Smallville-Expanded - 01 von ulimann644 (Black and White) ================================================================================ Kapitel 5: Tatsachen und Wahrheiten ----------------------------------- Als Clark Kent am Morgen aufwachte hatte er ein ungutes Gefühl im Magen. Die Worte von Sheriff Adams hatten ihn am vergangenen Abend bis in den Schlaf verfolgt. Nachdem er die morgendlichen Arbeiten auf der Farm in Supergeschwindigkeit erledigt hatte, betrat er spürbar bedrückt die Küche, in der seine Mutter gerade das Frühstück zubereitete. Sie blickte ihren Sohn an und fragte neugierig: „Clark, was hast du?“ Manchmal verwünschte Clark, dass seine Mom ihm stets an der Nasenspitze ansehen konnte, wenn ihn etwas bedrückte. So wie in diesem Moment. Langsam ließ er sich am Küchentisch nieder und suchte nach den richtigen Worten. Dann erklärte er: „Ich habe dir und Dad doch gestern von Alicia Sterling erzählt, und dass sie überfallen wurde.“ Martha Kent nickte und kam näher zum Tisch. „Na ja, die drei Kerle, die Alicia überfielen wollten sie vergewaltigen, aber sie bat mich das dem Sheriff nicht zu sagen.“ „Clark...!“ „Ich weiß, Mom. Diese Kerle müssen dafür bestraft werden. Aber es war Alicia sehr wichtig. Ich werde nachher zu Sheriff Adams gehen, aber zuerst möchte ich vorher nochmal mit Alicia Sterling darüber reden.“ Jonathan Kent, der unbemerkt dazu gekommen war, hatte den letzten Teil der Unterhaltung mitbekommen. Nachdem ihm Martha in schnellen Worten die Zusammenhänge erklärt hatte, meinte er: „Clark, es gibt Versprechen, die man anderen Menschen nicht geben, oder sie von anderen Menschen verlangen darf. Du weißt, was du zu tun hast, also handele bitte danach. Egal was dir Alicia in dem Gespräch mit ihr sagen wird.“ Clark nickte. „Das werde ich, Dad.“ Während Martha Kent zufrieden lächelte, legte Jonathan Kent seine Hand auf Clarks Schulter und nickte ihm zu. „Ich verlasse mich darauf, Junge.“ Clark lächelte erleichtert und machte sich daran zu frühstücken. Danach zog er seine Jacke über, nahm er seine Schulsachen und machte sich, wie immer reichlich spät, auf den Weg zur Schule. Er fuhr mit dem Pickup, den ihm seine Eltern zum Geburtstag geschenkt hatten, um nicht aufzufallen. Er hätte wesentlich schneller hin laufen können, doch die Gefahr dabei beobachtet zu werden schien ihm, im Vergleich zu Früher, mittlerweile zu groß. Als Clark seinen Wagen gegenüber des Haupteingangs der Schule parkte, fiel ihm auf, dass zwei Parkboxen weiter gerade Chris Falken von seiner Maschine stieg. Schnell stieg er aus und schritt zu dem Deutschen, der gerade seinen Helm abnahm. „Hi, Chris. Gestern haben wir uns nur flüchtig gesehen.“ Er blickte sich schnell nach eventuellen Zuhörern um, bevor er sagte: „Vorgestern Abend hast du mir gesagt, du würdest mir erklären, wieso du weg wolltest, bevor die Polizei auftauchen konnte.“ Christian blickte Clark eingehend an und seufzte dann: „Na schön, ich denke, ich kann dir vertrauen.“ Immer darauf achtend, dass sich ihnen niemand unbemerkt näherte, erklärte er Clark das, was er auch schon Lex Luthor berichtet hatte. Am Ende bat er den Schwarzhaarigen eindringlich: „Behalte das bitte für dich, Clark. Ich lege keinerlei gesteigerten Wert darauf, bei meiner Tante Annette in Metropolis von Privatlehrern unterrichtet zu werden. Ich habe mich noch nie so ungebunden und so frei gefühlt, wie hier in Smallville. Das möchte ich nicht schon wieder aufgeben.“ „Mach dir keine Gedanken, ich verrate nichts.“ Christian atmete erleichtert auf. „Aber jetzt habe ich eine Frage, Clark. Ich frage mich seit vorgestern Abend, woher du wusstest, dass es drei Typen waren. Und komm mir nicht damit, du hättest sie an den Stimmen erkannt. Ich habe gute Ohren und da war außer den beiden Schreien des Mädchens nichts zu hören.