaß. Außerdem war sie hübsch und erfolgreich in ihrer Arbeit. Ja, ich weiß, Superman war die Bild-Zeitung unter den Superhelden. Er konnte superschnell um die Welt fliegen und dabei die Zeit zurückdrehen. Das war vielleicht ein wenig übertrieben. Bei dem Gedanken rollte ich mit den Augen. Aber seine Macht war schon ziemlich sexy. Außerdem hielt ihn nicht nur Kryptonit in Schach, sondern sein eigener moralischer Anspruch, der Hüter und vor allem das Vorbild für die Menschen zu sein. Es war eine Super-Gratwanderung den Menschen die Freiheit zu lassen, sich zu entwickeln, ob sie dabei Böses oder Gutes taten. Superman half den Schwachen, schützte sie und ermutigte sie stets – eine wahrhaft heroische Aufgabe. Und diese kleinen Geschichten um Clark Kent und Lois Lane, hach. Superman war der schmuckste von allen. Die Locke musste zwar nicht unbedingt sein, aber Optisches konnte man immerhin immer ändern. Ich zog meinen Mantel näher und stieß warme Luft aus meinen Lungen. Hier saß ich also nun. Vor der Wohnung meines besten Freundes, den ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ich besaß weder einen eigenen Wohnsitz, noch einen Job und mein ganzer Besitz war in meinen schwarzen Koffer gepresst worden. Und warum? Weil irgendwann auf meinem Weg eine Mauer erschien, die ich nicht überspringen konnte. Es ging nicht. Superman hätte mich packen und drüber fliegen können, aber Superman war nicht da. „Was machst du hier?“ Seine tiefe Stimme ließ mich zusammen zucken und ich schielte unter meinem fransigen Pony nach oben. „Ich warte“, gab ich zischend als Antwort. Auf ihn hatte ich sicher nicht gewartet. „Hn. Worauf?“ Ich lachte freudlos auf. „Auf Superman.“ Er hob eine seiner fein geschwungenen Augenbrauen und Amüsement blitzte in seinen Augen. Ich blies die Backen auf. „Er verspätet sich nur“, grummelte ich. „Ach, tut er das?“ „Er sitzt bestimmt in einem Waschsalon und wäscht sein Cape“, nuschelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Natürlich.“ Ein leises Lachen verließ seine Kehle und ich bekam Gänsehaut. Sasuke Uchiha war Narutos Mitbewohner. In der Schule waren die Beiden ein seltsames Gespann an Freunden, die sich eher rivalisierend gegenüberstanden, als sich gegenseitig Trost und emotionalen Halt zu schenken. Dennoch erzählte Naruto immer mit einem breiten und treudoofen Grinsen, dass Sasuke Uchiha auf verworrene Art und Weise sein Bruder war. Ich kickte einen kleinen Stein gegen seinen Fuß und drückte mein Comic schützend an meine Brust. „Komm jetzt. Naruto verspätet sich.“ Ich zögerte, was ihn genervt aufseufzen ließ. „Du kannst auch drinnen auf deinen Superman warten.“ Ein erneutes Seufzen verließ meine Kehle und ich stand auf. Mit einem müden Blick bedachte ich Sasukes Rücken. Wenn jemand sowas von überhaupt nichts mit einem Helden gemeinsam hatte, dann war er es. Sasuke Uchiha war der Antiheld, der sich nie ein Cape um die Schultern schwingen würde. Ich erwischte mich dabei, dass mich dieser Gedanke etwas traurig stimmte, als ich Narutos lautes Lachen hinter mir vernahm. Das war der Beginn eines neuen Kapitels in meinem eigenen Comic, in meinem Leben. Und da sollte sich schleunigst etwas ändern... Kapitel 1: Hulk – The misunderstood hero ---------------------------------------- Ich ließ mit einem lauten Ächzen meine Tasche fallen und lehnte mich gegen einen der vier Esszimmerstühle, von denen Naruto mir schon vor Jahren am Telefon vorschwärmte. Immerhin hatte er sie selbstständig auf einem Flohmarkt ersteigert. Sasuke allerdings war überhaupt nicht von diesem Farbchaos begeistert und als Naruto einen Kurztrip nach Europa machte, übermalte sein Mitbewohner die Sitzmöglichkeit mit einem hellen Braunton und als klitzekleines Entgegenkommen, hatte Sasuke eigenhändig bunte Kissen gekauft. Orange, dunkelblau und flieder. Und auf einem Stuhl befand sich tatsächlich ein rosanes. Ich lächelte bei dem Gedanken daran, dass jeder von uns seinen eigenen Stuhl hatte und rätselte, wie oft Sasuke wohl die bunte Farbe übermalen musste, dass nichts mehr davon durchschimmerte. Millisekunden ließ es ihn sogar nett wirken, aber ich verwarf den Gedanken schnell wieder, als er mir einen spöttischen Blick zuwarf. Mistkerl. „Habt ihr nie an Pflanzen gedacht?