Star Trek - Icicle - 06 von ulimann644 (Unternehmen TARANIS) ================================================================================ Kapitel 11: Das sterbende Wurmloch ---------------------------------- Commodore Sylvie LeClerc ließ die drei Schiffe unter ihrem Kommando bis an die Grenzen belasten, denn sie ahnte, dass es nun auf jede Minute ankommen würde. Ihre Gedanken eilten voraus, zu den Männern und Frauen des Landetrupps, besonders aber zu einem ganz bestimmten Mann. Bereits als sie von ihrer Warteposition aufbrachen, hatte sie roten Alarm befohlen und so fielen die drei Schiffe, wenige Minuten später in voller Kampfbereitschaft, fünfzehn Lichtsekunden entfernt von Varala IV, unter Warp. Sie würden etwas mehr, als eine Minute brauchen, bis sie den Planeten erreicht hatten. Sylvie LeClerc wandte sich zu Tarinea Sangreth, an der OPS, und verlangte: „Spruch raus an das Landeteam. Alle sollen sich bereit machen an Bord geholt zu werden.“ Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem zu, was auf dem Frontschirm zu erkennen war. Schnell wurde der Planet auf dem Hauptbildschirm größer, bis er ihn ganz ausfüllte. Gleichzeitig meldete Dave Lincoln Crockett, von der Taktik: „Commodore, fünf Jem´Hadar-Raider sind eben unter Warp gegangen. Sie werden in etwa einer halben Minute über dem Planeten sein.“ „Merde!“, fluchte die Französin. Dann erwiderte sie: „Verstanden. Einen Kanal zur ASTARTE, Lieutenant.“ „Verbindung steht, Commodore.“ Fast gleichzeitig erschien das Abbild von Alev Scenaris auf dem Hauptschirm. Sylvie LeClerc verlor keine Sekunde und sagte rasch: „Captain, fünf Jem´Hadar halten Kurs auf uns. Sie stoßen zum Planeten hinunter und beamen unsere Leute, und die Geiseln hoch. Sobald alle an Bord sind, geben Sie Bescheid, und dann ab durch die Mitte.“ Alev war es gewohnt, während des Dienstes nicht von Sylvie geduzt zu werden, und so bestätigte sie knapp: „Aye, Sir.“ Im nächsten Moment war das Abbild der Rigelianerin verschwunden und die Französin wies ihren Taktischen Offizier an: „Spruch an die OBERON, wir gehen auf Abfangkurs.“ Der Taktische Offizier bestätigte, und gleich darauf schwenkten die beiden LUNA-Kreuzer auf Kollisionskurs zu den anfliegenden Feindschiffen ein. Crockett gab bekannt: „Noch zehn Sekunden bis der Feind in Reichweite unserer Waffen ist... Noch fünf... vier... drei... zwei... eins...“ Einen Herzschlag später befahl Sylvie LeClerc: „FEUER...!“   * * *   „Schilde auf Maximum!“, tönte die melodische Stimme von Alev Scenaris über die Brücke der ASTARTE, während das Schiff in die oberen Schichten der planetaren Atmosphäre eintauchte. Sie mussten bis dicht an die Oberfläche heran, damit sie die große Ansammlung von Lebewesen in wenigen Schüben, mit den Transportern erfassen, und mit einem Ort-zu-Ort-Transport, zu festgelegten Punkten auf dem Schiff, an Bord beamen konnten. Dies ging schneller, als von außerhalb der Atmosphäre immer Gruppen zu sechs bis acht Personen an Bord zu holen. Es war nur für den Notfall mit den Teilnehmern des Landetrupp ausgemacht worden, dass sie solche Gruppen bilden sollten, falls man doch, aus irgendeinem Grund, zu dieser Methode greifen musste. Mit einem Tempo weit über den zulässigen Maximalwerten für solche Atmosphärenmanöver, ließ die Rigelianerin das Schiff hinunter bringen. Als die ASTARTE noch etwa vierzig Kilometer über der Oberfläche war, begann die Schiffszelle unheilvoll zu vibrieren, und der Erste Offizier meinte düster: „Wir werden in Einzelteilen dort unten ankommen, Captain.“ „Das muss das Schiff aushalten, Commander!“, konterte die Rigelianerin temperamentvoll. „Es wurde ja nicht von den Pakleds zusammengeklempnert.“ Erst als der Pilot die ASTARTE abfing hörten die Vibrationen auf. Triumphierend blickte Alev Scenaris ihren XO an und meinte amüsiert: „Na bitte, Mister Ferath. Made in the Federation.