Ablehnung von Kerstin-san ================================================================================ Kapitel 1: Ablehnung -------------------- Eine aufgeregte Stimmung hatte von Hogwarts Besitz ergriffen. Der Termin für den ersten Hogsmeadeausflug des neuen Schuljahres stand endlich fest. In knapp zwei Wochen würden sich wieder begeisterte Schülerströme durch das kleine Zaubererdorf wälzen. Entweder um sich in dem Wirtshaus Drei Besen ein Butterbier zu genehmigen, Zonkos Scherzartikelladen zu plündern, sich im Honigtopf mit den köstlichsten Süßigkeiten einzudecken oder einfach nur Händchen haltend in Madame Puddifoot’s Café zu sitzen. Lily Evans, frischgebackene Vertrauensschülerin des Hauses Gryffindor, sah dem Ausflug ebenfalls mit Freude entgegen. Für sie stand fest, dass sie mit ihrer Freundin Mary dem Drei Besen einen Besuch abstatten würde. Wie sie ihre Freundin kannte, würde diese anschließend sicherlich noch einen Abstecher in den Honigtopf machen. Mary vergötterte Schokofrösche und ließ sich keine Gelegenheit entgehen, diese zu kaufen, während Lily eher eine Vorliebe für Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen hatte. Mit einem Lächeln auf den Lippen, wandte sich das junge Mädchen von dem Aushang ab und schlängelte sich durch den überfüllten Gemeinschaftsraum, um sich die erste Mahlzeit des Tages einzuverleiben. Es war Freitag und dank eines überaus entspannten Stundenplans, der mit zwei Freistunden startete, verschwendete Lily keinen Gedanken an Ereignisse, die ihre gute Laune trüben konnten. Sie hatte gerade die Fette Dame hinter sich gelassen, als eine wohlbekannte Stimme sie innehalten ließ. „Hey! Hey, Evans!“ Mit einem resignierten Seufzen und knurrendem Magen blieb die Angesprochene mitten auf dem Gang stehen, setzte automatisch eine reservierte Miene auf und wandte sich schließlich zu dem Rufenden um. „Was gibt’s?“ Ihre Stimme klang desinteressiert, als die grüne Augen das Gesicht von James Potter fixierten. „Einen wunderschönen guten Morgen, liebste Lily.“ Seine braunen Augen funkelten ihr spitzbübisch entgegen, als er zu allem Überfluss auch noch eine Verbeugung andeutete. Diese ungewohnte Begrüßung brachte Lily etwas aus dem Konzept. „Guten Morgen.“ Ein abschätzender Blick traf ihn. Was führte er dieses Mal im Schilde? Allem Anschein nach nichts, denn er zwinkerte ihr lediglich zu, als er die letzten trennenden Meter überwunden hatte. „Darf ich dich zum Frühstück begleiten?“ Wieder folgte das typische James Potter Lächeln. Das altbekannte Misstrauen regte sich in der Vertrauensschülerin. Irgendetwas war hier sehr, sehr merkwürdig. Hatten er und seine Rumtreiberfreunde schon wieder etwas ausgeheckt? Sollte er sie solange ablenken? Aber dann hätten sie nur warten müssen, bis sie beim Frühstück saß. Zur Sicherheit riskierte die Hexe einen Blick über ihre Schulter, nicht dass sich Black an sie heranschlich, um sie mit Schleim zu übergießen. Andererseits, vielleicht wollten sie ihr etwas ins Frühstück mischen? „Suchst du jemanden?“ Eilig konzentrierte sich Lily auf den Rumtreiber, der ihr am nächsten war. „Ich vermisse deinen siamesischen Zwilling. Seid ihr nicht unzertrennlich?“ Der Junge tat ihren Spott mit einem Achselzucken ab. „Der pennt noch.“ Er senkte verschwörerisch die Stimme. „Er wird ihn aber sicherlich freuen, dass du ihn so vermisst.“ Wieder ein Zwinkern. Lily antwortete lediglich mit einem Schnauben. Sicher doch, als ob einer allein nicht schon ausreichte. Sie setzte sich wieder in Bewegung, was ihr Klassenkamerad offensichtlich als Zeichen ansah, sie zu begleiten. Hatte sie überhaupt zugestimmt? Allerdings konnte sie ihm ja schlecht verbieten zu frühstücken und die paar Minuten würde sie schon überleben. Hoffentlich. Ihr fiel auf, dass sie mehr als drei Sätze miteinander gewechselt hatten, ohne sich zu streiten. Das dürfte dann wohl ein neuer Schuljahresrekord sein. Innerlich kurz den Kopf schüttelnd, konzentrierte sich das grünäugige Mädchen wieder auf das Wesentliche: Die Motive von James Potter, sie zum Frühstück zu begleiten, zu ergründen. Die Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen, stiegen Lily und ihr ungewohnter Begleiter die letzte Treppe zur Eingangshalle hinunter. Vielleicht hatte er ausnahmsweise wirklich keine anderen Pläne als sie zur Großen Halle zu begleiten. Vielleicht geschahen noch Zeichen und Wunder? Oder… „Geh mit mir nach Hogsmeade!“ Augenblicklich schoss ihr Kopf zur Seite. Das ungläubige „Was?“ kam fast reflexartig über ihre Lippen. Abrupt hielten ihre Schritte inne und zwangen den Jungen ebenfalls zum Stillstand. „Du hast schon richtig gehört. Das Wochenende in zwei Wochen. Hogsmeade. Du und Ich. Zusammen.“ Auf ihren ungläubigen Blick hin und das stumme „Oh“, das ihre Lippen formten, reagierte er mit seinem altbewährten Lachen.   