“, brachte ich über meine Lippen als ich feststellte, dass wirklich nirgends etwas Grünes stand, dass den Raum mehr Leichtigkeit hätte zusprechen können. Sasuke hob eine Augenbraue und lehnte sich lässig gegen den Tresen. „Ich hab sie alle überwässert“, lachte Naruto. „Und jetzt weigert sich Sasuke, nochmal irgendwas Blumiges hier rein zu bringen.“ Auf seinem Gesicht lag ein breites Lächeln, als er sich auf den Stuhl neben mich fallen ließ und Sasuke betrachtete. Ich erwischte mich kurz dabei, wie ich mir vorstellte, wie die beiden abends hier saßen, eventuell ein Bierchen gemeinsam tranken und der Blondschopf überdreht von seinen Erlebnissen des Tages erzählte. Hin und wieder würde der Ansatz eines Lächelns auf den Zügen von Sasuke erscheinen und gegen Ende käme wie früher nach den Erzählungen Narutos ein „Sei endlich still, Dobe.“ Sie hatten beide einen guten Job bei der Renovierung gemacht, was die Küche betraf. Viel mehr hatte ich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht gesehen. Der Flur war ziemlich kahl mit seinen weißen Wänden und dem hellen Laminat. Hier fühlte ich mich schon relativ wohler. Die Backsteinwand hinter dem Herd hatten sie nie geändert, weil es Sasuke so gut gefallen hatte. Naruto erzählte bei einem Telefonat, wie Sasuke schon gleich zu Beginn darauf bestand, dass dieser rustikale Part der Wohnung bestehen blieb und Naruto hatte da nichts dagegen. Gut, zu Beginn wollte er eine orangene Wand hinter dem Herd, aber Sasuke setzte sich durch. In Sachen Sturkopf standen sie sich nichts nach. Und zu viel Bunt war nun auch nicht das Wahre. Klare Linien und Strukturen. Auch wenn man eher daran zweifelte, war Sasuke eher der altmodische Typ. Aus früheren Erzählungen von Naruto mochte Sasuke dunkle Möbel aus Holz, während er selbst weiße bevorzugte. In diesem Raum hatte eindeutig Sasuke seine Finger im Spiel, was wohl daran lag, dass er wirklich gern kochte. Jedenfalls war das früher so, auch wenn keiner ihm die Rolle des Kochs wirklich zugesprochen hätte. Ich lächelte, als mir Narutos Aussage in den Sinn kam, dass sein bester Freund auf Lebzeiten nur jemand sein konnte, der ihm was Leckeres auf den Tisch setzen konnte. Vorzugsweise Ramen in allen Variationen und mindestens einmal pro Woche. Eine seltsame Vorstellung, dass Sasuke zustimmte, ihm einmal pro Monat Nudelsuppe zu machen. Die beiden waren ein merkwürdiges Zweiergespann. Über der kleinen Kücheninsel hatten sie zwei Kupferlampen angebracht, die den Raum in ein warmes Licht tauchten. Die restlichen Wände waren in einem schönen Braun, dass sie wohl mit einem Beerenton gemischt hatten. Die Vorhänge waren cremefarben und ich war wirklich überrascht, wie wohnlich es sich anfühlte, trotz den fehlenden Pflanzen. „Sakura, willst du einen Tee?“, fragte mich Naruto. Seine Augen glitzerten fröhlich und mit schnellen Schritten am Schrank und fischte eine hellgrüne Tasse heraus, um sie mit lautem Summen neben dem Wasserkocher abzustellen. Ich fühlte mich bei Naruto immer wohl und bereute es, dass ich den Kontakt nicht aufrecht erhalten hatte. Und es lag nicht daran, dass er sich nicht mehr meldete. Ich war Schuld und konnte es ihm zu keinem Moment verübeln, dass er sich auch nicht mehr so sehr in Zeug legte. Aber einmal pro Woche erhielt ich immer eine Naruto-Typische SMS. Meistens in Form eines Fotos. Von seinem Essen. Ich grinste und befühlte die glatte Oberfläche des Tisches. Deutlich spürte ich Sasukes Blick auf mir und mein Nacken begann unangenehm zu kribbeln. Es war als suchte er nach Gründen für mein Versagen. Ich japste nach Luft und konzentrierte mich auf Naruto, der sich zum Radio drehte und es anschaltete. „Es ist wirklich schön, dass du wieder hier bist. Dobe und ich hatten es erst vor kurzem von dir“, plapperte er und schnappte sich einen Teebeutel, den er in die Tasse beförderte. „Immer noch am liebsten Schwarztee, oder?