“ Der achtete kaum darauf, sondern gab bereits das Kommando, die Schilde zu senken und den Landetrupp nebst Geiseln an Bord zu holen. Gleichzeitig mit der Meldung, dass der erste Schwung an Bord geholt worden sei, erschütterte ein fürchterlicher Schlag das Raumschiff. Energieleitungen brachen und Funken sprühten über die Besatzungsmitglieder auf der Brücke. Das Licht flackerte kurz, erlosch jedoch nicht. Alev Scenaris, die es von den Beinen gehoben hatte, erhob sich vom Boden und wandte sich an die Taktik: „Bericht!“ „Zwei der Raider sind durchgebrochen und nehmen die ASTARTE unter Feuer, Captain. Wir liegen hier, ohne Schilde, wie auf dem Silbertablett.“ Alev Scenaris erwiderte gereizt: „Erwidern Sie gefälligst das Feuer mit den oberen Phaserphalanxen. Wir werden hier bleiben, bis wir Alle an Bord geholt haben.“ Tarien Ferath wandte sich an seine Vorgesetzte: „Aber das ist doch Wahnsinn, Captain. Die werden uns in Stücke schießen, und wir...“ „Wir warten, bis der Letzte an Bord ist!“, blieb die Rigelianerin stur. Gleichzeitig kam die Meldung herein, dass die Transporter dabei waren, jeden Moment den letzten Schwung zu erfassen und an Bord zu holen. Im nächsten Moment wurde das Raumschiff erneut von Polaronphaserstrahlen getroffen. Zwei Wandkonsolen explodierten in einem Funkenregen und Schreie erfüllten das Rund der Brücke. Ein penetranter Gestank nach verbranntem Kunststoff breitete sich aus. Offensichtlich arbeitete die Lufterneuerungsanlage nur noch eingeschränkt. Flammen züngelten aus den beschädigten Konsolen und einige Brückenoffiziere machten sich daran, sie zu löschen. Andere kümmerten sich um die Verletzten. Alev Scenaris wandte sich gerade zu ihrem XO um, als hinter ihr eine weitere Konsole krachend explodierte und einige große Metallsplitter quer durch den Kommandoraum pfiffen. Die Rigelianerin schrie, von Schmerzen gepeinigt auf, und starrte ungläubig auf einen blutigen Metallzacken, der aus ihrer rechten Schulter ragte. Er war von hinten durch ihren Oberkörper gefahren und verursachte einen glühenden Schmerz, der ihr fast die Besinnung raubte. Mit übermenschlichem Willen schaffte sie es, nicht bewusstlos zu werden und sagte stöhnend, zu ihrem XO: „Wenn wir den Letzten an Bord haben, dann lassen Sie das Schiff von hier verschwinden Ferath. Und holen Sie sich Captain Dheran auf die Brücke.“ Schwankend stand die Rigelianerin vor ihrem Sessel und tastete nach den Armlehnen. Zusammen mit der Bestätigung ihres Commanders, meldete der Transporter-Chief, dass er den letzten Schwung sicher an Bord hatte. Gleichzeitig lief die Meldung ein, dass die OBERON den angreifenden Raider gestellt und vernichtet hatte, und dass Konteradmiral Kuehn, gleich darauf, zu seinem Flaggschiff gebeamt worden war. „Dann nichts wie weg von hier“, rang sich Alev Scenaris noch ab. Im nächsten Moment brach sie zusammen und sank zu Boden. Tarien Ferath, der bereits Kontakt zur Krankenstation aufgenommen, und ein Notfallteam angefordert hatte, gab den Befehl zum Abflug. Danach betätigte er seinen Kommunikator und sagte krächzend: „Captain Dheran, hier spricht Commander Ferath. Kommen Sie bitte kommen Sie umgehend auf die Brücke.“   * * *   Als Captain Tar´Kyren Dheran zwei Minuten später die Brücke der ASTARTE betrat hatte das Notfallteam Alev Scenaris gerade abtransportiert. Schnell sah er sich auf der verwüsteten Brücke des Schiffes um und wandte sich zu Commander Ferath. „Bericht, Commander. Wo ist Captain Scenaris?“ Der Erste Offizier der ASTARTE beeilte sich zu sagen: „Captain Scenaris wurde schwer verwundet und befindet sich auf dem Weg in die Krankenstation des Schiffes. Ich bitte Sie, dass Kommando über die ASTARTE zu übernehmen, Sir. Das Schiff hat einige schwere Treffer erhalten, und ich warte momentan auf die Schadensmeldung aus dem Maschinenraum und den übrigen neuralgischen Stationen des Schiffes.