Seduce Me! von Sky- (Drei sind (k)einer zu viel) ================================================================================ Kapitel 11: Der Besuch der Eltern --------------------------------- Am nächsten morgen wachte Hinata aus einem sehr tiefen Schlaf auf, doch dieses Mal lagen die Zwillinge nicht bei ihm. Er war allein. Im ersten Moment überfiel ihn der Schreck und er fragte sich, ob sie vielleicht sauer waren, weil er gestern eingeschlafen war. Mit vielen Fragen im Kopf ging er ins Bad um zu duschen. Als er sich dabei im Spiegel sah, bemerkte er die Spuren der Leidenschaft, die Takashi und Katsuya auf seinem Körper hinterlassen hatten. Doch sogleich fragte er sich, wieso sie nicht bei ihm geblieben waren, so wie die Nächte davor. Offenbar sind sie wirklich sauer auf mich. Nachdem sie so viel für mich getan haben, schlafe ich einfach so ein. Oh Mann, so etwas kann auch nur mir passieren, dachte er und seufzte niedergeschlagen. Als er nach einer erfrischenden Dusche runter in die Küche ging, fand er dort Takashi, der gerade dabei war, das Frühstück vorzubereiten. Er schien bei guter Laune zu sein und machte gerade Omelett. „Gutem Morgen, Hinata. Ich hoffe, du bist nicht böse, dass wir dich nicht aufgeweckt haben. Aber nachdem du gestern eingeschlafen bist, dachten wir, dass du gerne etwas länger schlafen würdest.“ Ein Stein fiel von Hinatas Herz als er hörte, dass sie nicht sauer auf ihn waren, sondern ihn einfach nur schlafen lassen wollten, weil er gestern so erschöpft gewesen war. Trotzdem entschuldigte er sich dafür, dass er eingeschlafen war. Takashi winkte nur ab und meinte „Es war gestern auch ein ereignisreicher Tag und du hast ja auch was getrunken gehabt, da wird man eben auch müde. Na komm, setz dich schon mal. Katsuya kommt gleich auch.“ „Wo ist er hin?“ „Er ist im Pool ein paar Runden schwimmen. Er will sich eben fit halten als Sportler. Er müsste aber gleich kommen. Ach ja, unsere Eltern kommen heute Nachmittag zu Besuch. Sie wollen dich unbedingt kennen lernen.“ Als es Hinata wieder ins Gedächtnis kam, spürte er, wie sich ein Kloß in seinem Hals zu bilden begann. Er wurde unruhig und das entging auch Takashi nicht, der natürlich nachfragte, was los sei. Zögerlich fragte Hinata ihn „Was ist, wenn sie mich nicht mögen?“ „Ach, jetzt mach dir keinen Kopf deswegen. Sie sind wirklich sehr umgänglich und sehr liberal. Oder hast du etwa Angst, sie würden dich nicht akzeptieren, weil deine Familie nicht auf demselben Level ist?“ Ja, das war seine Hauptsorge. Man hörte ja oft genug davon, dass die Eltern nie sonderlich begeistert reagierten, wenn der Freund oder die Freundin ihres Kindes aus bescheideneren Verhältnissen stammte. Da war es doch eigentlich sehr wahrscheinlich, dass bei ihm genau das Gleiche passieren würde. Doch Takashi wirkte optimistisch und erklärte dann auch „Unsere Eltern sind sehr sozial eingestellt und ihnen geht es nicht nur allein um Geld. Ich sage es mal so: sie legen eher Wert auf den Charakter. Vor allem unser Vater hat eine ausgeprägte Menschenkenntnis und beide leben nach der Weisheit, dass ein charakterstarker Mensch mehr taugt als ein reicher, der zu nichts nutze ist.“ Und als der ältere Zwilling Hinatas Verunsicherung sah, fügte er noch hinzu „Mach dir mal keine Sorgen, Hinata. Du bist kein Nichtsnutz und du hast weitaus mehr Charakter als so manche Mädchen, mit denen mein Bruder bis jetzt zusammen war.