Pinselstriche der Macht von Kylie ================================================================================ Kapitel 1: Grau --------------- Cynthra kannte das Leben auf der Straße von Lichtstein, welche die Hauptstadt von Lichtheim war - dem Reich der Farben. Es war gewiss nicht immer so gewesen, denn eins war sie eine große Gelehrte im Palast gewesen. Geschätzt, anerkannt und durchaus begehrt. Denn Cynthra war eine selten schöne Blume mit ihrem puppenhaften Gesicht, das nicht viel Schminke brauchte, um zu strahlen. Da waren diese zauberhaften Sommersprossen, die sich über Wangen und Nasenrücken verteilten und die leicht gebräunte Haut aufregend anders gestalteten. Dazu kamen die dunklen, braunen Augen und das ebenso dunkelbraune, lange Haar. Früher hatte sie ihre Haare dann zwar in Dutts und geflochtenen Zöpfen gezügelt und es nicht so struppig und offen getragen, wie heute. Und sie hatte schöne Roben in vielen Farben getragen und nicht eine abgewetzte Lederhose mit einem grauen, ebenso abgewetzten Hemd. Gewiss hatte sie auch besser gerochen. Aber die natürliche Schönheit blieb erhalten. Das konnte ihr keiner nehmen! Auch nicht ihre hochgewachsene Gestalt von etwa einen Meter und zweiundachtzig Zentimetern. Der Körper, der eins drahtig, aber gut genährt gewesen war, war nun abgemagert und gab eben dieser Größe einen unschönen Aspekt. Hier auf den Straßen von Lichtstein war das Überleben wirklich schwierig. Betteln war verboten und solche Versuche, wie durch Gesang oder Tanz Gold zu verdienen, wurde auch nur begrenzt zugelassen. Genau genommen musste man das beim Ministerium beantragen. Einem Dieb schlug man die Hand ab, mit der er das Verbrechen begannen hatte, sofern man diesen erwischte. Prostitution wurde auch geahndet, außer man arbeitete in einem königlichen Bordell. Solche Vergnügungshäuser boten sexuelle Dienste nur für Soldaten und Reichsdiener an, nicht aber für Adlige, Reiche und schon gar nicht für einfache Bauern oder Bewohner. Nun sollte man meinen, dass das gut für die Dirnen war, aber Soldaten galten als besonders brutal und ungnädig, wenn es um sexuelle Belange ging. Immerhin hatten dise Männer und Frauen getötet, Tod gesehen und noch viel Schlimmeres als das. Ihre Seelen und ihr Verstand waren oft angegriffen von den Traumata, die das mit sich brachte. Die Frauen und Männer, die also gezwungen waren, in solch ein Etablissement zu arbeiten, hatten es kaum besser als die, die sich auf der Straße an Diebe und Arbeiter verkauften. Sie mussten nämlich wirklich alles machen, was man ihnen befahl, während eine Straßendirne abhauen konnte, wenn ihr etwas so sehr missfiel, dass es das Geld nicht wert war. Ohne Geld konnte selbst ein Schöpfer kaum bis gar nicht auf der Straße überleben, denn man kam nicht an leere, saubere und heile Gefäße zum Farben mischen, geschweige denn an die Zutaten dafür. Pflanzenextrakte für die Farbgebung, Alkohole und Bindemittel für Haltbarkeit und Qualität. Dann wären da noch die Leinwände, Pinsel und eine ruhige Umgebung, in der man seiner Kreativität folgen konnte. Genau das war auch Cynthras Problem. Sie fand keine Arbeit, um an Münzen für ihre Schöpfungen zu kommen, weil überall Zeichnungen von ihr hingen, die besagten, dass sie ein Staatsfeind sei und man sie nicht beschäftigen dürfte. Ihren Körper verkaufen, wollte sie weder offiziell noch inoffiziell. Es blieb also nur Diebstahl, um sich selbst ernähren zu können und um an Materialien für eine Schöpfung zu gelangen. Man hatte sie anfangs sehr oft erwischt, doch sie war jedes Mal entkommen, bevor man ihr eine Hand abschlagen oder sie sogar in den Kerker des Palastes bringen konnte. Dennoch fiel nie genug Essen ab, damit sie etwas gesünder zulegen konnte, obwohl sie inzwischen wirklich gut als Diebin war. Erst seit die Dunkelhaarige auf der Straße lebte, hatte sie das Elend entdeckt, das sogar in Lichtstein herrschte. Der König war so sehr auf seinen Reichtum, die Kriege und die Forschungen fixiert, dass er sein Volk langsam, aber sicher aus den Augen verlor. Es herrschte Armut und Hunger auf den Straßen der unteren Viertel, während die Reichen und Schönen Feste feierten und verschwenderisch lebten. Cynthra konnte es verstehen, denn eins war sie ja genauso blind gewesen und hatte ebenso wenig erkannt, wie schlecht es den einfachen Arbeitern erging, die sich gegen Korruption, Diebstahl und Verfolgung stellen mussten. Immerhin war kaum einer von ihnen ein Schöpfer und dazu fehlte ihnen oftmals die nötige Ausbildung. Sie aber hatte für ihre sechsundzwanzig Jahre eine ausgezeichnete Ausbildung hinter sich und dazu eine außergewöhnliche Begabung für die Malerei und die Entwicklung einer Geschichte für ihre Gemälde. Dazu kam das wirklich gute Gespür für Farbmischung und die Erschaffung ganz neuer Töne, die in schönen Übergängen und zahlreichen Schichten wunderbar zur Geltung kamen. Bisher war jedes von Cynthras Kunstwerken zum Leben erwacht und sie hatten eine überdurchschnittlich lange Lebenserwartung. Eine normale Schöpfung konnte maximal ein Jahr überdauern, dann fing der Zerfall an und kurz darauf musste man das Gemälde dann verbrennen, aber die meisten Schöpfer waren nicht so gut, weshalb ihre Schöpfungen meistens nur einige Monate hielten. Das Problem bei der ganzen Sache war nur, dass das Malen und die darauf folgende Schöpfung eine Sucht bei den Schöpfern auslöste. Man wollte besser werden, lernen und begreifen. Neue Farben mischen, neue Pinselstriche aneignen und längere Lebenserwartungen für Schöpfungen erzielen. Man wollte Menschen erschaffen, die man nicht als Schöpfung identifizieren konnte, weil sie so echt und lebhaft waren und so viel zu berichten hatten, dass es wie ein echtes Leben erschien. Entzog man einem Schöpfer plötzlich die Möglichkeit, Kunstwerke zu erschaffen, war es so, wie wenn man einem Alkoholiker die Möglichkeit nahm, Alkohol zu trinken - ein kalter Entzug. Und mein Entzug dauert schon zu lange., dachte Cynthra verärgert als sie auf ihre Hände blickte, die furchtbar zitterten. Wie lange war es her, dass sie einen Pinsel gehalten