“ Dheran ließ sich nichts davon anmerken, wie es in ihm aussah. Seine Sorge um Alev musste zur Zeit warten, denn zunächst hatte Priorität, dass die ASTARTE, die OBERON und die PHOEBE von hier entkamen. „Danke, Commander.“, erwiderte der Andorianer beherrscht. Dann hob er seine Stimme etwas an und erklärte mit sachlichem Tonfall: „Ich übernehme das Kommando über die ASTARTE. Alle Dienstfähigen auf ihre Stationen, wir verschwinden aus diesem System. Schiff klar zum Gefecht.“ Tar´Kyren Dheran stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass die Brückencrew seine Anweisungen schnell und genau umsetzte. Langsam nahm er auf der Kante des Kommandositzes Platz. Es war für ihn etwas ungewohnt auf einer solchen Bank zu sitzen, statt in seinem gewohnten Captains-Sessel. Neben Dheran ließ sich der Izarianer nieder und stellte eine Verbindung zum Hauptmaschinenraum her. Ungeduldig erkundigte er sich beim Leitenden Ingenieur: „Wo bleibt Ihr Bericht, Lieutenant-Commander Clancey?“ Eine dröhnende Stimme meldete: „Wir haben noch nicht alle Schäden analysiert, Sir, aber die Steuerbord-Warpgondel hat einiges abbekommen. Ebenso die Primärhülle hinter der Brücke. Wir werden möglicherweise nicht das Tempo der beiden anderen Schiffe mithalten können. Der Warpkern und der Impulsantrieb sind soweit klar. Ansonsten haben wir verschiedene kleinere Hüllenbrüche, aber die Notkraftfelder halten.“ „Danke, Chief. Kümmern Sie sich mit ihren Teams hauptsächlich darum, dass wir mit der Gondel keine ernsthaften Probleme bekommen. Ferath, Ende.“ Der Commander blickte sorgenvoll zu Dheran, der mitgehört hatte. „Wir sollten beten, dass die Schäden an der Warpgondel nicht größer sind, als es uns der Chief einreden will, Captain. Sollte sie ausfallen, dann sehe ich ziemlich schwarz.“ Der Andorianer grinste humorlos und meinte sarkastisch: „Das würde unseren Einsatz zumindest nicht langweiliger gestalten, Commander.“ Auf dem Hauptschirm zeigten die länglichen Sternenstreifen an, dass die drei Föderationsschiffe bereits auf Warpgeschwindigkeit gegangen waren und nun weiter beschleunigten. Die beiden LUNA-Kreuzer flogen ein gutes Stück voraus. Bei Warp-9,6 begann die Schiffszelle unheilvoll zu schwingen und Dheran befahl dem Piloten: „Fliegen Sie nicht schneller, als Warp-9,5.“ Dann wandte er sich zum Offizier an der OPS und verlangte: „Öffnen Sie einen Kanal zur OBERON.“ Gleich darauf erschien Valand Kuehns Gesicht auf dem Hauptschirm der ASTARTE und Tar´Kyren Dheran sagte ohne Umschweife: „Wir können bestenfalls mit Warp-9,5 fliegen, Valand. Eine unserer Warpgondeln wurde beschädigt.“ Der Norweger nickte mit versteinerter Miene und erwiderte: „Verstanden, Tar. Die PHOEBE bleibt bei euch, während ich mit der OBERON voraus fliege, um am Wurmloch alles für unsere Flucht aus diesem Quadranten in die Wege zu leiten.“ „Verstanden, wir sehen uns dann.“ Dheran gab dem Mann an der OPS ein Zeichen die Verbindung zu unterbrechen und meinte dann zu dem izarianischen Commander: „Das hoffe ich zumindest.“   * * *   Gleich nachdem die ASTARTE die Verbindung unterbrochen hatte, gab Tamaril Delor, der Erste Offizier der OBERON, Anweisung, die PHOEBE von der neuen Lage zu unterrichten, während Kuehn den Piloten anwies auf maximale Geschwindigkeit zu beschleunigen. Ein ungutes Gefühl keimte in Valand Kuehn auf, als er den Trill an seiner Seite musterte und meinte: „Hoffentlich wird die ASTARTE nicht noch langsamer, denn wenn wir erst einmal damit begonnen haben, das sterbende Wurmloch, für unsere Flucht zu manipulieren, dann bleibt uns nur Minuten um auch hindurch zu gelangen.