“ Hinata lächelte daraufhin schwach, doch er wirkte nicht ganz überzeugt davon, dass er wirklich genug Charakter hatte, um den Eltern zu gefallen. Schließlich kann Katsuya zum Frühstück. Sein Haar war noch etwas nass und er wirkte gut gelaunt. Er wünschte den beiden einen guten Morgen und langte dann ordentlich beim Essen zu. Insbesondere beim Tamagoyaki nahm er sich viel, was zu einem kleinen Futterstreit bei den beiden Brüdern führte, die beide eine Schwäche für Eiergerichte hatten und deshalb zu diskutieren anfingen, wer wie viel bekam. Hinata beobachtete die Diskussion schweigend und dachte sich, dass es wohl nicht immer Vorteile mit sich brachte, wenn man sich so ähnlich war und dass es auch anstrengend sein konnte. Schließlich, als sich keine Einigung zwischen den Brüdern fand, wagte Hinata einen Schritt, ergriff den Teller mit dem Tamagoyaki und verteilte den Inhalt gleichermaßen auf die beiden Brüder. „Jetzt hat jeder die Hälfte“, sagte er schließlich. Etwas überrascht sahen sich die Zwillinge an, gaben sich dann aber mit einem Schmunzeln geschlagen. Schließlich begannen sie gemeinsam mit dem Aufräumen. Es sollte schon alles ordentlich sein, wenn die Eltern zu Besuch kamen. Hinata war fürchterlich aufgeregt und konnte sich kaum konzentrieren. Immer und immer wieder schaute er auf die Uhr, fragte nach, wann sie kommen würden und stand mehr als drei Mal vor dem Spiegel um sich zu vergewissern, dass er auch akzeptabel aussah. Die Warterei war kaum zu ertragen, doch dann hörten sie das Läuten an der Haustür. Takashi ging hin um zu öffnen und Hinata, der einer Panik nahe war, verfiel in eine fast hysterische Schnappatmung, als hätte er einen klaustrophobischen Anfall. Er wurde kreidebleich im Gesicht und man hätte meinen können, als würde er jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Da machte sich sogar Katsuya Sorgen und er hielt Hinata an den Schultern fest, wobei er ihn fest ansah. „Hinata, du brauchst keine Angst zu haben, es wird schon alles gut gehen.“ „Ich glaube nicht, dass ich das kann“, brachte Hinata mit zitternder Stimme hervor. „Das… das ist…“ Doch da kamen auch schon die Stimmen näher und die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich. Herein kam Takashi in Begleitung seiner Eltern. Man sah sofort, dass die Zwillinge das Aussehen der Mutter geerbt hatten. Frau Itamu war eine außergewöhnlich groß gewachsene Frau, eigentlich schon fast zu groß für eine japanische Frau, doch an ihrem weißblondem Haar und ihrem Gesicht ließ sich erkennen, dass sie auch ausländische Wurzeln hatte und keine vollblütige Japanerin war. Sie hatte das gleiche Lächeln wie Katsuya und war eine bildschöne Frau. Ihr Haar, das sie sich kunstvoll hochfrisiert hatte, glänzte wie Weißgold in der Sonne und sie trug ein sehr schönes, aber auch gleichzeitig alltagstaugliches weißes Kleid. Sie wirkte etwas lebhaft, was ihr aber auch gut zu Gesicht stand. Sie trug Goldschmuck und hatte graue Augen. Herr Itamu war kleiner als seine Frau und hatte schwarzes Haar, das er sich zurückgekämmt hatte. Er machte einen wesentlich ruhigeren Eindruck und strahlte eine ähnliche Ruhe wie Takashi aus. Seine Augen hatten ein helles braun und exakt dieselbe Farbe wie die seiner Söhne. Er trug angesichts des heißen Wetters ein kurzärmeliges Hemd, schaffte es aber trotzdem, seriös und wichtig zu erscheinen. Frau Itamu ließ es sich nicht nehmen, ihren jüngeren Sohn zu umarmen. Sie freute sich über alle Maßen, ihre beiden Söhne zu sehen und kam nicht umhin zu bemerken, dass Katsuya ein wenig dünn geworden sei, woraufhin die Ermahnung folgte, dass er auch ordentlich essen sollte. Die Begrüßung des Vaters fiel nicht ganz so lebhaft aus, doch ihm war die Freude über das Wiedersehen anzumerken, als er Katsuya grüßte. Hinata stand ein wenig abseits und das mit Absicht. Er überlegte immer wieder für einen kurzen Augenblick, ob er den Fluchtversuch wagen sollte, doch sein Körper wollte ihm nicht gehorchen und war in eine Art Schockstarre verfallen. Und dann war es auch schon zu spät, denn da galt die Aufmerksamkeit nun ihm. Sämtliche Blicke ruhten nun auf ihn und Takashi erklärte „Das ist Hinata. Er geht mit uns beiden zur Uni und studiert Kunst. Von ihm haben wir euch schon erzählt.