Babylon-6 - 01 von ulimann644 (Geheimnisse) ================================================================================ Kapitel 3: Der Gefangene ------------------------  „Das geht ja gleich gut los“, knurrte Fernando Esposito und blickte zum Waffenleit-Offizier, des Schiffes, Lieutenant Sun Xiang, einem drahtigen Chinesen. Der, wie üblich, wortkarge Asiat nickte knapp ohne seinen Blick von den Kontrollen der Waffensysteme zu nehmen. Er hatte bereits sämtliche Offensivwaffen, das Verteidigungsnetz und die Zielerfassungssysteme aktiviert. Von der Navigation kam die Meldung, dass die von Sterling aufgenommenen Daten überspielt seien und man ermittelt hatte, dass die unbekannten Raumschiffe in einer Entfernung von nur einer Lichtminute den Hyperraum verlassen hatten. Esposito glaubte nicht an einen Zufall. Vielmehr war er der Ansicht, dass Irgendjemand das Aktivieren des Hyperraumtores angemessen hatte, und nun wollte er nachschauen, was da vor sich ging. Und genau das musste er verhindern, denn niemand sollte wissen, dass MFB-VI-023 überhaupt existierte. Er wandte sich an den Kommunikationsoffizier: „Geben Sie der ANDROMEDA und der LEXINGTON Bescheid, dass wir nun in den Hyperraum springen. Nach unseren Berechnungen wird es ein Flug von nur wenigen Sekunden.“ Der Captain wandte sich wieder dem Hauptbildschirm zu. Sie hätten die Distanz ebenso gut im Unterlichtflug zurücklegen können, doch Esposito wollte die Unbekannten überraschen – ihnen keine Zeit geben, sich auf die neue Lage einzustellen. Andererseits hatte er nicht vor, mit feuernden Kanonen zu erscheinen. Zunächst einmal galt es herauszufinden, wer sich in diesem abgelegenen Raumsektor so nah an der Geheimbasis herumtrieb. Wenige Sekunden später entstanden drei gelb glühende Hyperraumfenster und die drei Kriegsschiffe der Erd-Allianz verschwanden kurzzeitig aus dem Normalraum. Nur wenige Sekunden später verließen die drei Schiffe den Hyperraum wieder und tauchten unvermittelt an anderer Stelle wieder in den Normalraum ein. Esposito gab Commander Sterling den Startbefehl und kurz darauf schossen drei Jagd-Staffeln zu je acht Starfury-Jägern aus den Hangars der SHERIDAN. Wie bei unzähligen Übungen formierten sich die Jäger Rottenweise und fächerten vor den drei Kriegsschiffen auf – bereit jede möglicherweise gefährliche Überraschung im Ansatz zu eliminieren. Auf der SHERIDAN liefen die Ortungsgeräte auf Hochtouren. Fast gleichzeitig meldete der Ortungsoffizier mit blasser Miene: „Captain, die Scanner erfassen zwei Zerstörer der OMEGA-KLASSE und einen Kreuzer der ALPHA-KLASSE. Alle drei ohne Transpondersignal der Erdstreitkräfte. Ich dachte, wir wären die einzigen Erdschiffe in dieser Gegend.“ Fernando Esposito wirkte erstaunt. Schnell trat er zu dem Offizier und blickte über dessen Schulter auf die Anzeigen. Kein Zweifel, es handelte sich um die genannten Schiffstypen. Er wandte seinen Kopf zum Kommunikationsoffizier und sagte: „Anruf auf Flottenfrequenz. Der Kommandant dieses Pulks soll sich identifizieren und beidrehen lassen.“ „Aye, Sir!“ Esposito bekam mit, wie die unbekannten Schiffe angerufen wurden und überlegte dabei, um welche Einheiten es sich hier handeln mochte. Laut General Hayes war die „Kampfgruppe-Epsilon“ der einzige Verband der Erd-Allianz, der sich in diesem Sektor aufhielt. Wer also war der Befehlshaber dieser Kriegsschiffe. Hatte Irgendjemand seine Befehle falsch interpretiert? Vermutlich, denn ein Diebstahl von drei Erd-Kriegsschiffen wäre auf keinen Fall ohne Aufsehen über die Bühne gegangen. Davon hätte man längst erfahren. „Sir, die Kriegsschiffe antworten nicht“, kam die Meldung von der Kommunikation. „Wir scannen jedoch menschliche Lebenszeichen an Bord dieser Schiffe. Das verstehe ich nicht, Captain.“ „Raten Sie mal wer noch?