“ Der Commander nickte nur, und Kuehn wandte sich an den Offizier der OPS: „Lieutenant, stellen Sie eine permanente Verbindung zum provisorischen Kontrollraum des Wurmlochgenerators her. Ab jetzt möchte ich unsere Spezialisten dort unten jederzeit erreichen können.“ „Aye, Sir.“ Kuehn wandte sich wieder dem Bildschirm zu und grübelte vor sich hin. Sie würden noch eine knappe Stunde brauchen, um die richtige Position zu erreichen. Und danach würden noch einmal mehrere Minuten nötig sein, bis die Stabilisierung des Wurmlochs endgültig erfolgen konnte. Spätestens drei Minuten später mussten die Schiffe passieren, sonst würde das Risiko zu groß werden, dass das sterbende Wurmloch kollabierte, bevor sie es passiert hatten. Nachdenklich wandte er sich an die vulkanische Pilotin des Schiffes und wies sie an: „Berechnen Sie unsere Fahrtstufe so, dass wir fünf Minuten vor den beiden anderen Schiffen unsere Endposition in diesem Quadranten erreichen, Lieutenant T´Farin.“ „Aye, Sir“, bestätigte die Vulkanierin, ohne sich umzudrehen. Sie nahm einige Berechnungen an ihrer Konsole vor und programmierte dann die nötige Fahrtstufe ein. Währenddessen hatte Valand Kuehn wieder in seinem Sessel Platz genommen und zeigte nach Außen eine Gelassenheit, die er tief in sich nicht empfand. Bei einem Blick auf die Zeitanzeige stellte er fest, dass sie etwas hinter dem Zeitplan lagen, den Captain Chakotay mit den Voth abgesprochen hatte. Hoffentlich gehörten die nicht zu den ungeduldigen Typen und warteten eine Weile, auf ihr Erscheinen. Immerhin hatte Chakotay Forra Gegen nur eine gewisse Menge an Informationen, bezüglich dieses Einsatzes, geben dürfen. Der Konteradmiral umfasste die Lehnen seines Sessels etwas fester und ließ seine Gedanken den Dingen vorauseilen. Wenn dieses Unternehmen gelang, dann würde Admiral Sherman es als seinen Erfolg ausbeuten, und damit seinem Ziel, Chiefadmiral zu werden, einen gewaltigen Schritt näher rücken. Kuehn verwünschte die Tatsache, dass er dazu gezwungen war, diesem aufgeblasenen Schnösel dabei auch noch zu helfen. Die Alternative wäre jedoch wesentlich unangenehmer gewesen. So hatte er aus der Not eine Tugend gemacht, indem er Sherman seine Loyalität zur Schau stellte, und für ihn die Kastanien aus dem Feuer holte. Kuehn tröstete sich schnell mit dem Gedanken daran, dass der Chiefadmiral dafür eines, nicht allzu fernen, Tages die Quittung präsentiert bekommen würde. Und zwar von keinem Geringeren, als ihn selbst. Aber noch brauchte er Sherman, und er hatte bereits sehr genaue Vorstellungen davon, wie er ihn zu manipulieren gedachte. So in finstere Gedanken versunken verrann die Zeit, und Valand Kuehn war seinem Ersten Offizier dankbar dafür, dass er ihm die Ruhe dafür ließ. Natürlich hätte er auch seinen Bereitschaftsraum aufsuchen können, doch momentan war er in einer Stimmung, in der ihm das Umfeld auf der Brücke lieber war. Beinahe verwundert blickte Kuehn zur Uhr als die Pilotin endlich bekannt, dass sie noch fünf Minuten vom Zielpunkt ihres Fluges entfernt waren. Fast gleichzeitig gab der Taktische Offizier Alarm, dass die Langstreckenscanner einen anfliegenden Jem´Hadar-Verband aufgefangen hatten. „Wie lange, bis sie uns erreichen, Lieutenant Rollins“, erkundigte sich Kuehn.“ „Etwas mehr, als zwölf Minuten, Sir.“ Valand Kuehn wandte sich zu seinem Ersten Offizier und fragte ihn ironisch: „Warum muss das bei unseren Einsätzen immer so verdammt knapp zugehen, Commander?“ Der Trill erlaubte sich ein Schmunzeln und erwiderte in demselben Tonfall: „Geben Sie zu, dass es Ihnen ohne diesen besonderen Kick gar keinen Spaß machen würde, Sir.“ Kuehn grinste beinahe lausbubenhaft. „Sie kennen mich bereits sehr gut, Mister Delor. Um nicht zu sagen: zu gut.