“ Hinata war, als würde sich vor lauter Aufregung sein Magen verkrampfen. Ihm war übel und seine Hände fühlten sich schwitzig an. Er versuchte seine Angst zu verbergen, als er sich zur Begrüßung verbeugte und sie nun selber begrüßte. Jedoch konnte er nicht verhindern, dass seine Stimme vor Aufregung bebte. Frau Itamu kam nun auf ihn zu und musterte ihn mit reger Neugier. „Hinata? Ich dachte immer, das wäre ein Mädchenname. Oder etwa nicht, Schatz?“ „Es ist sowohl ein Mädchen- als auch ein Jungenname“, erklärte Herr Itamu seiner Frau daraufhin, die daraufhin erstaunt die Augenbrauen hob, dann aber etwas verlegen lachte und Hinata daraufhin auf die Schulter klopfte. „Ach entschuldige. Weißt du, meine Mutter kommt eigentlich aus Frankreich und selbst nach all den Jahren in Japan passieren mir solche Sachen. Ich vergesse sowieso immer wieder, dass man sich hier grundsätzlich immer mit dem Nachnamen anspricht. Ich hoffe, du siehst mir das nach.“ Tatsächlich fiel Hinata auf, dass Frau Itamu auch einen leichten Akzent hatte. Vermutlich hatte sie eine lange Zeit in Frankreich gelebt, bevor sie dann nach Japan kam. Sie hatte etwas sehr Herzliches an sich und ihr freundliches Lächeln steckte richtig an. Doch der Vater der Zwillinge wirkte ein wenig zurückhaltend. Als er nun näher trat, um Hinata genauer zu mustern, hatte er einen Blick, bei dem ihm anders wurde. Dieser Blick machte ihm Angst und er verspürte insgeheim den Wunsch, wegzulaufen. Er wich instinktiv ein klein wenig zurück und spürte den Schweiß an seinen Händen, was bei ihm ein deutliches Zeichen von Angst und Stress war. Dieser Blick, den Herr Itamu hatte, erinnerte ihn an seinen Vater. „Du bist also Amano?“ stellte er fest, wobei er der Einzige war, der Hinata mit seinen Nachnamen ansprach, was eigentlich Gang und Gebe war. „Kommst du aus Tokyo?“ Hinata schüttelte den Kopf und wollte etwas sagen, doch in seinem Hals schien sich ein Kloß zu bilden, bei dem ihm die Stimme allmählich versagte. Mit Mühe gelang es ihm aber, eine Antwort zu formulieren. „Nein, ich komme aus Fukuoka.“ „Fukuoka?“ fragte Herr Itamu und hob die Augenbrauen, was aussah, als würde er ernsthaft anzweifeln, was Hinata gesagt hätte. Und das machte den 20-jährigen noch nervöser. Der Kloß in seinem Hals wurde immer dicker und sein Magen drehte sich um, sodass ihm schlecht wurde. „Gab es keine Uni in der Nähe, wo Kunststudienfächer angeboten werden?“ „Doch schon“, murmelte Hinata ein wenig eingeschüchtert. „Aber ich wollte in Tokyo studieren, weil vor allem die Uni am besten ist.“ Dieser musternde Blick machte ihm Angst. Was dachte Herr Itamu von ihm und wieso zog er die Augenbrauen zusammen? Hatte Herr Itamu etwas gegen ihn? „Und was ist mit deinen Eltern? Was machen die?“ Nun setzte etwas in Hinatas Kopf aus. Er war nicht mehr fähig, logisch zu denken oder zu handeln. Allein die Tatsache, dass ihm diese Frage gestellt wurde und er sich vor Herrn Itamu erklären musste, war schlimm genug. Nun bekam er endgültig Panik und er hatte nur noch einen einzigen Gedanken: weg von hier. Man hätte ihn in dieser Situation mit einem in Panik geratenen Pferd vergleichen können, das bereit wäre, so lange weiterzulaufen, bis es tot zusammenbrach. Ohne nachzudenken rannte Hinata los, flüchtete aus dem Wohnzimmer direkt zur Haustür. „Hinata!