“, erwiderte Esposito grimmig. Schnell begab er sich wieder an seinen Platz und schaltete auf Jägerfrequenz. „Commander Sterling: Wir scannen Erd-Kriegsschiffe, aber sie antworten nicht auf unsere Anrufe. Irgend etwas stimmt mit denen nicht. Identifizieren Sie die drei Schiffe. Beim geringsten verdächtigen Zeichen, greifen Sie an.“ „Wir haben auch mehrere Starfury-Jäger ausgemacht“, entgegnete Sterling. „Sie versuchen uns abzudrängen, so als wollten sie eine Identifikation verhindern. Jetzt eröffnen mehrere das Feuer auf unsere Jäger.“ Esposito entschied innerhalb einer Sekunde: „Feuer frei, Commander. Sorgen Sie nach Möglichkeit dafür, dass wir Gefangene machen. Esposito, Ende. „Verstanden, Captain!“ Nachdem Melanie Sterling den Angriffsbefehl gegeben hatte griffen die 24 Kampfmaschinen der SHERIDAN kompromisslos an. Man hatte das Feuer auf sie eröffnet, und nun musste der unbekannte Angreifer die Konsequenzen dafür tragen. Währenddessen hielten die drei Kriegsschiffe der „Kampfgruppe-Epsilon“ auf die unbekannten Großkampfschiffe zu und aktivierten die Zielscanner. Doch noch bevor die Schiffe den ersten Schuss abgeben konnten, aktivierten die Unbekannten ihre Sprungtriebwerke. Gleichzeitig lösten sich die zu ihnen gehörenden Jagdmaschinen aus den Kämpfen und hielten gleichfalls auf die geöffneten Hyperraumfenster zu. Im nächsten Moment verschwanden die Schiffe aus dem Normalraum, und Esposito fluchte unterdrückt. Gleich darauf meldete sich Melanie Sterling: „Captain, wir konnten einen der unbekannten Jäger manövrierunfähig schießen, und bergen ihn momentan. Der Pilot scheint bewusstlos zu sein, lebt aber noch. Sir, der Jäger trägt eindeutig das Abzeichen der „Black-Omega-Staffel, die seit 2267 als verschollen gilt. Und noch eins, Sir: Wir konnten einen der Omega-Zerstörer identifizieren. Es handelt sich einwandfrei um die EAS CASSANDRA. Auch sie gilt seit damals als vermisst, wenn ich recht informiert bin. Am Bug trug das Schiff das Abzeichen des PSI-Corps.“ Es dauerte einen Moment, bis Esposito in der Lage war zu antworten. Tausend Fragen schossen ihm durch den Kopf. Dann erwiderte er: „Kommen Sie mit dem Gefangenen zurück an Bord, Sterling. Ich bin sicher, dass Generalmajor Hayes einige Fragen an den Piloten haben dürfte.“ Commander Sterling bestätigte, und wenige Minuten später befanden sich die drei Kriegsschiffe auf dem Rückweg nach BABYLON 6.   * * *   Nachdem Esposito dem General gemeldet hatte, was sich ereignet hatte, blickte Hayes, der zusammen mit Commander Zaizewa im Kommandoraum von BABYLON 6 stand, ungläubig zu der Telepathin und fragte: „Was halten Sie davon, Commander?“ Es war zu erkennen, dass es hinter der hübschen Stirn der Russin arbeitete. Überlegend erwiderte sie den Blick des Generalmajors und antwortete schließlich: „Es klingt beinahe unglaublich, Sir. Kriegsschiffe und eine Jagdstaffel, die es eigentlich längst nicht mehr geben dürfte, in den Händen Unbekannter. Mein Gefühl sagt mir, dass wir hier einer großen und möglicherweise bedrohlichen Sache auf die Spur gekommen sind.“ „Ich bin geneigt Ihnen zuzustimmen“, erklärte der Generalmajor. „Kommen Sie mit zum Sicherheitsbereich, Commander. Man wird den Gefangenen dorthin bringen, sobald er auf die Station gebracht wurde.“ Die Russin warf dem General einen unbestimmbaren Blick zu, und es sah für einen Augenblick so aus, als wolle sie etwas erwidern. Doch dann nickte sie nur und schloss sich ihrem Vorgesetzten an. Während sie schweigend durch die Gänge der Station schritten, warf sie dem Mann an ihrer Seite einen schnellen Seitenblick zu. Eigentlich hatte sie gedacht noch immer zornig auf den General zu sein, doch irgend etwas verhinderte dies. Dabei erinnerte sie sich wieder an den Anfang des Empfanges, am gestrigen Abend – bevor er ihr gegenüber plötzlich so kalt und abweisend geworden war. Sie hatte einen Hauch seines scheinbar grenzenlosen Hasses auf Telepathen gespürt, und es hatte ihr weh getan, dass er so fühlte. Mehr, als bei allen anderen Wesen die ähnliche Gefühle gegenüber Telepathen