Nummer Neun von Avialle ================================================================================ Kapitel 12: ------------ Als am Morgen die Gruppe um den Fürsten weiter zog, schielten Rin als auch Jaken immer wieder zu ‚Neun‘. Der Kappa hielt die Zügel des Drachens in den Händen und lief links vor ihm, während die Sklavin sich rechts, auf einer Höhe mit Rin hielt. Irgendetwas schien in der Nacht vorgefallen zu sein. Es interessierte beide brennend, was genau. Nur ‚Neun‘ konnte keine Erklärung abgeben und Sesshomaru-sama zu fragen, war ebenfalls wenig erfolgversprechend. Alles, was Rin wusste, war, dass die beiden InuYoukai in der Nacht nicht am Lager waren. Dies hatte sie festgestellt, nachdem Ah-Uhn sie aus einem Alptraum gerissen hatte. Tatsache war ebenfalls, dass ‚Neun‘ am Morgen schlief – und das verdammt tief. Jaken hatte ihr schlussendlich Wasser in den Nacken geschüttet, um sie wach zu bekommen. Alle vorherigen Versuche waren fehlgeschlagen. Das war äußerst untypisch für einen Youkai. Ein solcher Zustand rührte in der Regel von Verletzungen her, aber davon war nichts an der Inu zu erkennen. Dazu kam noch, dass ‚Neun‘ ziemlich mitgenommen aussah. Es würde Rin nicht wundern, wenn ihr die Augen während des Laufens zufallen würden. Trotz der offensichtlichen Anstrengung, hielt sie aber schritt, die Miene verkniffen und konzentriert. Als würde sie einen inneren Kampf ausfechten. Vielleicht sollte sie der Sklavin anbieten, hinter ihr auf Ah-Uhn zu steigen? Andererseits hatte ihr Meister nur Rin dazu aufgefordert, sich einen weiteren Tag zu schonen. Von ‚Neun‘ erwartete er also, dass sie allein laufen konnte. Jaken hatte am Morgen die Sklavin lautstark danach gefragt, was in sie gefahren sei und ihr ihre Schreibutensilien vor die Füße geworfen. Ehe sie auch nur danach greifen konnte, hatte Sesshomaru-sama ihnen deutlich gemacht, dass er weiterreisen wollte. Es war aber auch unpraktisch, dass ‚Neun‘ nicht sprach. Was das Mädchen auf andere Gedanken brachte, die schon länger in ihrem Kopf umherirrten. „Kannst du eigentlich nicht sprechen oder willst du nicht?“ Drei Augenpaare wanderten zu ihr, als sie so plötzlich mit ihrer Frage die Stille durchbrach. Es dauerte einige Sekunden, ehe ‚Neun‘ ahnungslos die Schultern hob. Gut, vielleicht hatte sie schlecht formuliert. Auf eine Frage mit „oder“ konnte schlecht mit Ja oder Nein geantwortet werden und das war alles, was sie als Erwiderung erhalten würde. Zum einen konnte ‚Neun‘ schlecht während des Gehens schreiben, zum anderen hatte Rin nie das Lesen gelernt. „Bist du schon immer stumm?“ Ein Stirnrunzeln, als ob es der Gefragten schwerfallen würde, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren – oder sie unsicher war, ob sie überhaupt weiter reagieren sollte. Dann ein Nicken. „Hast du es denn je versucht?“ Dieses Mal ein Kopfschütteln. „Warum nicht?“, sprudelte es unüberlegt aus ihrem Munde. Kaum ausgesprochen, verzog Rin den Mund. So gern sie das wüsste, so würde sie nichts erfahren. „Willst du denn sprechen?“, versuchte sie es mit anderen Worten. Für einen Moment erstarrte ‚Neun‘, ehe sie den Kopf schief legte und nicht zu wissen schien, was sie antworten sollte. Einer Eingebung folgend, wartete Rin nicht weiter ab. „Hat dich jemals jemand gefragt, was du willst?