Star Trek - Timeline - 07-02 von ulimann644 (Noch einmal leben) ================================================================================ Kapitel 1: Noch einmal leben ---------------------------- Raumkomplex: STRATEGICAL STARBASE 71 Sternenzeit: 64870.7 (14.11.2387 – 19.30 Uhr Föderationsstandard)   Commodore Tar´Kyren Dheran war am Ende seiner Geduld angekommen. Dass Admiral Torias Tarun ausgerechnet ihn als Delegationsmitglied für den diplomatischen Empfang der Ulimá auf STRATEGICAL STARBASE 71 ausgewählt hatte, ging ihm mittlerweile schwer auf die Nerven. Zuerst hatte sich der Andorianer noch über den Vertrauensbeweis des Admirals gefreut, insbesondere, da er dadurch einige Tage mit seiner Frau, Christina Carey, zusammen sein konnte. Doch schon im Zuge der ersten Treffen mit den Humanoiden Ulimá hatte sich herausgestellt, dass diese paramental begabten Lebewesen nicht nur über außergewöhnliche Geisteskräfte verfügten, sondern auch über die Fähigkeit selbst ihm auf dem Gebiet der ironischen Eloquenz noch etwas beizubringen. Vor einem halben Jahr erst hatte man zum ersten Mal Kontakt zu den, im Alpha-Quadranten ansässigen, Ulimá aufgenommen. Dass man erst so spät auf diese Rasse gestoßen war lag wohl im Wesentlichen daran, dass sie einige Systeme am äußeren, sternenarmen Rand der Galaxis, an der Grenze zum Leerraum zwischen den Galaxien, bevölkerten. Die Strahlung ihrer Heimatsonne hatte ihnen besondere, geistige Fähigkeiten verliehen, über die sie jedoch keine näheren Angaben machen wollten. Die U.S.S. MARYLAND unter dem erfahrenen Captain, Frank Revers, war es gewesen, die es zufällig in diese entlegene Gegend verschlagen hatte, und deren Crew auf die Ulimá aufmerksam geworden war. Im Zuge dieses Erstkontaktes bestanden die Ulimá darauf, dass die momentanen Verhandlungen über ein weitreichendes Handels- und Beistandsabkommen auf STRATEGICAL STARBASE 71 geführt werden sollten, da sie neugierig auf die Taktischen Flotte und die Heimatbasis der MARYLAND waren. Woher die Fremden von dem feinen Unterschied zwischen Sternenflotte und den Taktischen Flotten erfahren hatten wusste Revers nicht zu sagen. Tatsache war, dass sie es auf irgendeine Weise herausgefunden haben mussten. Aber das störte Dheran noch am wenigsten an den Fremden. Am schwierigsten kam er mit der stets arrogant wirkenden Art der Ulimá zurecht, wobei er nicht einmal behaupten konnte, dass sie es auch waren – sie erweckten lediglich den Eindruck. Gerade diese Ungewissheit zwischen Vermutung und Tatsache brachte ihn noch mehr gegen die Vertreter der Ulimá-Delegation auf. Dazu kam, dass die Ulimá sehr genau wussten, was sie wollten und die Verhandlungen mit ihnen sich dem entsprechend schwierig und mühsam gestalteten, für die geradlinige, direkte Art des Andorianers ein wahrer Horror. Jetzt nach dem Ende der neunten Verhandlungsrunde in fünf Tagen wirbelten seine Gedanken, wie Federn in einer Papiertüte durcheinander und er hatte fast fluchtartig den Konferenzraum verlassen, nach der am knappsten bemessenen Zeitspanne, die das Protokoll zuließ. Doch erst, als er sich im Turbolift befand, und sich die Schotts hinter ihm geschlossen hatten, erlaubte er sich erleichtert aufzuatmen. Für diesen Tag hatte er es wirklich geschafft und der Gedanke daran in wenigen Minuten seine Frau in den Armen halten zu können, heiterte ihn von Sekunde zu Sekunde mehr auf. Er blickte auf den goldenen Ehering an seinem rechten Ringfinger, ein Relikt, an dem Christina unbedingt hatte festhalten wollen, und konnte es immer noch nicht richtig fassen, dass sie schlussendlich doch noch zu einander gefunden hatten. Mit sechsundzwanzig Jahren Verspätung, dachte Dheran wehmütig, doch diese kurze Anwandlung legte sich schnell wieder. Er hatte sein Ziel erreicht, das war was zählte. Vor fast einem Jahr, an Weihnachten, hatten sie auf STRATEGICAL STARBASE 71 geheiratet. Natürlich hatte es sich Admiral Torias Tarun, nach wie vor Oberbefehlshaber der 5.Taktischen Flotte, nicht nehmen lassen, die Trauung persönlich durchzuführen. Als Trauzeugen hatten Christina Freundin, Julia McKeown, und Captain Pasqualina Mancharella fungiert, wobei Dheran es natürlich bedauert hatte, dass sein bester Freund, Vizeadmiral Valand Kuehn nicht hatte dabei sein können, aber der frischgebackene Kommandeur der neuen Flotten-Basis, FORTRESS-ALPHA, welche die veraltete Sternenbasis-375 ersetzte, und die neue Heimat der Sektorenflotte-Bajor darstellte, war zu diesem Zeitpunkt unabkömmlich gewesen. Natürlich hatte Kuehn es nachgeholt, sie drei Monate später auf STRATEGICAL STARBASE 71 zu besuchen, ihnen zu gratulieren und die Braut nachträglich zu küssen. Dafür hatte sich Captain Mancharella, damals seit fünf Monaten Kommandantin eines brandneuen Angriffskreuzers der STARDUST-KLASSE, der U.S.S. IVANHOE, umso mehr gefreut, diese Aufgabe zu übernehmen. Zwar hatte er die leise Melancholie bei seiner ehemaligen XO gespürt, aber er war sicher, dass sie mit ihrem MACO-Commander, mit dem sie seit nun fast drei Jahren fest liiert war, glücklich werden würde. Er wünschte es Pasqualina, denn sie hatten sich vor fünf Jahren sehr nahe gestanden. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären beinahe zusammengekommen, statt er und Christina. Nachdenklich starrte Dheran auf den Ring und spontan musste er dabei an ein Mädchen denken, mit dem zusammen er, vor zwölf Jahren, gegen Ende des Dominion-Krieges, einen Kommandoeinsatz auf Avenal VII durchgeführt hatte. Eine junge Bajoranerin namens Fylara Nareen. Sie hatte ihm, kurz vor ihrem Tod, prophezeit, dass auch er irgendwann eine eigene Familie haben würde; und sie hatte ihn gebeten, falls er einmal eine Tochter haben sollte, sie nach ihr zu benennen. Wie jedes Jahr, hatte er vor einigen Monaten ihr Grab auf Bajor, in der Kendra-Provinz, am Yolja-Fluss besucht, und Nareen in stummer Zwiesprache davon berichtet, dass zumindest dieser Teil ihrer Prophezeiung in Erfüllung gegangen war. Er selbst hatte sich darum gekümmert, dass der Leichnam der Bajoranerin dort seine letzte Ruhe gefunden hatte, und er hatte sogar den dreistündigen Trauergesang für sie gehalten, unter der Anleitung eines jungen Vedek. Doch davon hatte er bislang nur Christina und seinem Freund Valand erzählt. Tar´Kyren Dheran erschrak beinahe, als er das Zieldeck erreicht hatte und zielstrebig machte er sich auf den Weg zu Christina´s Privaträumen auf STRATEGICAL STARBASE 71. Nachdem der Andorianer die Kabinenflucht seiner Frau betreten hatte, blieb er zuerst einmal stehen, und ließ das Bild, welches sich ihm bot, auf sich wirken. Christina stand abwartend mitten im Wohnraum und blickte mit ihren wundervollen, blau-grauen Augen, die ihn an einen wolkenverhangenen Tag an der irischen Küste erinnerten, lächelnd an. In diesem Moment mehr denn je wie eine Göttin erscheinend, denn wie eine Frau aus Fleisch und Blut. Sie trug enge, schwarze Hosen und eine blutrote, kurzärmelige Tunika, die ihre Figur perfekt unterstrich und wunderbar zu ihren langen, schwarzen Haaren passte, die im Licht der Kerzen, die sie entzündet und auf den Tisch gestellt hatte, seidig schimmerten. Außerdem erkannte er, dass sie auf dem Tisch sein Lieblingsessen serviert hatte, Reibekuchen, die er zuerst vor sechs Jahren im Haus von Pasqualina Mancharellas Vater gekostet hatte, und seitdem ganz verrückt danach war. Dheran verharrte und nahm das Bild seiner Frau in sich auf. Ein warmes Rieseln schien sich über sein Herz zu bewegen und langsam schritt er auf Christina zu um sie liebevoll in die Arme zu nehmen und zu küssen. Nach einer Weile löste sich Christina widerstrebend von ihm und sagte lächelnd: „Die Reibekuchen werden kalt, im Gegensatz zu mir.