Bruderliebe von randydavies ================================================================================ Kapitel 30: ------------ ~°~30~°~     Carsten war in der Tat in seinen Beruf verschossen. Die Zeit verstrich, dümpelte, wie ich fand, vor sich hin und nach einer halben Woche hatte er die Praxis dann doch wieder eröffnet, was ich mit einem Kopfschütteln und missmutigem Brummen quittierte. Deutlich machte ich ihm klar, dass mir das, in seinem Zustand überhaupt arbeiten zu wollen, deutlich missfiel. „Lass mich doch“, war daraufhin seine schroffe Antwort, als ich ihm mit einer weiteren Deutlichkeit und Schärfe sagte, wie ich darüber dachte. Letztendlich gewann er mit seinem Hundeblick, auch wenn der von sämtlichen, schillernden Farben eines Regenbogens umrahmt war. Man hätte mit diesem Gesichtsausdruck selbst Eisen zum Schmelzen bringen können. Im Endeffekt hatte ich seinen Wunsch respektiert. Was man nicht alles für die Liebe tat und ich liebte diesen Mann wirklich sehr. Trotzdem, auch wenn mein Leben für mich perfekt schien, hatte ich noch mit mir zu kämpfen. Nicht nur mit der Tatsache der zweiten Konfrontation meines Bruders, der vor ein paar Tagen vor unserem Haus einfach aufgekreuzt war, nein, auch mit dem Bild, das ich von ihm hatte, was sich unaufhaltsam in meinem Gedächtnis eingebrannt hatte – Darian, in seiner Motorradkluft und unglaublich gut aussehend. Zudem stand ihm das Älterwerden. Die Vorstellung, wie er auf seinem Motorrad zu uns gefahren war, seine sehnigen Beine, die schlanke Gestalt und doch nicht dürr, wie er die Maschine steuerte, ließen mich schier verzweifeln. Still weinte ich jedes Mal in mich rein, wenn ich die Bilder in mein Gedächtnis rief! Aber es war zu spät. Warum stand eigentlich meine Gefühlswelt überhaupt auf dem Kopf, wenn ich doch genau wusste, dass ich mich richtig entschieden hatte. Ich habe das Richtige getan, oder nicht? Verdammt. Wie schon so oft musste ich deswegen weinen, wenn ich mir diese Frage stellte und niemals kam darauf eine Antwort, noch nicht einmal von meinem Verstand … Carsten spürte deutlich meine innerliche Zerrissenheit, auch wenn ich es vor ihm verbarg, so konnte ich nicht alles verstecken, dazu war er zu feinfühlig, hatte eine Antenne dafür. Doch darüber reden wollte ich nicht, als er mehrere Versuche startete, mich aus meiner Reserve zu locken. Er wusste, warum ich so war. Wir ließen schließlich das Thema Darian komplett aus. Für mich gab es nichts mehr zu bereden und ich nahm mir vor, meine Gedanken noch mehr vor ihm zu verbergen. Ich wollte ihn glücklich sehen und das war Carsten auch, denn ich gab all meine Liebe für ihn. In Momenten, in denen ich alleine für mich war, wo ich mir ganz sicher sein konnte, dass mich keiner beobachten würde, dachte ich verstärkt an meinen Bruder. Die starke Anziehungskraft war nach wie vor geblieben. Immer wieder sah ich vor mir sein verändertes Aussehen – das von der Sonne gebräunte Gesicht, die längeren Haare. Ich stellte mir immerfort im Geiste vor, wie er sich auf sein Motorrad schwang und ich mit ihm davonfuhr. Alleine die Vorstellung, ich wäre mit ihm auf- und davongefahren, brachte mein Herz schneller zum Schlagen. Ich konnte gegen das immens starke Gefühl nicht ankommen. Und doch … Carstens Liebe war so stark, die Bodenständigkeit meines Partners, das ewige Versichern, wie sehr er mich liebte, ließen mich weiterhin stark bleiben gegen diese verbotenen Gefühle und dass ich meinem Bruder nicht letztendlich doch gefolgt wäre. Trotzdem hatte ich ständig das Bild vor Augen, wie ich mit meinem Bruder mitgegangen wäre. Ich konnte nicht anders, als dieses Szenario stets vor Augen zu haben und hoffte darauf, dass es mit der Zeit besser werden würde. Denn jedes Mal, wenn ich mir vorstellte, wie ich mit ihm davongefahren wäre, fehlte mir gleichzeitig Carsten. Eine ständige, rein hypothetische Verarbeitungssequenz, welche sich in meinem Kopf als Dauerschleife abspielte. Darum wusste ich auch, dass ich Carsten genauso stark liebte wie meinen Bruder. Konnte man wahrhaftig zwei Männer so sehr lieben? Obwohl man genau wusste, dass einer davon einem nicht gut tun würde? Diese Fragen blieben unbeantwortet. Darian hatte sich seitdem nicht mehr gemeldet oder war bei Carsten in der Praxis erschienen, um dort seine Behandlung fortzuführen. Ich denke, weder Carsten noch ich hätten dies zugelassen. Mein Partner hatte seitdem andere Pläne mit mir, sah es sogar als seine Pflicht an, mich für die Zukunft fester in seine Praxis mit einzuplanen. Er wollte sogar, dass ich die Terminplanung für ihn übernehme ... Ich war mit seinem Vorschlag einverstanden, dennoch rätselte ich immer noch über den unerklärlichen Zufall. Wobei, wie Carsten mir immer wieder versicherte, hatten weder er noch Darian eine Ahnung gehabt. Ich war mir dessen nicht so sicher, denn die Geschichte, die Darian Carsten erzählt hatte, hätte ihm doch irgendwie bekannt vorkommen müssen? Und doch ... Jedes Mal, wenn mein Partner mir beteuerte, es nicht gewusst zu haben, sah ich nur in seine Augen und die logen mich niemals an, dessen war ich mir absolut sicher. Es spielte zudem keine Rolle mehr, denn mein Bruder war fort und ich hatte nun Carsten. Die Uhr tickte vorwärts, das Leben ging weiter. Wir beide wuchsen noch mehr in unserer Partnerschaft zusammen und das Band verstärkte sich, wurde fester und fester. Carsten und ich verstanden jeweils den anderen – und wenn wir uns stritten, dann war die Versöhnung hinterher das Beste, was oftmals in einem wunderbaren Versöhnungssex endete. Darian rückte immer weiter in den Hintergrund und schon bald war er nur ein flüchtiger Gedanke. Ein Blatt im Wind, das, wenn die Gezeiten sich wechselten, einfach davon segelte, wenn es Zeit war, dem Winter zu weichen. Alles war perfekt, aber dann traf es mich doch noch hart …     ©Randy D. Avies 2012   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)