“ Ich nickte. „Ihr habt von mir geredet?“ Sasuke bewegte sich zum Radio und drehte es leiser, bevor er sich zum Kühlschrank begab und sich ein Bier herausholte. Ich spürte ein kleines Lächeln auf meinen Zügen. „Vor zwei Wochen war doch Jahrmarkt. Überall Zuckerwatte“, er deutete auf meine Haare, „da ging es gar nicht anders, als an unsere Sakura zu denken.“ Unsere Sakura. Ich errötete und strich meinen schwarzen Rock glatt. „Hm, hattet ihr viel Spaß?“ Er nickte und goss das nun heiß gewordene Wasser in meine Tasse. „Sakura, du weißt, dass ich immer ein offenes Ohr für dich hab, oder? Und Teme, der sowieso.“ Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht und ich bedankte mich leise. Das schlechte Gewissen warf sich von hinten auf mich und schmetterte mich zu Boden. Ich bekam von Sekunde zu Sekunde weniger Luft. In mir köchelten die Gefühle. „Ich, hm, seid mir nicht böse, aber ich würde mich gerne hinlegen.“ Naruto bedachte mich mit einem seltsamen Blick, den ich nicht deuten konnte, während Sasuke einen kräftigen Schluck seines Getränks zu sich nahm. „Ok, ich zeig dir mal das Zimmer.“ Wir standen auf und ich folgte Naruto mit meiner Teetasse in den hinteren Teil der Wohnung. Er deutete auf eine Tür und erklärte, dass sich dort das Badezimmer befand und ich darauf achten sollte, ob das Schild grün oder rot war, da der Schlüssel irgendwann einfach weg war. Lachend kratzte er sich am Kopf und flüsterte mir zu, wie sauer Sasuke gewesen war. Wir blieben an der letzten Tür auf der linken Seite stehen. „Das ist unser Spielzimmer“, erklärte er stolz. „Auch wenn Teme es nicht zugibt, ich mach ihn immer wieder fertig.“ Er öffnete die Tür und hielt sie mir auf. Das Zimmer war weniger schön eingerichtet als die Küche und ließ darauf schließen, dass hier die Renovierung noch nicht so ganz abgeschlossen war. „Tut mir Leid, dass es noch nicht so wohnlich ist, aber wir hatten einfach keine Zeit. Oder keine Lust.“ Als erstes fiel mir der kleine dunkelbraune Teppich auf, der vor der olivgrünen Couch lag. „Kein Bett?“, fragte ich etwas enttäuscht. Das hieß wohl, dass ich auf dem alten Ding schlafen musste. Sicher war es durchgelegen und unbequem. „Ist wohl nichts für die Prinzessin“, bemerkte Sasuke und lehnte sich an den Türrahmen. Ich rollte mit den Augen und winkte ab. Die Tasse stelle ich vorsichtig auf dem Glastisch ab. Wenn ich mich nicht irrte, waren das die alten Möbel aus Narutos Jugendzimmer. Seufzend ließ ich mich auf dem Monstrum nieder und ließ den Blick schweifen. Weiße Wände ohne Fotos oder Farbe, ein heller Boden, an dem ganz deutlich die Dellen zu erkennen waren. Es gab ein einziges Fenster, das am Tag Licht spendete, in der Nacht brauchte man gar nicht die Zimmerlampe anmachen, denn draußen stand direkt die Straßenlaterne. „Sorry, Sakura“, seufzte Naruto. „Wenn es dir gar nicht gefällt, kannst du auch in meinem Zimmer schlafen.“ Ich schüttelte den Kopf und schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Ach, das geht schon. Ich will ja nicht für Ewig bleiben.“ „Hoffentlich“, brummte Sasuke und bevor ich ihm einen mürrischen Blick zuwerfen konnte, hatte Naruto ihm schon gegen das Schienbein getreten. Ein schrilles Telefonklingeln ließ Naruto aufhorchen und mit einem lauten „Ich geh ran!“ verließ er das Zimmer. Sasuke schnaubte und folgte ihm kopfschüttelnd. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und griff nach dem giftgrünen Kissen. Wie gerne hätte ich darauf eingeschlagen. Einfach nur um diese angestaute Wut los zu werden. Das war jetzt also mein Zuhause auf Zeit. Ich hob eine Augenbraue und ließ meinen Blick schweifen. Pokale von den Fußballmatches aus der Schule, Medaillen und Urkunden, die ziemlich verstaubt aussahen. Die meisten gehörten sicher Sasuke, immerhin war er der Oberstreber überhaupt. Klassenbester. Ein typischer Uchiha eben. Alle Uchihas schienen perfekt zu sein. Ziemlicher Leistungsdruck, wenn ich das mal erwähnen durfte. Ich strich über das grüne Wuschelkissen und drückte es gegen mein Gesicht. Es stellte überrascht fest, dass es nach Zitronen duftete und nahm einen kräftigen Atemzug, bevor ich mich aufs Sofa fallen ließ. Das Kissen hob ich dabei über meinen Kopf und musterte die Farbe. Es erinnerte mich an Hulk und ließ mich schmunzeln. Wenn es jetzt einen Superhelden gab, der zu mir passte, war es höchstwahrscheinlich er. Und das, obwohl Hulk eher eine gewisse Sonderform der Superhelden darstelle. Er war der einzige Superheld, der nicht die volle Kontrolle seiner Kräfte hatte. Bruce Banner, genialer Wissenschaftler, verwandelte sich ins grüne Monster durch eine Mutation. Und warum? Weil er bei Versuchen einen anderen Menschen rettete und somit einer kompletten Gammastrahlenladung ausgesetzt war. Und obwohl er hätte sterben müssen, überlebte er. Er verwandelte sich allerdings und direkt nach dieser Verwandlung verfiel er in einen Zerstörungswahn. Das war die eine große Differenz zu den anderen Superhelden: Hulk setzte seine Kraft nicht zielgerecht ein. Er war nicht euphorisch über die neu gewonnen Kräfte, wie es beispielsweise bei Spiderman oder Superman der Fall war. Hulk war die perfekte Mischung aus Frankenstein und Dr. Jekyll & Mr. Hide. Ein großes, unzivilisiertes, Angst einflößendes Monster, dass dennoch… nun, es wurde so präsentiert, dass es wirklich liebenswürdig war. Und während unsere Positivhelden ihre Kostüme irgendwann ausziehen konnten, war es für Hulk nicht einschätzbar, wann die nächste Verwandlung wieder stattfinden würde. Er war von Emotionen geleitet und irgendwie der Zwiespalt zwischen Gut und Böse. Irgendwie tat mir Hulk leid. Und diese ganze Zerstörung, die er immer wieder zurückließ, war keineswegs mit Absicht. Nein. Seine erste Handlung nach der Verwandlung war vielmehr nur einem Gedanken bestimmt: Weg hier, verstecken. Ich setzte mich auf und schnappte mir meinen Hulk-Comic und lächelte das Titelbild an. Der arme Bruce Banner. Wenn er half, wurde er nur auf das Äußere reduziert. Den Menschen war es egal, was tief in ihm schlummerte, dass in ihm tatsächlich ein Mensch steckte. Mit Gefühlen. Man gab ihm ja nicht mal wirklich die Chance… man verurteilte ihn. Weil er eine Sache falsch machte. „Du hängst also wirklich noch an Comics? Bist du nicht zu alt dafür?“ Sasukes Stimme ließ mich aufschrecken. „Kannst du nicht anklopfen?“ Ich grummelte und presste das Heft an meine Brust. Wäre ich Hulk, wäre ich genau jetzt zum Monster geworden, allerdings ganz bestimmt eines in Rosa. „Die Tür stand offen“, erwiderte er monoton und verschränkte abschätzend seine Arme vor der Brust. Ich plusterte meine Wangen auf und wartete auf seine Erklärung, die natürlich nicht kam. „Weil du sie eben nicht zugemacht hast. Also merk dir bitte, dass du das jetzt machst, wenn du gehst.“ In seinen Augen blitzte Amüsement auf. „Spuck es aus, Uchiha“, zischte ich und legte das Heft auf meinen Schoß. Herausforderungsvoll erwiderte ich seinen durchdringenden Blick. „Du hast bis Ende des Monats Zeit, einen Job zu finden. Wir sind kein Hotel“, erklärte er. Meine Stimmung sank weiter gegen den Nullpunkt. Was dachte er sich? Dass ich mich hier zurücklehnte und sie beide arbeiten ließ, während ich es mir in deren Wohnung gemütlich machte? Natürlich. Ich rollte mit den Augen und brachte ein bissiges „Das ist mir durchaus bewusst“ über meine Lippen. „Kannst du jetzt gehen?“ Er schüttelte kaum merklich seinen Kopf. „Es gibt einen Putzplan, an die du dich halten musst. Nach 23:00 Uhr keine laute Musik und Partys sind ein absolutes No-Go.“ „Bist du etwa ein Spießer?“ Ich grunzte und unterdrückte meinen aufkommenden Zorn. Mein innerer, kleiner Rosa-Hulk schien in mir zu toben und gleich auszubrechen. „Berufstätig ist ein besseres Wort.