“ Beide Männer durchschauten dieses kleine Geplänkel, bei dem es im Grunde um nichts anderes ging, als die innere Spannung und die Nervosität etwas abzubauen. Dennoch erfüllte es, in Situationen wie dieser, ihren Zweck. Abwartend blickten beide Offiziere wieder auf den Bildschirm, und die Zeit schien sich unnatürlich zu dehnen, bis die vulkanische Pilotin endlich meldete: „Noch dreißig Sekunden bis zum Zielort.“ „Endlich“, meinte Commander Tamaril Delor und sprach damit aus, was jeder Mann und jede Frau auf der Brücke der OBERON dachte. Valand Kuehn nahm über den geöffneten Kanal Verbindung mit dem Provisorischen Kontrollraum des Wurmlochgenerators auf und sagte: „Doktor, Nygren: Wir werden jeden Moment unter Warp gehen. Halten Sie sich bereit.“   * * *   Lieutenant-Commander Miriam Nygren war es gewohnt, dass sie durch ihre äußere Erscheinung Aufmerksamkeit erregte. Hochaufgeschossen, immerhin maß sie knapp 1,90 Meter, mit langen, fast weißblonden Haaren, und strahlend blauen Augen war es für die Männerwelt auch schwer, sie nicht auf eine besondere Weise wahrzunehmen. Zwar hatten sich die meisten Mitglieder der Besatzung mittlerweile an ihre Erscheinung gewöhnt, doch irgendwie war es gelegentlich immer noch ein wenig anders, wenn sie eine Abteilung betrat. Die in Südschweden geborene, athletische Frau hatte sich zum Anfang ihrer Karriere etwas daran gestört, dass sie wegen ihres Aussehens statt ihres Könnens auffiel. Doch mittlerweile lag diese Zeit hinter ihr, denn zumeist erkannten ihre Kollegen sehr schnell, was sie als Wissenschaftsoffizier zu leisteten imstande war. Wie an fast allen anderen Tagen auch, hatte sie ihr langes Haar, mit einer filigran wirkenden, goldenen Spange, im Nacken gebändigt. Seit Valand Kuehn sie vor einigen Sekunden kontaktiert hatte, stand sie an den Hauptkontrollen des Generators, wobei sie von Zeit zu Zeit auf einen Bildschirm blickte, der dasselbe anzeigte, wie der Hauptschirm auf der Brücke des Schiffes. In demselben Moment, als die Sternenstreifen vom Schirm verschwanden nahm Valand Kuehn wieder Kontakt auf und sagte: „Wir haben unsere Position in wenigen Augenblicken erreicht, Miss Nygren. Achtung... Jetzt.“ „Ich starte die Prozedur“, erwiderte die Wissenschaftlerin mit klarer, dunkler Stimme. „Wurmlochposition positiv bestätigt. Die modifizierte Matrix zur Stabilisierung des Wurmloches wird erzeugt... Jetzt, Sir!“ Ohne auf Kuehns Bestätigung zu achten wandte sie sich, über die Schulter hinweg zu ihrem Assistenten und wies ihn an: „Achten Sie auf den Datenfluss, und sagen Sie mir Bescheid, falls es Probleme mit den Datenmengen geben sollte.“ Der Bolianer erwiderte: „Damit sollten wir keine Probleme bekommen. Seit dem ersten Test, von Doktor Lenara Kahn, haben wird permanent daran gearbeitet.“ „Achten Sie trotzdem darauf“, beschied ihm die hochgewachsene Frau ruhig. Eine Mitarbeiterin ihres Teams vor der zweiten Konsole meldete etwas nervös klingend: „Wir haben einen leichten Abfall beim AFR-Quotienten um etwa 3%, Ma´am.“ Miriam Nygren wandte sich der dunkelhäutigen Algerierin zu. „Erhöhen Sie die Energieaufnahme und kompensieren Sie, Ensign Thomis. Behalten Sie dabei den AQF-Sequenzer im Auge.“ Elodie Thomis bestätigte und nahm die entsprechenden Schaltungen vor. Wochenlang war sie, wie der Rest des Wissenschaftlichen Teams um Miriam Nygren, von Lenara Kahn und ihren Mitarbeitern an den Geräten intensiv geschult worden, bis sie die notwendigen Schaltungen beinahe im Schlaf beherrschten. Miriam Nygren nahm selbst die letzten Einstellungen am Projektor vor, bevor sie ihren Stellvertreter anwies: „Fokalphalanx initialisieren, Mister Naromexx.“ „Fokalphalanx wird initialisiert“, bestätigte der Bolianer. Der Projektor erwachte zu maschinellem Leben und gab ein tiefes Summen von sich. Die Schwedin beobachtete scharf die Kontrollanzeigen des klobigen Gerätes und nahm einige geringfügige Veränderungen vor. Nach fast zwei Minuten nickte sie endlich zufrieden und gab dem Bolianer die nächste Anweisung. „Tensormatrix erzeugen.