“ Ein Schmunzeln umspielte Dherans Mund. „Solche flotten Sprüche hattest du früher nicht drauf, meine geliebte Eisfee.“ „Man passt sich in einer Ehe einander an, heißt es“, konterte Christina trocken. „Als deine Kumari wärst du dann wohl mein Rakari wenn ich die Legende richtig in Erinnerung habe.“ Dherans Antennen spreizten sich leicht. „In ewiger Liebe einander zugetan. Du hast es also nicht vergessen?“ „Wie könnte ich diese romantische Geschichte vergessen?“ stellte seine Frau die Gegenfrage. „Komm, lass uns jetzt lieber essen, die Mühe, die ich mir mit den Reibekuchen gemacht habe, soll doch nicht vergeblich gewesen sein.“ Nur widerstrebend löste sich der Andorianer von Christina und nahm ihr gegenüber am Esstisch platz, wobei er dem Klavier in der Ecke des Zimmers einen kurzen Blick schenkte. Vor einigen Wochen hatte Christina ihm das Spielen darauf beibringen wollen, aber mehr, als etwas Herumgeklimpere, war dabei nicht heraus gekommen. Obwohl er, wie seine Frau ihm versichert hatte, nicht unbegabt war. Leider fehlte ihm die nötige Zeit, sich eingehender mit dem Klavier zu beschäftigen, denn er hatte durchaus Freude daran gehabt, auf diesem Instrument zu spielen. Noch mehr mochte er jedoch, wenn Christina darauf alte irische Lieder zum Besten gab. Während sie speisten, beobachtete Christina schmunzelnd, wie sich Tar´Kyren mit Behagen über die Reibekuchen her machte, wie jedes Mal, wenn er welche bekommen konnte. Nach einer Weile erkundigte sie sich neugierig: „Erzählst du mir freiwillig, wie sich die Verhandlungen mit der Delegation der Ulimá entwickeln, oder muss ich dir jedes Wort einzeln aus dem Kreuz leiern?“ „Mein Kopf fühlt sich an, als wenn Jemand mein Gehirn genommen, Springball damit gespielt, und anschließend verkehrt herum wieder eingesetzt hätte, wenn du es genau wissen willst“, erklärte Dheran grimmig, nachdem er sein Mal beendet hatte. „Die drehen einem jedes Wort zweimal im Mund herum, wenn man nicht aufpasst. Ich dachte immer, das wäre meine Spezialität, aber gegen das, was die Ulimá in dieser Hinsicht anstellen, ist mein Können auf diesem Gebiet Stümperei.“ „Klingt faszinierend, irgendwie“, lächelte Christina aufmunternd und erhob sich langsam. Auffordernd sah sie ihren Mann an und meinte dann verführerisch: „Komm lass uns ein gemeinsames Bad nehmen, und danach werde ich dich dann auf ganz andere Gedanken bringen...“   * * *   Gegen 02.30 Uhr schliefen Tar´Kyren und Christina, eng an einander geschmiegt, und noch erhitzt vom vorherigen Liebesspiel ein. Im Traum sah der Andorianer bunte Nebel um sich herum wallen, aus denen sich schließlich die Gestalt eines Ulimá heraus schälte. Der Fremde kam auf ihn zu und sprach ihn an: „Ich habe bereits während der Gespräche am Vormittag gespürt, dass Sie anders sind, als die restlichen Mitglieder der Delegation, des Admirals, Commodore Dheran. Sie besitzen mentale Fähigkeiten, die wir ganz erstaunlich finden, denn sie sind ganz anders als die unseren. Unsere Fähigkeiten bestehen darin, anderen Wesen die Möglichkeit zu eröffnen ein anderes Leben zu führen, als das bisherige.“ Tar´Kyren Dheran blickte den Ulimá befremdet an. „Ich fürchte, ich verstehe nicht, was Sie meinen.“ Der Fremde lächelte: „Doch, das tun Sie. Sie haben sich doch stets gefragt, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie sich nicht für Christina, Ihre Frau, sondern für eine Frau, namens Pasqualina Mancharella entschieden hätten, habe ich nicht Recht?“ „Diese Frage ist nicht relevant für mich; ich liebe meine Frau über alles“, entgegnete Dheran scharf. „Ich habe die richtige Entscheidung getroffen.“ „Wie können Sie das wissen, wenn sie nie die andere Möglichkeit erlebt haben?“ hielt ihm der Ulimá entgegen. „Ich spüre Ihren inneren Konflikt, Captain Dheran. Und ich habe die Möglichkeit, ihnen zu zeigen, was hätte sein können, aber nie war.“ Der Andorianer zeigte dem Ulimá offen, dass er seinen Worten keinen großen Glauben schenkte. „Ich denke, das Ganze ist nur ein Traum, aber falls sie, wider Erwarten, doch echt sein sollten, dann versuchen Sie ruhig ihr Glück.“ „Danke für Ihre Erlaubnis, Commodore. Sie werden die Entscheidung sicher nicht bereuen.“ Die wallenden Nebel wurden wieder dichter und der Ulimá löste sich langsam auf. Dann wurden die Nebel immer dunkler und eine ungewisse Dunkelheit umfing den Geist des Andorianers. Traumlos schlief er bis zu Morgen...   * * *   Als Tar´Kyren Dheran am Morgen aufwachte, ließ er seine Augen geschlossen und dachte, in angenehme Gedanken versunken, an die vergangene Nacht. Ohne es verhindern zu können fiel ihm dabei der seltsame Traum wieder ein. Dann wurde die Erinnerung an Christinas Zärtlichkeiten wieder übermächtig. Er glaubte noch immer ihre ihr blumiges Parfum zu riechen, dass er so sehr an ihr liebte. Er sog unwillkürlich die Luft ein… …und stutzte plötzlich! Der Duft eines blumigen Parfums war ihm in die Nase gestiegen, aber es war keines, dass er jemals an Christina wahrgenommen hatte. Erst jetzt bemerkte er den Druck auf seiner rechten Brust, am Hals und über seinen Beinen. Etwas Warmes, Weiches lag dort. Mit einem ganz und gar unguten Gefühl öffnete er seine Augen und glaubte für einen Moment, sein Herz würde aussetzen, als er Pasqualina Mancharella erkannte, die unter der Decke, splitternackt eng an ihn gekuschelt lag und friedlich schlief. Erschrocken fuhr er in die Höhe wodurch die Spanierin erwachte und ihn verschlafen anlächelte. „Was ist denn los, Tar, hast du schlecht geträumt?“ Der Andorianer wischte sich ungläubig über die Augen, doch aus Pasqualina wurde nicht Christina. Und das helle, geschmackvoll eingerichtete Schlafzimmer, durch dessen bodenlange Fenster hell die Sonne herein schien, wurde nicht zur Zimmerflucht seiner Frau auf STRATEGICAL STARBASE 71. Fast fluchtartig wühlte er sich aus der Bettdecke und sprang aus dem Bett. „Pasqualina, wie kommst du hierher?“ Ein feuriges Funkeln erschien in den dunklen Augen der Spanierin als sie sich gefährlich sanftmütig bei ihm erkundigte: „Wen, außer deiner Frau, hast du denn erwartet, Tar?“ Die Antennen des Andorianers richteten sich nach vorn und noch immer vollkommen überrumpelt von dem, was sich zu trug fragte er verwirrt: „Frau?“ Splitternackt, wie sie war sprang Pasqualina aus dem Bett, baute sich zornig, die Fäuste in die Hüften gestützt, vor Tar´Kyren auf und fuhr den Andorianer, dem die Augen übergingen, wütend an: „Ich finde diese Art von Humor überhaupt nicht witzig, Tar! So etwas hast du doch noch nie gemacht! Weißt du eigentlich, wie verletzend das ist!