“ Der Schwarzhaarige schwieg und blickte nur in Christians Augen, so als wolle er ihn hypnotisieren. Endlich lächelte der Deutsche und meinte entsagungsvoll: „Wenn du mein Geheimnis genauso eisern bewahrst, wie dein Geheimnis, dann will ich es gar nicht wissen.“ Ein wenig verwundert über diese Aussage folgte er Christian in Richtung des Schuleingangs. Schließlich bog Christian zum Klassenzimmer für den Mathematikkurs ab und Clark bekam noch mit, wie er einige Schüler begrüßte, bevor er schnell Marina und Conchita folgte und ihnen nachrief: „Qué pasa Amigas! Comó estáis?“ Clark, der in diesem Moment Chloe neben sich auftauchen sah, die dem Deutschen ebenfalls hinterher blickte, meinte kopfschüttelnd: „Geben wir ihm noch drei Wochen, dann hat er den Laden fest im Griff.“ Zu seinem gelinden Erstaunen ging Chloe nicht weiter auf das Thema Chris ein, sondern zog ihn mit sich zum Büro der TORCH, wobei sie geheimnisvoll andeutete: „Ich habe gestern Abend etwas über Chris entdeckt, das zieht selbst dir die Schuhe aus, Clark.“ Dabei beließ sie es, bis sie im Büro waren und sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Dann deutete sie auf den Stuhl neben ihrem eigenen und meinte: „Setz´ dich, Clark, ich will dir etwas zeigen. Übrigens heißt Chris in Wirklichkeit Christian.“ Clark wollte Chloe einbremsen, doch das Mädchen war nun ganz in seinem Element. Sie öffnete die Dateien, die sie am Vorabend gespeichert hatte und dazu ein Artikellayout der nächsten Ausgabe der TORCH, die nach dem Wochenende am Montag erscheinen würde. Der Schwarzhaarige überflog in Windeseile die Artikel und warf dann einen Blick auf das TORCH-Layout. Schließlich blickte er das begeisterte Mädchen mit finsterer Miene an und fragte unwillig: „Chloe, was hat der Urgroßvater mit dem Tun von Christian zu schaffen. Er war damals noch nicht geboren. Und schließlich war sein Urahn ganz normaler Oberst der Wehrmacht, wie da steht - nicht bei der SS oder so etwas.“ Verblüfft über Clarks Reaktion begehrte sie auf: „Aber was ist damit, dass er hier einen anderen Namen angenommen hat? Was soll das?“ „Er hat sicherlich seine Gründe, Chloe. Jeder von uns hat seine kleinen Geheimnisse, auch du, und niemand hat das Recht, sie in die Öffentlichkeit zu zerren, ohne die Hintergründe dafür zu kennen.“ „Ja, aber...“ Clark sprang auf und hielt Chloe fest an den Oberarmen. Sein Gesicht war ihrem ganz dicht, als er scharf sagte: „Hast du bereits vergessen, was du mit deinem letzten Sensationsartikel angerichtet hast? Zu deiner Erinnerung: Eine Lehrerin kam ins Gefängnis, ihr Sohn in die Psychiatrie, weil er dich umbringen wollte, und ich musste dir eine Spritze ins Herz jagen, die selbst einem mittleren Elefanten einen Schrecken eingejagt hätte. Chloe funkelte Clark an. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Nur einmal in Metropolis, aber da war er irgendwie nicht er selbst gewesen. „Das ist nicht fair, Clark.“ Clark wollte etwas darauf erwidern, als jemand hinter ihm das Büro betrat. Als er sich umwandte, erkannte er Alicia Sterling, die auf ihn zu kam und scheu lächelnd meinte: „Ich habe dich gesucht, Clark. Ich bin gekommen um dir zu danken, dass du bei dem Überfall auf mich so mutig warst und eingegriffen hast.“ Sie reichte ihm die Hand und sah dabei unwillkürlich auf den Bildschirm mit Chloes Artikelentwurf. Mit immer größer werdenden Augen starrte sie auf die Überschrift und überflog die Unterschrift des Bildes mit Christian und seinem Vater. In ihre Augen trat ein seltsames Funkeln bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und fast fluchtartig das Büro verließ.