Seduce Me! von Sky- (Drei sind (k)einer zu viel) ================================================================================ Kapitel 22: Die Konfrontation ----------------------------- Nachdem der Zug wegen einer Panne auf der Hälfte der Strecke knapp eine Dreiviertelstunde Verspätung hatte, war Hinata gegen 13 Uhr endlich in Fukuoka und fühlte sich wie gerädert. Sechs Stunden in einem Zug zu sitzen war eben nicht ganz ohne und er war heilfroh, endlich angekommen zu sein. Nachdem er raus auf den Bahnsteig getreten war, streckte er sich erst mal und war heilfroh, sich endlich wieder richtig bewegen zu können. Das stundenlange Sitzen war aber auch echt anstrengend und zu allem Unglück war ihm auch noch der Hintern eingeschlafen. Aber wenigstens war er jetzt wieder da und es war schon ein komisches Gefühl, nach der ganzen Zeit wieder in Fukuoka zu sein. Und auch wenn der Anlass nicht gerade der beste war, so freute er sich trotzdem ein Stück weit, wieder seine Heimatstadt zu sehen. Doch das war jetzt erst mal nebensächlich, denn er hatte nämlich noch etwas anderes vor. Er musste nämlich noch Herrn Sugiyama anrufen und ihm Bescheid geben. Also begann Hinata in seiner Tasche nach seinem Handy zu suchen, fand es aber nicht. Der Schreck überkam ihn. Schnell begann er seine Tasche zu leeren, um ganz sicherzugehen, doch es war nicht da. Er musste es zuhause vergessen haben. Schöner Mist. Ausgerechnet heute musste er natürlich sein Handy vergessen. Das war ihm wohl in der Eile heute Morgen passiert. Immer, wenn er in Eile war, vergaß er schnell irgendetwas. Na dann blieb ihm wohl kaum etwas anderes übrig, als nach einer Telefonzelle zu suchen. Zum Glück gab es ja in der Nähe des Bahnhofs eine. Also verließ er den Bahnsteig und als er vor dem Bahnhof war, fand er tatsächlich ein Münztelefon und nachdem er ein paar Münzen eingeworfen hatte, wählte er sogleich Herrn Sugiyamas Nummer, die er zum Glück auswendig kannte. Und es dauerte zum Glück nicht lange, bis dieser abnahm. „Guten Tag, Sugiyama-sensei. Ich bin’s, Hinata Amano. Entschuldigen Sie, aber mein Zug hatte Verspätung und ich hab mein Handy zuhause vergessen, deswegen rufe ich gerade vom Münztelefon aus an.“ „Ja ich bin bereits im Bilde. Ich habe nämlich vor knapp zwei Stunden versucht, dich anzurufen, weil ich gleich einen Termin habe. Dein Mitbewohner hat sich gemeldet.“ Hinatas Augen weiteten sich vor Entsetzen. Herr Sugiyama hatte mit einem der Zwillinge gesprochen? Dann war seine Lüge also aufgeflogen? Verdammt, das war nicht gut… „Was… was haben Sie mit ihnen besprochen?“ „Nun, ich habe deinem Mitbewohner gesagt gehabt, dass du nach Fukuoka kommst, um mit deinem Vater zu sprechen. Er klang sehr besorgt und wollte deshalb nachkommen.“ Oh Gott, die Zwillinge wollten also auch nach Fukuoka? Das war ganz und gar nicht gut. Die beiden durften auf keinen Fall seinem Vater über den Weg laufen. Er musste sich jetzt etwas einfallen lassen. „Amano, warum hast du ihnen nicht die Wahrheit gesagt?“ „Weil ich nicht will, dass die beiden in diese Sache mit reingezogen werden und mein Vater noch auf sie losgeht. Takashi und Katsuya sind mir sehr wichtig und ich will einfach nicht, dass sie meinetwegen Probleme bekommen. Deswegen dürfen sie auch auf keinen Fall zu meinen Eltern. Bitte, Sensei!“ Er hörte ein leises Seufzen am anderen Ende der Leitung, woraufhin Herr Sugiyama schließlich sagte „Ich werde die beiden später vom Bahnhof abholen. Und du überlegst dir bitte noch mal gründlich, ob du das wirklich tun willst. Wenn die beiden da sind, werde ich mit ihnen zu deiner Familie kommen, falls du dich bis dahin nicht gemeldet hast.