hatte? Fünf oder sechs Jahre? Sie musste etwa Zwanzig gewesen sein als man auf sie begann Jagd zu machen. Sie konnte zwar aus dem Palast entkommen, bevor ihre eigenen erschaffenen Soldaten sie erwischten, aber seither war sie eine Geächtete, die steckbrieflich gesucht wurde. Selbst nach all dieser Zeit glaubte man nicht, dass sie tot war und sie würden es auch erst glauben, wenn eine Leiche auftauchte. Kaum ein anderer Schöpfer, der vom rechten Pfad abgekommen war, wurde so gefahndet, wie sie und sie hatte nicht mal ein Verbrechen begannen. Jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne. Es war ein schweres Leben, das sie führte, aber inzwischen hatte sie ein Versteck, das bisher kaum einer gefunden hatte und dort sammelte sie Farben, Gefäße, Leinwände, Pinsel und Zutaten zum Mischen, die sie sich gestohlen hatte. Dabei ließ Cynthra die Finger von schlechten oder verunreinigten Produkten, denn das, was sie zu schaffen versuchte, musste perfekt sein. Und es würde ihr endlich die Freiheit einbringen! Niemand würde sie mehr verfolgen und sie konnte in eine andere Stadt reisen und dort einen Beruf erlernen oder vielleicht als Schöpferin dienen. Doch es ist zu wenig..., dachte die Brünette und musterte ihre magere Beute der letzten Jahre, Ich werde niemals dieses Kunstwerk erstellen können, bevor mich die Feurer finden. Feurer waren speziell ausgebildete Krieger, die nur einem Zweck dienten: Abtrünnige Schöpfer zu jagen, sie einzufangen oder zu vernichten. Das hing ganz von ihrem Auftrag ab, an den sie sich immer streng hielten. Sie wurden von Kindesbein an im Palast ausgebildet und ihnen wurden die Gefahren und Tricks der Schöpfer genau erklärt. Teilweise wuchsen sie sogar mit den Schöpfern zusammen auf, damit sie diese studieren und erforschen konnten, sodass sie niemals auf sie hereinfielen. Nicht Jeder konnte ein Feurer werden, denn wie bei den Schöpfern, mussten sie eine bestimmte Veranlagung von ihrer Geburt an besitzen, die mit einer geringen Wahrscheinlichkeit erblich war. Wobei diese Wahrscheinlichkeit höher war als bei den Schöpfern... Denn Feurer waren in der Lage, Schöpfungen durch einen Blick zu erkennen, egal, wie gut sie auch sein mochten. Ihr Name wurde deshalb gewählt, weil sie eine Schöpfung nur mit ihren Fingern berühren mussten, damit sie direkt Feuer fing. Es hatte den gleichen Effekt, wie das Gemälde, das sie schufen, zu verbrennen. Cynthra dankte innerlich Valira, der Göttin der Schöpfung, dass Feurer das Gleiche nicht mit Menschen oder Schöpfern tun konnten! Wahrscheinlich verfluchten die Feurer Asmandir, den Gott des Feuers, für eben diesen Makel ihrer Fähigkeiten. Denn es war kein Geheimnis, dass sie einen starken Hass oder Ekel gegen die Schöpfer empfanden. Sie wuchsen immerhin mit dem Geflüster im Ohr auf, dass Schöpfer potenziell gefährlich waren und dazu neigten, ihr Reich zu verraten. Absoluter Unsinn, wie Cynthra klar war! Schöpfer verrieten ihr Reich nicht mehr oder weniger als andere Menschen, aber so hielt man sie eben im Zaum, damit sie es gar nicht erst versuchten. Feurer unterschieden sich stark von Lichtheimern, denn sie mussten eins einem anderen Land oder einer anderen Kultur entsprungen sein, bevor sie sich dann in Lichtheim eingefunden hatten. Sie hatten eine gebräunte Haut, die einen leicht rötlichen Stich besaß und eigentlich immer dunkle Haare - meistens Schwarz. Es war so ein tiefes Schwarz, dass man manchmal kaum die einzelnen Haare oder Strähnen erkennen konnte. Dazu kam, dass ihre Ohren etwas spitzer waren als von gewöhnlichen Menschen. Sah man von ihren Genen, die äußeren Merkmalen ab, dann unterschieden sie sich außerdem darin, wie ihre Körper sich entwickelten. Obwohl sie geborene Krieger waren, blieb ihre Gestalt recht unauffällig und wenig bedrohlich. Da waren natürlich Muskeln, aber sie waren zu wenig ausgeprägt, um glauben zu können, dass sie schwer beladene Regale verschieben konnten! Ihr Geschick im Waffenumgang war sogar noch überragender! Jeder Feurer lernte eine Waffe im Nahkampf und eine im Fernkampf. Ihre Ausbildung war erst beendet, wenn sie beide gewählten Waffenarten meisterhaft beherrschten, ebenso wie die Gabe des Verbrennens. Jene, die nicht die Gabe des Verbrennens besaßen, wurden als Leibwächter und Häscher ausgebildet, um die Feurer bei ihren Pflichten zu unterstützen. Und eben diesen Leuten musste Cynthra entgehen, damit sie sie nicht umbrachten oder auslieferten. Das war wirklich schwierig, denn auch wenn sie ihr Versteck bisher nicht gefunden hatten, war das nur eine Frage der Zeit. Feurer waren nicht dumm und sie würden sie finden. Wahrscheinlich früher als mir lieb ist., dachte die Schöpferin zähneknirschend und blickte auf die magere und nicht gerade hochwertige Beute ihrer letzten Jahre, Wie soll ich damit ein Kunstwerk schaffen?   Er konnte nicht sagen, wie lange er nun schon in seiner Galerie stand und dieses eine Bild anstarrte. Ein Gemälde von einer Landschaft, auf der kleine Lichtwürmchen flogen, während am Himmel ein Leuchtmeer aus Sternen dargestellt war. Zahlreiche Farbschichten und perfekt geführte Pinselstriche machten es so atemberaubend schön, dass Laariel manchmal glaubte, es sei real. Wenn er nur lange genug hinsah, dann würde diese Wiese vielleicht wirklich um ihm herum auftauchen, die Glühwürmchen ihn umschmeicheln und der Himmel ihm ruhig und ohne Vorwürfe entgegen funkeln. Doch es war vergebens... Egal, wie oft oder wie lange er das Gemälde anstarrte, es blieb ein Gemälde. Und er blieb ein hoffnungsloser Romantiker. Anhand der Unterschrift, die sich hinten auf der Leinwand befand und weil der Rat es ihm gesagt hatte, wusste er, dass dieses Gemälde eins von Cynthra gemalt wurden war. Er kannte sie nicht und sie waren sich auch niemals begegnet, aber man sagte ihm immer wieder, dass sie eine Verräterin sei und er dieses Bild verbrennen sollte. Laariel verstand nichts von Kunst weder vom Malen noch vom Betrachten, aber dieses Gemälde war sogar in seinen Augen Kunst! Es war zu perfekt, um es zu vernichten. Von den Dienern wusste er, dass die Schöpferin