“ Verwirrt blickte Chloe zu Clark. „Was war denn das?“ „Das war die Wirkung deines Artikels auf sie“, fuhr der Junge sie an. Dann deutete er beinahe anklagend auf das Layout und verlangte: „Du wirst das von deiner Festplatte löschen, Chloe. Auch das, was du über Chris und seine Familie zusammengetragen hast. Und du wirst es gleichfalls aus deinem Gedächtnis löschen.“ „Was hast du denn, Clark?“ Etwas ruhiger als zuvor erwiderte der Schwarzhaarige: „Erst letzte Woche, als du in unsere Scheune kamst habe ich dir gesagt, dass der Tag, an dem es keine Entschuldigungen deinerseits mehr geben kann noch nicht gekommen ist. Jetzt sage ich dir, dass du dicht davor stehst, Chloe. Vertraue mir, wenn ich dir sage, dass Chris gute Gründe für sein Handeln hat, und dass du mit diesem Skandalreport Ereignisse auslöst, mit denen du anderen Menschen sehr schaden würdest.“ Unter dem Blick des Freundes gab das Mädchen schließlich nach und entgegnete mürrisch: „Ich werde es gleich nach dem Unterricht löschen.“ „Nein Chloe, du wirst es jetzt sofort löschen.“ „Hey, machst du jetzt auf Macho?“, konterte Chloe gereizt. Dann kam sie Clarks Aufforderung zögerlich nach und entfernte alle Daten und das Layout der TORCH unter seinen prüfenden Blicken. Danach blickte sie mit funkelnden Augen zu ihm auf. „Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden.“ Clark nickte. „Sehr zufrieden. Und du versicherst mir, dass du nicht zufällig irgendein klitzekleines Backup übersehen...“ „Raus hier, Clark!“, schnappte das Mädchen beleidigt. Mit nachdenklichem Blick trottete Clark zur Tür. Bevor er sie erreicht hatte, wandte er sich nochmal zu Chloe um, die ihn fragend ansah. „Weißt du, Chloe: Das Wissen um die volle Wahrheit führt nicht immer zur Erkenntnis – manchmal führt es in den Wahnsinn. Darüber solltest du einmal gut nachdenken.“ Damit ging er und ließ eine sehr verwirrte und nachdenkliche Freundin zurück.   * * *   Als Christian nach der letzten Stunde an diesem Freitag durch den Ausgang der Schule schritt war er bester Laune. Er hatte dem Coach zwischendurch seine Spielerlaubnis ins Büro gebracht, und dieser hatte ihm versprochen, dass er ab der nächsten Woche bereits mittrainieren durfte und während des anschließenden Spiels zumindest schon einmal auf der Bank sitzen würde. Zwar bestand wohl wenig Aussicht auf einen richtigen Spieleinsatz bereits am nächsten Wochenende, aber es gab immer unerwartete Chancen, wie sein Vater oft zu sagen pflegte. Außerdem musste ohnehin seine Wunde noch verheilen. Conchita Morales, die sich an seine linke Seite drängte, fragte ihn: „Hey Chris, kommst du heute Abend zu Katies Party? Sie meinte, ich solle dich fragen.“ „Das wird bestimmt toll!“, erklärte Marina Espada, die an seiner anderen Seite auftauchte und ihn keck ansah. „Ich habe gehört, dass ein paar Leute sogar live Musik dort machen werden. Außerdem besitzen ihre Eltern einen Whirlpool.“ Christian erwiderte das Lächeln der beiden Latinas. Seit er ihnen im Biologie-Unterricht gesagt hatte, dass er sehr gut verstehen würde, was sie auf Spanisch über ihn tuschelten, machten sie sich einen Spaß daraus übertrieben mit ihm zu flirten. Und Christian, der die beiden mittlerweile ganz gut leiden konnte, spielte ihr kleines Spielchen mit. Nachdenklich meinte er: „Ich weiß noch nicht, ob ich heute Abend Zeit haben werde.“ Dabei fiel sein Blick auf ein schwarzes, hübsches Mädchen, dass mit einer Freundin auf der kleinen Mauer, vor dem Schuleingang saß. Das musste Alicia Sterling sein. Die beiden Mädchen an seiner Seite schmollten übertrieben und Conchita hauchte ihm ins Ohr: „Das wäre wirklich sehr schade, Chris. Ich hatte gehofft dich dort etwas näher kennenzulernen.