“ Er funkelte mich triumphierend an und ich kam nicht umhin mich zu fragen, was ich diesem Kerl überhaupt getan hatte, das er so zu mir war. „Vielleicht solltest du endlich mal erwachsen werden.“ „Weißt du, Hulk würde wirklich gut zu dir passen“, bemerkte ich trotzig. Fragend hob er eine seiner fein geschwungenen Augenbrauen. „Ein Monster“, fügte ich hinzu. Sein Lachen war viel zu kurz, um überhaupt als Lachen zu gelten, aber es klang erstaunlicherweise angenehm in meinen Ohren. „Dir ist klar, dass Hulk ebenfalls zu der Heldenriege gehört?“ Er musterte mein Gesicht abschätzend. Abwehrend verschränkte ich die Arme vor der Brust. Ein lautes Rumpeln erklang, als Naruto mit lauten Schritten ins Zimmer sprang. Seine blonden Haare wippten dabei auf und ab und sofort füllte sich der Raum mit positiver Energie. „Sasuke, ärgere sie nicht ständig! Echt jetzt, sei netter.“ Sasuke hob mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck die Arme in die Höhe und stopfte sie anschließend in seine Hosentaschen. „Sie hat mich als Monster betitelt.“ Ich stimmte leise in Narutos Lachen mit ein, als er seinem Freund spielerisch gegen den Oberarm boxte. „Stimmt doch. Mal abgesehen von der grünen Farbe.“ Der Blondschopf gluckste amüsiert. „A hero out of a monster“, plapperte er weiter und ein stolzes Gefühl breitete sich in meinem Körper aus. Das war ein Zitat von Stan Lee. Naruto war wirklich ein guter Zuhörer und früher hatte er jedem Schmachten und jedem Fangirl-Gefiepe ohne Meckern zugehört. Vielleicht war das der Grund, warum ich so gut mit Naruto auskam und Sasuke mich bei ihnen duldete. Ich schwärmte nicht für die Fußball-Asse der Schule. Ich schmachtete lieber meine Comics an. Sasuke schob genervt wirkend Naruto beiseite, der es allerdings als kleine Herausforderung für ein freundschaftliches Rangeln ansah. Ich grinste, während ich mit einer schnellen Bewegung mein Handy in die Finger nahm und die einkommende Nachricht betrachtete. Die Stimmung wechselte sich schlagartig und in mir trommelte mein Herz schmerzlich gegen meine Brust. Mir schoss der Gedanke ans Weg hier, verstecken durch den Kopf und ich ließ mich mit einem lauten Seufzen auf das durchgelegene Polster fallen. Hulk ähnelte mir mehr als Sasuke. Oder ich ähnelte Hulk mehr, als Sasuke. Es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Ich habe jemand Neues kennen gelernt und es ist was Ernstes. Sie zieht bei mir ein. Du sollest dein Leben endlich in den Griff kriegen und dich daran gewöhnen, dass ich da nicht mehr dazu gehöre. Alles, was ich jetzt wollte, war abhauen und mich verkriechen. Aber tat ich das nicht schon längst? Kapitel 2: Naruto Uzumaki ------------------------- Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich nach dem Aufwachen auch nur ansatzweise erholt gefühlt hatte. Und das zog sich bereits seit Monaten. Ein lautes Gähnen verließ meine Kehle, als ich langsam die Augen öffnete und die Decke näher an meinen Körper presste. Es war kalt. Natürlich war es erst Herbst, aber ich war wirklich ein sehr verfrorener Mensch. Die dicken Socken an den Füßen hatten diese Nacht kaum dabei geholfen, mich warm zu halten. Die Sonne schob sich vorwitzig durch den hässlichen Vorhang, dessen weiß schon einem gräulichen Ton näher kam und ich stieß Luft aus meinen Lungen. Wie alt war der? Ächzend schwang ich meine Beine aus dem Bett und schnappte nach Luft. Dieses Zimmer konnte keineswegs mit der Küche konkurrieren. Sicher hielten sich die Beiden kaum hier auf. Würde jedenfalls die feine Staubschicht erklären. Es war immer ein Mysterium für mich, wie Sasuke es ohnehin mit Naruto aushielt, der vom Haushalt so gut wie keine Ahnung hatte. Aber ich war mir sicher, dass Sasuke überall in dieser Wohnung auf Sauberkeit achtete. Nur eben hier nicht. Mit meinem Zeigefinger fuhr ich über das helle Regal an der Wand und schmunzelte. Mir schoss der Gedanke in den Kopf, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn ich bei meinen Eltern geblieben wäre. Allerdings gab es dort keinerlei Möglichkeit für mich, aus diesem seltsamen Loch zu