niemals an den Forschungen mitgewirkt hatte, in denen es darum ging, leblose Objekte zu erschaffen und sie habe es auch sonst nie versucht. Die Diener hatten gekichert als sie ihm mitgeteilt hatten, dass sie das nur zur Entspannung gemalt hatte, wie alle Bilder von ihr, die Stillleben darstellten. Außerdem wollte sie so ihre Fähigkeiten verbessern. Er mochte ja kein Kunstkenner sein, dennoch war er nicht der Meinung, dass sie sich auf irgendeine Weise verbessern musste, wenn solch ein Kretin, wie er es war, darin ein Kunstwerk erkennen konnte. Zumindest hielt er sich für einen Kretin, wenn es um solche Dinge ging. Laariel war ein Mann von außergewöhnlicher Statur. Er maß zwei Meter von Fuß bis zum Kopf und er hatte ein breites Kreuz und breite Schultern. Feurer wirkten neben ihm richtig schmächtig - fast schon etwas mager. Sein Haar wuchs ihm bis über den Nacken und er strich es stets etwas verwegener zur Seite, um sein maskulines, aber recht jugendliches Gesicht zu zeigen. Seine Haare waren blond, beinahe weiß und seine Haut fast ebenso bleich. Im Kontrast standen seine Augen, die ein dunkles Braun trugen. Das war kein ungewöhnliches Aussehen für Lichtheimer, denn gebräunte Haut und dunklere Haare waren eher eine Seltenheit, wenn auch genau deshalb sehr begehrt. Doch obwohl er so gut in das Raster seines Volkes passte, war auch er begehrt. Er war ein schöner, junger Mann, der fast Jeden in den Schatten stellte. Er wusste genau, wie er sich erhaben präsentieren konnte, in seiner Rüstung, die beschichtet war mit verschiedenen Metallen, wie Gold, Weißgold, Silber und Platin, während diese selbst aus dem mystischen Metall Mithril gefertigt wurden war. Damit war seine Rüstung die wertvollste und beste im ganzen Reich und vielleicht auch auf der ganzen Welt! Durch die Beschichtungen sah man den blauen Schimmer des Mithrils nur an gewünschten Stellen, wobei die anderen Metalle schöne Muster formten. Unter diesem kostbaren Stück trug er feinste Seide in weißen Tönen und dazu teure Lederstiefel, die teilweise auch mit Mithril beschlagen waren. Doch wenn er dieses Bild anstarrte, dann schien die Rüstung nur unnötiger und vor allem hässlicher Prunk zu sein, der nichts mit Kunst oder Handwerkstalent zu tun hatte. Es war halt jemand reich genug gewesen, damit er sich solche Materialien leisten konnte, doch das machte noch lange kein Kunstwerk. „Ihr starrt es schon wieder an, mein König?“, fragte plötzlich eine vertraute Stimme. Laariel seufzte, sah ein letztes Mal auf diese schöne Nachtlandschaft und drehte sich dann auf den Hacken zu dem betagten Ratsmitglied um. Sein Rufname lautete Johannes, doch es gab Tage, da war der König sich nicht sicher, ob das nicht nur ein Deckname war. Johannes war ein relativ kleiner, alter Mann von etwa einen Meter und einundsiebzig Zentimetern. Das graue bis weiße Haar trug er kurz und gesittet. Die Robe seines Amtes trug er ebenso sorgfältig als sei dies seine Rüstung. Er trug schon recht viele Falten und oftmals wirkte Johannes müde, aber er war ein strenger, durchsetzender Mann, der den Rest des Rates vollkommen im Griff hatte. Seine Robe war farbenprächtiger als seine braunen Augen, die nie Gefühle oder Facettenreichtum präsentierten. „Erklärt mir nochmals, wieso wir Cynthra so vehement verfolgen.“, sagte Laariel und verschränkte die Arme, „Was genau hat diese Schöpferin noch gleich getan, die solch ein wunderbares Gemälde schaffen kann?“ „Sie tötete Euren Vater, Majestät.“ „Einen Mann, an den ich mich so gut wie gar nicht erinnern kann. Genauso wenig, wie an diese Frau.“, warf der König ein, „Wenn sie die Gelegenheit hatte, einen König zu ermorden, dann muss sie doch oft in seiner Nähe gewesen sein. Ich müsste mich doch erinnern!“ Johannes seufzte angestrengt. Wie oft führten sie diese Unterhaltung nun schon? Er war es zumindest leid, dass sie dieses Thema immer wieder anfingen. Deshalb sah er den Adligen nun auch mit den Augen eines tadelnden Großvaters an: „Sie schickte eine Schöpfung, die es tat. Das ist verboten und das wisst Ihr auch! So tötete sie Euren Vater. Danach floh sie dann und bisher konnten die Feurer sie nicht finden.“ „Und aus welchen Grund sollte sie meinen Vater töten wollen?“ „Wie bitte?“ „Na, warum?“, hakte Laariel nach. Dieser Teil war neu. Offenbar hatte der Hellhaarige sich Gedanken darum gemacht, wie ihr nächstes Gespräch mit diesem Thema laufen sollte. „Vermutlich war es ein Auftrag einer gegnerischen Nation, Euer Majestät.“, murmelte Johannes grimmig, „Eine Attentäterin.“ Laariel zog skeptisch die Augenbraue hoch als er diese Vermutung hörte: „Eine Attentäterin?“ „Ja.“ „Die Schöpferin ist?“ „Ja.“ „Und hier aufwuchs, ausgebildet und geboren wurde?“ Johannes verstand durchaus, worauf der König hinaus wollte und er räusperte sich etwas, während er auf der Stelle trat. Ein Dummkopf war ihr Herrscher immerhin nicht! Ob er das nur gut finden sollte, wusste er nicht... Er stellt wirklich viele Fragen., überlegte das Ratsmitglied mit Bedauern. Laariel grinste triumphal als er das Schweigen bemerkte: „Eure Logik ist wohl nicht so unantastbar, wie Ihr geglaubt habt, was? Es scheint nämlich keinen logischen Grund für einen solchen Verrat zu geben.“ „Wenn Ihr so schlau seid, Euer Majestät...“, begann der Ältere und rang mit sich, respektvoll zu bleiben, „Dann sagt mir, wie Euer Vater dann gestorben ist, wenn nicht durch diese Schöpferin?“ „Herzinfarkt?“ „Nun werdet Ihr albern...“ „Schock beim Anblick im Spiegel?“ „Ich ziehe es zurück...“, seufzte Johannes, „Nun werdet Ihr albern.“ Der König zuckte nur mit den Schultern und blickte dann wieder zu dem fantastischen Gemälde: „Ich weiß nicht, wie er starb oder was damals genau geschehen ist, aber es erscheint mir unlogisch und nicht richtig. Mir kommt es vor als läge die Antwort bereits die ganze Zeit vor mir und schreit mich an, sie zu begreifen, aber irgendwas in mir verhindert es.“ „Vielleicht ist das auch gesünder?“ „Wie meint Ihr das?“ „Meiner Meinung nach und nach allem, was ich erlebt habe, leben Leute länger, die nicht zu viele Fragen stellen.