“ Sie zwinkerte ihm verführerisch zu, was ihre Freundin Marina zu der spitzen Bemerkung veranlasste: „Benimm dich gefälligst, du loses Weib.“ Aus den Augenwinkeln beobachtete Christian, dass Alicias Freundin von ihr verabschiedete, und bedauernd meinte er zu seinen beiden Begleiterinnen: „Ihr entschuldigt mich bitte, Mädels.“ Er zwinkerte ihnen amüsiert zu und hopste die Stufen der Treppe hinunter, um Alicia anzusteuern. „Weißt du, was er mit Mädels gemeint hat?“, fragte Conchita ihre Freundin irritiert. „Keine Ahnung, aber wenn das etwas Unanständiges war, dann reiße ich ihm den Kopf ab, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.“ Conchita nickte. „Und ich halte ihn fest dabei.“ Sie lachten und begaben sich auf den Heimweg, jedoch nicht, ohne sich nochmal beide zu ihm umzuschauen. Derweilen hatte Chris das dunkelhäutige Mädchen erreicht und sagte freundlich: „Hallo, bist du Alicia? Ich würde gerne mit dir reden.“ Alicia, die etwas gedankenverloren auf ihren Vater wartete, blickte zuerst überrascht, dann finster zu ihm auf. Langsam erhob sie sich und fragte abweisend: „Willst du mir sagen, dass ich keine Arierin bin, und somit in deinen Augen ein Mensch zweiter Klasse? Oder willst du zusammen mit Conchita, Marina und mir einen Harem eröffnen?“ Verdutzt blickte Christian das Mädchen an. Es dauerte einen Moment, bis er sich gefangen hatte und erwidern konnte: „Habe ich dir irgendetwas getan? Ich wollte doch nur...“ „Das interessiert mich nicht!“, fauchte das Mädchen und ließ ihn stehen. Wie vom Donner gerührt blickte Christian Alicia nach, als sie sich entfernte. Schnell folgte er ihr und stellte sich ihr in den Weg. Bevor sie etwas sagen konnte, zog er eine silberne Kette aus seiner Jackentasche und hielt sie ihr entgegen. Mit funkelnden Augen erklärte er dabei: „Ich wollte dich nur fragen, ob das deine Kette ist, und sie dir wiedergeben.“ „Es ist meine Kette“, erklärte Alicia mit eisiger Stimme und riss Chris die Kette aus der Hand. „Woher hast du sie?“ Langsam wütend werdend antwortete Christian: „Warum behandelst du mich, als wäre ich Dreck? Du kennst mich doch gar nicht, Alicia. Ist es weil du etwas gegen Deutsche hast? Bist du so etwas wie eine Rassistin?“ Damit machte er kehrt und schritt zu seinem Motorrad. Mit jeder Bewegung Zorn ausdrückend setzte er seinen Helm auf, stieg auf seine Maschine und fuhr in Richtung der Saunders-Schlucht davon. Im nächsten Moment hupte jemand, und Alicia stellte fest, dass ihr Vater mit dem Wagen vorfuhr. Sie schüttelte den Gedanken an den neuen Mitschüler ab und stieg ein. Nachdem Alicias Vater sie in die Arme genommen hatte, blickte er seine Tochter fragend an. „Der junge Mann, der eben mit dir gesprochen hat, sah ziemlich verärgert aus, als er ging. Hattet ihr Streit mit einander?“ Damit beschleunigte er den hellbeigen Pickup in die Richtung, in die auch Christian davon gerauscht war. Alicia Sterling blickte ihren Vater unsicher an, sagte jedoch nichts, was ihn zu einem fragenden Stirnrunzeln veranlasste. Seine Tochter hatte bisher noch nie Geheimnisse vor ihm gehabt. Als sie auch nach einigen weiteren Augenblicken nichts sagte, lenkte er den Wagen auf den Seitenstreifen, stoppte und stellte den Motor aus. Dann legte er seine Arme gekreuzt auf das Lenkrad und fragte: „Also schön, Alicia. Was war eben los? Hat er dich belästigt?“ „Nein, Dad.“ „Hast du ihn belästigt?“ „Dad...!“ Jerome Sterling grinste ironisch. „Ich wollte nur sicher gehen.“ Dann hakte er nach: „Also, wer war dieser junge Mann und warum war er so aufgebracht. Die Wutwolke über seinem Kopf war auf jeden Fall deutlich zu sehen. Was hast du ihm gesagt?