“ Goldene Augen blickten sie an, als ob sie gerade behauptet hätte, Wasser würde einen Berg hinauf fließen. Ein eindeutiges Nein. Jetzt war es an Rin, die Stirn in Falten zu legen. Durch die Antworten wurde ‚Neun‘ nicht gerade einfacher zu verstehen. Im Gegenteil, das Menschenkind wollte nur noch mehr wissen – nachvollziehen, was bei der Youkai nicht stimmte. ‚Neun‘ konnte menschliche Gestalt annehmen. Kaede hatte erklärt, dass dies eine Eigenschaft war, die Youkai von den niederen Oni unterschied. Richtige Youkai waren also mächtiger und in der Regel auch körperlich makellos. Zumindest was solche Beeinträchtigungen anging… Es konnte doch nicht sein, dass ‚Neun‘ körperlich nicht in der Lage dazu war. Das wäre wirklich seltsam. Selbst Sango, die aus ihrem Dorf viele Anekdoten zu berichten hatte, hatte nie erwähnt, dass einem der Dämonenjäger ein solches Exemplar begegnet wäre. Solche Schwächen waren der menschlichen Rasse vorbehalten. Andererseits hatte sie selbst erlebt, dass es nicht gerne gesehen wurde, wenn die Sklaven sprachen. Sei es unaufgefordert oder nicht. Niemanden interessierte es, was sie zu sagen hatten. Angestrengt grübelte sie weiter nach. Hatte die Frau bei Kenzo nicht auch gesagt, als Sklaven hatten ihre Namen keine Bedeutung mehr? Ihr Blick wanderte zu ‚Neun‘. Eine Nummer, wie auch sie selbst eine war. Ohne Namen, ohne Persönlichkeit. „Weißt du deinen Namen?“ Dieses Mal blieb die Leibeigene stehen und schien wirklich aus der Bahn geworfen zu sein. Es dauerte einige Sekunden, ehe sie wieder aufschloss, auf den Boden starrte und den Kopf schüttelte. Rin schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals. Wie lange war die Youkai schon in Sklaverei gewesen, dass sie selbst ihren Namen vergessen hatte? Betrübt senkte auch sie den Blick. Was keine von beiden wusste, war, dass Sesshomaru das Gespräch aufmerksam verfolgt hatte, ebenso wie die Reaktionen von der Frau. „Rin.“ Das Mädchen hatte gerade den Mund für eine weitere Frage geöffnet, als Sesshomaru sie verstummen ließ. Sein Blick über die Schulter sagte ihr deutlich, dass sie genug Fragen gestellt hatte und so biss sie sich auf ihre Unterlippe und schwieg. Nach dem, was in der Nacht geschah, sollte die Youkai die Zeit haben, ihr Inneres zu ordnen. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein weiterer Vorfall wie vor einigen Stunden. ~~~ Mit Kirara auf der Schulter lief Kohaku an der Spitze des Zuges. Es war mühsam, mit den ausgelaugten Menschen voranzukommen. Nicht, dass sie nicht wollten, sondern an die Grenzen ihrer körperlichen Kräfte gerieten. Dennoch beklagte sich niemand, alle hielten sich aufrecht und folgten ihm tapfer. Mangelnden Willen, endlich in ihr Dorf zurückkehren zu können, konnte man ihnen wahrlich nicht vorwerfen. Im Gegenteil, vermutlich schöpften sie gerade aus dieser Aussicht die nötige Kraft, um sich weiter voranzuschleppen. Er hoffte nur, dass seine Schwester und ihre Gruppe bereits mit den Aufräumarbeiten vorangekommen waren. So oder so würde der Anblick ihrer Heimat die Menschen schwer treffen. Genaue Aussagen, wie es im Dorf aussah, hatte er bewusst nicht gemacht. Sie brauchten die Hoffnung, in ihre sicheren Hütten heimkehren zu können. Der junge Mann seufzte schwer. Nein, dies war keine angenehme Aufgabe. Es war auch keiner seiner Aufträge, in denen es um fremde Menschen ging. Er kannte diese Leute und wusste, dass manch einer von ihnen ein persönlicher Verlust erwarten würde, der den einer Hütte bei weitem überwog. Kagome