“ Zuerst wollte Hinata protestieren, aber andererseits war das auch ein vernünftiger Vorschlag von seinem alten Klassenlehrer. Anders ging es wohl nicht. Also gab er sich damit zufrieden und verabschiedete sich von Herrn Sugiyama. Dabei überlegte er kurz, wie viel Zeit ihm blieb. Wenn Herr Sugiyama vor zwei Stunden bei ihm angerufen hatte, konnten Takashi und Katsuya nur gegen halb zwölf oder zwölf den nächsten Zug genommen haben. Das bedeutete, dass sie spätestens um 18 Uhr hier waren. Also knapp fünf Stunden blieben ihm noch. Nun, das sollte reichen, um zu tun, weshalb er eigentlich hier war. Trotzdem war er völlig durch den Wind. Seine Lüge war aufgeflogen und obwohl Takashi und Katsuya allen Grund dazu hatten, sauer auf ihn zu sein, machten sie sich Sorgen um ihn. Er war wirklich nicht fair zu ihnen gewesen… Nun, jetzt war es auch gelaufen. Es blieb ihm nur noch, die Zeit zu nutzen und sein Vorhaben in die Tat umzuziehen. Also stieg er in den nächsten Bus, damit er schnellstmöglich zu seinen Eltern kam. Nach einer zehnminütigen Fahrt und einem anschließenden fünfminütigen Fußweg stand er nun endlich vor dem Apartment, wo seine Eltern ihre Wohnung hatten. Er atmete tief durch und bereitete sich noch mal mental auf das Bevorstehende vor. Trotzdem überkam ihn ein flaues Gefühl in der Magengegend, als er vor der Tür stand und auch die Angst kehrte wieder zurück. Dann aber betätigte er die Klingel und kurz darauf hörte er auch schon seinen Vater laut rufen. Aber das hatte nicht zu bedeuten. Er war immer laut und kannte eigentlich keinen normalen Umgangston. Schließlich wurde die Tür von einer hageren Frau geöffnet, die sich ihr Haar zu einem Knoten zusammengebunden hatte. Allerdings war die Frisur recht in Mitleidenschaft gezogen worden und ihre Nase war ein wenig krumm, so als wäre sie schon mal gebrochen worden. Sie machte einen etwas teilnahmslosen und müden Eindruck, auch ihre Augen wirkten glanzlos und leer. Es schien so, als hätte diese Frau ihr Leben schon längst hinter sich und als wäre jegliche Lebensfreude aus ihrem Körper gewichen. Es war seine Mutter Chisako. Selbst als sie ihren Sohn sah, konnte sie sich nicht zu einem Lächeln bemühen. Stattdessen sagte sie mit derselben Teilnahmslosigkeit, die sich auch auf ihrem Gesicht abzeichnete, sagte sie einfach „Ach du bist es. Komm rein, dein Vater wartet schon.“ „Mein Zug hatte leider Verspätung. Tut mir leid, Mutter.“ Doch sie sagte nichts dazu, sondern ging wieder in die Wohnung und Hinata folgte ihr. Dabei hörte er eine laute und sehr ungemütliche Stimme rufen „Wer war das?“ „Hinata ist da“, antwortete Chisako Amano und ging zusammen mit ihrem Sohn ins Wohnzimmer, wo ein fürchterliches Chaos herrschte und es stank auch. Auf dem Tisch lag überall Müll und die leeren Bierflaschen hatte auch noch niemand weggeräumt. Auch sonst machte die Wohnung einen verwahrlosten Eindruck, genauso wie jener Mann, der auf der Couch saß und sich eine Show im Fernsehen ansah. Er war stark untersetzt, hatte aber dennoch kräftige Arme. Das Gesicht erinnerte an das einer angriffslustigen Bulldogge mit blutunterlaufenen Augen. Mit dem fortschreitenden Alter war die Kopfbehaarung einer Halbglatze gewichen und Hiroshi Amano machte auch sonst alles andere als einen freundlichen Eindruck. Wie ein tyrannischer Herrscher in seinem Reich saß er da und befahl seiner Frau in einem barschen Ton, sie solle mit dem Essen anfangen. Auch wenn Hinata sich auf alles vorbereitet hatte und immer noch an seinem Entschluss festhielt, spürte er dennoch die entsetzliche Angst. Er bekam erst keinen Ton raus vor lauter Angst und fürchtete, dass