“ Alicia seufzte und begann ihrem Vater zu berichten, was sich vor der Schule ereignet hatte, wobei sie die Angelegenheit jedoch recht vage darstellte und den Artikel von Chloe und den richtigen Namen des Jungen unerwähnt ließ. Und sie unterschlug, dass Chris sie gefragt hatte, ob sie Rassistin sei. Als sie geendet hatte, hob ihr Vater seine Augenbrauen und meinte: „Nur damit ich das richtig verstehe: Da hat ein Junge, nennen wir ihn der Einfachheit halber Chris Falken, deine Kette gefunden und er will sie dir zurückgeben. Und nachdem du garstig zu ihm warst hat er die Kette nicht in das nächste Maisfeld gefeuert, so wie ich es wohl getan hätte, sondern ist dir gefolgt, nachdem du ihn stehen gelassen hattest, um sie dir dennoch zu geben. Und du hast sie ihm aus der Hand gerissen, einige unfreundliche Worte dazu gesagt, statt dich bei ihm zu bedanken, und bist weg. Und nun wunderst du dich vermutlich obendrein, dass dieser Junge stinksauer ist, stimmt´s?“ Alicia blickte beschämt zu ihrem Vater. „Nein, Dad.“ Jerome Sterlings Blick wurde unwillig. „Haben ich und deine Mom dich zu einem so unhöflichen Menschen erzogen, Alicia? Wenn ja, dann haben wir mächtig versagt.“ Leiser als zuvor sagte das Mädchen beschämt: „Nein, Dad.“ Mit einer Miene, die dazu angetan war, jeglichen Widerspruch im Keim zu erstickten, erklärte Jerome Sterling: „Okay, dann sind wir uns wohl darin einig, dass du dich heute Nachmittag zu den Falkens begibst und dich bei ihrem Neffen entschuldigst. Die Falkens sind anständige Leute und obendrein unsere Nachbarn, und ich möchte nicht, dass sie schlecht von uns denken, mein Kind.“ Betreten nickte Alicia und spürte dabei ihr Herz bis zum Hals schlagen. Auch das noch, nachdem sie Chris so heruntergemacht hatte. Vermutlich würde er sie nicht einmal anhören, nach dem, was sie sich geleistet hatte. In trübe Gedanken versunken saß sie während der Rückfahrt neben ihrem Vater, und im Gegensatz zu sonst, wechselten sie nur sporadisch einige Bemerkungen. Auch das Mittagessen, nachdem sie Zuhause waren, verlief beinahe schweigend. Nachdem Jerome Sterling seiner Frau einen schnellen Kuss auf die Wange gegeben hatte, machte er sich auf den Weg, um ein Stück des Viehgatters auszubessern. Schon seit beide wieder daheim waren hatte Cassidy Sterling die ungewohnte Schweigsamkeit von ihrem Mann und ihrer Stieftochter bemerkt. Sie beschloss etwas nachzuforschen, als ihr Blick auf die Kette um Alicias Hals fiel. „Hey, hattest du mir vorgestern Abend nicht gesagt, die Kette wäre dir bei dem Überfall abgerissen worden? Woher hast du sie auf einmal?“ „Chris Falken hat sie gefunden und sie mir vorhin wiedergegeben.“ Schnell erhob sie sich. „Entschuldige, Mom, ich habe noch Schularbeiten zu erledigen.“ Damit nahm sie ihre Schultasche auf und verschwand schnell die enge Treppe hinauf zu ihrem Zimmer.   * * *   Gedankenverloren stand Christian auf der achteckigen Aussichtsplattform und blickte hinunter ins Tal, auf den Saunders-Fluss, der sich etwa fünfzig Meter unter ihm durch den engen Landschaftseinschnitt schlängelte. Hier oben war es ruhig, und die Landschaft um ihn herum erinnerte Christian ein wenig an Zuhause. Gegen das rustikale Holzgeländer gelehnt, die Unterarme auf dem Handlauf des Geländers, fragte er sich grüblerisch, was mit Alicia los gewesen sein mochte. Sicher, sie hatte ein sehr traumatisches Erlebnis gehabt, aber das erklärte, bei allem Verständnis, nicht ihre Reaktion von Vorhin. Ihr Blick hatte beinahe feindselig gewirkt, als sie ihn angesehen hatte. Und ausgerechnet eine solche Furie hatte er gerettet. Ob sie vielleicht wirklich eine Rassistin war? Der Gedanke erschien Christian zunächst unsinnig, weil ihm sein Instinkt etwas anderes sagte, aber ihre Reaktion auf ihn war nun einmal nicht von der Hand zu weisen. Eine Verwünschung ausstoßend, hieb Christian mit der linken Faust auf das Geländer. „Hi, Chris. Kann ich mit dir reden, oder willst du lieber allein sein?