“ Dheran kam das ganze vor, wie ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gab. Vielleicht war das sogar der richtige Vergleich. Er hatte nicht die Spur einer Ahnung, wo er war, wo seine Frau Christina war, und wie er in diese bizarre Situation hatte geraten können. Zuerst hatte er noch den Verdacht gehabt, dass ihm selbst hier ein Streich übelster Sorte gespielt wurde, aber ein Blick in das zornrote Gesicht Pasqualinas und in ihre Augen, in denen Tränen schimmerten, belehrte ihn eines Besseren. Oder konnte ein Mensch so hervorragend Theater spielen? Tar´Kyren erkannte instinktiv, dass er Zeit gewinnen musste – Zeit um herauszufinden, was genau mit ihm geschehen war, und wie er, buchstäblich über Nacht, in diese veränderten Verhältnisse hatte geraten können. Dazu war er auf eine Person angewiesen, die ihm helfen konnte Antworten auf seine Fragen zu finden – und wer wäre besser geeignet, als Jemand, der vorgab seine Frau zu sein? Er setzte eine entschuldigende Miene auf und schritt langsam auf Pasqualina zu. „Tut mir leid, aber ich hatte einen ganz furchtbaren Albtraum, Pasqualina. Für einen Moment wusste ich tatsächlich nicht mehr, wo ich mich befinde und wer ich bin.“ Dheran erschrak innerlich, als sich die Spanierin von im abwandte und die Hände vor das Gesicht schlug. „Das scheinst du auch jetzt noch nicht zu wissen!“, schluchzte sie und ihre Schultern schienen zu beben. „Sonst würdest du mich mit meinem üblichen Kosenamen ansprechen, und nicht so kalt und gefühllos zu mir sein.“ Fieberhaft dachte der Andorianer nach und erkannte seinen Fehler. Er hatte Christina, vom ersten Tag an, seit sie wieder zusammen waren, seine Eisfee – Kumari – genannt. Alles in ihm sträubte sich, jetzt plötzlich eine andere Frau so zu nennen, aber hier half nichts, er musste über seinen Schatten springen, und wohl noch Einiges mehr... Vorsichtig näherte er sich Pasqualina von hinten und flüsterte sanft in ihr Ohr. „Weißt du denn immer noch nicht, dass nur du meine Kumari bist?“ Er wäre fast zurück gezuckt, als er seine Hände sanft auf ihre Schultern legte und sie langsam zu sich herum drehte. „Hast du so wenig Vertrauen zu mir?“ Die Erfahrungen der letzten Jahre, die er mit beiden Frauen, Christina und Pasqualina, gemacht hatte, wo immer das auch von diesem Ort aus gesehen war, machten sich nun bezahlt. Er hatte nicht verlernt, wie er mit der Spanierin sprechen musste, um sie zu besänftigen. Offen blickte er Pasqualina in die Augen und er kam sich wie ein hinterhältiger Verräter an beiden Frauen vor, als die Spanierin sich eng gegen ihn drängte und er ihre aufrichtige Liebe und Zuneigung beinahe körperlich spüren konnte. Als sie ihn schließlich küsste und er ihren Kuss erwiderte, stiegen längst vergessen geglaubte Erinnerungen in ihm auf, Erinnerungen an den ersten Kuss, den sie sich vor sechs Jahren auf einer fernen Welt, in der Gefangenschaft eines primitiven Volkes gegeben hatten. Damals kannten sie sich erst wenige Monate und Pasqualina war damals noch öfter bereit gewesen, ihn einfach über den Haufen zu schießen, als dass sie bereit gewesen wäre ihn zu küssen. Nach einer Weile, die Dheran endlos lang vor kam, löste sich Pasqualina endlich von ihm und blickte ihn liebevoll an. „Ich bin nur deswegen so emotional, weil ich dich so sehr liebe,Tar“, erklärte sie mit leiser Stimme. „Mach dir keine Gedanken deswegen, meine kleine Eisfee“, tröstete der Andorianer sie, wobei ihm der Kosename fast nicht über die Lippen gekommen wäre. Schnell zog er sie in seine Arme, wobei er die Gelegenheit beim Schopf packte sich etwas genauer umzusehen. Das Zimmer war ihm vollkommen unbekannt, aber durch die Scheiben der Fenster blickte er auf Häuser, von denen er glaubte, sie schon einmal gesehen zu haben. Dann vernahm er auch das leise, beständige Rauschen im Hintergrund und es dauerte nur einen Augenblick, bis ihm einfiel, wo er sich befand. Sie waren auf der Erde, genauer gesagt: in Cadiz, einer alten, spanischen Hafenstadt an der Atlantikküste. Hier hatte er einmal, vor einigen Jahren, eine Nacht, zusammen mit Captain Sonak und Commodore Linara Enari, als Gast von Pasqualinas Vater verbracht. Das musste er erst einmal verdauen. Er spielte zwar immer noch mit dem Gedanken er könne sich auf einem Holodeck auf der Raumstation befinden, aber irgend etwas sagte ihm, dass dies nicht der Fall war. Er erinnerte sich an eine alte andorianische Weisheit, die besagte: Die Lösung des Unlösbaren liegt in Entschlusskraft und Mut. Schließlich kam ihm, beim Blick auf den Balkon, der sich draußen erstreckte, eine Idee und er sagte leise: „Ich habe Hunger. Lass uns das herrliche Wetter genießen und auf dem Balkon frühstücken.“ „Das ist der erste, normale Satz, den ich heute von dir höre, Tar“, schmunzelte sie und küsste ihn noch einmal leidenschaftlich, bevor sie ihn freigab und verschmitzt meinte. „Aber ich benutze zuerst das Bad.“ In dieser Hinsicht waren doch alle Frauen gleich. Wie oft er diesen Satz bereits von Christina zu hören bekommen hatte, konnte er schon nicht mehr zählen. Aus der Gewohnheit heraus konterte er mit einem resignierenden: „Bitte beeile dich aber!“ Als sie eine halbe Stunde später auf dem Balkon, beim Frühstück, beisammen saßen, ließ Dheran seinen Blick, den sanft abfallenden Hügel hinunter schweifen, zu den historischen Hafengebäuden und darüber hinaus auf das Meer. Er versuchte, sich an den Traum zu erinnern, den er während der Nacht gehabt hatte, aber es gelang ihm nicht sich zu erinnern. Nachdenklich formulierte er eine Frage in seinen Gedanken, von der er wusste, dass sie eventuell nicht ganz ohne Risiken war. Als der Andorianer schließlich wieder Pasqualina ansah entschloss er sich dazu sie dennoch zu stellen. „Hat die öffentliche Bibliothek am Markt heute geöffnet?“ Pasqualina blickte ihn befremdet an und entgegnete: „Aber heute ist doch Sonntag. Der Traum scheint dir wirklich zugesetzt zu haben, ist alles in Ordnung mit dir?“ Nichts war in Ordnung. Laut sagte Dheran: „Alles bestens.“ Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee, während Pasqualina fort fuhr: „Außerdem hat sich TT zum Mittagessen angekündigt – mit seiner neuen Freundin, die er vor einem Monat auf Rigel-7 kennen gelernt hat. Wurde auch Zeit, dass er nach der Scheidung auf andere Gedanken kommt.“ Tar´Kyren Dheran dankte den Sternengöttern. Zumindest gab es den Admiral. Vielleicht konnte der ihm verraten, was hier nicht stimmte. „Dass der Admiral bei uns hereinschaut hatte ich ganz vergessen“, antwortete Dheran vage. Pasqualina, die gerade ihre Kaffeetasse abgesetzt hatte begann schallend zu lachen. Erst nach geraumer Weile fing sie sich wieder und schmunzelte: „Heirate einen Schriftsteller und du hast immer was zu lachen. Dein Freund Tarun als Admiral, der Gedanke ist mal was vollkommen Anderes. Du tüftelst wohl wieder was Neues aus, habe ich Recht?