ihm endgültig die Stimme versagen würde. Aber dann fand er doch noch die Kraft und grüßte seinen Vater in der höflichsten Art und Weise, die er kannte. Es war besser, ihm auf diese Art und Weise gegenüberzutreten. Dennoch schlug ihm das Herz bis zum Hals und seine Stimme zitterte. Die blutunterlaufenen Augen waren nun voll und ganz auf ihn gerichtet und dann ließ sein Vater ein mürrisches Brummen vernehmen. „Wie siehst du denn aus? Hast du dir neue Klamotten zugelegt? Dir geht es wohl zu gut an der Kurume Universität, was? Das sind doch sicher Markenklamotten. Wovon hast du die denn bitteschön bezahlt? Wohl sicher von meinem hart verdienten Geld, was ich dir für dein Jurastudium in den Arsch pumpe, damit aus dir mal ein vernünftiger Anwalt wird. Na los, sag schon. Wo hast du die her?“ „Ich hab… ich… ich habe sie geschenkt bekommen.“ Nun war sein Vater aufgestanden und kam direkt auf ihn zu. Hiroshi Amano war wirklich ein Mordskerl und selbst für einen Japaner ziemlich groß. Er war schon immer eine furchteinflößende Erscheinung gewesen und dieser bösartige und abwertende Blick, mit dem er jeden seiner Mitmenschen strafte, unterstrich dies noch. „Willst du mich eigentlich auf den Arm nehmen? Von wem willst du die denn bitte geschenkt kriegen? Einem nichtsnutzigen und unfähigen Waschlappen wie dir würde man ja nicht mal ein gebrauchtes Taschentuch schenken. Hast dich sicher irgendwo durchschmarotzt, wie?“ Hinatas Hände ballten sich zu Fäusten als er hörte, wie sein Vater über Katsuya und Takashi sprach. Er hatte doch überhaupt keine Ahnung. Die beiden hatten ihm diese Sachen geschenkt, weil sie genau wussten, dass er mehr war als nur ein ängstlicher und nichtsnutziger Feigling, der in diesen langweiligen Pullundern herumlief, weil er selber glaubte, er hätte nichts Besseres verdient. Die beiden hatten es getan, weil sie ihm wenigstens etwas Selbstwertgefühl geben wollten und deshalb hatte sein Vater kein Recht so etwas zu sagen. Und darum blieb er auch dabei, als er mit nun fester Stimme wiederholte „Ich habe sie geschenkt bekommen. Und ob du es glaubst oder nicht, aber es gibt Menschen, die mich nicht für einen Nichtsnutz, einen Schmarotzer oder einen Versager halten und denen ich auch wichtig bin.“ Doch sein Vater lachte nur spöttisch darüber und wollte das nicht so wirklich glauben. „Na das sind ja mal ganz neue Töne von dir. Glaubst du echt im Ernst, du bist jetzt etwas Besseres, nur weil du jetzt Markenklamotten anhast? Dann lass dir mal eines sagen: ein Schmarotzer wird immer ein Schmarotzer bleiben. Du warst schon immer einer und wirst auch immer einer bleiben. Anstatt dich so aufzubrezeln wie so ein Schickimicki aus der Oberschicht solltest du mal gefälligst mehr für dein Studium tun, wenn du mal erfolgreicher Anwalt werden willst. Ich zahl dir dein Studium ja nicht, damit du auf der faulen Haut liegen und dir ein schönes Leben auf meine Kosten machen kannst.“ Damit wandte sich Hiroshi ab und ging in Richtung Küche, um sich noch eine Flasche Bier zu holen. Mit den Jahren war sein Alkoholproblem schlimmer geworden, allerdings war er eine Art funktionierender Alkoholiker. Obwohl er oft trank, schaffte er es noch, arbeiten zu gehen. Doch leider wirkte sich der Alkohol umso negativer auf seinen eh schon schlechten Charakter aus und selbst die Nachbarschaft verlor kein gutes Wort über ihn. „Was bist du eigentlich schon heute hier?“ wollte er schließlich wissen. „Der Geburtstag ist erst morgen, oder willst du dich nur wieder vor dem Lernen drücken?