“ Katsuya lief ihm sofort hinterher, während Takashi bei seinen Eltern blieb, um die Situation zu erklären, die von der plötzlichen Reaktion etwas verwirrt waren und nicht so recht wussten, wie sie das einordnen sollten. „Was hat der Junge?“ fragte sein Vater und runzelte verwundert die Stirn. „Der war ja blass wie der Tod.“ „Nun“, murmelte Takashi und dachte nach, wie er es am besten erklären konnte. „Hinata hat ernsthafte Probleme mit seinen Eltern und ist nach Tokyo gekommen, um von ihnen wegzukommen.“ „Probleme?“ hakte sein Vater nach und setzte sich auf eines der Sofas. Auch seine Frau nahm Platz. „Was für Probleme?“ Zuerst überlegte Takashi, wie viel er sagen sollte. Aber da er auf die Diskretion seiner Eltern vertrauen konnte, begann er ihnen das zu erzählen, was Hinata ihm und Katsuya anvertraut hatte. Der unaufhörliche Leistungsdruck, die Misshandlungen, die Selbstmordversuche und wie er es geschafft hatte, aus dieser Hölle zu flüchten und seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Hinata war noch nie in seinem Leben so schnell gerannt wie in diesem Moment. Die Angst, die ihn befiel, trieb ihn unerbittlich voran wie tausend Peitschenhiebe und er rannte zur Haustür raus, direkt auf die Straße, ohne zu sehen, dass er direkt vor ein Auto lief, das die Straße entlangfuhr. Er hörte weder die Hupe, noch sah er das Auto. „Hinata!!!“ Seine Flucht wurde gebremst, als sich etwas von hinten gegen ihn warf und ihn von den Füßen riss. Er fiel nach vorne und spürte, wie zwei Arme seinen Körper umklammerten. Das nächste, was er spürte, war der harte Aufprall auf dem Boden und ein Schmerz, der sein Knie durchfuhr. Ein eisiger Schreck durchfuhr ihn, als er den Wagen haarscharf wegfahren sah und realisierte, dass er beinahe über den Haufen gefahren worden wäre. Sein Herz raste förmlich und er zitterte am ganzen Körper. Tränen sammelten sich in seinen Augen und er spürte, wie das drückende Gewicht von seinem Körper wich. Es war Katsuya, der ihn noch im allerletzten Moment aus der Gefahrenzone gerettet hatte. Seine Brille war dabei heruntergefallen und zerbrochen. „Katsuya…“, brachte Hinata vor. „Deine Brille…“ „Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“ schrie der jüngere Zwilling plötzlich, was Hinata erschrocken zusammenzucken ließ. Noch nie hatte er ihn so aufgebracht erlebt und angsterfüllt sah er ihn an. „Du hättest jetzt tot sein können und das erste, woran du denkst, ist so eine dämliche Brille. Du hättest da gerade sterben können! Hast du eine Ahnung, was für eine Angst ich da gerade hatte?“ Hinata sah tatsächlich die Angst und die Sorge in Katsuyas Augen und als er in den Arm genommen wurde, brach er in Tränen aus und klammerte sich an ihn fest. „Es tut mir leid“, brachte er mit zitternder Stimme hervor. „Ich… ich wollte doch nicht…“ Langsam kam Katsuya wieder auf die Beine und half Hinata hoch. Dieser hinkte ein wenig und sein Knie blutete. „Tut mir leid, dass ich dich gerade angeschrieen habe“, murmelte Katsuya, der sich langsam wieder beruhigte und Hinata stützte, um sein verletztes Bein zu entlasten. „Schon gut“, gab Hinata zurück und spürte, wie Blut sein Knie hinabfloss. Er musste es sich ganz schön aufgeschlagen haben. „Und mir tut es leid, dass ich einfach abgehauen bin. Ich… ich hab einfach Angst bekommen, weil er mich vorhin an meinen Vater erinnert hat. Und diese Frage wegen meiner Eltern…“ „Kann ich verstehen. Aber er meinte es nicht böse. Er wirkt zwar streng, ist aber ein wirklich netter Kerl, auf den man sich auch verlassen kann. Na komm, wir sollten erst mal dein Bein verarzten. Du hast es dir ganz schön aufgeschlagen.