war eine erstklassige Heilerin, die von Kaede gut ausgebildet wurde, aber auch sie konnte nicht alles und jeden retten. Als er aufbrach, waren neben der alten Miko bereits drei weitere Opfer Kagome wortwörtlich unter den Händen weggestorben. Laut der Frau aus der Neuzeit hatte der Rest deutlich bessere Chancen, aber es konnte immer etwas Unerwartetes geschehen. Zumindest von Kaedes Verlust wussten die Menschen um ihn, denn manche hatten mitbekommen, wie die Alte verletzt wurde und hatten sich nach ihrem Befinden erkundigt. Er hatte sie nicht anlügen wollen. Bewusst hatte er auch bei Kagome nicht weiter nachgehakt, wer die anderen Verstorbenen waren. So hatte er ehrlich antworten können, dass er es nicht wusste. Ein Mann tauchte an seiner Seite auf, nur wenige Jahre älter als er selbst. „Was meint Ihr, wann werden wir ankommen?“ Hinter ihnen wurden interessiert die Köpfe gehoben, woraus Kohaku schloss, dass dies alle interessierte und sie nur jemanden vorgeschickt hatten. „Wenn es zu keinen Verzögerungen kommt, könnten wir bereits morgen Nachmittag das Dorf erreichen.“ Und wenn sie ihr Tempo hielten, aber dies verschwieg er. Keiner sollte sich gezwungen fühlen, sich komplett zu verausgaben. Wenn sie alle total entkräftet im Dorf ankommen würden, wäre auch niemandem geholfen, im Gegenteil. Dankend wurde ihm noch zugenickt, während hinter ihm bereits das Getuschel begann und das Gehörte weiter gegeben wurde. Kirara stupste ihn mit der Schnauze an und gab ein Maunzen von sich. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, strich er ihr über den Kopf. Was würde er nur ohne die Nekomata machen, die ihn immer wieder ermutigte und ihm Halt gab? „Du hast Recht, bisher hatten wir Glück und das wird so bleiben.“ Zustimmend begann sie zu schnurren. ~~~ Kagome stand gemeinsam mit Sango und Shippo am Dorfrand und sah zu, wie sich Miroku und InuYasha von ihnen entfernten. Ihnen allen gefiel dieser Gedanke ganz und gar nicht, aber die Lage im Dorf war ernst. Ihnen mangelte es an so ziemlich allem. Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Auch wenn letzteres sich etwas entspannt hatte, dank des tatkräftigen Hanyou. Die zerstörte Ernte und auch der persönliche Besitz ließ sich aber nicht so einfach ersetzen, wie eine Hütte, für die es genug Baumaterial im Wald gab. Aus diesem Grund hatten die Männer nach langem Ringen einen Auftrag angenommen. Sie wären einige Tage unterwegs, aber wenn sie den Oni aus der anderen Siedlung vertrieben hatten, konnten sie von dort Nahrung mitbringen. Vielleicht auch etwas Stoff, mit dem die Frauen neue Kleidung nähen konnten. Oder ein paar Werkzeuge. Am dringlichsten wäre aber etwas zu essen und Saatgut, damit sie selbst wieder mit dem Anbau beginnen konnten. Für die beiden Frauen würden diese Tage jedenfalls anstrengend und nervenaufreibend werden, denn sie waren von nun an allein für den Schutz der Dorfbewohner verantwortlich. Noch immer trieben sich mehr als genug Oni in der näheren Umgebung herum, die bei der erstbesten Gelegenheit angreifen würden. Sango wandte sich als Erste ab und ihre Freundin folgte ihr, während Shippo es vorzog, noch länger draußen zu verweilen. Er wusste, dass die beiden nun eine karge Mahlzeit einnehmen würden und dies sollten sie in aller Ruhe tun – so lange würde er den Wald im Auge behalten, um früh genug Alarm schlagen zu können. „Was meinst du, Sango?