“ Hinata atmete tief durch und versuchte, sich selbst zu beruhigen. Er durfte jetzt nicht wieder in sein altes Muster verfallen. Zwar war es schwer, gegen den eigenen Vater anzukämpfen, wenn dieser ein absoluter Bilderbuchtyrann war und nicht mal über seine eigene Familie ein gutes Wort verlor, aber er war doch nicht zum Spaß hergekommen, oder um sich wieder beschimpfen zu lassen. Darum durfte er jetzt bloß nicht kneifen. Wenn er sich nicht jetzt zur Wehr setzte, wann dann? „Ich bin hier, weil ich ein paar Dinge klären will.“ „Ach was. Du und klären? Was willst du denn schon klären? Wenn du noch mehr Kohle von uns willst, das kannst du vergessen. Geh gefälligst selber Geld verdienen, anstatt dir auf unseren Kosten ein schönes Leben zu machen, wenn es sogar für Markenklamotten reicht.“ „Ich habe gesagt, ich habe sie geschenkt bekommen!“ Nun war es Hinata, der die Stimme erhoben hatte und dies überraschte sogar seine Eltern. Doch seine Mutter nahm dieses neue Selbstbewusstsein nicht sonderlich positiv auf und ermahnte ihn in einem vorwurfsvollen Ton „So redest du nicht mit deinem Vater!“ „Halt die Schnauze und verschwinde, Chisako!“ Und damit stieß sein Vater sie weg, woraufhin sie ins Stolpern geriet und zu Boden stürzte, doch dem schenkte er überhaupt keine Beachtung. Nein, seine Aufmerksamkeit galt nun einzig und allein Hinata. Wutentbrannt starrte er ihn an und wirkte wie ein angriffslustiger Stier in der Arena. Und diesen Blick kannte Hinata nur zu gut und er hatte Angst. Unter normalen Umständen hätte er die Flucht ergriffen oder hätte eine Entschuldigung nach der anderen dahergestammelt, aber das würde heute nicht so sein. Er würde sich nicht mehr entschuldigen oder seinem Vater vor die Füße kriechen und den eingeschüchterten Angsthasen spielen wie sonst auch all die Jahre. Allein der Gedanke daran, dass Katsuya und Takashi ihm so oft beigestanden, ihn aufgebaut und ihn getröstet hatten, half ihm, standhaft zu bleiben. Er wusste nun, dass er kein Versager, kein Schmarotzer und kein wertloser Nichtsnutz war, wie ihm sein Vater schon von klein auf eingeredet hatte. Die beiden liebten ihn so wie er war und sie wussten, dass so viel in ihm steckte. Solange er sich vor Augen hielt, dass er für die beiden die große Liebe war und sie ihm so viel gaben, weil er es ihrer Meinung nach wert war, konnte er seinem Vater direkt in die Augen sehen. Darum zuckte er nicht ängstlich zusammen, als sein Vater ihn am Kragen packte und ihn fast von den Füßen riss. „Wie war das gerade?“ fragte er und eine ekelhafte Alkoholfahne wehte dem Kunststudenten entgegen. „Hast du gerade was gesagt?“ „Du hast mich genau verstanden“, entgegnete Hinata mit fester Stimme. „Und ich werde dir noch was verraten. Diese Menschen, die mir diese Sachen geschenkt haben, haben mich nie für einen Versager oder Schmarotzer gehalten. Sie haben gesagt, dass ich mehr bin als das und ich bin ihnen wichtig, genauso wie sie mir wichtig sind. Ganz egal wie oft du mich einen Nichtsnutz nennst, für diese Menschen bin ich etwas Besonderes und das werde ich mir von niemandem nehmen lassen. Insbesondere nicht von di…“ Ein Faustschlag traf Hinata ins Gesicht und durch die immense Kraft, die dahintersteckte, stürzte er zu Boden und sah für einen Moment fast Sterne. Mit schmerzverzerrtem Gesicht presste er eine Hand auf die gerötete Stelle und es tat höllisch weh. Doch er konnte von Glück reden, dass ihm kein Zahn rausgeschlagen worden und sein Kiefer noch heil war. „Wie redest du überhaupt mit mir?