“ So kehrten sie wieder ins Haus zurück und gingen rauf ins Bad, während Takashi sich offenbar noch mit seinen Eltern unterhielt. Im Badezimmer setzte sich Hinata auf den Rand der Badewanne, während Katsuya die Wunde reinigte, desinfizierte und im Anschluss verband. „Ich hole gleich mal etwas zum Kühlen, damit es nicht anschwillt.“ Hinata nickte und dachte nach. „Ich glaube, ich sollte mich bei deinem Vater für mein Verhalten entschuldigen.“ „Mach dir deswegen nicht so viele Gedanken. Er macht zwar einen recht strengen Eindruck, aber eigentlich ist er nicht so.“ Vorsichtig stützte Katsuya ihn, als Hinata gehen wollte. Sein Bein schmerzte ziemlich und wahrscheinlich würde dieser Schmerz noch den Rest des Tages anhalten. Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, wo Takashi sich noch mit seinen Eltern unterhielt. Er unterbrach aber, als er Hinata sah. „Was ist passiert?“ fragte er und stand auf, doch Katsuya winkte nur ab. „Ein unglücklicher Sturz, mehr nicht. Du hör mal, ich geh eben kurz was zum Kühlen für Hinatas Knie holen.“ Damit ging Katsuya und verschwand fürs Erste. Hinata, der sich für sein Verhalten ziemlich schämte, verbeugte sich tief und entschuldigte sich in aller Form beim Ehepaar Itamu. Frau Itamu winkte nur mit einem Lächeln ab und war überhaupt nicht böse oder nachtragend deswegen. Ihr Mann wirkte dagegen ernst und sah Hinata wieder mit diesem forschenden Blick an. „Takashi hat mir erzählt, dass du einiges in deiner Familie erlebt hast und weshalb du wirklich nach Tokyo gekommen bist.“ Erschrocken sah Hinata auf. „Es tut mir leid, ich… ich wollte Sie nicht anlügen.“ Doch Herr Itamu unterbrach ihn, indem er ihn mittels Handgeste dazu aufforderte, zu schweigen. „Ein jeder Mensch hat sein persönliches Päckchen zu tragen“, fuhr er fort. „Und bei manchen ist dieses Päckchen schwerer als bei anderen. Du scheinst mir nach meiner Einschätzung ein anständiger junger Mann zu sein, der für meine Söhne ein guter Umgang ist. Es ist allein dir überlassen, was du tust und was du von dir preisgeben willst, das ist dein gutes Recht. Aber solltest du Schwierigkeiten haben, dann steht es dir frei, mich um Rat zu fragen. Als Anwalt kann ich dich vor allem juristisch beraten, wenn dies nötig werden sollte. Doch eines musst du mir offen und ehrlich beantworten, Amano. Ist das auch wirklich die Wahrheit, was dein Vater dir angetan hat?“ Hinata, der von seinem festen und eindringlichen Blick ein wenig eingeschüchtert war, nickte und krempelte den Ärmel seines T-Shirts hoch und zeigte die Narben von den ausgedrückten Zigaretten. „Er hat mich immer dort geschlagen, wo man hinterher die blauen Flecken nicht sehen wird. Seine Zigaretten hat er deshalb immer dort oder unten ausgedrückt. Mein Klassenlehrer Sugiyama-sensei hatte zwar nicht alles gewusst, aber er hat mir trotzdem geholfen, von meinen Eltern wegzukommen. Wenn mein Vater erfährt, dass ich Kunst statt Jura studiere, wird er ausrasten. Vielleicht bringt er mich dieses Mal wirklich um.