“ Christian fuhr herum. Er hatte nicht mitbekommen, dass sich ihm jemand genähert hatte. Er erkannte, dass es Clark Kent war, der nun langsam die fünf Holzstufen der Plattform hinaufschritt und mit fragendem Gesicht langsam näher kam. „Wir können reden“, antwortete Christian. „Ich hatte mir nur die Gegend angesehen und etwas über die vergangenen Tage nachgedacht. Was machst du hier oben?“ Clark druckste etwas herum, bevor er zugab: „Ich bin dir nachgefahren, weil ich zufällig deinen Streit mit Alicia mitbekommen habe.“ Dass er das nur durch sein Supergehör mitbekommen hatte verschwieg der Schwarzhaarige dabei wohlweislich. „Ich dachte mir, ich könnte vielleicht zwischen euch beiden vermitteln.“ Christian lehnte sich wieder an das Geländer. „Nun, ich habe Alicia ihre Kette zurückgegeben und als Dank hat sie eine volle Breitseite auf mich abgefeuert. Was sollte es da schon groß zu vermitteln geben?“ Clark gesellte sich neben Christian an das Geländer, und blickte, so wie dieser hinunter zum Fluss, bevor er vermittelnd meinte: „Vielleicht solltest du wissen, dass Alicia heute Morgen im Büro der TORCH war, wo Chloe einen Bericht über deinen Urgroßvater schreiben wollte. Sie hat auch herausgefunden, wie du wirklich heißt.“ Er erkannte den erschrockenen Blick des Blonden und fügte schnell hinzu: „Keine Panik, ich habe Chloe dazu gebracht alle Daten über dich wieder zu löschen und den Mund zu halten. Doch dummerweise hat Alicia vorher den Artikel gesehen.“ „Was ein Mädchen weiß, das weiß bald die gesamte Stadt, und was zwei Mädchen wissen, bald das gesamte Land“, orakelte Christian düster. „Chloe wird dichthalten“, versprach Clark ernsthaft. „Und was Alicia betrifft, mit der könnte ich ja mal reden, und ihr erklären, warum sie die Sache für sich behalten soll.“ Christian blickte Clark zweifelnd an. „Glaubst du wirklich, dass sie auf dich hören wird, Clark?“ Clark Kent sah Christian überzeugend an, als er erwiderte: „Ein Freund hat mir einmal gesagt, dass ein Mensch nicht der ist, der er bei seinem letzten Gespräch mit dir war, sondern der, der er schon immer gewesen ist, seit du ihn kennengelernt hast. Ich kenne Alicia von der Grundschule an, und kann dir versichern, dass sie ein guter und sehr hilfsbereiter Mensch ist. Ich glaube, was sie verärgert und gegen dich aufgebracht hat, liegt darin begründet, dass ihr Urgroßvater 1944 während der Landung in der Normandie gefallen ist.“ „Verdammt, Clark, das ist sechzig Jahre her“, brach es aus Christian hervor. „Ich war damals noch nicht einmal geboren.“ Clark lächelte nachsichtig. „Das weiß ich, Chris. Und ich weiß, dass du dein Leben riskiert hast, um Alicia zu retten. Deshalb möchte ich dir gerne helfen, und mit Alicia reden.“ Christian nickte dankbar. Dann wechselte er das Thema und sagte: „Ich weiß, das du ein Geheimnis mit dir herumträgst, Clark. Aber ich weiß auch, dass so etwas manchmal nötig ist, und deshalb werde ich dich nicht danach fragen. Vielleicht verrätst du es mir irgendwann, und wenn nicht, dann ist das deine Entscheidung. Ich möchte dir nur sagen, dass es keinen Einfluss auf das hat, was ich von dir denke, ob ich es nun kenne, oder nicht.“ Er blickte Clark nun direkt an und erklärte dann: „Und du hast keinen Grund auf mich eifersüchtig zu sein, denn ich habe gemerkt, für wen Lanas Herz schlägt, als wir an meinem ersten Schultag, bei Chloe im TORCH-Büro waren.“ Der Schwarzhaarige blickte verwundert und Christian lachte trocken: „Komm, Clark, dass dein Herz für sie, und ihr Herz für dich schlägt, das ist nun wirklich offensichtlich.“ „Wir sind nur Freunde, Chris.