“, erwiderte das Ratsmitglied, „Und erst recht die, die lieber keinen mysteriösen Todesfall untersuchen.“ Darauf wusste der hellhaarige König keine Antwort, also tat er, was er dann immer tat: Er starrte das Gemälde an. An manchen Tagen vermutete Johannes, dass er sich selbst darin verlieren würde. Vielleicht wäre es besser für Laariel, er würde sich in diesem Bild verlieren und all diese Fragen einfach vergessen. Aber vielleicht würde er es irgendwann auch leid sein, das Gemälde verbrennen und nie mehr darüber nachdenken, wie und warum all das geschehen war. Doch bisher war dieser Zustand leider nicht eingetreten. Der alte Mann seufzte schwer als er beobachtete, dass der König immer abwesender wurde: „Ihr habt noch Verpflichtungen, Majestät.“ „Ach ja?“, fragte er abwesend, „Welche denn?“ „Heute ist noch eine Ratsversammlung. Es geht um einige Beschwerden und Stadtplanungen.“ Laariel hasste diese verdammten Sitzungen. Immer wieder diskutierten sie irgendwelche Themen tot ohne ein Ergebnis zu erzielen! Noch besser wurde es, wenn die Ratsmitglieder sich wieder untereinander zu bekriegen begannen und wüste Schimpfwörter durch den Raum geworfen wurden. Am Ende wusste Niemand mehr, worüber sie eigentlich gestritten hatten und was wirklich wichtig gewesen war. Auch wenn diese Versammlung lästig war, war sie leider notwendig, weshalb sich der Herrscher ungern von dem Kunstwerk losriss, um stattdessen Johannes zu begleiten. Der Weg zum Versammlungsraum war nicht allzu weit, aber mit dem schweigsamen Ratsmitglied kam es ihm endlos vor. Als sie in das Zimmer kamen, stritten die Anderen bereits. Der Rat bestand aus fünf Personen, wovon zwei Mitglieder Frauen waren. Außerdem gab es einen Feurer und eine Schöpferin. Gwen war ihr jüngstes Mitglied und sie war auch die besagte Schöpferin. Sie war recht ansehnlich, wenn auch eher nicht besonders mit ihrem silbernem Haar und dem weniger üppigen Körper. So weit Laariel wusste, war sie nun vierundsechzig Jahre alt, was für einen Lichtheimer nicht sonderlich alt war, dennoch gab das schon erste Fältchen. Lichtheimer wurden durchschnittlich zweihundert Jahre alt und wenn sie sich gut ernährten und gesund blieben, dann konnten es auch dreihundert Jahre werden. Gwen würde wohl nicht solch ein hohes Alter erreichen, wenn sie schon jetzt Alterserscheinungen hatte. Ihr Feurer hieß Blair und war etwa fünfzehn Jahre älter als Gwen, was unter seinesgleichen sogar noch jünger war. Wenn Feurer nicht im Kampf fielen, dann konnten sie ein halbes Jahrtausend alt werden! Wie bei seinem Volk übrig, hatte er diese dunkle fast rötliche Haut und dazu rabenschwarzes Haar. Durch sein vernarbtes und vom Wetter gegerbtes Gesicht konnte man nicht von Schönheit sprechen und da er stets grimmig schaute, konnte man auch sonst nicht viel Nettes über sein Äußeres verlieren. Dann waren da noch Vera und Wilfried. So weit der König wusste, waren die beiden Zwillinge. Sie waren etwa hundertsechzig Jahre alt, wobei sie gerne verschleierten, wie viel mehr oder weniger es genau waren. Die Beiden sprachen auch sonst nicht viel über ihre Familie oder ihre Vergangenheit. Nicht mal untereinander hatte er sie sonderlich oft sprechen sehen... Jedenfalls waren sie die ältesten Mitglieder, wahre Faltenschluchten und schon etwas seniler als es gesund sein konnte. Leichte Opfer für Johannes, der nach ihnen der Älteste war. Wie ich euch alle verabscheue..., dachte Laariel angewidert und setzte sich dennoch an seinen Platz am Ende der großen Tafel. Sie waren fünf Mitglieder im Rat, damit bei Abstimmungen immer ein Ergebnis erzielt wurde. Doch das letzte Wort hatte dennoch der König. Wenn er es also für wichtig oder nötig erachtete, konnte er die Abstimmung für nichtig erklären und zu Gunsten der Unterlegenen entscheiden. Doch das zu tun, konnte Konsequenzen haben, da die Mitglieder als Sprachrohre des Volkes dienten und galten. Gwen als Sprachrohr für die Schöpfer, Blair für die Feurer, Vera und Wilfried für die Alten und Johannes für den ganzen Rest. Aber sie wussten alle, dass das dennoch eine Lüge war, weil eigentlich Johannes für alle sprach. Zumindest gab er das vor... Die anderen Vier kümmerten sich eigentlich nur noch um ihre eigenen Belange und ihren Reichtum. Sie kamen nur zum Schein zu den Sitzungen und regten sich nur aus Prinzip auf. Aber trotzdem würde Laariel interessieren, was geschehen würde, wenn sie sich gegen ihren Vorsitzenden auflehnten und gemeinsame Sache machten, um ihn zu stürzen. Doch wenn sie das täten, dann würden sie vielleicht auch ihn stürzen wollen, um selbst zu regieren... Egal, wie sich die Beziehung zwischen den Mitgliedern auch eins entwickeln würden: Nun diskutierten sie wieder hitzig und unnachgiebig. Es ging um den Plan, neue Straßen zu errichten und alte abzureißen, um diese zu erneuern. Es sollte die Handelsrouten verbessern, um den Marktplatz etwas mehr zu beleben und vielleicht auch Ausländer hierher zu locken. Wenn sie sich gut anstellten, könnte Frieden herrschen. Frieden... Ein lächerlicher Gedanke, wie der König wusste. Zumindest wenn man glaubte, Handelsrouten würden über Krieg und Frieden entscheiden. Aber immerhin schafften es die Fünf, sich einer lebhaften Debatte hinzugeben als hinge ihr Überleben tatsächlich davon ab. Ohhh, möge doch ein Blitz diese Narren treffen!, dachte der König verzweifelt, Das wird ein ewig langer Tag werden.   Während Andere sich lieber kürzere Tage wünschten, wünschte sich Gerald längere. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt mal eine Nacht richtig durchgeschlafen und wann er zuletzt etwas Ordentliches gegessen hatte. Das muss Wochen her sein..., sinnierte er. Tatsächlich war er schon seit etwa einem Jahr auf Cynthra angesetzt wurden und das vom obersten Ratsmitglied Johannes persönlich! Die Anordnungen waren dabei eindeutig: Finden, töten und verschwinden lassen. Als Feurer nahm er diese Befehle sehr ernst und vertraute darauf, dass sie dem Wohl des Reiches dienten. Außerdem hatte man Gerald von Kindesbein an klar gemacht, dass Schöpfer dazu neigten, zu verraten, weil ihre Macht sie schwach machte. Sie waren nicht nur der Segen, sondern auch der Fluch von Lichtheim. Aber das Gleiche sagten vermutlich die Schöpfer auch über die Feurer und das Volk über beide Parteien... Seufzend fuhr er sich durch das schwarze Haar, das ihm bis zu den Schultern ging, welches viel dunkler war als seine bräunlichrote Haut. Gerald war sogar einer der Wenigen seines Volkes, der blaue Augen besaß. Die meisten von ihnen hatten eine grüne oder rote Iris. Er war inzwischen vierzig Jahre alt und seine Ausbildung hatte er vor zehn Jahren beendet. Seine Waffen waren zwei Sicheln im Nahkampf und eine Armbrust im Fernkampf. Außerdem hatte er einen außergewöhnlich guten Blick für Schöpfungen, weshalb ihn Johannes auch persönlich beauftragt hatte. Normalerweise wurden ältere und erfahrenere Feurer bevorzugt. Gerald trug enges Leder, das an seinen Seiten offen und mit Lederbändchen zusammengehalten wurde. Dazu eine enge Hose, die ebenfalls aus Leder bestand. Hier und da war die Kleidung mit Metall beschlagen, aber das diente weniger dem Schutz als der Optik und Ablenkung. Eine Rüstung würde seine Bewegungen zu sehr beeinträchtigen, außerdem fiel es in der Menge zu sehr auf. Wollte man einen abtrünnigen Schöpfer jagen, dann durfte der einen möglichst nicht kommen sehen. Obwohl diese Frau es ihm wirklich schwer machte! Seit einem Jahr verfolgte er sie, doch immer schien Cynthra ihm einen Schritt voraus zu sein. Immer, wenn er ein Versteck fand, war es leer, sobald er dort ankam. Hörte er von Diebstählen, die für die Malerei benötigt wurden, fehlte von ihr bereits jede Spur. Er fand ja nicht mal Schöpfungen! Jedenfalls keine, die nicht gewollt war. Dass einige der Stadtwachen und -wächter Schöpfungen waren, war kein Geheimnis und durchaus notwendig. Für ihn waren aber nur die interessant, die definitiv nicht zum Reich gehörten. Schöpfungen, die stehlen gingen oder einen Händler ablenkten. Noch besser wäre, wenn eine Schöpfung zu töten versuchte! Natürlich nicht für das Opfer, aber für den Feurer. Doch in der Hinsicht war es überall auf den Straßen von Lichtstein ruhig. Es war einfach alles so, wie es sein sollte. Das hatten auch die Feurer berichtet, die den Auftrag vor ihm gehabt hatten, aber der Dunkelhaarige hatte ihnen einfach nicht glauben wollen. Doch weil sich das Schlimmste bewahrheitet hatte, musste Gerald auf die klassischen Methoden zurückgreifen: Jeden fragen, der vielleicht Kontakt gehabt haben könnte. Bei den Bordellen hatte er begonnen. Es war nicht ungewöhnlich, dass diese Steckbriefe ignorierten und Frauen zu Dirnen machten, die Reichsverräter waren. Aber in keinem der Freudenhäuser hatte er sie finden können. Danach hatte er sich nach Verwandten erkundigt, aber die lebten weit weg von Lichtstein und kamen deshalb nicht in Frage. Außerdem galten sie als loyal gegenüber der Krone. Geralds Einwand, dass das für Cynthra auch vorher gegolten hatte, schenkte man keinerlei Beachtung. Deshalb widmete er sich seither Händlern, Banditen und Straßenkinder. Die hatten ihm auch die meisten Spuren zu der Schöpferin geliefert, die aber immer vorher weg war. Beinahe so als wäre sie ihm einfach stets einen Schritt voraus. Er war jung und deshalb bedeutete es wohl nichts, aber bisher war ihm kein Schöpfer entkommen und keiner hatte ihn so sehr zum Narren gehalten, dass er darüber nachdachte, aufzugeben! Es war nur noch frustrierend einer Frau nachzujagen, die wahrscheinlich schon lange gestorben war. Langsam glaubte er, dass er eine Frau jagte, die ihr nur sehr ähnlich sah und auf den Straßen aufgewachsen war. Oder ich rede mir das ein, um mir etwas nicht einzugestehen..., dachte der Feurer verbittert, Und zwar, dass sie besser sein könnte als ich es bin. Aufgeben kam nicht in Frage! Nicht nach all der Arbeit und nachdem er sich, trotz seines Alters, solch eine Mission verdient hatte. Deshalb betrat der Dunkelhaarige schon wieder den belebten Marktplatz und sah sich erstmal genau um. Natürlich waren zahlreiche Menschen hier, die verkauften, kauften oder handelten. Manche schienen sich auch einfach nur zu unterhalten. Manche waren von hohem Rang oder hatten zumindest ein angemessenen Reichtum, während andere so arm waren, dass sie wohl nur ausspähten, wo sie sich ein Laib Brot stehlen konnten. Er konnte sie dafür nicht verurteilen, denn wenn man nichts hatte und Niemand etwas gab, was blieb einem dann noch als zu stehlen? Deshalb sah er über diese armen Wesen hinweg und suchte nach vertrauten Gesichtern oder nach Cynthra selbst. Zielstrebig löste sich der Feurer aus seiner Starre und ging zu einem Händler, der sich bisher stets kooperativ und offen gezeigt hatte. Manch einen guten Tipp hatte er von ihm erhalten. Gerald kramte nach dem Steckbrief der Schöpferin, auf der eine sehr detaillierte Zeichnung von ihr drauf war. Zumindest eine, die nun etwa sechs Jahre alt war. Neu genug, wie er hoffte. „Feuer und Asche, guter Mann.“, grüßte er den Händler, der sofort aufblickte, „Ich weiß, dass fragte ich Euch vor ein paar Wochen schon ein Mal, aber habt Ihr zufällig diese Frau gesehen? Es wäre gut, wenn das noch nicht allzu lange her war...“ Gerald hob das Bild des Steckbriefs höher und der Mann sah es sich an, während er die Augenbraue hochzog. Es kam nicht oft vor, dass ein Feurer zwei Mal nach der gleichen Person fragte. Er war froh, dass man durch seine dunkle und eh leicht rote Haut, die schamvolle Errötung nicht sehen konnte. „Ist sie Euch etwa entwischt, Lord Feurer?