“ Gerade als der Bolianer bestätigte, Warf Elodie Thomis aufgeregt ein: „Lieutenant-Commander, der AQF-Sequenzer arbeitet hart am Grenzbereich!“ „Egal – weitermachen!“, übertönte die Schwedin sie, und für einen Moment blickt die Algerierin überrascht zu ihr hinüber, ob der ruhigen Gelassenheit der Schwedin. „Wir aktivieren und stabilisieren das Wurmloch... Jetzt.“ Das Arbeitsgeräusch des Projektors erhöhte sich um eine halbe Oktave. Von der ersten Konsole meldete der Bolianer: Wurmloch öffnet und stabilisiert sich, Doktor. Es ist vollständig kohärent. Die Subraumfeldspannung fluktuiert etwas, liegt aber noch innerhalb normaler Parameter. Ich versuche auszugleichen.“ Miriam Nygren wandte sich lächelnd um und wollte aufatmen, als Ensign Thomis erregt ausrief: „Der AQF-Sequenzer wird überbelastet, Ma´am! Die Neutrinowerte steigen mit abnormaler Geschwindigkeit!“ Mit einigen langen Schritten war die Schwedin bei ihr und blickte auf die Kontrollen. Im nächsten Moment fluchte sie unterdrückt und nahm Kontakt zu Valand Kuehn auf. Kaum dass er sich gemeldet hatte, erklärte die Frau düster: „Sir, wir haben ein Problem!“   * * *   Auf der ASTARTE bekam Tar´Kyren Dheran ein ungutes Gefühl, als Valand Kuehn ihn ernst vom Hauptschirm ansah. Er erkannte im Blick des Freundes, dass irgendetwas nicht so glatt lief, wie es sollte. Valand Kuehns Worte bestätigten die finsteren Ahnungen des Andorianers. „Ich fürchte, ihr müsst eine Schippe drauflegen, Tar´Kyren. Wir haben das Wurmloch geöffnet und stabilisiert, aber die Zerfallsrate liegt höher, als wir es in unseren pessimistischsten Berechnungen angenommen hatten. Mit dem jetzigen Tempo werdet ihr etwa eine halbe Minute zu spät bei uns sein.“ Die Antennen des Andorianers bogen sich nach Innen und mit beschwörendem Tonfall erklärte er dem Freund: „Wenn wir die momentane Fahrtstufe erhöhen, dann kannst du uns mit einem Besen aufkehren, wenn wir bei dir ankommen. Bereits jetzt haben wir Probleme damit die Warpblase stabil zu halten, und durch die Fluktuationen, beim Plasmadurchfluss in der Steuerbordgondel, kann uns auch die PHOEBE nicht helfen.“ Der Andorianer überlegte fieberhaft und fragte dann: „Können die OBERON und die PHOEBE unser Schiff mit sich durch das Wurmloch ziehen?“ Valand Kuehn nickte. „Das würde gehen, mein Freund. Warum fragst du?“ Der Andorianer grinste schief: „Wir werden etwas mehr aus dem Schiff herausholen, aber die PHOEBE soll auf Abstand gehen und vorausfliegen. Und macht euch auf darauf gefasst, das euch ein paar Schiffsteile um die Ohren fliegen werden, wenn wir ankommen. Dheran, Ende.“ Gleich nachdem die Verbindung zur OBERON unterbrochen worden war, wandte sich Tar´Kyren Dheran zu Tarien Ferath: „Commander, lassen Sie alle Bereiche der Primärhülle, rund um den Auflagebereich der Steuerbordgondel evakuieren und dann alle Notschotts schließen. Aktivieren Sie zusätzlich die Notkraftfelder, wo es geht.“ Der Izarianer widerstand dem Verlangen nach dem Grund zu fragen, als er in die Augen des Andorianers sah. Schnell gab er seine Anweisungen, während Dheran den Maschinenraum informierte und dann den Piloten anwies, langsam auf Warp-9,75 zu beschleunigen. Auf dem Hauptschirm erkannte Dheran, wie die PHOEBE davonzog. Sich geschmeidig von der Kommandobank erhebend schritt er ein Stück nach Vorne und blieb dann hinter dem Piloten stehen. Unter den Sohlen seiner Schuhe glaubte der Andorianer zu spüren, wie sich das angeschlagene Raumschiff dagegen wehrte noch weiter belastet zu werden. Einen Moment später sagte ihm ein stärker werdendes Vibrieren, dass er sich dies nicht nur eingebildet hatte. „Wie lange noch, Lieutenant?“ Der Pilot wusste, dass Dheran ihn meinte und sagte tonlos: „Noch etwa fünfzig Sekunden.