“ Dheran nickte schnell. Schriftsteller sollte er sein – nicht zu fassen. Was ging hier vor? Er befand sich offensichtlich an einem Ort, wo nichts so war, wie es hätte sein sollen. Er war nicht Commodore und nicht mit Christina verheiratet, sondern mit Pasqualina – Tarun war allem Anschein nach auch nicht Admiral der 5.Taktischen Flotte und Pasqualina war nicht Captain der IVANHOE. Und schlussendlich war da noch die Tatsache, dass er seine Uniform vergeblich im Kleiderschrank gesucht hatte. Nur Zivilkleidung, die ihm wie angegossen passte und somit scheinbar ihm gehörte, hatte er finden können. Noch immer schloss er die Möglichkeit einer groß angelegten Täuschung nicht aus, aber ganz langsam zog er auch andere Möglichkeiten in Betracht. Was wenn er im Spiegeluniversum gelandet war? Doch diese Möglichkeit verwarf er schnell wieder. Dazu passte die anheimelnde Friedlichkeit rings herum nicht ganz, wenn er über das Spiegeluniversum richtig informiert war. Im selben Moment durchzuckte ihn die Erkenntnis: Ein weiteres Paralleluniversum! Vielleicht gab es mehr als nur eins – vielleicht gab es unendlich viele, und sie hatten bisher lediglich, durch Zufall, nur eines entdeckt. Aber warum waren dann zu den verschiedensten Zeiten immer wieder nur Passagen zwischen dem Spiegeluniversum und dem Normaluniversum erfolgt? Möglicherweise, weil sie, in welcher Beziehung auch immer, am engsten mit einander verwandt waren? Dheran verwarf diese fruchtlosen Gedanken, über die Beziehungen von Paralleluniversen unter einander schließlich. Doch er wäre überrascht gewesen, hätte er gewusst, wie nah er der Wahrheit gekommen war. Ein PARALLELUNIVERSUM. Das würde viele offene Fragen in einem anderen Licht erscheinen lassen. Doch wenn es so war, wie würde er dann wieder zurück kommen? Gab es überhaupt einen Weg? „Was gibt es den zu Essen für unsere Gäste?“, fragte der Andorianer ablenkend. „Dein Leibgericht. Ich dachte darüber würdest du dich am meisten freuen.“ Dheran nickte, ehrlich erfreut. „Das klingt hervorragend. Ich weiß schon, warum ich dich geheiratet habe.“ „Also nur meiner Kochkünste wegen?“, erkundigte sich Pasqualina lauernd. „Als wenn du nicht sehr genau wüsstest, dass es anders ist“, schmeichelte Dheran ihr. „Glück gehabt“, drohte ihm Pasqualina gespielt finster, bevor sie auf seine Bemerkung von eben zurück kam. „Könntest du dir wirklich den guten TT als Vorlage zu einem Admiral der Sternenflotte vorstellen?“ „Eigentlich dachte ich mehr an einen Admiral der einer von zehn Taktischen Flotten vorsteht, die sich aus jeweils 250 Einheiten zusammensetzen und an den Brennpunkten der Galaxis stationiert sind“, wagte Dheran seinen nächsten Vorstoß. „Klingt nach einem ziemlich militaristischen Prinzip“, kritisierte die Spanierin. „Man merkt, dass du Zivilist bist. Ein solches Konzept bräuchte eine feindlichere Umgebung als unsere Galaxis, in der der letzte Krieg schon über zweihundert Jahre zurückliegt.“ „Genau ein solches Universum schwebt mir für mein nächstes Projekt vor“, erklärte der Andorianer schnell und überspielte damit seine momentane Überraschung. Hier hatte es offensichtlich weder einen Kampf gegen die Borg, noch gegen das Dominion gegeben. Kaum zu glauben. Und es hatte nie die zehn Taktischen Flotten gegeben – kein Wunder wenn Pasqualina die Wahrheit gesagt hatte, denn mit den fehlenden militärischen Konflikten, fehlte natürlich auch die Notwendigkeit für ein solches Schutzkonzept. „Und welchen Rang hast du dir selbst in diesem fiktiven Universum zugedacht?“, wollte die Spanierin wissen. „Kommandant eines Raumschiffes der 5.Taktischen Flotte“, antwortete Dheran prompt. „Du bist wirklich bescheiden“, meinte Pasqualina lächelnd, erhob sich von ihrem Platz und setzte sich unbefangen auf Dherans Schoß, wobei sie ihre Arme um seinen Nacken legte. „Dabei würdest du mir als Admiral viel besser gefallen. Aber wer weiß wozu das gut ist, als Captain könntest du mich zu deinem Ersten Offizier machen, dann wäre ich immer bei dir.“ „Gar nicht schlecht“, murmelte Dheran und war beinahe froh, dass die Spanierin ihn erneut küsste, so dass sie seine momentane Verblüffung nicht bemerkte. Viel näher könntest du gar nicht dran sein, dachte er ironisch. Merkwürdiger Zufall? Oder gab es eine Bestimmung über die Grenzen von Paralleluniversen hinaus? Pasqualina löste sich von ihm und fragte: „Hilfst du mir beim Abräumen? Danach lasse ich dich auch in Ruhe, damit du deine neuen Ideen aufzeichnen kannst.“ Dheran stimmte zu und nachdem ihn Pasqualina, nach einem letzten Kuss allein ließ, nutzte der Commodore der ICICLE endlich die Möglichkeit das gesamte Haus zu durchstreifen. Ziemlich zuletzt fand er das Arbeitszimmer, nur das konnte es sein, denn überall lagen Data-Padds verstreut über einen wuchtigen Schreibtisch mit Computerterminal. An den Wänden gab es zahlreiche Regale mit echten Büchern, die in dieser Welt offensichtlich stärker in Mode waren, als in seiner eigenen. Aus reiner Neugier las er den Namen des Autors und stutzte. Dort stand: 2376 von Tar´Kyren Dheran. Neugierig überflog er die Geschichte. Offensichtlich handelte es sich um eine Abenteuer-Geschichte über einen Krieg gegen ein übermächtiges Volk aus einem anderen Quadranten. Er hatte schon allerhand merkwürdige Zufälle erlebt, aber was er hier, an diesem Morgen erlebte ging über sein Fassungsvermögen. Nachdenklich stellte er das Buch zurück in das Regal und nahm ein anderes zur Hand. Auch dieses Buch war von ihm selbst, einige Jahre früher geschrieben. Diesmal machte er sich die Mühe, einen Blick auf das Impressum zu werfen. Als er neben Buchcover und Innenillustrationen den Namen Torias Tarun las, hätte er das Buch fast fallen gelassen. Das also machte Tarun in diesem Universum. Er blätterte zehn weitere Bücher an, davon nur zwei seiner eigenen. In sieben von zehn Fällen hatte Tarun die Covers und Illustrationen erstellt. Er musste sehr bekannt sein, wenn seine Werke derart gefragt waren. Erschüttert setzte sich der Andorianer in den wuchtigen Ledersessel am Schreibtisch und lehnte sich nachdenklich zurück. Das wäre aus ihnen geworden, wäre das heimatliche Universum ähnlich friedlich, wie dieses. In Gedanken nahm er verschiedene Data-Padds zur Hand und überflog die enthaltenen Texte. Sie enthielten Ideen oder Kapitelfragmente zu zahlreichen Geschichten, ob sie schon geschrieben waren, oder erst in Planung konnte er nicht sagen. Schließlich legte er die Padds zur Seite und blickte gedankenverloren zum geschwungenen Panoramafenster hinaus, in den Garten, der sich auf dieser Seite des Hauses anschloss. Was war, wenn er nicht wieder nach Hause konnte? Würde er dieses Leben weiterführen können? Oder sollte er versuchen an sein bisheriges Leben anzuknüpfen? Aber was würde in diesem Fall aus Pasqualina werden? In diesem Universum war sie legitim mit ihm verheiratet, da konnte er sich doch nicht aus der Verantwortung stehlen. Zweifellos liebte sie ihn über alle Maßen. War es da nicht ziemlich selbstlos gedacht, sie verlassen zu wollen um eine Frau zu suchen, die er vielleicht gar nicht finden würde, in diesem Universum. Ein dicker Kloß schien in seinem Hals zu sitzen und ihm die Luft abzuschnüren, bei diesen Gedankengängen. Vielleicht konnte er mit dem Tarun dieses Universums darüber sprechen. Möglicherweise wusste er Rat. Unwillkürlich blickte er bei diesen Gedanken auf seine rechte Hand. Erst jetzt bemerkte er, dass der goldene Ring an seinem Finger ein anderer war. Nichts hätte seine Situation im Moment deutlicher zum Ausdruck bringen können. Grübelnd sank er im Sessel zusammen und starrte zum Fenster hinaus, ohne wirklich etwas zu sehen. Erschrocken fuhr er hoch, als ihn etwas an der Schulter berührte. Es war Pasqualina gewesen, die ihre Hand auf seine Schulter gelegt hatte. Unmerklich hatte sie das Zimmer betreten und blickte ihn nun sorgenvoll an. „Tar, was ist nur mit dir? Hast du irgendwelchen Kummer, von dem du mir erzählen möchtest?