“, fragte der Händler sehr respektvoll. Er war ein treuer Reichsdiener oder zumindest loyal genug, um Fragen ohne Spenden zu beantworten und sich respektvoll zu zeigen. Das reichte Gerald vollkommen. Fanatische Anhänger waren ihm eher unangenehm, auch wenn viele seiner Art ebenso waren. Fälschlicherweise nannte man sie alle „Feurer“, aber diese Bezeichnung war nur für jene korrekt, die das Gen hatten, Schöpfungen zu erkennen und zu vernichten. Sein Volk hieß eigentlich „Kha’zak“ und laut alter Überlieferungen entstammen sie einer endlosen Wüste aus Sand, drei Sonnen und brennenden Pflanzen. Das mit der Sonne und dem Sand konnte er glauben, denn es würde ihren dunklen Teint erklären, ebenso wie der Teil mit der Wüste, aber an mehrere Sonnen oder einem endlosen Meer aus Sand, konnte er nicht glauben. Wo sollte das auch sein? Wieso waren sie nicht mehr dort, wenn sie trotz brennender Pflanzen überlebt hatten? Sein Vater würde ihn blasphemisch nennen, wenn er noch leben und seine Zweifel kennen würde. Aber er war auch ein närrischer, naiver und nerviger alter Mann gewesen! Gerald war viel skeptischer und glaubte nicht alles, was irgendjemand mal in ein Buch geschrieben oder gemalt hatte. Man lehrte ihn immerhin, dass Schöpfer bedrohlich waren und daraus schloss er, dass Kunstwerke das auch waren. Kunst konnte auch ein Buch sein... „Jemand hat sie offenbar gewarnt.“, knurrte er endlich als Antwort, „Sie war weg als ich ankam.“ „Bedauerlich...“, murmelte der Mann und nahm sich den Steckbrief, um nochmals ihre Züge zu studieren, um sich angestrengt zu erinnern. Der Feurer schüttelte Scham und Schande ab, um sich etwas vorzulehnen: „Sie sieht nun sicherlich abgegriffener, ungepflegter und magerer aus als auf diesem Bild. Das Leben der Straße wird sich auf ihr Puppengesicht ausgewirkt haben.“ Falls sie noch lebt..., hing er gedanklich heran. „Ich bin mir nicht ganz sicher, Lord Feurer...“, gestand der Händler und erst wirkte es so als wollte er doch Gold, damit sich seine Zunge lockerte, „Ich glaube, dass ein Kollege gestern mit ihr gesprochen hat. Sie sah ihr sehr ähnlich, nur eben mit offenen, zotteligen Haaren, dreckig und abgemagert. Ich könnte mich irren...“ „Dem werde ich nachgehen. Wer war es?“ Ohne zu zögern zeigte der Mann auf einen anderen Händler, der drei Stände weiter teure Stoffe verkaufte. Seide, seltene Ledersorten, Pelze und andere Dinge, die Gerald noch nie gesehen hatte. Aber das überschritt auch seine Preisklasse. So lange seine Kleidung stabil war und Bewegungsfreiheit bot, war ihm vollkommen egal, von welchem Tier sie abstammte. Diese Meinung teilte bloß leider der Adel nicht und die Reichen schon gar nicht. „Danke.“, richtete er abwesend an den Verkäufer und legte ihm ein paar Münzen hin. Der Dank seines Informanten ging in einem Rauschen unter als der Kha’zak sich nun durch die Leute drängelte, um zu dem anderen Mann zu gelangen, der ihn vielleicht näher an Cynthra brachte. Vielleicht würde nun endlich die längste Jagd seines Lebens enden! Und die frustrierendste... Wahrscheinlich würden seine Waffenbrüder ihn noch Jahre lang damit aufziehen, dass ein Mädchen ihn an der Nase herum geführt hatte. Bei diesem Gedanken seufzte der Dunkelhaarige und verfluchte sich nochmals, dass er diesen Auftrag angenommen hatte, bevor er sich bei den anderen Feurern Informationen geholt hatte. Das war sein jugendlicher Leichtsinn gewesen! Zumindest wollte er es gerne darauf schieben, aber sein Innerstes sagte ihm, dass da mehr hinter gesteckt hatte als ein nicht zu Ende gedachter Gedanke. „Feuer und Asche.“, sagte Gerald automatisch. Dieser Händler sah weniger freundlich aus als er den Blick hob und sich bei einem potenziellen Kunden entschuldigte. „Was kann ich für Euch tun?“, fragte er schroff, „Wollt Ihr Seide haben, um Euer Leder aufzuwerten?“ Das Glitzern in seinen Augen machte klar, dass das kein Scherz gewesen war, sondern er ihn wirklich runter würdigte. Entweder seiner billigen Kleidung wegen oder wegen dem, was er war. Gerald schluckte seinen Zorn herunter und versuchte eine unberührte Miene aufzusetzen: „Habt Ihr eventuell mal mit dieser Frau gesprochen oder sie zumindest gesehen? Sie würde wohl etwas ausgemergelter und schmutziger aussehen.“ Er starrte auf den Steckbrief und nahm ihn auch entgegen, um Namen und geforderte Optionen durchzulesen, ehe er das Bild der schönen Cynthra musterte. Dann erst gab der Verkäufer es zurück: „Ich weiß nicht. Vielleicht kann man meinem Gedächtnis da etwas nachhelfen...“ Solche Kerle kannte der Feurer zu genüge und er verstand durchaus, was er von ihm für eine einfache Information forderte. Nach seiner Erfahrung reichte ihnen ein paar Münzen nicht und sie wollten für jedes weitere Wort auch mehr Silber haben. Oder Gold... Der Dunkelhaarige nickte dennoch und winkte den Händler mit sich. Er überließ seiner Frau den Stand und folgte dem Krieger dann in eine ruhige Ecke, wo nicht so viele neugierige Augen und Ohren waren. Gerald sah sich dennoch nochmals um und blickte dann zu dem gierigen Grinsen. Sollte er doch kriegen, was er wollte! Oder eher das, was er verdiente... Rasend schnell bewegte sich der Kha’zak auf den Händler zu, packte ihn an der Kehle und drückte ihn mit einem harten Aufprall an die nahe Wand. Dabei zog er mit seiner linken Hand eine seiner Sicheln und hielt sie an die Halsschlagader des Mannes. Die blauen Augen verengten sich dabei eiskalt und berechnend, während sich seine Finger enger schlossen. „Ein Zucken, ein falsches Atmen und Ihr seid tot.“, schnurrte er gefährlich, „War das die Bezahlung, die Ihr Euch erhofft habt, dafür, dass Ihr dem Reich einen guten Dienst leistet?“ „N-Nein...“ „Ich würde Euch diese Bezahlung aber wirklich gerne zukommen lassen, mein Freund.“ „B-Bitte~...!“ Gerald rückte etwas näher an den Mann heran und ritzte ein Mal ganz sanft in den Hals hinein, damit ein paar Tropfen des kostbaren, roten Blutes flossen. Sie berührten nicht nur die Haut, sondern ebenso die Klinge. Von diesem Anblick wurde dem Dunkelhäutigen aber weder schlecht noch schwindelte es ihm. Dennoch atmete er ein Mal tief durch: „Ich werde Euch reich belohnen, wenn Ihr mir sagt, was Ihr wisst und es für Euch behaltet. Warnt Niemanden... Denn die Bezahlung ist Euer Leben. Belügt Ihr mich, sterbt Ihr. Verratet Ihr mich, sterbt Ihr. Redet Ihr darüber, was in dieser Gasse geschah-...“ „Sterbe ich...“ „Kluger Mann.