“ brüllte Hiroshi wutentbrannt. „Ich bin immer noch dein Vater und du hast mir gefälligst nicht zu widersprechen, wenn ich mit dir rede. Und so einen Ton dulde ich schon gar nicht bei dir. Ich reiße mir hier den Arsch für dich auf, um für dein Studium aufzukommen, damit aus dir ein anständiger Anwalt wird und du…“ „Ich werde aber niemals Anwalt werden“, rief Hinata zurück und rappelte sich auf. Mit einem Male war die Angst wie weggeblasen, stattdessen kam die Wut in ihm hoch. Er wurde von einer unbändigen Wut gegen seinen Vater erfasst und am liebsten hätte er ihn in diesem Moment in Grund und Boden geschrieen. All die Jahre hatte er alle Demütigungen und Züchtigungen still schweigend ertragen, sich niemals gewehrt und alles hingenommen. Doch nun war dieser eine Punkt gekommen, an dem der berühmte Tropfen das Fass endgültig zum Überlaufen brachte und wo selbst der schüchternste und ängstlichste Mensch nicht mehr an sich halten konnte und all das entlud, was sich so lange in ihm aufgestaut hatte. Dieser Punkt war jetzt bei Hinata angekommen. Seit seiner Geburt hatte er nie Widerworte gegeben, niemals das Wort erhoben und nie die Konfrontation gesucht. Doch nun hatte er weder die Kraft, noch den Willen, es weiterhin einfach stillschweigend hinzunehmen. Nicht nachdem er erfahren hatte, dass er jemandem wichtig war und er für zwei Menschen ein ganz wichtiger Teil ihres Lebens war. Das würde er sich nicht kaputt machen lassen, sondern es mit aller Kraft verteidigen und wenn er dafür zu jemandem wurde, der er eigentlich nicht war. Die Konsequenzen waren ihm egal, er wollte einfach nur den offenen Kampf mit seinem Vater und ihm alles entgegensetzen was er hatte. Und er wollte ihn die Wut spüren lassen, die er in sich trug und die in ihm loderte wie ein Höllenfeuer. „Ich wollte niemals Anwalt werden und ich will es jetzt auch nicht. Und ich werde auch niemals Anwalt werden, okay? Soll ich dir mal die Wahrheit erzählen: ich bin damals gar nicht nach Kurume gezogen und ich studiere dort auch gar nicht. Stattdessen bin ich heimlich nach Tokyo gezogen und studiere Kunst. Und weißt du was? Ich bin sehr gut darin. Ich habe es sogar geschafft, eine eigene Shonen-Ai Mangaserie zu veröffentlichen und ich arbeite als Freelancer neben der Uni.“ Für einen Moment war sein Vater wie erstarrt. Es sah aus, als wäre er in eine Art Schockstarre verfallen, denn so etwas hätte selbst er nicht gedacht. All die Jahre hatte er seinen Sohn unter Kontrolle gehabt und hatte nie ein Widerwort von ihm gehört und wenn, dann hatte er ihn mit einer ordentlichen Tracht Prügel wieder auf die Spur gebracht. Doch dass dieser tatsächlich die Energie aufbrachte, um zwei Jahre lang diese Scharade aufrecht zu erhalten und ihn im Glauben zu lassen, er studiere in Kurume, hätte er ihm niemals zugetraut. In diesem Moment sah er sein Lebenswerk zerstört. Der Traum von einem perfekten Anwalt als Sohn drohte zu zerplatzen und nun erfuhr er auch noch, dass sein missratener Sohn ein Künstler werden wollte und Mangas zeichnete und nicht nur das: er zeichnete Shonen-Ai Mangas. Schwulenromanzen! Das schlug dem Fass endgültig den Boden aus. Wieder schlug er zu und traf Hinata erneut ins Gesicht, ein weiterer Schlag traf seinen Brustkorb und ein dritter Schlag schleuderte Hinata gegen den Tisch, wobei er sich den Hinterkopf an der Kante stieß. Ein Blutrinnsal lief ihm denk rechten Mundwinkel hinunter und er wirkte ziemlich benommen durch die Schläge. „Du hast was?“ Hiroshi schrie sich dabei fast die Seele aus dem Leib und vor lauter Aufregung traten die Adern an seinem Hals hervor und sein Gesicht lief dabei rot an. Er sah aus, als würde er gleich explodieren. Wutentbrannt packte er Hinata an den Haaren und hielt ihn fest. „Du zeichnest Schwulenmangas? Was bist du denn? Ein gottverdammter Homo? Mein Sohn wird ganz sicher keine Schwuchtel und schon gar kein Künstler. Ich glaube, ich muss dir wohl erst mal wieder Vernunft einprügeln, damit du endlich kapierst, dass ich hier immer noch entscheide, was du tust und was nicht.