“ Dheran straffte sich und mahnte sich innerlich zur Ordnung. „Nein, ich war nur in Gedanken mit einem neuen Konzept für einen Roman beschäftigt. Mach dir keine unnötigen Sorgen, meine kleine Eisfee. Heute Nachmittag werde ich Tarun davon erzählen und danach wird es mir dann besser gehen, du wirst sehen.“ Die Spanierin atmete erleichtert auf. „Also daher weht der Wind. Ein neuer Roman geht dir durch den Kopf. Aber das hättest du doch gleich sagen können, dann wäre mir Einiges klarer gewesen.“ Dheran stand auf und nahm sie schnell in den Arm. „Tut mir leid, wenn ich etwas abwesend gewirkt habe. Wie hältst du das nur aus, mit mir?“ „Ich liebe Dich“, erklärte Pasqualina einfach und küsste ihn schnell. Im nächsten Moment klang der Türmelder auf. „Das wird TT nebst Freundin sein“, sagte die Spanierin entsagungsvoll. „Na komm, wir wollen die beiden nicht warten lassen.“ Der Adorianer folgte ihr nur zu bereitwillig, würde ihn doch die Begegnung mit Tarun auf andere Gedanken bringen. Er überließ es Pasqualina die Tür zu öffnen. Taruns typische Konturen erfüllten den Eingang und als er näher kam erkannte Dheran, dass es ohne jeden Zweifel der Admiral war. Spätestens jetzt war klar, dass er keinem Scherz zum Opfer fiel, denn für so einen perfiden Scherz hätte sich der Admiral niemals hergegeben. Hinter ihm betrat, ein wenig zurückhaltend, eine schlanke, hochgewachsene Frau mit langen, schwarzen Haaren und blau-grauen Augen die Diele des Hauses, und Dheran verdankte es nur seiner langen Erfahrung als Offizier der Föderation, dass er in diesem Moment nicht auf sie zu stürmte, um sie in seine Arme zu reißen. Dort hinter Tarun, keine drei Schritte von ihm entfernt, stand Christina. Sie hätte genauso gut drei Millionen Lichtjahre entfernt stehen können, denn hier, an diesem Ort, war sie für ihn unerreichbar. Neugierig blickte sie ihn an und reichte ihm die Hand. „Hallo, ich bin Christina Carey“, stellte sie sich mit klarer Stimme vor. Der Andorianer musterte sie aufmerksam, während er ihre Hand schüttelte. Die Unbefangenheit in ihrem Blick war echt. Sie kannte ihn wirklich nicht. „Ich bin Tar´Kyren Dheran“, besann er sich schließlich zu sagen und wandte sich etwas zur Seite. „Und das ist meine Frau, Pasqualina.“ Dheran war froh, als sich Christina der Spanierin zu wandte und begrüßte Tarun etwas reservierter, als der es gewohnt war. Torias zog die Stirn kraus und fragte: „Brütest du wieder was aus, mein Freund. Du wirkst so merkwürdig abwesend.“ Der Schatten verschwand aus seinem Blick, als er neugierig hinzufügte: „Komm schon, wie heißt dein neues Projekt? Ich sehe dir doch an den Antennenspitzen an, dass du an einer neuen Geschichte tüftelst.“ Dheran lächelte gezwungen. „Wie gut du mich doch kennst. Ja ich habe da eine Idee zu einer Serie, die ich ICICLE nennen werde.“ Er beobachtete Tarun aufmerksam, konnte jedoch keine erkennbare Reaktion feststellen. Innerlich resignierend fügte er hinzu: „Komm, nach dem Essen werde ich dir das Konzept im Einzelnen erläutern.“ Die beiden Frauen verstanden sich auf Anhieb und später, als sie nach dem Essen im Wohnraum beisammen saßen, erklärte Dheran seinem Freund zuerst zögernd, dann immer detaillierter, wie er sich das Konzept der Taktischen Flotten vorstellte, und in welchem Universum es spielen sollte.“ Tarun, der dem Andorianer immer gebannter zuhörte, war restlos begeistert, nachdem der Andorianer seine Geschichte dargelegt hatte. „Mein lieber, das wird fraglos ein Bestseller! Ein genialeres Konzept habe ich noch nie zu hören bekommen! Den einzigen Schwachpunkt sehe ich in diesem komischen Trill-Admiral, der wirkt ganz und gar nicht authentisch, wenn du mich fragst.“ Tarun zwinkerte seinem Freund zu und erklärte dann: „Außerdem nehme ich dir übel, dass du mir einige üble Verletzungen und dieses Playboy-Image verpasst hast. Aber vielleicht stehen die Leser ja darauf.“ „Kein feindliches Universum ohne Kriegsverletzungen“, konterte Dheran trocken. Der Trill lachte kurz auf. „Ja, da könntest du Recht haben. Wenigstens hast du dir da auch eine ziemlich hässliche Narbe angedichtet, die dein ebenmäßiges Gesicht verschandeln soll. Gott sei Dank ist das nur Fiktion.“ Unwillkürlich fuhr Dheran bei Taruns Worten über seine Wange. Nicht die geringste Unebenheit war zu spüren, so als habe es die Narbe nie gegeben. Schnell erkannte der Andorianer in voller Konsequenz: Es hatte die Narbe tatsächlich nie gegeben! Nicht in diesem Universum. Verbittert stellte Dheran fest, dass er für einen Tag nun so viel Überraschungen erlebt hatte, wie er vertragen konnte. „Ja“, meinte Dheran schließlich. „Das hätte mir gerade noch gefehlt.“ Tarun erklärte nun seinerseits, welches Design er sich für STRATEGICAL STARBASE 71 und einige andere Gebäude und Locations der Geschichte vorstellen konnte. Darüber vergaßen sie völlig die Zeit und beide Männer waren erstaunt festzustellen, dass es draußen bereits finster geworden war, als sich Pasqualina und Christina wieder zu ihnen gesellten. „Schluss jetzt mit diesen fiktiven Universen und Kriegsgeschichten“, forderte die Spanierin und warf Christina dabei einen entsagungsvollen Blick zu. „Wenn ich die beiden nicht regelmäßig bremsen würde, dann würden sie oft achtundvierzig Stunden am Tag von solchen Dingen sprechen.“ Den Rest des Abends verbrachten sie gemeinsam, wobei sie das Thema ICICLE vermieden. So oft es ging, ohne dabei aufzufallen, warf Dheran seiner Besucherin immer wieder verstohlene Blicke zu, doch zu seinem Leidwesen hatte Christina nur Augen für seinen Freund Tarun. Immer wieder spürte er, wie Eifersucht auf den Trill in ihm hoch kochte, aber dieses Gefühl musste er hier bekämpfen, auch wenn er darunter litt. Als sie sich später von einander verabschiedeten, nahm Tarun ihm das Versprechen ab, dass er ihn spätestens in drei Tagen besuchen würde, um sich die ersten Rohentwürfe zum STRATEGICAL STARBASE 71-Komplex anzusehen, und das Thema gleichzeitig weiter zu vertiefen. Dheran stimmte zu. Was für eine andere Möglichkeit hatte er schon, als dieses Leben weiterzuführen, falls sich kein Wunder ereignete?   * * *   In den folgenden Wochen und Monaten arbeiteten Dheran und Tarun so eng zusammen, dass ihre Lebensgefährtinnen beinahe eifersüchtig geworden wären. Sie unternahmen auch abseits der Arbeit sehr viel mit einander, wobei sie natürlich die Frauen mitnahmen. Auf diese Weise wurden Pasqualina und Christina sehr gute Freundinnen und auch der Andorianer bekam Christina oft zu sehen, wobei er, zu seiner Verwunderung feststellte, dass seine Eifersucht auf Tarun immer geringer wurde. Auch versetzte es ihm nach einigen Monaten nicht mehr denselben schmerzhaften Stich, wie früher, wenn sie sich sahen. Dafür wuchs seine Zuneigung zu Pasqualina stetig an und eines Tages bemerkte er, vollkommen von dieser Tatsache überrumpelt, dass er so etwas wie echte Liebe für sie empfand. Als habe sich ein Schleier gehoben, merkte er zu diesem Zeitpunkt auch, dass Pasqualina erst jetzt wieder richtig aufblühte und viel glücklicher wirkte, als in der Zeit zuvor und von Schuldgefühlen fast überwältigt nahm er sich vor dies wieder gut zu machen. Torias, der sich in der Folgezeit zu einem wirklich guten Freund für