kommen. Sie betüdelten mich. Bemitleideten ihre arme kleine Tochter, die in einem Satz alles verloren hatte, was sie sich aufgebaut hatte. Vor drei Monaten telefonierte ich das erste Mal seit langem mit Naruto und während er davon erzählte, wie er endlich sein eigenes Lokal gepachtet hatte, Sasuke ihm regelmäßig half und er sich in seine Buchhalterin verguckt hatte, waren mindestens fünf Eifersuchtsattacken präsent. Ich versuchte ihm diese Glückseligkeit und Unbekümmertheit aus der Stimme zu verbannen, indem ich hässliche Dinge zu ihm sagte, an die ich mich kaum noch erinnere. Es war pures Gift, was meiner Stimme beigemischt zu sein schien. Und so wie Naruto eben war… er wurde nicht wütend. Vielmehr fragte er mich, was los war und dann brach der Damm. Mit müden Knochen hievte ich mich aus dem Bett und schritt gemächlich durch das winzige und trostlos wirkende Zimmer. Ich rümpfte meine Nase und öffnete das Fenster. Mein Blick huschte über die fleckige Tapete und der spärlichen Deko, die diesen Raum noch kälter wirken ließen, als er ohnehin schon war. Ich griff nach meinem schwarzen Haargummi und band meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen, ehe ich mir die roten Wuschelsocken, die ich von meiner Großmutter letztes Weihnachten geschenkt bekommen hatte, von den Füßen strich und fröstelnd in die weißen Pantoffeln schlüpfte. Meine Hand fuhr kurz über meinen Bauch, bevor ich nach meiner grauen Sweatjacke griff, die ich noch aus Schulzeiten hatte. Ehrlich gesagt war es Narutos. Ich lachte leise auf, weil er noch immer nicht begriffen hatte, dass ich sie ihm irgendwann mit nachhause genommen hatte und ihm nie zurück gab. Oder er wusste es und war einfach nett. Mit einem Ächzen zog ich mir meine Boyfriend-Jeans an, die mir mindestens eine Nummer zu groß war, aber ich fühlte mich wahnsinnig wohl darin. Meine Mum runzelte ständig die Stirn über meine Klamottenauswahl. „Zieh dich doch mal deiner Figur entsprechend an. Kind, du bist eine Frau. Kein Mann.“ Ich rollte bei dem Gedanken an ihren bissigen Ton mit den Augen. Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken und schon im nächsten Moment steckte Narutos Kopf in meinem Zimmer. Er sah aus wie immer und ich lächelte für eine Millisekunde fröhlich über diesen kleinen – wenn auch verspäteten – Weckruf. Er trat schnell ins Zimmer und kratzte sich an seinem Hinterkopf. An ihm war alles wie früher und es gab mir ein beruhigendes Gefühl. Sein heller, zerzauster Haarschopf, die gebräunte Haut und das wohl breiteste Grinsen der ganzen Welt. Nur der leichte Bartschatten war neu und mir am Vorabend nicht wirklich aufgefallen. „Guten Morgen“, lachte er. „Ich hab uns Frühstück gemacht.“ Seine Augen funkelten und auf seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen, spitzbübischen Grinsen. „Wenn man ein Essen um zwölf Uhr wirklich als Frühstück bezeichnen kann.“ Ich gluckste. „Dann lass uns frühstücken“, antwortete ich und lief geradewegs an ihm vorbei. Ich blieb kurz vor Sasukes Tür stehen und der saubere Duft von Seife und einem Hauch Aftershave drang in meine Nase. „Sasuke ist eben weg“, gab mir Naruto zu verstehen und begab sich seufzend in die Küche. „Da hat man mal einen freien Tag und er geht trotzdem arbeiten.“ Er schüttelte seine blonde Mähne. Ich setzte mich schulterzuckend auf den Stuhl und spürte ein freudiges Kribbeln in meinem Bauch. „Pancakes!“ Naruto zwinkerte mir zu und ließ sich auf den gegenüberliegenden Sitzplatz fallen. „Ich dachte, du brauchst mal was Gutes für den Magen.“ „Es überrascht mich, dass es keine Ramen sind.“ Er rollte mit den Augen, konnte ein Lachen allerdings nicht unterdrücken. „Ich hab Sasuke versprochen, meine Ramen-Essgewohnheiten zu ändern. Er sagt, es sei pervers, wenn ich die jeden Tag verschlinge. Und außerdem geht es ja nicht um mich.“ Es ging um mich? In meinem Kopf begannen die Alarmglocken zu schrillen. „Musst du heute nicht arbeiten?