“ „Ich mache mir Sorgen“, gab diese unumwunden zu. „Von dem, was Kohaku über seine Zeit bei Sesshomaru erzählt hat, glaube ich, dass dieser die Angreifer aufgespürt hat. Immerhin geht es um Rin. Aber…“ „Aber was?“ „Die Ältesten erzählten doch, dass es Sklavenhändler waren. Was, wenn sie bereits einen Teil ihrer Gefangenen verkauft haben? Oder wenn Kohaku sie nicht schnell genug findet und ihnen etwas zustößt?“ Die junge Miko seufzte schwer. „Darüber habe ich mir ebenfalls Gedanken gemacht. Nur was sollen wir machen?“ Ein frustrierter Laut seitens der Dämonenjägerin. „Das ist es ja! Wir können hier nicht weg! Ich zweifle nicht an den Fähigkeiten der beiden, es ist nur… Wir sind hier zum Nichtstun verdammt!“ Den Unmut konnte Kagome gut nachvollziehen. Sehr gut sogar. Auch bei sich selbst spürte sie langsam, wie sich Frustration aufbaute. Wie erging es da nur InuYasha? Ihm tat es höchstwahrscheinlich gut, diesem Auftrag nachzukommen. Somit konnte er zumindest etwas unternehmen, war nicht an diesen Ort gebunden. „Wir tun doch etwas. Wir bauen das Dorf wieder auf“, ein schwacher Versuch, etwas Positives an alldem zu finden. Sie mussten sich momentan einfach an alles Gute klammern, um nicht unter der Last zusammen zu brechen, die mit jedem Tag schwerer zu werden schien. Wenn in Kagomes Zeit Menschen im Fernsehen behauptet hatten, sie wollten endlich Gewissheit über das Schicksal eines vermissten Familienmitgliedes – und sei es auch der Fund der Leiche – hatte sie dies nie wirklich verstehen können. Jetzt konnte sie es. Nichts war so schlimm, wie diese nagende Ungewissheit. ~~~ Er wusste noch nicht, was er vom jetzigen Stand der Dinge halten sollte. Immerhin hatte er mehr Erfolg gehabt, als bei den Versuchen zuvor. Sie hatte Neugierde gezeigt und ihren Reaktionen nach völlig neue Erfahrungen gesammelt – sogar einen Ton hatte er der stummen Frau entlockt. Aber es war noch nicht genug! Während sie beide sich ankleideten, ließ er sie keine Sekunde aus den Augen. Etwas stimmt nicht, ihre Bewegungen waren steif. Aber weiter geschah nichts. Sollte das tatsächlich alles gewesen sein? Ein Pulsieren ihres Youkis, kaum wahrnehmbar – und würde er sich nicht mit all seinen Sinnen auf sie konzentrieren, es wäre ihm entgangen. Mit dem, was dann geschah, hatte selbst er nicht gerechnet. Es hatte keinerlei Anzeichen für das, was kam gegeben. Gerade eben noch stand ‚Neun‘ da, einen abwesenden Ausdruck in den Augen – und von einem Moment auf den anderen waren ihre Augen blutrot, eine Welle ihres mächtigen Youkis schob ihn tatsächlich einige Zentimeter zurück, so überrumpelt war er. Dann wechselte sie auch schon die Gestalt und eine große, silberne Hündin baute sich mit gefletschten Zähnen vor ihm auf. Wäre ihr Fell nicht so ungepflegt, wäre sie eine eindrucksvolle und edle Inu, keine Frage. Kein Funken Verstand war in ihrem Blick, nichts von der Sklavin war an der Gestalt vor ihm zu erkennen. Sesshomaru fand sich ihrem Biest gegenüber. Dem wilden, animalischen Teil eines jeden Youkai. So war das nicht geplant gewesen. Reizen hatte er sie wollen, aber nicht gleich ihr rationales Denken ausschalten. Jetzt hatte er ein ernstzunehmendes Problem. ‚Neun‘ hatte zweifelsohne nicht den Hauch einer Chance, die Kontrolle über ihren Körper zurückzuerlangen. Vielleicht hatte sie auch freiwillig der wilden Bestie in ihr die Führung überlassen. Ihre Überforderung war ihm nicht