ihn entwickelte, sollte mit seiner Bemerkung, die er am Tag ihrer ersten Begegnung in diesem Universum getätigt hatte Recht behalten: Der erste ICICLE-Roman, und auch die Holo-Version schlug bei den Lesern ein, wie eine Bombe. Immer wieder mussten neue Auflagen nachgereicht werden und man verlangte ungeduldig nach Fortsetzungen. Drei Tage, nachdem der dritte Band erschien – es war ein Samstagnachmittag – saß Tar´Kyren Dheran zusammen mit Pasqualina auf der Klavierbank im Musikzimmer und übte, zusammen mit ihr, wie an fast jedem Wochenende in den letzten acht Monaten, Klavier zu spielen. Inzwischen war er so gut darin, dass er schon ganze Partituren fehlerlos spielen konnte. Trotzdem gab es noch eine Menge Feinheiten, die Pasqualina ihm beibringen konnte, zum Beispiel, wie man bei ein und demselben Stück Gefühle wie Traurigkeit oder Freude zum Ausdruck bringen konnte, indem man die Melodie nur ganz minimal anders spielte. Sie sangen auch oft im Duett dazu – meist alte, spanische Lieder, deren Texte Pasqualina dem Andorianer mit viel Geduld beigebracht hatte – auch wenn Dheran noch immer der Ansicht war, seine Stimme würde dabei klingen, wie ein rostiger Mülleimer. Immer seltener dachte er an Christina, und Pasqualina nahm immer mehr den Raum in seinem Herzen ein, den zuvor die Irin ausgefüllt hatte. Auch fühlte er sich deswegen schon lange nicht mehr schuldig, was letztlich ausschlaggebend dafür war, dass er immer mehr das Gefühl hatte, nach den Gegebenheiten dieses Universums, ein erfülltes Leben zu führen. Sehr oft nahm ihn Pasqualina auch zu ihren Tauchexkursionen, vor der Spanischen Küste mit, die sie als Meeresbiologin unternahm. Früher hatte Dheran weder die Zeit, noch die Muße dafür gehabt, aber mittlerweile gefielen ihm diese gemeinsamen Ausflüge in die Unterwasserwelt, wobei es nicht selten vor kam, dass sie sich dabei spontan, und sehr leidenschaftlich liebten. Nach Beendigung des Musikstückes blickten sich beide verliebt an und küssten sich lang und ausdauernd. Als sich Pasqualina schließlich an ihn kuschelte, sagte sie glücklich: „Ich liebe dich so sehr,Tar, dass mir die Worte fehlen, es zu beschreiben.“ „Ich weiß, meine kleine Eisfee. Und ich liebe dich genau so sehr.“ Sie küssten sich erneut. Danach spielte Dheran ein Lied, dass Pasqualina besonders mochte. La Alacena, ein etwas melancholisch anmutendes Stück. Als er es schließlich beendete meinte er launig: „Vielleicht habe ich meinen Beruf verfehlt und sollte besser Musik machen.“ „Ich bin mit dir zufrieden, so wie du bist“, erklärte seine Frau und sah ihn liebevoll an. „Aber du bist eben ein Mann mit vielen Talenten.“ „Erzähl mir mehr davon“, raunte Dheran ihr zu und blickte in ihre dunklen Augen, in denen er die tiefe Zuneigung zu ihm erkannte. Sanft streichelte er ihre Wangen. „Ich bin ein glücklicher Mann, meine kleine Eisfee.“ Dheran hatte in diesem Moment zum allerersten Mal das Gefühl, Pasqualina dies aus tiefstem Herzen zu sagen, ohne Hintergedanken, an sein früheres Leben. Das war vorbei – genau seit diesem Moment, und seit jenem verhängnisvollen Tag, an dem er in diesem Universum angekommen war, vor nun mehr als drei Jahren, fühlte er zum ersten Mal wieder vollkommene Zufriedenheit.   * * *   In den folgenden fünf Jahren steigerte sich der Ruhm von Tar´Kyren Dheran und Torias Tarun in astronomische Bereiche, die sie beide niemals für möglich gehalten hatten. Sowohl die ICICLE-Geschichten, als auch die Illustrationen und Covers dazu wurden bis zu den Grenzen der Föderation bekannt, und zwischenzeitlich waren beide fast ein Jahr gemeinsam unterwegs, um auf 35 Planeten Autogramme zu verteilen und Lesungen ab zu halten. Dabei lernte Dheran den Trill von einer Seite kennen, die er dem Admiral in seinem Universum niemals zugetraut hätte. Vielleicht besaß der aber auch nicht den Humor dieses Tarun, wer wusste das schon. Immer öfter fühlte er sich bei der Arbeit an ICICLE jedoch ausgelaugt und Müde. Vermutlich lag das daran, dass er nun in fast ununterbrochener Folge 21 abfüllende Bände verfasst hatte. Möglicherweise sollte er einmal eine längere Pause einlegen und zusammen mit Pasqualina wieder einmal richtig ausspannen und einen längeren Urlaub machen. Vielleicht war es aber auch wieder einmal Zeit etwas anderes zu schreiben, als ICICLE. Beide Überlegungen setzte er in den nächsten Monaten in die Tat um. Zuerst verbrachte er mit Pasqualina vier wundervolle Wochen auf Risa, und danach begann er mit der Arbeit an einer Geschichte über einen Mann, der in ein paralleles Universum verschlagen wird, und sich darin zurecht finden muss. Seine Geschichte. Doch die Müdigkeit und das matte Gefühl blieben. Schließlich, als die Arbeiten an seiner Parallelwelt-Geschichte bereits sehr weit fortgeschritten waren, beschloss er, endlich einen Arzt aufzusuchen. Pasqualina, die an diesem Nachmittag früher daheim war, als er, empfing ihn in der Diele des Hauses und fragte neugierig: „Wo warst du? Ich dachte schon, du würdest dein Arbeitszimmer überhaupt nicht mehr verlassen.“ „Ich muss mit dir reden“, antwortete Dheran nach einem flüchtigen Kuss. Seine Miene wirkte verschlossen und Pasqualina spürte instinktiv, dass ihr Mann eine schlechte Nachricht mit nach Hause brachte. Sie begaben sich in den Wohnraum und setzten sich gemeinsam auf das breite Sofa, bevor die Spanierin entschlossen sagte: „Heraus mit der Wahrheit, Tar. Was ist los?“ Dheran atmete tief durch, bevor er dunkel sagte: „Ich komme eben vom Arzt, kleine Eisfee. Er hat ein degeneratives Nervenleiden bei mir diagnostiziert.“ Pasqualina blickte ihn erschrocken an. „Welchen Heilungsmethoden musst du dich unterziehen.“ Der Andorianer schluckte. Jetzt kam der unangenehme Teil der Neuigkeiten. „Es gibt keine Heilungsmethode gegen das, woran ich leide. Der Arzt meinte, er habe so etwas noch nie gesehen. Er konnte mir nur sagen, dass die Krankheit immer rascher voranschreiten wird.“ Pasqualinas Hände krallten sich in seinen Oberarm und mit Tränen in den Augen stellte sie die bange Frage: „Wie wird diese Krankheit enden, Tar?“ Der Andorianer musste sich zwingen, ihrem Blick nicht auszuweichen, als er antwortete: „Diese Krankheit verläuft zu 100% tödlich, meine kleine Eisfee. Ich werde sterben. Nach Schätzung des Arztes bleiben mir nur noch wenige Wochen.“ „NEIN...!“ Pasqualina schrie dieses Wort gequält hinaus. Dann umklammerte sie Tar´Kyren und weinte, dass es sie schüttelte. Der Andorianer zog sie sanft in seine Arme und hielt sie einfach nur fest. Nichts, was er hätte sagen können, würde nun ihren Schmerz lindern. Der seelische Schmerz seiner Frau bereitete ihm beinahe körperliche Qualen. Erst nach einer ganzen Weile wurde ihr Schluchzen leiser und der Andorianer bat sie, mit ungewohnt leiser Stimme: „Ich möchte, dass wir in diesen letzten Wochen glücklich mit einander sind, meine kleine Eisfee. Ich möchte dich nicht leiden sehen, auch wenn es schwer fällt. Ich wünsche mir von dir, dass du für mich lächelst, hörst du?“ Mit tränenüberströmtem Gesicht blickte Pasqualina zu ihm auf und nickte tapfer. Obwohl die Tränen, die immer noch über ihre Wangen rannen ihre Absicht Lügen strafte. Tar´Kyren, der sie noch niemals mehr geliebt hatte, als in diesem Moment, küsste sie sanft auf die tränennassen Wangen. „Ich möchte dich nicht allein lassen. Ich hoffe, du kannst es mir verzeihen, dass es sich nicht vermeiden lässt.