“, versuchte ich abzulenken. So gern ich Narutos Gesellschaft auch mochte, ich war nicht bereit dazu, über all das Vergangene zu reden. Noch nicht jedenfalls. Ich griff nach meiner Gabel und piekte eine Brombeere auf. Seine Lippen verzogen sich zu einem Strich, was mir einen Stich im Herzen bescherte. Naruto lehnte sich im Stuhl zurück und betrachtete mich abschätzend. Auch wenn man es kaum glaubte, aber Naruto schien ein Gedankenleser zu sein. „Sakura, ich werde dich sicher nicht zwingen, zu reden. Aber du weißt, dass ich hier bin. Oder?“ Ich nickte und biss länger als notwendig auf der Frucht herum, die ein süßes Prickeln in den Backentaschen entstehen ließ. „Du bist hier solange willkommen, bis du wieder Du bist“, fuhr er fort. Ich stockte. Bis ich wieder Ich war? Ein Schnauben entfloh mir. Ich war so dünnhäutig wie noch nie zuvor. Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Weißt du, was Batman, Spiderman und so viele Helden gemeinsam haben?“ Er lehnte sich vor und stemmte seine Arme auf den Tisch. Das Leuchten in seinen Augen schien ins Unermessliche zu steigen. Jetzt nahm der Optimismus die Oberhand in seinem chaotischen Köpfchen und seufzend stopfte ich mir ein Stück des Pancakes in den Mund. „Sie geben niemals auf.“ „Hin und wieder schon“, brummte ich. Wollte er etwa mit mir streiten? Mein Frust verstärkte sich. Naruto schloss kurz seine Augen und seufzte, doch als er sie wieder öffnete, zupfte ein Lächeln an seinen Mundwinkeln. „Aber sie stehen wieder auf.“ „Was soll das? Ich habe da wirklich überhaupt keine Lust dazu. Kannst du nicht einfach still sein? Schon mal daran gedacht, dass ich gerade nicht aufstehen will? Vielleicht gefällt es mir ja ganz unten. Andere Aussicht.“ Meine Stimme war gegen Ende nur noch ein Zischen und genervt schob ich den Teller von mir. Ich ärgerte mich über mich selbst und wischte eine Strähne vom Gesicht. „Ich mach mir Sorgen um dich.“ Ich verengte meine Augen. Das Ärgernis war zurück, dabei hatte ich mich selbst zur Ruhe gezwungen. „Aber niemand hat dich darum gebeten“, bemerkte ich trocken. Ich schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Sein Blick wurde weicher und er stand auf. Mein Körper versteifte sich, als seine Hand meine Schulter berührte und sich neben mich niederließ. Seine warme Hand verschaffte mir eine Gänsehaut. Ein dicker Kloß blockierte meine Kehle, als wollte er mir die Luft zum Atmen nehmen. Seine Stimme war so leise, dass ich es kaum vernahm: „Du hast mich darum gebeten, als du mich vor drei Monaten angerufen hast. Vor dich hin stammelnd und schluchzend. Und ich sehe, wie dich etwas zu zerfressen scheint.“ „Tut mir leid. Ich bin furchtbar zurzeit.“ Ich griff nach seiner Hand und drückte sie. Seine bloße Anwesenheit schaffte es, mich entspannen zu lassen. Naruto Uzumaki war ein Super-Mensch unter den Menschen. Er wäre der perfekte Held gewesen, wenn er im Besitz von übernatürlichen Kräften gewesen wäre. Aber er war ein einfacher Mensch, genau wie ich. „Ich, weißt du, ach“, ich schnappte nach Luft und unterdrückte die aufkommenden Tränen. „Das wird schon wieder. Ich brauch nur Zeit.“ Ich spürte erneut seine Hand und wie auch immer er das machte, es fühlte sich gut an. Wärmend von innen. Fast schon besser als jeder Tee. Ein ehrliches und aufmunterndes Lächeln lag auf seinem Gesicht. Er wäre ein perfekter Superheld. Er müsste die Macht haben, sich in Sekundenschnelle zu verdoppeln, um sicherzustellen, dass die gesamte Menschheit einen Naruto abbekam. „Willst du vielleicht eine Runde fighten?“ Überrascht weiteten sich meine Augen, was ihn laut lachen ließ. „Auf der Konsole. Du kannst Superman nehmen.“ „Batman.“ Er gluckste und nickte. „Verrate es aber nicht Sasuke“, kicherte er und zwinkerte mir zu. Meine Laune erhob sich wie ein Phönix aus der Asche. Er stand auf und klopfte sich den nicht vorhandenen Staub von der Hose. „Verrate ihm wirklich nichts. Das ist sein liebster Spielcharakter.