“ Der Feurer löste sowohl seine Hand als auch die Waffe von dem Händler und trat sogar einen Schritt zurück, um ihm Luft zu lassen. Der Mann hingegen griff sich direkt nach seinem Hals als musste er sich vergewissern, dass dort noch alles so war, wie es sein sollte. Gerald unterdrückte ein bösartiges Kichern und verschränkte stattdessen seine Arme und klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Manchmal musste man nicht mit Worten zur Eile drängen. Nicht, wenn man so ein gefährlich wirkender und gut ausgebildeter Mann war, wie er. Der Händler senkte sofort entschuldigend seinen Wimpernkranz: „Ich habe tatsächlich mit ihr gesprochen, Euer Gnaden.“ „Worüber? Und wann?“ „Gestern, Euer Gnaden.“, antwortete er rasch und mit unruhiger Atmung, „Sie wollte wissen, welches Material ich für das Beste bei Leinwänden halte und wieso. Was ich seltsam fand...“ „Was fandet Ihr seltsam?“, fragte Gerald mit Nachdruck, der es nicht mochte, wenn man alles extra aus der Nase ziehen musste. Der Händler druckste und japste nach Luft: „Na ja! Sie ist total abgegriffen, dreckig und abgemagert. Solch eine Frau kann sich eine Leinwand nicht leisten, die so hochwertig ist, wie keine zweite! Warum sich nach etwas erkundigen, was unerreichbar fern ist?“ Vielleicht nicht so fern, wie du denkst..., überlegte der Feurer, Wenn sie wusste, dass er sich ablenken lässt, dann könnte sie die Zeit genutzt haben, um wirklich an das Material zu gelangen. „Wo ist sie nach eurer Unterhaltung hingegangen?“ „Das... weiß ich nicht, Euer Gnaden.“, erwiderte der Mann bibbernd, „Sie verließ meinen Stand und verschwand in der Menge.“ „Hat sie mit noch jemandem gesprochen?“ „Ich habe zumindest nicht gesehen, dass sie das getan hätte.“ Schöpfer zu unterschätzen, war ein fataler Fehler, den man nur ein Mal machte. Gerald hatte dies schon getan und er würde nicht daran zweifeln, dass diese Frau ihrer Sucht folgen konnte, um an alles zu kommen, was sie brauchte. Sie wollte etwas erschaffen und sie wollte, dass es Macht besaß und Bestand. Vielleicht eine Armee, die sich dem König und dem Reich stellen konnte! Er atmete schwerer bei der Vorstellung, dass sie so etwas vielleicht tun würde und tun konnte. Das würde jeden anderen Schöpfer als eine lächerliche Ameise darstellen! Aber er hatte gehört, dass Cynthra in ihrer Amtszeit sehr viele Schöpfungen hervorgebracht hatte, wobei eine besser war als die andere. Kinder für Familien, die keine eigenen bekommen konnten und Soldaten für die Armee. Jede ihrer Schöpfungen hatte bei jedem neuen Versuch etwas länger gehalten. Jemand hatte dem Dunkelhaarigen mal erzählt, dass eines ihrer geschaffenen Kinder über fünf Jahre existiert hatte! Es war eine ihrer letzten Handlungen als Schöpferin des Hofes gewesen. Wozu war solch eine begabte Frau noch fähig? War sie vielleicht wirklich besser als er? „Herr?“, fragte der Händler unbehaglich und erregte wieder seine Aufmerksamkeit, „Ist da noch etwas oder darf ich gehen?“ „Ihr könnt gehen.“, sagte der Feurer und warf ihm ein paar Münzen hin, „Aber denkt daran, was Ihr zu tun habt, damit Ihr weiterhin gehen dürft.“ „Natürlich! Danke sehr, Herr!“ Nachdem der Mann die Münzen aufgesammelt hatte, eilte er sofort aus der Gasse und sagte seiner Frau, dass sie für heute den Stand schlossen. Nichts, was Gerald wirklich interessierte. Auch wenn diese Unterhaltung nicht lukrativ erschien, wusste er nun, wo er die Schöpferin suchen musste. Mit einem Lächeln machte er sich auf den Weg und wappnete sich für einen tiefen Abstieg.   Als der Feurer in die dunklen Abwasserkanäle unter der Stadt herabstieg, fragte er sich wieder, wieso er diesen Auftrag angenommen hatte. Aus Eitelkeit..., beschloss er dabei. Es stank bestialisch und war genauso feucht, wie es dunkel war. Doch von hier aus konnte man zum Marktplatz und das zu jeder erdenklichen Zeit und sich unauffällig fortbewegen. Wenn man etwas stahl, war es möglich, die Waren wegzuschaffen und wieder nach oben zu klettern, um weitere Beute zu erhaschen. Außerdem gab es nur wenige, die hier herunter kamen. Nur, wenn es Probleme gab und dann entfernte man den Grund für die Verstopfung und sah zu, dass man wieder hoch kam. Cynthra würde einen Raum gefunden haben, in dem der Geruch erträglich war und der so leicht zugänglich war, dass es für sie keine Gefahr darstellte, aber so schwer zu entdecken, dass andere Diebe nicht zufällig darüber stolperten. Er erwischte sich dabei, wie er Bewunderung für diesen Überlebenswillen empfand. Doch er verscheuchte den Gedanken sofort wieder. Sie war sein Feind! Aber man hatte ihn auch gelehrt, dass man seine Feinde ehrte... Gerald hatte vor, sie sehr zu ehren, falls sie sich nun begegnen würden. Aus diesem Grund zog er seine beiden Sicheln und umschloss die Handgriffe fest und sicher, während er sich durch den Tunnel bewegte. Sehr leise und vorsichtig. Jeder falsche Schritt und jeder Lärm könnte sie warnen und alles zunichte machen. Dann musste er wieder von Anfang an beginnen. Nichts, worauf der Krieger Lust verspürte, während seine Waffenbrüder sicher Lust verspüren würden, lautstark über ihn zu lachen. Ich werde sie finden oder bei dem Versuch sterben!, dachte er engstirnig. Die Dunkelheit und Feuchtigkeit schien mit den Stunden, in denen er hier unten war, langsam zu seinen Freunden zu werden, was er von dem Gestank nicht behaupten konnte. Am Liebsten wäre er nach oben gegangen und hätte sich Johannes geschnappt, um ihn hier herunter zu werfen. Sollte er doch mal merken, was die Feurer alles für seinesgleichen auf sich nahmen! Sollte er mal eine Nase voll von diesen besonderen Düften inhalieren und die Dunkelheit begrüßen! Lächerliche Gedankenspiele, die er niemals umsetzen würde. Außerdem würde es ihn seinen Kopf kosten, wenn er das mit jemanden täte, der vom Rang so weit über ihm war. Es war so frustrierend hier durch die Gänge zu waten und nach etwas zu suchen, was wahrscheinlich nicht mal da war. Diese Frau war bestimmt schon vor Jahren gestorben! Und wenn nicht, dann nun spätestens an diesen Gerüchen. Er hatte Blut und Verwesung kennen gelernt und war dabei gewesen, wenn Menschen starben, was auch dazu führte, dass Schließmuskeln und Blasen nicht mehr kontrolliert waren. Erbrechen war auch nicht selten oder aber alles auf einen Schlag. Doch das war ein Witz gegen die Kanalisation dieser verdammten Stadt! Gerald nahm sich fest vor, dass wenn er hier