“ „Wenn das die ganze Wahrheit ist, dann bin ich der Weihnachtsmann, Clark.“ Der Blonde zwinkerte belustigt. „Aber das ist nicht mein Problem.“ Clark, dem dieses Thema etwas unangenehm war, fragte schließlich: „Ich fahre jetzt zu Alicia – was ist mit dir?“ „Ich bleibe noch eine Weile.“ Clark nickte Christian zu und schritt zu seinem Wagen, den er unterhalb der Kurve geparkt hatte. Tagsüber verzichtete weitgehend darauf, den „Blauen Blitz“ zu geben. Auf dem Weg zur Sterling-Farm dachte er daran, was Christian zuletzt gesagt hatte. Er schien ein sicheres Gespür für gewisse Zusammenhänge zu besitzen. Und dafür, zu entscheiden, was ihn etwas anging, und was nicht. In dieser Hinsicht besaß er eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Freund Lex Luthor. Mit dem bemerkenswerten Unterschied, dass er bei Christian das unbestimmte Gefühl hatte ihm auch sein größtes Geheimnis anvertrauen zu können. In Gedanke sah er dabei die besorgten Mienen seiner Eltern. Vielleicht sollte er Chris mal zu sich einladen und ihn seinen Eltern vorstellen. Er erreichte die Farm der Sterlings und parkte seinen Wagen. Von seinen Eltern wusste er, dass Jerome Sterling nach dem Meteoritenschauer einen Kredit hatte aufnehmen müssen, um die Einschlagschäden entfernen zu können. Was die Farm erwirtschaftete reichte gerade aus, um die Raten zu tilgen und die Farm zu halten. Ohne den zusätzlichen Verdienst von Alicias Mutter hätten sie das kleine Anwesen vermutlich längst verkaufen müssen. Einige seiner Nachbarn hatten ihm finanzielle Hilfe angeboten, doch Sterling war zu stolz gewesen sie anzunehmen. Er wollte es selbst, aus eigener Kraft schaffen. Als er vor der Tür stand klopfte er. Es dauerte nicht lange, bis Cassidy Sterling an der Tür erschien und freundlich meinte, als sie ihn erkannte: „Ach, du bist das, Clark. Was gibt es denn?“ „Äh... Könnte ich Alicia für einen Moment sprechen? Es dauert nicht lange.“ Die Frau lächelte. „Sicher, Clark. Komm doch solange rein.“ Während Clark der Frau in die Küche folgte, rief sie die Treppe hinauf: „Alicia, hier ist Clark. Er möchte mit dir sprechen.“ Wenige Augenblicke später tauchte das Mädchen auf, während Cassidy Sterling zur Hintertür hinaus ging, um ihrem Mann bei seiner Arbeit zur Hand zu gehen. Etwas überrascht fragte sie, als sie die Treppe hinunter schritt: „Was gibt es denn, Clark?“ „Können wir uns draußen auf der Veranda unterhalten?“ Der Schwarzhaarige sah sie so bittend an, dass Alicia nur nickte und ihre Jacke vom Haken nahm. Sie folgte Clark nach draußen, wo er sie ansah und sagte: „Ich komme wegen Chris. Ich habe den kleinen Disput vor der Schule vorhin zufällig mitbekommen.“ „Darüber möchte ich eigentlich nicht sprechen“, entgegnete das Mädchen unwillig. Clark nickte und beschloss das Thema anders anzugehen. „Hast du dich nicht gefragt, wieso er die Kette gefunden hat, und nicht ich, Alicia?“ Das Mädchen hörte mit einem Mal sehr interessiert zu und blickte Clark forschend in die Augen. Clark fuhr fort: „Der Grund dafür ist der, dass nicht ich es war, der dich vor den Ganoven gerettet hat. Genau genommen stürmte er in die Halle, bevor ich wusste wie mir geschah. Ich habe lediglich die Polizei verständigt. Als er dich dann aus der Halle heraus geholt hatte, erzählte er mir was sich ereignet hatte und er bat mich, dass ich die Rettung auf meine Kappe nehme. Du kannst dir ja mittlerweile denken wieso, da du zufällig herausgefunden hast, wie er wirklich heißt und wer er ist. Und für die Polizei und die Verhandlung belassen wir es auch dabei, dass ich derjenige war, der die Gangster überwältigen konnte, sonst entsteht nur unnötige Konfusion.