“ Gleichzeitig durchzog ein unheilvolles Knacken und Krachen überbeanspruchter Verbindungen das gesamte Raumschiff. Die zittrige Stimme des OPS-Offiziers hinter ihm meldete: „Die Rumpfintegrität der Primärhülle liegt bei nur noch 42% Sir. Die Hülle beginnt sich zu verformen und wir haben bereits Teile der Plattierung verloren.“ Der Pilot wandte sich mit fragender Miene dem Andorianer zu. „Einfach weiter!“, sagte Dheran rau und wies mit der Hand nach Vorne Der izarianische Commander trat an den Andorianer heran und meldete: „Ihre Befehle wurden ausgeführt, Sir.“ Etwas leiser, so dass nur Dheran ihn verstehen konnte sagte er: „Wenn das gutgeht, dann werde ich einen Lobgesang auf die Ingenieure dieses Raumschiffes anstimmen.“ „Ich hoffe, Sie sind gut bei Stimme“, erwiderte der Andorianer ironisch. Heiser erkundigte er sich bei dem Piloten: „Wie lange noch?“ „Zehn Sekunden, Sir!“ Im nächsten Moment begann der Boden unter den Männern und Frauen zu schwanken und sowohl Dheran, als auch Ferath wurden unsanft zu Boden gerissen. Das Schiff bockte. Mehrere Konsolen gaben Funkensprühend den Geist auf, und Qualm wallte durch den Kommandoraum. „Multiple Hüllenbrüche!“, übertönte der OPS-Offizier das Chaos. „Keine Verluste!“ „Abgesehen von meinen Nerven, und meinem Steißbein“, schimpfte Commander Ferath gereizt. Während Dheran den Izarianer mit sich auf die Kommandobank zog, fiel das Raumschiff endlich unter Warp. Im nächsten Moment durchlief das Schiff ein fürchterlicher Schlag, und die beiden Offiziere wurden wie Puppen durch die Luft gewirbelt. Die Welt begann sich um Dheran zu drehen. Instinktiv zog er die Beine an und legte die Arme schützend über seinen Kopf. Dann krachte er heftig gegen etwas Hartes, und die Luft wurde ihm aus den Lungen getrieben. Blaue Nebel wallten vor seinen Augen und wie durch Watte hörte er die Stimme seines Freundes Valand Kuehn, der eine Verbindung zur ASTARTE hergestellt hatte. Dheran versuchte, sich aufzurappeln, doch als er aufstehen wollte, knickte in den Knien ein. Etwas Warmes lief über seine Stirn und nur unterbewusst registrierte der Andorianer, dass es Blut sein musste. Mit letzter Kraft wandte er sich an Commander Ferath, der offensichtlich glimpflicher davongekommen war, als er. „Commander, übernehmen Sie“, rang er sich ab und sank bewusstlos zu Boden.   * * *   Zuerst war Valand Kuehn erleichtert, als die ASTARTE endlich bei ihnen ankam und unter Warp fiel. Doch bereits im nächsten Moment erschrak er, und eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen, als eine heftige Explosion die Steuerbordgondel der ASTARTE förmlich zerriss und ihre Trümmerteile davon wirbelten. Kuehn erkannte, dass die Primärhülle arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, und er hoffte inständig, dass es nicht zu Verlusten unter den an Bord befindlichen Lebewesen gekommen war. Bevor das Schiff ins Trudeln kommen konnte, hatte der Traktorstrahl der PHOEBE bereits zugepackt und stabilisierte es. Valand Kuehn gab Befehl: „Wir unterstützen die PHOEBE mit unserem Traktorstrahl. Steuermann: Sobald wir die ASTARTE im Schlepp haben dringen wir in das Wurmloch ein, so schnell es das beschädigte Schiff zulässt. Wir müssen nun endlich da durch, ob wir wollen oder nicht.“ Wie zur Bestätigung seiner Worte meldete sich Lieutenant-Commander Nygren bei ihm und erklärte ihm, dass das Wurmloch nur noch für eine Minute kohärent und stabil genug bleiben würde, um heil hindurch zu gelangen. Kuehn bestätigte grimmig: „Wir sind schon auf dem Weg, Doktor.