“ „Dass du dir deswegen Gedanken machst...“ Pasqualina streichelte sanft seine Wange. „Du kannst doch nichts dafür, Tar. Niemand möchte vor seiner Zeit gehen.“ Sie schmiegte sich ganz eng an ihn. „Du bist der einzige Mann, den ich jemals wirklich geliebt habe.“ „Das weiß ich“, antwortete Dheran, der in diesem Moment, zum ersten Mal seit fast acht Jahren, wieder an Christina Carey denken musste. Der Gedanke verblasste so schnell wie er gekommen war, und er fügte leise hinzu: „Und ich bin dem Schicksal sehr dankbar dafür, dass wir eine so erfüllte Ehe geführt haben, meine kleine Eisfee.“   * * *   In den folgenden Wochen verbrachte Tar´Kyren Dheran so viel Zeit, wie nur irgend möglich mit seiner Frau, wobei er zwischenzeitlich seine Paralleluniversum-Geschichte beendete. Zufrieden, dass er diese angefangene Arbeit doch noch beenden konnte, lehnte er sich im Sessel vor seinem Schreibtisch zurück, und schloss erschöpft seine Augen. Diese Phasen der Erschöpfung kamen nun immer öfter vor und hielten mit jedem Mal länger an, und er spürte instinktiv, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Deswegen hatte er auch vor zwei Tagen ein ernstes Gespräch mit Torias geführt und ihn darum gebeten, sich, gemeinsam mit Christina um Pasqualina zu kümmern, wenn er nicht mehr war. Auch diese beiden, mittlerweile mit einander verheiratet, waren anfangs schockiert über die Nachricht von seiner Krankheit gewesen. Besonders Torias wirkte in der letzten Zeit stiller als sonst und man merkte ihm deutlich an, dass ihn das Schicksal des Freundes deprimierte. Natürlich hatte Tarun seinem Freund ohne zu zögern versprochen, seine Bitte zu erfüllen. Den Trill als treuen Freund kennen zu lernen, verwirrte Dheran nach wie vor, da er ihn in seinem Universum zwar als Kameraden kennen gelernt hatte, dort aber immer auch die Distanz als Vorgesetzter zu spüren gewesen war. Schon sehr bald würde er zum zweiten Mal in seinem Leben eine Frau allein lassen, mit der er verheiratet war, überlegte er finster. Dies schien wohl sein Schicksal zu sein. „Was würde nach dem Tod folgen?“ Dheran wusste es nicht – aber er wusste, dass er heute Pasqualina darum bitten würde, einen Teil von ihm nach Andoria zu bringen. Zu diesem Zweck hatte er sich bereits vor einer Woche vom Arzt etwas Blut abnehmen und in einer kleinen Phiole versiegeln lassen. Die Menschen glaubten an ein Leben nach dem Tod. Wenn das stimmte, dann war sein Abschied von Pasqualina vielleicht nur von kurzer Dauer. Es wird sicher interessant werden, das festzustellen. Bei diesem Gedanken betrat Pasqualina das Zimmer und kam schnell zu ihm. Dheran blickte zu ihr auf und sagte: „Die Geschichte ist fertig. Aber ich möchte dich bitten, sie erst zu lesen, wenn ich gegangen bin, meine kleine Eisfee. Danach liegt die Entscheidung bei dir, ob sie veröffentlicht werden soll, oder nicht.“ „Versprochen“, antwortete die Spanierin schnell und legte liebevoll von hinten ihre Arme um ihn. „Was hältst du denn dann von einem Spaziergang am Hafen?“ Dheran blickte hinaus auf die sonnenbeschienene Landschaft und meinte lächelnd: „Das klingt sehr verlockend. Als sie eine halbe Stunde später am Kai standen und, Arm in Arm, auf die ruhige See hinaus blickten, sprach der Andorianer seine Frau leise an. „Ein Teil eines Andorianers kehrt nach seinem Tod ins ewige Eis Andorias zurück, heißt es. Ich habe mir vom Arzt eine kleine Phiole Blut abnehmen lassen und ich möchte, dass du sie nach Andoria bringst, und eine Armlänge tief ins Eis der Provinz Dharan bei Li Mi´She vergräbst, wenn die Zeit gekommen ist. Wirst du das für mich tun, meine kleine Eisfee?“ Pasqualina blickte ihn von der Seite an, wobei sie tapfer gegen ihre Tränen ankämpfte. „Das fragst du? Natürlich werde ich das tun.“ Dheran nickte ihr dankbar zu. „Ja, du hast Recht. Doch da ist noch etwas, dass du mir versprechen musst: Ich möchte nicht, dass du dein Leben beendest, wenn meines beendet ist – ich möchte, dass du lebst. Für mich lebst, hörst du? Der Gedanke daran, dass du künftig allein und verbittert in unserem Haus lebst, wäre mir unerträglich. Ich möchte, dass du weiterhin Kontakt zu unseren Freunden hast; dass du irgendwann wieder lachst – und später vielleicht sogar wieder liebst.“ Pasqualina wandte sich ihm nun zu und nahm ihn fest in ihre Arme. „Glaubst du wirklich, dass ich das könnte?“ Dheran nickte entschlossen. „Ja, und ich werde aus dem Jenseits immer mal vorbei kommen, um zu sehen, ob du auch wirklich dein Wort hältst.“ Er schloss seine Augen und zog sie schnell in seine Arme. Fast wäre ihm schwarz vor Augen geworden und er wollte nicht, dass sie von diesem Schwächeanfall etwas bemerkte. Nach einer Weile ließ das Schwindelgefühl nach, und er erholte sich etwas. Als er sich wieder einigermaßen im Griff hatte sagte er leise: „Lass uns heimgehen, ich möchte mit dir allein sein.“ Seine Frau blickte ihn melancholisch an und nickte.   * * *   In der Nacht schlief der Andorianer unruhig, nachdem Pasqualina und er sich ganz zärtlich geliebt hatten. Mit zu bekommen, wie sie sich anschließend in den Schlaf geweint hatte, war für ihn schlimmer gewesen, als der Gedanke daran, bald sterben zu müssen. Als er schließlich von einem ziehenden Kopfschmerz geweckt wurde, hatte draußen die Morgendämmerung bereits eingesetzt. Dheran schätzte, dass es etwa eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang war. Die kälteste Stunde der Nacht durchzuckte es Dheran während ein erneutes, heftigeres Ziehen durch seinen Kopf tobte; diesmal auch den Nacken erfassend. Der Schmerz blieb jetzt und Dheran erkannte in einem Moment völliger Klarheit, dass es nun soweit war. Nichts hätte ihn jedoch jetzt im Bett gehalten – er hatte sich immer geschworen, nicht im Bett zu sterben, und diesen Schwur würde er halten. Leise stand er auf, zog seine Sachen an, und ging lautlos aus dem Schlafzimmer und über die Treppe hinunter zum Wohnraum. Er krümmte sich vor Schmerzen, als er die Tür zum Garten fast erreicht hatte und mit einem letzten energischen Aufbäumen rang er die Schmerzen nieder und öffnete sie leise. Im Türrahmen blieb er kurz stehen und sog die frische, salzige Morgenluft ein. Ein Schimmer über den Hügeln des Hinterlandes, das sich hinter dem Garten erstreckte verriet, dass der Sonnenaufgang nicht mehr weit entfernt war. Langsam schritt er zu der kleinen Holzbank und setzte sich mühsam. Er dankte den Sternengöttern, dass Pasqualina ihn nicht so sah. Sie sollte ihn so in Erinnerung behalten, wie sie ihn gekannt hatte: Energisch, zielstrebig und kräftig – immer voller Tatendrang. Es kostete ihn Kraft, seine Arme auf die Banklehne zu legen, und er atmete schwer, als er es endlich geschafft hatte. Genau in einem Einschnitt, zwischen zwei sanften Hügeln schimmerte es nun rötlich. Bald würde der erste Sonnenstrahl aufblitzen. Dheran fiel in diesem Moment ein alter andorianischer Kriegsruf ein, aus einer Zeit, als das andorianische Volk noch unter einander Krieg geführt hatte: Oh, Leben halt mich fest – lass mich die rote Dämmerung sehen, bevor ich sterbe... Er schluckte. Zwar war in diesem Sprichwort eine andere Sonne gemeint, als Sol, aber sie würde es in diesem Fall tun müssen. Als der erste Sonnenstrahl sein Gesicht traf, spürte der Andorianer einen heißen Schmerz, der sich schnell vom Kopf, über den Rücken und dann über den gesamten Körper ausbreitete. Das Denken und Atmen fielen ihm mit jeder Sekunde schwerer. Trotzdem lächelte er. Ich habe es geschafft. Mit meinem letzten Atemzug sehe ich das Licht der roten Sonne... Einen Moment später erstarrte sein Gesicht. Der Blick brach. Bunte Nebel wallten um ihn herum, und der Andorianer spürte keinen Schmerz mehr. Diese Nebel kamen ihm seltsam bekannt vor und es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er erkannte woher. Hier hatte er das erste Mal mit einem Ulimá gesprochen.