entgangen, aber das es gleich derart ausarten würde… Wenn es ihr Wille war, ihren Verstand auszuschalten, würde es verdammt schwer werden – für ‚Neun‘. Mit einem Sprung wich er einem Biss aus. Mit blanker Mordlust in den Augen setzte die Hündin hinterher, hieb mit den Pfoten nach ihm, schnappte immer wieder zu. Doch erwischen würde sie ihn nicht. Dafür waren die Bewegungen zu vorhersehbar, zu plump. Als hätte sie nie gelernt, mit dieser Gestalt umzugehen. Was eigentlich logisch war, wenn sie auch ihr Youki nicht kontrollieren konnte. Biest und Youki hingen zusammen, das eine ging nicht ohne das andere. Er wich noch eine ganze Weile aus, damit sie sich verausgabte. Vielleicht auch beruhigte, von alleine Herrin ihres Körpers wurde. Das Gegenteil war der Fall, er wurde immer schlimmer. Sie verfiel geradezu in blinde Raserei. Dann eben anders. Der DaiYoukai brachte genügend Abstand zwischen sie beide, ehe auch seine Augen die Farbe wechselten und er seine andere Gestalt annahm. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, stürzte sich ‚Neun‘ wieder auf ihn. Störte sich nicht im Mindesten daran, dass er größer und kräftiger war. Und im Gegensatz zu ihr, wusste er mit seinem Körper umzugehen, behielt einen klaren Kopf. Sie konnte nur verlieren. Ihm war dies klar, aber ihr nicht. Der Wechsel seiner Gestalt hatte sie nur weiter angestachelt. Sie war schlimmer als jeder Welpe, der bei seiner ersten Verwandlung durchdrehte – und dadurch, dass sie kein Jungtier mehr war, wurde das Ganze nicht gerade besser. Wer wusste schon, welche Veranlagungen sie besaß und unbewusst einsetzen würde? Um Giftangriffe musste er sich nicht sorgen, aber es gab noch genügend anderer Formen aktiver Fähigkeiten, die üble Verletzungen verursachen konnten. Bei ihm und bei ihr. Bei ihrem nächsten Vorstoß wich er nicht nach hinten, sondern zur Seite aus, ging direkt zum Gegenangriff über. Mit einem gezielten Biss in den Nacken packte er die Hündin und hielt sie fest. Da es kein richtiger Kampf war, übte er nicht genug Druck aus, um ihr dichtes Fell zu durchdringen und sie ernsthaft zu verletzen. Ihr Körper bäumte sich auf, wand sich in seinem Griff, versuchte zu entkommen. Ihre Kiefer klappten lautstark auf und zu, während sie blind nach allem schnappte, was sie möglicherweise erwischen konnte. Vergeblich, er ließ nicht locker, sondern verstärkte nun doch etwas die Intensität seines Bisses. ‚Neun‘ wechselte die Taktik und versuchte ihn mit einer ihrer Pfoten zu erwischen. Sesshomaru drückte seinen Kopf nach unten, zwang sie dazu, sich hinzulegen. Nahm ihr damit die nötige Bewegungsfreiheit. Sie versuchte zwar, sich dagegen zu stemmen, aber der Widerstand seiner Zähne brachte dies schnell zum Erliegen. Endlich lag sie still vor ihm, doch die Anspannung wich nicht. Solange sie ihre Niederlage nicht eingestand und sich unterwarf, konnte er nicht loslassen. Schlussendlich gab sie nach, ihr Körper erschlaffte. Nur langsam ließ er locker, jederzeit bereit wieder zuzuschnappen, sollte sie nochmals angreifen. Nichts dergleichen, zögerlich erhob sich die Inu, die Rute eingezogen, den Kopf gesenkt. Interessanterweise hatte sie auch in dieser Gestalt weder gebellt, noch geknurrt. Konnte sie es doch nicht? Aber er war sich sicher, einen Schrei von ihr gehört zu haben! Er verschob diesen Gedanken, denn gerade gab es Dringlicheres. Sesshomaru mochte die Hündin auf ihren Platz verwiesen haben, aber noch war die Sache nicht ausgestanden. Ihm gegenüber befand sich nach wie vor das Biest, keine Spur von der eigentlichen Persönlichkeit der Leibeigenen. Dennoch entschied er sich, wieder in seine übliche Erscheinungsform auf zwei Beinen zu wechseln, natürlich unter der aufmerksamen Beobachtung der Hündin. Diese legte die Ohren an und trat nervös mit den Vorderpfoten herum. Unentschlossen. „Es reicht.