Zerbrochene Zeit von Imaginis ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Eine Gestalt, gebrochen und willenlos, saß dort in diesem Raum, der endlos zu sein schien. Den Kopf gesengt, das Gesicht von grauen, zotteligen Haaren verdeckt und einen Speer in der Hand haltend. Hinter ihr sowohl riesige als auch winzige Zahnräder, an denen die Zeit ihre Spuren hinterlassen hatte, darauf einschlug, bis sie Risse bekamen und immer langsamer wurden. Die Zeit würde bald vorbei sein. Wenn die Zahnräder stehen bleiben, steht die Zeit. Für immer, für alle Ewigkeit, die es nicht mehr geben wird, wenn es keine Zeit mehr gibt. Wenn die Zahnräder zerstört sind, ist die Zeit zerstört. Mit grauenhaften Geräuschen bewegten sie sich, Groß in Klein, Zahn in Zahn. Es klang wie ein endloser, verzweifelter Schmerzensschrei, der erst enden würde, wenn jeder Teil dieses Ganzen, dieses vollkommenen Gefüges, in sich zusammenbrechen würde. Dann wurde ewige Stille herrschen, ewig in diesem zeitlosen Raum. Wären die Räder erst mal zerstört, würde man hinter ihnen die mit allerlei Motiven geschmückten, bunten Fenster sehen und den Untergang jener Welt beobachten, deren Zeit soeben gestorben war. Plötzlich ging ein Ruck durch die Gestalt. Sie schlug das untere Ende des Speeres mit ganzer Kraft auf den Boden, sodass die Zahnräder erzitterten. Mühsam zog sie ihren dünnen, beinahe abartig großen Körper an ebendieser Waffe hinauf, musste sich darauf stützen. Jeder Schritt war unsicher und zögerlich, die Gestalt wankte, als hätte sie sich seit Äonen nicht mehr bewegt, nur dort gesessen, ausgeharrt und gewartet. Gewartet, dass etwas bestimmtes passierte. Dunkelgrüne Augen zuckten hin und her, auf der Suche nach etwas. „Du bist auch nicht jünger geworden, Metus, mein alter Freund.“, erklang eine Stimme hinter der Gestalt, hinter diesem alten Mann. Auf dessen faltendurchfurchten Gesicht, auf dem die Zeit ebenso ihre Spuren hinterlassen hatte, wie auf den Zahnrädern, bildete sich ein schwaches Lächeln und er erwiderte:„Willst du dich nicht zumindest zeigen?“ Eine schwarze Masse sammelte sich auf dem Boden, wie ein Häufchen Elend und sah mit zwei weißen, kreisrunden Augen zu ihm herauf. „Also“, begann Metus,„Kommst du mich endlich abholen?“ Seine Hand verkrampfte sich um den Schaft des Speers, zitterte vor Anspannung. „Habe ich denn einen Grund dazu? War das nicht das, was du dir gewünscht hast? Macht?“, hallte die Stimme dieses Wesens durch den riesigen Raum. Die Schmerzensschreie der Zahnräder wurden immer lauter, dröhnten ihm in den Ohren, während sich seine Hand noch mehr verkrampfte. In erstaunlicher Geschwindigkeit schwang er den Speer in seiner Hand, mit einer Leichtigkeit und Beweglichkeit, die man seinem Körper nicht zugetraut hätte und rammte die Spitze durch das Wesen in den Boden. „Du… du verdammter…“, stieß Metus zwischen mehreren heftigen Atemzügen hervor, während er sich auf den Speerschaft stützen musste, um nicht zu Boden zu gehen. Die Stimme des Wesens ertönte erneut: „Was hast du? Du hast es so gewollt. Du wolltest Macht, ich habe sie dir verschafft.“ Er zog den Speer aus dem Boden und schleuderte ihn mit seiner verbliebenen Kraft davon. So stand er da, sein Körper erzitterte von Verzweiflung und Wut zugleich. Diesem Wesen hatte es aber nichts anhaben können, durchbohrt zu werden. „Du bist ein Zeitwächter, du bist zum Beginn der Zeit dieser Welt hierher gekommen und wirst bis zum Ende bleiben. Du wirst mit dieser Welt untergehen.“, sagte es. „Ich werde sterben?“, brachte Metus noch hervor, bevor er zusammenbrach. Nun saß er wieder dort, gebrochen und verzweifelt. „Du hast deinen Tod durch dein Dasein als Zeitwächter nur hinausgezögert, du kannst ihm nicht entkommen, niemand kann das, selbst ich nicht. Es tut mir Leid.“, sagte es, bevor es im Boden versank und so verschwant. „Aber ich habe Angst.“ Das waren die letzten Worte, die Metus je sprach, aber niemand würde sie hören. So wie es mit der Zeit zu Ende ging, ging es mit seinem Körper zu Ende. Sie wurde älter und schwächer, so sein Körper. Metus hatte seine ganze Kraft in den Speerstoß gelegt und das wurde sein Verhängnis. Er konnte nur dort verharren und allem zusehen, war machtlos. Die Risse zogen sich immer weiter und tiefer in die Räder, die Furchen wurden immer größer. Die Schreie wurden lauter, viel zu laut. Die Zeit bröckelte, erst Stücke fielen mit lautem Donnern zu Boden, wirbelten Staub auf. Andere folgten und diesen wiederum die nächsten. Durch die Lücken der weggebrochenen Stücke schien Licht, in allen möglichen Farben tanzte es über den Boden. Schließlich fielen die letzten Teile und ein wunderschönes Glasmosaik wurde sichtbar. Dessen Figuren zerbarsten langsam in Tausende von bunten und schillernden Scherben und segelten, von weißen Licht aus dem Hintergrund  angestrahlt, hinunter. Das Licht brach darin und malte Muster auf den Boden, die die Geschichte dieser Welt erzählten. Als dieses Schauspiel zu Ende war, hörte man einige Worte klar und deutlich durch den Raum hallen. Alles wurde von weißem Licht überflutet und ertrank darin. Aber ich habe Angst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)