“ Von außerhalb der OBERON hätte sich dem Norweger ein beeindruckendes Bild geboten. Zusammen mit der PHOEBE und der ASTARTE bildete sein Raumschiff ein beinahe gleichseitiges Dreieck, bei dem die Spitze, die durch die ASTARTE gebildet wurde, vom Wurmloch weg zeigte, das sich glühend orange vor den Schiffen geöffnet hatte. Gemeinsam bewegten sich die drei Schiffe nun auf den grellgelben Lichtschein im Zentrum der Wurmlochöffnung zu, wobei sie konstant beschleunigten. Nach wenigen Sekunden hatten sie endlich den Erfassungsbereich des Wurmloches erreicht und sie wurden nun vom natürlichen Sog des Wurmloches mitgerissen und förmlich verschlungen. Auf dem Bildschirm der OBERON bildeten sich die abstrakten Muster des übergeordneten Hyperraums ab. Ob diese Muster tatsächlich so existierten, oder ob sie nur von den Sinnesorganen humanoider Spezies so wahrgenommen wurden, das wusste bis heute kein Wissenschaftler mit Sicherheit zu sagen. Für einen Moment glaubte Valand Kuehn ein unstetes Flackern auf dem Bildschirm zu erkennen, doch dann wurde eine sternenübersähte, schwarze Scheibe erkennbar. Der Wurmlochausgang öffnete sich. Bereits im nächsten Moment hatten sie ihn passiert, aber anders, als bei Wurmlöchern, die sich auf natürlichem Wege öffneten, schloss es sich nicht wieder, nachdem sie es verlassen hatten. „Blick achtern und weiter Kurs halten“, befahl Kuehn. Einen Herzschlag später wurde der Höllenschlund des Wurmloches erkennbar, und der Norweger wusste, dass in diesem Moment Doktor Nygren und ihr Team unzählige Messungen anstellten, von denen sie sich neue, wissenschaftliche Erkenntnisse erhofften. Die Stimme von Lieutenant Gene Rollins riss ihn unsanft aus seinen Betrachtungen. „Sir, ich messe eine Reihe von gravimetrischen Verzerrungen, aus dem Innern des Wurmlochs an. Da kommen jede Menge weitere Schiffe hindurch.“ „Können Sie sagen, ob die Voth bereits in unserer Nähe sind?“ „Negativ, Sir.“ Der Norweger ballte seine Fäuste. Sie konnten nicht vor ihren Verfolgern fliehen, ohne die halbwracke ASTARTE ihrem Schicksal zu überlasten, und sie konnten es auch nicht mit einer ganzen Flotte des Dominion aufnehmen. Ein Flackern des Wurmloches ließ ihn aufmerksam werden. Er vermutete bereits, dass die Feindschiffe, die sie offensichtlich verfolgten nun erschienen, doch etwas vollkommen anderes geschah. Zuerst nur langsam, dann immer schneller begann der Wurmlochausgang zu flackern, wie ein defekter Leuchtkörper. Dann, ohne Warnung blitzte der Ausgang grellweiß auf und fiel in sich zusammen, wobei für eine halbe Sekunde, ein sanft schlängelnder, grellroter Lichtschlauch sichtbar wurde, der sich in der Unendlichkeit verlor. Im nächsten Moment löste er sich scheinbar in einzelne Teilstücke auf und verschwand beinahe vom Bildschirm. Gerade so, als würde sich das sterbende Wurmloch in einer Art Todeskampf befinden, leuchteten diese Teilstücke noch einmal grellrot auf und waren sofort darauf endgültig verschwunden. Langsam wandte sich Kuehn an seinen Taktischen Offizier und fragte unnatürlich ruhig: „Ist das Wurmloch nun endgültig kollabiert, Lieutenant?“ Gene Rollins gelöstes Lächeln sprach Bände. „Aye, Sir. Und es ist kein Raumschiff nach uns hindurch gelangt.“ „Gibt einen Hinweis auf die Voth?“ „Nein, Sir, die scheinen sich zu... Moment, ich habe plötzlich, in einer Entfernung von einem Lichttag ein gewaltiges Raumschiff auf dem Scanner. Es strahlt eine Transwarpsignatur aus. Keine Borg, Sir.“ Allgemeine Erleichterung machte sich auf der Brücke breit. Die Voth hatten offensichtlich, aus der Phase geschoben, auf ihre Ankunft gewartet. Erleichtert blickte Valand Kuehn zu seinem Ersten Offizier und sagte: „Erkundigen Sie sich nach den Schäden und Verlusten auf der ASTARTE. Ich erwarte später einen ausführlichen Bericht, sobald wir von den Voth an Bord ihres Stadtschiffes genommen wurden, Commander.“ Kuehn dachte erleichtert daran, dass der schlimmste Teil des Unternehmens nun hinter ihnen lag. Sie hatten es wirklich geschafft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)