“ Doch Hinata hielt seinem Blick immer noch stand und wirkte, als könne ihn in diesem Moment rein gar nichts verunsichern. „Es ist mein Leben und nicht deines“, erklärte er. „Und ich lasse mir nicht mehr länger mein ganzes Leben von dir vorschreiben. Ich werde Mangaka und ich werde nach Tokyo zurückfahren. Und es ist mir egal, ob du mich für eine Schwuchtel hältst oder nicht. Dann schaue ich mir gerne Yaois an, weil ich vor nackten Frauen Angst habe. Dann bin ich eben mit zwei älteren Jungs gleichzeitig zusammen und führe eine Dreierbeziehung. Nenn mich ruhig einen Versager, eine Schwuchtel oder einen Schmarotzer. Ich lasse mich nicht mehr von dir einschüchtern und ich lasse mir auch nicht mehr von dir mein Leben zur Hölle machen. Ich bin weder auf dich, noch auf Mutter angewiesen und ich brauche auch dein Geld nicht. Und einen Vater, der selber nichts auf die Reihe kriegt und nichts anderes kann, als seine eigene Familie zu schlagen, brauche ich erst recht nicht!“ Das war nun endgültig zu viel für Hiroshi Amano. Als er hörte, in was für eine Richtung sich sein Sohn entwickelt hatte, brannten bei ihm die Sicherungen komplett durch und er schlug zu. Er schlug wieder zu und als Hinata am Boden lag, da beschloss er, ihm diesen Schwachsinn ein für alle Male auszutreiben und ihn mit aller Macht daran zu hindern, diesen Träumen noch weiter nachzujagen. Und somit hob er seinen Fuß und trat Hinata auf den rechten Arm. Ein schmerzerfülltes Schreien erfüllte den Raum und Chisako beobachtete vom Türrahmen aus das Geschehen. Sie selbst konnte nicht glauben, wie sehr sich ihr Sohn verändert hatte. Das war nicht mehr derselbe Hinata. Ihr Hinata war gehorsam gewesen und hatte nie Gegenwehr geleistet und was war nun? Er war widerspenstig, arrogant und rebellisch geworden. So ein Verhalten kannte sie gar nicht von ihm. Und dann noch zu erfahren, dass er sie zwei Jahre lang belogen und in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung war und seinem Traum als Mangaka nachgegangen war… Was hatte nur dazu geführt, dass ihr Sohn nun so verdorben worden war? Es gab ein fürchterliches knackendes Geräusch, als Hiroshi noch mal zutrat. Hinata schrie vor Schmerz, als sein Arm unter dieser Gewalteinwirkung brach. Für Hiroshi war damit das Ende von Hinatas lächerlichen Träumen besiegelt und er hätte vielleicht an dieser Stelle Schluss gemacht und es sein gelassen. Doch seinen Sohn vor Schmerz schreiend am Boden liegend zu sehen und gleichzeitig zu wissen, was dieser sich gerade erlaubt hatte, ließ ihn sein Vorhaben gleich wieder vergessen. Das da war nicht sein Sohn. Sein Sohn war kein Künstler, kein Yaoi-lesender Schwuler, der sich so rebellisch aufführte und es wagte, so mit dem Oberhaupt dieser Familie zu sprechen. Er würde ihn lehren, was es bedeutete, sich dem Willen seines Vaters zu widersetzen. Er würde ihm all diese Verdorbenheit und Widerspenstigkeit aus dem Leib prügeln. Und wenn er ihn dafür sogar umbringen musste. Doch dieses Mal blieb es nicht mehr bei Schlägen. Mit voller Kraft trat er ihm gegen den Bauch und Hinata, der vollkommen unfähig war, körperlich oder verbal noch weiter Gegenwehr zu leisten, konnte nichts tun, als sich vor Schmerz zu krümmen. Dann traf ihn ein Tritt gegen den Kopf, der ihm fast das Bewusstsein raubte. Ein weiterer folgte und noch einer, der seine Welt endgültig in eine tiefe schwarze Dunkelheit hüllte, als er ohnmächtig wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)