“ Telepathiert wäre der bessere Ausdruck, klang es amüsiert in seinem Kopf auf. Im nächsten Augenblick nahm jener Ulimá Gestalt an, den er schon einmal in diesen Nebeln erblickt hatte. Dheran funkelte ihn wütend an: „Wenn ich jetzt tot bin habe ich es nicht in den Himmel geschafft, soviel ist sicher. Wo bin ich hier?“ „Sie waren niemals fort, Commodore Dheran. Wir bewegten lediglich ihre Seele – alles was Sie ausmacht und was Sie sind. „War das wirklich nötig?“ „Sie gaben uns die Erlaubnis...“ Dheran erinnerte sich dunkel an seine unbedachten Worte. „Wenn ich geahnt hätte, dass Sie das wörtlich nehmen, dann hätten Sie nie meine Einwilligung bekommen.“ Das Gesicht des Ulimá wurde zu einer Maske der Neugier. „Dann wünschen Sie also, dass wir Ihnen alle Erinnerungen an Ihr anderes Leben nehmen?“ Dheran war versucht die Frage des Fremden spontan zu bejahen. Doch er zögerte, als er die Ereignisse noch einmal Revue passieren ließ. War das einer Frau gegenüber, die er in einem anderen Universum aufrichtig geliebt hatte, wirklich recht? Schließlich traf er eine Entscheidung. „Nein, diese Erinnerungen gehören zu meinem Leben, wie alle anderen Erinnerungen.“ „Ganz wie Sie wünschen, Commodore.“ Noch bevor Dheran etwas erwidern konnte, verschwand der Ulimá, wie bereits beim ersten Mal in den wallenden Nebeln, die immer finsterer wurden. Auch diesmal umfing seinen Geist dieselbe Dunkelheit und löschte sein Bewusstsein.   * * *   Tar´Kyren Dheran gab ein angenehmes Brummen von sich, als er samtweiche Lippen auf seiner Wange spürte. Mit geschlossenen Augen sog er die Luft ein. Der Duft des Parfüms kam ihm bekannt vor, aber er hatte es sehr lange Zeit nicht mehr wahrgenommen. Ahnungsvoll öffnete er sein Augen und blickte in das lächelnde Gesicht von Christina. „Christina!“ entfuhr es ihm unwillkürlich. „Bei allen Sternengöttern, ist das herrlich, dich zu sehen!“ Er zog sie in seine Arme, drückte sie ganz fest an sich und küsste sie stürmisch. „Himmel, was ist denn mit dir los“, ächzte die Frau, als der Andorianer sie endlich wieder frei gab. „Du tust ja gerade so als hättest du mich jahrelang nicht mehr gesehen.“ „Das habe ich ja auch nicht“, erwiderte er heftig, bevor ihm klar wurde, dass die Ulimá ihn nicht nur in sein normales Universum zurück gebracht hatten, sondern auch zu dem Zeitpunkt, von dem sie ihn fortgebracht hatten. Schnell fügte er an: „Ich meine, mir kommt es manchmal so vor, als wäre es so.“ „Manchmal denke ich, ich habe einen total Verrückten geheiratet“, schüttelte Christina den Kopf. Dheran grinste schief: „Nur ein Verrückter erkennt einen Verrückten, habe ich einmal gehört.“ Als sich seine Frau gespielt schmollend von ihm abwandte, richtete Dheran sich schnell im Bett auf und zog sie wieder zu sich heran. Liebevoll küsste er sie erneut, und nachdem er sich widerstrebend wieder von ihr löste, flüsterte er ihr leise zu: „Ich liebe Dich.“ Ein seltsames Gefühl breitete sich dabei in seinem Magen aus, und unwillkürlich schweiften seine Gedanken zu Pasqualina Mancharella ab. Meinte er seine Worte wirklich ernst, oder würde da nun immer ein leiser Zweifel bleiben, für wen sein Herz nun wirklich schlug? Noch gestern – oder sollte er besser sagen: Noch vor acht Jahren? - hätte er diese Frage, ohne zu zögern beantworten können. Jetzt spürte er eine ungewohnte Unsicherheit. Verdammte Ulimá! „Ich könnte jetzt einen Kaffee vertragen“, meinte Christina verschmitzt und zwinkerte ihrem Mann spitzbübisch zu. „Wie ist es mit dir?“ „Wie? Oh, äh... ja, der könnte jetzt wirklich nicht schaden“, erwiderte Dheran abwesend. „Ich werde inzwischen duschen.“ „Aber nicht allein!“, lachte Christina und folgte ihm umgehend ins Bad. Als sie nach einer Stunde wieder herauskamen meinte Christina anzüglich: „Tar, deine bebende Leidenschaft am frühen Morgen ist mir unheimlich. Du kriegst wohl gar nicht genug von mir?“ „Du sagst es“, bestätigte Dheran und gab ihr einen liebevollen Klapps auf den Po. „Das nehme ich dann mal als Kompliment.“ Nach dem Frühstück seufzte Christina: „Ich habe gleich eine Besprechung mit dem Admiral – hoffentlich ist er gnädig und schweift nicht zu weit ab dabei.“ „Das hättest du vor einigen Jahren nicht gesagt“, flachste Dheran und zog sich einen giftigen Blick seiner Frau dafür zu. „Das Thema ist seit langer Zeit erledigt, okay?“ Dheran hob beschwichtigend seine Hände. „Schon gut, bitte nicht gleich scharf schießen.“ Die Irin schritt zu Dheran und gab ihm einen schnellen Abschiedskuss. „Schön, dass für heute keine Verhandlungen mit den Ulimá anstehen, da könnten wir uns nachher mal wieder im SEVETYFIRST-CLUB sehen lassen.“ Dheran erhob sich und begleitete sie noch zum Schott. „Ich freue mich schon darauf.“ Nachdem Christina gegangen war blieb der Andorianer eine Weile unschlüssig im Zimmer stehen. Gedankenverloren sah er zum Klavier und ging langsam zur Klavierbank. Seine Hände zitterten leicht, als er sich gesetzt hatte und seine Fingerspitzen die Tastatur berührten. Er erinnerte sich jedoch schnell daran wie gespielt wurde, und schon bald erklang das Intro zu La Alacena Er hatte gerade begonnen, leise die erste Zeile zu singen, als sich das Schott der Kabine öffnete und Christina hereinkam. Offensichtlich hatte sie etwas vergessen. Erstaunt blickte sie ihren Mann an und fragte: „Wann hast du denn Spanisch gelernt? Und seit wann spielst du so gut Klavier?“ „Das Lied hat mir mein XO beigebracht“, antwortete Dheran prompt. Das war nicht gelogen. „Und das Klavierspielen habe ich heimlich geübt, weil ich dich damit überraschen wollte.“ Das war aalglatt gelogen. „Du steckst immer noch voller Überraschungen, Tar“, schmunzelte Christina. „Dann werden wir demnächst ja gemeinsam spielen können.“ „Ich freue mich schon darauf.“ Das war die Wahrheit. Nachdem Christina ein Data-Padd von Nebenan geholt und erneut gegangen war, starrte Dheran ins Leere. Die Erinnerungen an sein Leben im Paralleluniversum waren kein Traum gewesen, wie er für einen kurzen Moment gehofft hatte. Er hatte das alles wirklich erlebt! Eine Frage blieb damit: Würde er auch hier in einigen Jahren an einem degenerativen Nervenleiden sterben? Oder gab es auch hierbei Unterschiede? Er beschloss gleich am nächsten Tag Doktor Leandros aufzusuchen. Er wollte in dieser Hinsicht absolute Gewissheit haben. Sollte er auch hier in etwas acht Jahren sterben, oder durfte er hier, wenn ihm sonst kein Unglück widerfuhr, seine normale Lebensspanne erreichen – und noch einmal leben...?   Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)