hatten. Das verwirrte sie. Momentan war davon nichts zu bemerken, und jetzt, da sie in Ruhe darüber nachdachte, fragte sie sich, was der Auslöser; die Ursache für diese Hassgefühle ihres Vorgesetzten war. Was für negative Erfahrungen hatte er mit Telepathen gemacht? Die Russin wäre wohl überrascht gewesen, wenn sie geahnt hätte, dass auch der Generalmajor an den gestrigen Abend zurück dachte. Seit dem Ende des Telepathenkrieges hatte er gedacht, jeden einzelnen Telepathen, egal ob Mann oder Frau, hassen zu müssen. Doch jetzt, nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte, fiel es ihm schwer, Irina Zaizewa gegenüber diese Gefühle aufrecht zu erhalten. Aber wollte er das überhaupt? Innerlich eine Verwünschung ausrufend verdrängte er diese Gedanken. Nun galt es einen Gefangenen zu verhören, und Hayes würde dazu jedwedes Mittel einsetzen. Notfalls die Frau an seiner Seite. Sie war Telepathin und es sollte ihr nicht sonderlich schwer fallen, zu ermitteln ob er beim kommenden Verhör die Wahrheit sagte.“ Durch zwei hinter einander angeordnete Sicherheitsschotts gelangten Sie in das Innere des Sicherheitsbereichs. Sie mussten nicht sehr lange warten, bis der Gefangene, mit auf dem Rücken gefesselten Händen, hereingebracht und auf einen einfachen Stuhl gesetzt wurde. Rechts und links jeweils von zwei Sicherheitsleuten bewacht, saß der mittelgroße, bärtige Mann an einem einfachen Tisch und starrte finster zu Hayes und Zaizewa. Er trug eine schwarze Flugkombination, die keinerlei Rückschlüsse auf seine Zugehörigkeit zuließ. Doch da war das Zeichen der BLACK-OMEGA-STAFFEL auf dem geborgenen Wrack seines Jägers gewesen. Hayes erwiderte den Blick mit eisiger Miene und fragte in schneller Folge: „Wer sind Sie? Was haben sie in diesem Raumsektor zu suchen? Welcher Organisation gehören Sie an?“ Die blauen Augen des Gefangenen funkelten in einem fanatischen Feuer. Als er versuchte sich zu erheben, wurde er vom Sicherheits-Chef unsanft an der Schulter wieder auf den Stuhl gedrückt. Verstockt erwiderte er: „Ich habe Rechte, General. Ich verlange einen Anwalt.“ Hayes beugte sich zornig über den Tisch und fuhr den Schwarzhaarigen an: „Zu verlangen haben Sie gar nichts, und das einzige Recht, das ich Ihnen zugestehen werde ist die Wahl der Schleuse, aus der man sie stoßen wird. Sie haben auf das Militär der Erd-Allianz gefeuert. Damit unterstehen Sie der Gerichtsbarkeit des Militärs.“ Der Blick des Gefangenen verriet nicht, was er dachte. Seine Miene verschloss sich und es wurde offensichtlich, dass er nichts weiter aussagen würde. Lynden B. Hayes maß den Mann mit einem langen Blick, bevor er sich von der Tischkante abstieß und zu Irina Zaizewa schritt, die sich etwas im Hintergrund gehalten hatte. „Der wird nicht so schnell den Mund aufmachen, aber wir haben nicht die Zeit ihn durch die Mangel zu drehen. Darum werden Sie in Erfahrung bringen müssen, was er uns nicht freiwillig verraten will.“ „Sie meinen, ich soll den Man gegen seinen Willen scannen, Sir? Hayes musterte die Frau unwillig: „Ja, Commander. Genau das wollte ich damit zum Ausdruck bringen. Scannen Sie den Gefangenen, das ist ein Befehl.“ Die Russin wurde bleich als sie gepresst antwortete: „Nein, General, das ist gegen die Gesetze. Sie können mich nicht dazu zwingen.“ Die Augen des Generals funkelten gefährlich, und so leise, dass nur Zaizewa ihn verstehen konnte flüsterte er: „Zwingen Sie mich nicht, diese Station unter Kriegsrecht zu stellen. Die nötigen Befugnisse dazu habe ich. Sollten Sie dann noch immer einen direkten Befehl verweigern, dann wissen Sie, welche Konsequenz das hat.“ Commander Zaizewa kannte das Kriegsgesetz, und in schärfster Auslegung würde sie eine Befehlsverweigerung unter Kriegsrecht das Leben kosten. Sie presste die Lippen zusammen und erwiderte schließlich resignierend, in ohnmächtiger Wut: „Ich befolge Ihren Befehl unter Protest.