“ Schweigen trat ein. Frau Itamu sagte nichts, sondern schüttelte nur fassungslos den Kopf. Schließlich sprach sie etwas auf Französisch, was niemand verstand und sah sich die Narben an, die Hinatas Körper entstellten. Schließlich fragte sie ihren Mann etwas, was Hinata nicht ganz verstand, da sie sehr undeutlich sprach und bekam ein Nicken zur Antwort. Schließlich bot Herr Itamu überraschend an „Wenn es Schwierigkeiten geben sollte, werde ich sehen, was ich für dich tun kann, Amano. Du wirkst nicht wie jemand auf mich, der übertreibt und ich habe während meiner Zeit als Anwalt auch schon mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun gehabt, die aus einem schwierigen Elternhaus stammen. Was ich dir anbieten kann ist: sollte dein Vater dich finden und dich wieder misshandeln, kannst du mich anrufen und ich werde als Anwalt dafür sorgen, dass er sich dir nicht mehr nähern darf.“ „Und wie soll das gehen?“ „Mit einer einstweiligen Verfügung“, erklärte Herr Itamu ruhig und sachlich, sodass es wirkte, als wäre dies ein offizielles Beratungsgespräch. „Das bedeutet, dass er weder schriftlich, noch telefonisch Kontakt zu dir aufnehmen darf. Außerdem darf er sich weder deinem Grundstück nähern, noch dir zu nahe kommen. Es kann sogar festgelegt werden, welchen Abstand er einhalten soll. Ich kann verstehen, wenn du sagst, dass du keine Anzeige erstatten willst. Aber ich biete dir die Möglichkeit an, dir meinen Rat und meine Hilfe als Anwalt an die Hand zu geben, wenn es Probleme geben sollte.“ Hinatas Augen wurden groß und nun sah er den zweifachen Vater zum ersten Mal direkt in den Augen und man sah ihm an, dass er sprachlos war. „Sie… Sie wollen das wirklich für mich tun?“ „Du scheinst mir ein anständiger junger Mann zu sein“, erklärte Herr Itamu und ein väterlich anmutendes Lächeln schlich sich auf seine Mundwinkel. „Meine Söhne haben in den höchsten Tönen von dir geschwärmt und du liegst ihnen sehr am Herzen. Ich habe einige ihrer Bekanntschaften kennen gelernt und kann mir inzwischen ein gewisses Urteil bilden. Es war für mich nicht gerade leicht zu verarbeiten, dass meine beiden Söhne in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung sind und dann noch denselben Partner teilen. Das ist nichts Persönliches, aber als Vater wünscht man sich nun mal eine traditionelle Partnerschaft für seine Kinder. Aber wenn ich ehrlich bin, kann ich mich mit diesem Gedanken wesentlich besser anfreunden, wenn ich wenigstens weiß, dass meine beiden Söhne mit jemandem zusammen sind, der auch ein anständiger Kerl ist und der es ehrlich mit ihnen meint. Nun möchte ich von dir wissen: liebst du Takashi und Katsuya?“ Hinata, der tief bewegt von diesen Worten war und dessen anfängliche Furcht vor dem Vater nun aufrichtiger Bewunderung wich, nickte und sprach ehrlich und ohne zu stammeln „Ja, das tue ich. Ich liebe sie beide.“ Und als er es ausgesprochen hatte, konnte er nicht verhindern, dass er vor Verlegenheit rot wurde. Doch er schämte sich durchaus nicht dafür, dass er es gesagt hatte. Es fühlte sich richtig an und es machte ihn auch ein klein wenig stolz, dass er den Mut aufgebracht hatte, es gesagt zu haben. Und als er die Freude in den Augen von Takashi und Katsuya sah, der wieder zurückgekommen war, war er umso überzeugter, das Richtige getan zu haben. Nun legte Herr Itamu eine Hand auf seine Schulter und diese Geste hatte fast schon etwas Väterliches. Er wirkte nun überhaupt nicht mehr wie dieser strenge Mann, vor dem sich der Kunststudent gefürchtet hatte, sondern strahlte etwas ähnlich Ruhiges und zugleich Freundliches aus so wie Takashi. Daran ließ sich nur allzu deutlich erkennen, nach wem die Zwillinge jeweils kamen. „Ich denke, wir werden uns gut verstehen und du bist in unserer Familie herzlich Willkommen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)