“ Obwohl er nicht sonderlich laut sprach, zuckte sie zusammen, wiegte den Kopf hin und her und fixierte ihn. Dann gab sich das Biest geschlagen, akzeptierte, dass er einen weiteren Ausbruch nicht tolerieren würde. Er war der Ranghöhere, auch das hatte es einsehen müssen. Der Wechsel war nicht zu übersehen, denn in dem ungewohnten Körper geriet ‚Neun‘ selbst im Stehen ins Straucheln. Selten hatte er einen so verwirrten Youkai gesehen – wenigstens war sie schlau genug, sich hinzusetzen, denn wahrscheinlich wäre sie sonst bei ihrem ersten Schritt bereits über die eigenen Pfoten gestolpert. Das gewohnte Schieflegen ihres Kopfes, wenn sie etwas nicht verstand und nachdachte. Geradezu hilfesuchend starrte sie ihn an, als sei er ihr einziger Anker, ihre Rettung. „Denk an deine gewohnte Gestalt“, war seine knappe Anweisung. Erfahrungsgemäß konnte die Rückverwandlung dauern, weshalb er nach guten zehn Minuten dennoch geduldig dastand und wartete. Druck war in einer solchen Situation kontraproduktiv. Die silberne Hündin erzitterte. Wurde kleiner. Gesundes Mittelmaß, wie er feststellte. Nicht die schnellste, aber auch keine von der lahmen Sorte. Die Sklavin kniete einige Meter vor ihm am Boden, noch immer starrte sie ihn an. Ihre Hände zuckten und ihr Atem wurde hektischer, doch sie tat ihr Bestes, wieder Herrin ihres Körpers zu werden. Was ihr gelang, auch wenn es ihr offensichtlich schwer fiel. ‚Neun‘ schlang die Arme um ihren Oberkörper und machte langsam aber sicher einen eher verstörten Eindruck. „Das eben war dein Biest, es hat dein Denken ausgeschaltet und deinen Körper dazu gebracht, deine wahre Gestalt anzunehmen“, er machte eine kurze Pause, „Das ist normal.“ Langsam, tatsächlich ein wenig beruhigt, nickte sie. Niemand schien ihr bisher so etwas erklärt zu haben. Kein Wunder, dass sie nicht wusste, was mit ihr geschah. „Spürst du es in dir?“ Sie blinzelte ihn mehrere Male an, runzelte die Stirn und horchte in sich hinein. Ihre Schultern verkrampften, doch abermals folgte eine bestätigende Kopfbewegung. „Verfolge die Energie, die von deinem Biest ausgeht.“ Einige Momente geschah nichts, dann spürte er ein Beben durch ihr Youki gehen. Ein Zeichen, dass sie erfolgreich war. „Jetzt dränge sie zurück, dämpfe den Energiefluss.“ Es kostete sie einige Anstrengung, wie er ihrer verkrampften Haltung entnahm, aber es funktionierte. Beinahe schon eine Erleichterung für ihn, dass sich ihm diese Präsenz nicht mehr aufdrängte. „Halte diesen Zustand.“ Gehorsam senkte sie den Kopf. Wortlos wandte er sich ab, um zum Lager zurückzukehren. Hinter sich ihre stolpernden Schritte. Zurück bei den anderen, ließ sich ‚Neun‘ augenblicklich auf den Boden fallen und rollte sich zusammen. Es bereitete ihr sichtlich Probleme, seiner Anweisung Folge zu leisten. Dafür aber, was in dieser Nacht geschehen war, hielt sie sich gut. Dies bewog ihn dazu, doch noch etwas von sich zu geben. „Gut gemacht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)