“ „Darüber reden wir später, Commander“, zischte Hayes drohend. „Jetzt vertändeln Sie nicht länger meine Zeit.“ Er beobachtete, wie sich Commander Zaizewa am Tisch, gegenüber des Schwarzhaarigen, niederließ. Eindringlich blickte sie ihn an und konzentrierte sich. Nach einem kurzen Moment überflog ein ungläubiger Zug ihr Gesicht, und sie wandte sich Hayes zu. „Er ist ein Telepath, Sir.“ „Ist er stärker als Sie?“ „Ich glaube nicht, Sir. Aber es wird etwas länger dauern, da er mich blockieren wird.“ Erneut konzentrierte sich die Frau, und das Gesicht des Gefangenen verzog sich nach einem Moment zu einer Fratze des Hasses. Mehr und mehr verzerrten sich seine Gesichtszüge, und man sah ihm deutlich an, wie sehr er sich gegen den Scann der Russin zur Wehr setzte. Ein Netz feiner Schweißperlen bildete sich auf der Stirn von Irina Zaizewa und sie gab einen gequälten Ton von sich. Alle anderen Anwesenden im Raum, einschließlich des Generals verhielten sich beinahe lautlos um die Telepathin nicht abzulenken. Schließlich stieß die Russin heftig ihren Atem aus. Beinahe gleichzeitig entspannten sich die Züge des Gefangenen und ein wildes Funkeln lag in seinem Blick. Zaizewa hielt sich für einen Augenblick wankend an der Tischkante fest und atmete heftig ein und aus, bevor sie zu Hayes blickt. „Ich habe ihn gescannt, Sir. Wir sollten jedoch nicht hier darüber sprechen.“ „Kommen Sie mit, in mein Büro!“, entschied Hayes, wobei er Zaizewa mit einem undefinierbaren Blick bedachte. Der Weg zum Büro des Generals verlief wortlos. Erst nachdem Hayes hinter seinem wuchtigen Schreibtisch platz genommen hatte, ergriff Commander Zaizewa das Wort und erklärte: „Es ist ungeheuerlich, Sir. Dieser Mann, den wir gefangengenommen haben, gehört zu einer Organisation, die sich „Neues PSI-Corps“ nennt. Doch das ist nicht das Schlimmste. Ich konnte seinen Gedanken entnehmen, dass es in dem Sonnensystem Sigma-Alpha-301, ganz in der Nähe dieser Station, eine geheime Basis dieser Organisation gibt. Offensichtlich wussten sie bisher nichts von dieser Station, doch dann hat man unsere heute generierten Hyperraumfenster ortungstechnisch angemessen. Die Unbekannten wissen jedoch nichts von BABYLON 6. Noch nicht, aber sie werden wiederkommen und dann werden sie die Station unweigerlich entdecken. Der Gefangene dachte an eine beeindruckende Flotte von zwölf Kriegsschiffen. Die Basis, an die er dachte, liegt am inneren Rand eines Asteroidengürtels, den es in dem erwähnten Sonnensystem gibt – in der Nähe mehrerer großer, sehr erzhaltiger, Brocken. Die genauen Koordinaten wird der Stationscomputer ermitteln können.“ Bei dem letzten Satz der Russin nickte Hayes grimmig. „Wir werden schnell handeln müssen, doch das werde ich besser mit Lieutenant-Commander Shinji Okasaki besprechen. Sie, Commander, werden ab sofort nicht mehr diese Station leiten, sondern sich bis auf Widerruf, auf den Oberbefehl über die Jagd-und Jagdbomber-Staffeln dieser Station konzentrieren. Vielleicht haben Sie auf diese Weise etwas Gelegenheit, ihr Verhalten gegenüber vorgesetzten Offizieren einmal gründlich zu überdenken. Zunächst aber werden Sie, mit Hilfe des Bordcomputers, die genaue Lage der Feindbasis errechnen, und auf mein Gerät überspielen.“ Erschrecken zeichnete sich auf dem schönen Gesicht der Russin ab. Heftig sprang sie von ihrem Sessel auf und schien etwas sagen zu wollen. Doch dann beherrschte sie sich krampfhaft und presste lediglich heraus: „Wie Sie meinen, Sir.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Büro, während Hayes ihr kopfschüttelnd hinterher sah und dann Verbindung zu Okasaki aufnahm um ihn in sein Büro zu zitieren. Danach bestellte er auch Esposito und Sterling zu sich. Jetzt galt es einen schnellen Schlag gegen den unerwartet in Erscheinung getretenen Gegner zu planen und anschließend erfolgreich durchzuführen. Das Geheimnis dieser Station musste gewahrt bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)