“ Er legte den Zeigefinger auf seine Lippe, was ihn spitzbübisch wirken ließ und in meinen Fingerspitzen kribbelte es umso mehr. Sasukes Spielcharakter zu benutzen und das sogar heimlich? Hatte ja fast etwas wirklich Verbotenes. So als würden wir auf seinem Bett eine Kissenschlacht veranstalten. Wir lachten, bewarfen uns gegenseitig mit Flips und fühlten uns wie 16, als wir noch in Narutos viel zu kleinem Zimmer zu dritt die Zeit verbrachten. Die beiden Jungs beim Zocken und ich beim Lesen meiner Comics oder einem Schulbuch. Obwohl wir uns immer zum Lernen verabredet hatten, gab es nicht einen einzigen Tag, an das wirklich im Fokus stand. Ich sprang auf, als Batman als Sieger aus dem Kampf hervor ging. Wie lange war es her, dass ich mich so frei gefühlt hatte? Sicher länger als die letzten drei Monate. Naruto ließ beschämt seinen Kopf hängen. „Weißt du, was Batman, Spiderman und so viele Helden gemeinsam haben?“, zitierte ich ihn. Er grunzte erfreut und rollte mit den Augen, als er sich auf dem grünen Monster an Sofa zurücklehnte. „Nein, was denn?“, lachte er. „Sie geben nicht auf“, gab ich als Antwort und legte den Controller auf den Tisch. „Du spielst besser als Sasuke und ich zusammen. Dieses Match darf nie und nimmer an die Öffentlichkeit geraten.“ Ich knuffte ihm in die Seite und ehe ich mich versah, entstand eine kleine Rangelei, in der ich ihm schnell unterlag. Naruto drückte mich in die durchgesessenen Kissen der Couch und seine blonden Spitzen berührten mich an der Wange, als er sich runterbeugte, um mich zu kitzeln. „Was genau macht ihr hier?“ Ich zuckte unter Sasukes strenger Stimme zusammen und schubste Naruto von mir. „Wir haben gespielt“, brachte ich über die Lippen und schob meinen Pullover hoch, der mir von der rechten Schulter gerutscht war. Sasukes rechte Braue schoss nach oben. „Gespielt“, wiederholte er abschätzend und seine Augen huschten von Naruto zu mir und wieder zu Naruto. „Hinata und Ino sind im Wohnzimmer. Sai, Shikamaru und Neji kommen gerade die Treppe hoch. Ihr solltet euch um eure Gäste kümmern.“ Meine Augen weiteten sich panisch und ich starrte meinen blonden Freund an. Er hob schützend die Hände vor sein Gesicht, als ich bereits das Kissen in seine Richtung warf. „Sie wollten dich sehen“, nuschelte er entschuldigend, „ich konnte nicht nein sagen.“ „Du hättest mich fragen können!“ Sasuke räusperte sich und verlagerte sein Gewicht aufs linke Bein. „Würdet ihr jetzt bitte ins Wohnzimmer gehen?“ Ich funkelte Sasuke an. „So ein bisschen Gesellschaft täte dir auch mal gut, damit du endlich mal lockerer wirst.“ „Hn.“ „Okay, okay. Ich geh sie schon mal begrüßen und ihr kommt gleich nach“, beschwichtigte Naruto und war mit eiligen Schritten im Wohnzimmer. Ganz deutlich konnte man das belanglose Geplauder vernehmen, das von einigen Lachern besprenkelt war. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum. Ich bevorzugte dann doch eher die Stille. Sasuke Uchiha war ein Mensch, der sich offensichtlich wohl in seiner Haut fühlte. Ganz egal, wo er gerade war oder ob er überhaupt erwünscht war oder nicht. Ich schob die Unterlippe vor und betrachtete seinen blassen Teint. Schneewittchen war nichts im Vergleich zu ihm. Der Gedanke ließ mich freudlos auflachen. Mein Blick schweifte erneut über seinen Körper. Eine Aura roher Kraft schien ihn zu umgeben, die mit etwas Dunklem vermischt war. Schwer zu definieren. Ich stand seufzend auf. „Bringen wir es hinter uns“, hauchte ich. „Als würde dich das jetzt umbringen.“ Ich pustete meine Wangen auf. „Du hast doch keine Ahnung davon.“ „Wovon?“ Meine Hand strich über meinen Bauch. Mir war schlecht. Ich versuchte seinem Blick standzuhalten, scheiterte jedoch kläglich, als ich meine Augen von ihm abwand und zu Boden richtete. Meine Beine zitterten, während meine Sicht langsam schwand und ohne es wirklich zu wollen, krallte ich mich hilfesuchend an seine Schulter. „Sakura?“ Seine Stimme nahm einen fast schon besorgten Ton an, seine Augen weiteten sich kurz vor Schreck und dann war alles schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)