Lily versuchte das gerade Geschehene zu begreifen. Himmel, was sollte sie denn jetzt tun? Ein Date. Ein Date mit Potter. Rumtreiber Nummer 1. Der Kerl, der ihre Nerven mehr strapazierte als halb Hogwarts zusammen. Während er sie grinsend anstarrte und sich anscheinend köstlich über ihre Verwirrung amüsierte, versuchte Lilys paralysiertes Hirn weiterhin zu einem Ergebnis zu kommen. Wäre es ein normaler Tag mit einem sich normal verhaltenden James Potter gewesen, hätte sie keine Sekunde nachdenken müssen, um ihm eine Antwort zu geben. Aber der heutige Morgen war anders. Er war anders. Obwohl seine Einladung eher wie ein Befehl, als eine Frage geklungen hatte. Aber das war wohl seine Art. Okay, langsam musste sie ihm wirklich eine Antwort geben. Die schwierige Entscheidung wurde ihr urplötzlich abgenommen, als James Potter das tat, was er an sonstigen Tagen ständig machte: Slytherins verhexen. Entweder hatte er Lily für einen Sekundenbruchteil völlig vergessen oder es war ihm bereits in Fleisch und Blut übergegangen, die Schüler, die grün-silberne Abzeichen trugen, zu verzaubern. Was auch immer es war, es sorgte dafür, dass ein Fünftklässler plötzlich von vier Kerzen verfolgt wurde, die glühend heißen Wachs auf ihn herabtropfen ließen. Schreiend versuchte der Schüler den herabregnenden Wachstropfen zu entkommen, aber erst die Gegenflüche seiner Hauskameraden machten dem Spektakel ein Ende. Mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht, ließ James Potter seinen Zauberstab wieder unauffällig in der Tasche verschwinden, als die ersten Lehrer, alarmiert von dem Geschrei, den Ort des Geschehens erreichten. Erst jetzt fiel sein Blick wieder auf das Mädchen neben ihm. Seine Klassenkameradin war aschfahl geworden, bebte am ganzen Körper und sah ihn mit einem Ausdruck an, der den Rumtreiber dazu veranlasste, vorsichtshalber einen Schritt zurückzuweichen. „Das du das wagst.“ Selbst ihre Stimme bebte. James hob abwehrend die Hände. „Lily, komm schon.“ „Nenn mich nicht bei meinem Vornamen!“ Sie sah ihn kopfschüttelnd an. „Das ich nur für einen Moment glauben konnte, dass du, ausgerechnet du, dich geändert haben solltest. Bei Merlin, wie konnte ich nur…“ Sie brach ab und sah aus, als würde sie gerade aus einem Traum aufwachen. Ihr Gegenüber war dankbar, dass sie offensichtlich nicht in der Lage war zu schreien und nutze die Gunst der Stunde, um das Mädchen am Arm zu packen und in eine ruhigere Ecke zu bugsieren. Immer noch fassungslos ließ Lily das sogar einige Schritte geschehen, ehe sie sich der Hand an ihrem Arm bewusst wurde. Sofort begann sie gegen den Griff anzukämpfen. „Lass mich los. Lass mich sofort los!“ Um weiteres Aufsehen zu vermeiden, beugte sich der Unruhestifter ihrer Forderung und fragte sich mit einem leicht mulmigen Gefühl, was ihm wohl als nächstes drohte. Die Vertrauensschülerin hatte ihre vorübergehende Starre überwunden und strich sich fahrig eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. Schließlich blickte sie zu ihm auf und sagte nur ein einziges Wort: „Nein.“ Irritiert sah James sie an. „Nein?“ „Richtig. Nein. Nein zu einer Verabredung mit dir. Weder jetzt, noch irgendwann sonst. Du wirst dich nie ändern, oder?“ Den letzten Satz sprach sie resigniert aus. James Potter schwieg. Kopfschüttelnd fixierte sie ihn erneut, durchbohrte ihn förmlich mit ihren Augen. „50 Punkte Abzug für Gryffindor“, sagte sie schließlich leise, ehe sie sich umdrehte, um endlich von ihm wegzukommen. Dieser arrogante Mistkerl. Wie hatte sie nur annehmen können, dass er sich geändert hatte? Weil er sich für zwei Minuten wie ein normaler Mensch verhalten hatte? Sie hätte es besser wissen müssen! Niemals, niemals würde sie sich erneut so aufs Glatteis führen lassen. Von niemandem! Kurz fragte sie sich, ob sie wütender auf ihn oder auf sich selbst war. „Hey, Evans!“ Wider besseren Wissens hielt sie inne. Drehte sich dabei allerdings nicht um. „Ich-“ Er atmete hörbar ein. Stille. „Nicht so wichtig.“ Da hatte sie ihre Antwort. Sie war eindeutig auf ihn wütend. Sie hasste ihn. Jetzt, in genau diesem Moment, hasste sie ihn wirklich. Dafür, dass er nach allem so ruhig und gefasst war, dass seine Stimme normal klang, während sie ihre Fassung verloren hatte und sich immer noch nicht richtig unter Kontrolle hatte. Sie wartete. Wartete auf irgendein Zeichen, dass es ihm Leid tat, dass er seine Tat bereute. Nichts. Außer sich wirbelte sie herum. Ihre blitzenden Augen bohrten sich in seine. „Du widerst mich an!“, spuckte sie dem Auslöser ihrer Wut entgegen und sah mit Genugtuung, wie er zusammen zuckte. Das plötzliche Triumphgefühl verschwand ebenso schnell wieder, wie es gekommen war. Mehr rennend als gehend, steuerte Lily auf das Schlossportal zu, öffnete mit zitternden Fingern eine der Flügeltüren und zwängte sich rasch durch diese hindurch. Der Appetit war ihr gründlich vergangen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)