“ Alicias Augen wurden immer größer, während Clark berichtete. „Aber... aber warum verheimlicht er das denn alles? Ist es so schlimm, wenn man Geld hat?“ „Seine Mutter wurde bei einem Attentat getötet, das vermutlich seinem Vater galt“, erklärte Clark weiter. „Sein Vater wollte ihn aus der Feuerlinie schaffen, solange man die Mörder noch nicht gefasst hat, und ein deutsche Bundespolizist hielt es für eine gute Idee ihm den Namen seiner amerikanischen Verwandten zu verpassen, um ihn zusätzlich zu schützen. Das alles, und sogar sein eigenes Leben hat er auf´s Spiel gesetzt, um dich zu retten. Ob du ihm dafür dankst, indem du sein Geheimnis verrätst, oder indem du es bewahrst, das liegt nun ganz bei dir, Alicia.“ Alicia Sterling schlug ihre Hände vor den Mund und blickte beschämt zu Clark. „Oh mein Gott, und ich war so gemein zu ihm.“ Tränen der Scham glitzerten in ihren Augen. Clark sah das Mädchen eindringlich an. „Nun, ich kenne Chris noch nicht sehr lange, aber mein Eindruck ist, dass er ganz okay ist. Ich bin sicher, dass er deine Entschuldigung annehmen wird, wenn du so etwas vorhaben solltest.“ „Ich danke dir, dass du mir das alles gesagt hast, Clark.“ „Nichts zu danken. Äh... ich gehe jetzt besser.“ Das Mädchen umarmte Clark dankbar und verschwand dann im Haus, wo sie auf ihre Stiefmutter traf, die wieder zurück war. Cassidy Sterling blickte Alicia forschend an und fragte sanft: „Was wollte Clark denn? Du wirkst ganz verstört, mein Kind.“ Alicia blickte ihre Stiefmutter nur stumm an und ohne es verhindern zu können rannen Tränen über ihre Wangen. Cassidy Sterling schloss das Mädchen schnell in ihre Arme. „Was ist denn los, Kleines. War das, was Clark dir erzählt hatte, so schlimm?“ „Nein, Mom“, antwortete Alicia mit tränenerstickter Stimme. „Er... er sagte, dass es Chris war, der mich gerettet hat und nicht er. Ich... ich wusste... das nicht. Vorhin in der... der Schule, da war ich sehr garstig zu Chris.“ „Dein Vater deutete eben so etwas an.“ Alicia klammerte sich noch enger an ihre Stiefmutter. „Da... da ist... noch mehr, Mom. Ich habe es bisher nur Sheriff Adams gesagt. Die drei Männer... sie wollten... sie... sie wollten...“ Alicia schaffte es nicht den Satz zu Ende zu bringen. Schluchzend drängte sie sich gegen ihre Stiefmutter. Cassidy Sterling war, als greife eine eisige Hand nach ihrem Herzen. „Oh mein Gott, sie haben es doch nicht...“ „Nein, Mom. Wenn Clark die Wahrheit gesagt hat, dann war es Chris, der rechtzeitig dazwischen gegangen ist, bevor sie... Ich hatte solche Angst es euch zu sagen...“ Cassidy drückte ihre Stieftochter, die sie so sehr liebte, als wäre es ihre leibliche Tochter, fest an sich und streichelte sanft über ihr Haar. Dabei schoss ihr kurzzeitig wieder die Stichwunde an Chris Falkens Schulter durch den Kopf, und in ihr setzte sich die Erkenntnis, dass Clark die Wahrheit gesagt haben musste. „Ist schon gut. Ist alles gut, Alicia. Jetzt beruhige dich erst einmal. Ich bin bei dir.“ Alicia, die ihren Tränen freien Lauf ließ, schmiegte sich eng an sie. Nach einer Weile, von der sie nicht sagen konnte, wie lang sie gewesen war, blickte sie zu Cassidy auf und sagte leise: „Ich wünschte mir, dass meine leibliche Mutter sehen könnte, was für eine tolle Mom ich in dir habe.“ Cassidy küsste Alicia auf die Stirn und sagte gerührt: „Ich denke, sie sieht vom Himmel auf dich herab und weiß das. Du bist zwar nicht meine leibliche Tochter, aber ich wünschte du wärst es, und jedes mal, wenn du Mom zu mir sagst, machst du mich damit zu einer sehr glücklichen Frau. Ich habe dich sehr lieb, Alicia, und ich könnte mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen, das sollst du wissen.“ Alicia schluckte. „Ich liebe dich auch, Mom.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)