lebend wieder heraus kam, dass er einen Beschwerdebrief bei den Ratsmitgliedern einreichen würde. Er würde die Missstände dieses Ortes aufklären und fordern, dass man das alles mal erneuerte und in Zukunft besser pflegte. Irgendwann würden sich die Abfälle und Fäkalien einfach durch den Boden fressen und alles verpesten! Wenn nicht das, dann würde es irgendwann leben und als riesige, wütende Bestie ganz Lichtstein den Erdboden gleich machen. Die Fantasie geht mit mir durch., dachte der Feurer spöttisch, Oder du bekommst Halluzinationen von diesen Dämpfen. Wahnsinn hätte mir noch gefehlt... Doch da war es! Das wortwörtliche Licht am Ende des Tunnels! Ein flackerndes, schwaches Licht, das aus einem Nebenschacht zu kommen schien. Dort kam man nur hin, wenn man eine recht baufällige Leiter hochkletterte, die nicht sehr stabil war. Es war so abgelegen, dass man nicht danach suchen würde und wenn man nicht so planlos war, wie der Schwarzhaarige, dann war es sicherlich auch nicht allzu fern vom Marktplatz. Rasch verstaute er seine Waffen. Wenn er die in den Händen behielt, wenn er dort hochkletterte, dann würde sich der Feurer womöglich noch selbst einen Finger abtrennen! Etwas, worüber seine Waffenbrüder sehr lachen würden. Selbst dann, wenn er ihnen erzählen würde, dass es eine Kampfverletzung war, würde einer der Kha’zaks herausfinden, dass der Winkel der Schnittwunde so lag, dass er sich die Wunde nur selbst zugefügt haben konnte. Dann würde man Gerald so lange belagern bis er die wahre Geschichte erzählte. Und genau diese würde ihm einen sehr peinlichen Spitznamen einbringen, den er nie mehr los würde. Da wäre er nicht der Erste... Aber so weit ließ er es lieber nicht kommen! Er wagte den Aufstieg und behielt dabei die Umgebung im Auge und lauschte darauf, ob sich ihm jemand nährte. Er lauschte, ob irgendwas Verräterisches aus diesem Nebenschacht kam, was ihn zur Vorsicht mahnte, aber da war nur die absolute Stille. Der Feurer zog sich hoch und zog danach direkt seine Sicheln wieder aus den Schutzfuttern, um auf leisen Sohlen flink näher zu kommen. Sein Herz raste richtig! Etwas, was in der Jagd normal war, wenn man seiner Beute zum Greifen nah war. Wenn das Ende nahte... Doch manchmal glaubte er, dass ihn der Herzschlag verraten könnte. Gerald atmete zwei Mal tief durch, dann umschloss er seine Waffen fester und sprang herein. Er hob die Klingen und wollte gerade um sich schlagen als er feststellte, dass niemand hier war. Da war diese Kerze, die so aussah als habe sie erst seit kurzem den Docht entzündet bekommen und hier und da lagen einige nicht sehr hochwertige Leinwände, Pinsel mit billigen Borsten und ein paar zerbrochene Gefäße. Es sieht ein bisschen so aus als wollte sie mir zeigen, dass ich nah dran war, aber eben nicht nah genug., ärgerte sich der Schwarzhaarige bitterlich als er den Raum genauer betrachtete. Hier hatte definitiv Jemand gelebt. Die Lüftungsschächte hatte diese Person sauber gehalten und eine behelfsmäßige Tür geschaffen, die er oder sie davor schieben konnte. Eine staubfreie Fläche sprach dafür, dass dort mal ein paar Decken gelegen hatten, wo der Schlafplatz gewesen war. Eine alte Feuerstelle hatte Wärme, Licht und gekochte Nahrung geliefert. Die Utensilien eines Schöpfers sprachen dafür, dass es ein Abtrünniger gewesen war. Ob Mann oder Frau und ob es Cynthra gewesen war, konnte er aber nicht daran ausmachen. Als sich der Krieger umdrehte, stand dort eine Person. Sofort zog er seine Waffen und wappnete sich für alles, was nun folgen würde. Und er kam sich im selben Augenblick mehr als dumm deshalb vor. Anhand von Kleidung und Haltung war mehr als deutlich, dass dieser Mann nur ein Bettler war und eine Schöpfung war er sowieso nicht. Also senkte er die Waffen wieder und seufzte leise. „Wer seid Ihr?“, fragte Gerald genervt. „Ich heiße Asran.“, antwortete der Bettler erstaunlich gesittet, „Und ich habe eine Botschaft für Euch, Lord Feurer.“ Erstaunt blickte der Dunkelhaarige auf und hatte Schwierigkeiten damit, seinen Mund geschlossen zu halten oder nicht dümmlich drein zu blicken. „Eine Frau sagte mir, dass ich hierher kommen soll und dass irgendwann einer von euch auftauchen würde. Ich hatte das ja nicht ernst genommen! Aber für ein ganzes Laib Brot...“, murmelte der Bettler, „Sie sagte, dass Ihr Eure Zeit verschwendet und Ihr einer Lüge nachrennt. Sie sagt, dass im Schloss nicht alles so sei, wie es scheint und dass jene, die eins Freunde waren, nun Feinde sind. Außerdem sagte sie, dass Ihr der Spur folgen sollt.“ „Der... Der Spur?“ „Ja, Lord Feurer.“, bestätigte Asran, „Der Spur der Farben. Und wenn Ihr der Spur gefolgt seid, dann würde sie sich zu erkennen geben.“ „Ich verstehe nicht.“ „Sie sagte, dass Ihr das nicht tun würdet. Aber sie sagte auch, dass Ihr verstehen würdet, wenn Ihr im Schloss die Augen öffnet und dann endlich der Spur folgt.“ Der Begriff war ihm erst wenige Male untergekommen. „Der Spur folgen“ besagte, dass man allen Schöpfungen eines Schöpfers folgen und ergründen sollte, was sie wie und warum geschaffen hatten. Feurer mussten der Spur folgen, wenn der Verrat eines Schöpfers nicht gewiss war. Dafür gab es aber speziell ausgebildete Kha’zaks, die genau wussten, worauf sie achten und wohin sie gehen mussten. Er war keiner von diesen... Aber er kannte natürlich einige Fährtenleser, wie sie sich selber nannten. Nun war sich Gerald aber nicht sicher, ob sie ihn ablenken und von ihrer Fährte abbringen wollte oder ob es wirklich etwas zu ergründen gab, das im Dunklen lag. Dennoch raffte der Feurer seine Schultern: „Hat sie noch irgendwas gesagt?“ „Ja... Das hat sie wirklich.“, sagte der Bettler erstaunt, „Ihr seid der erste Feurer, mit dem sie den Kontakt sucht, weil Ihr etwas Besonderes seid. Ihr sollt sie nicht enttäuschen...“ Das klang beinahe wie ein Befehl oder der Tadel der eigenen Mutter! Sie würde schon sehen, was sie davon hatte! Vielleicht war sie nicht mehr hier und ihm immer noch voraus, doch mit dieser Botschaft war er ihr einen riesigen Schritt näher gekommen. Vielleicht ist sie doch nicht besser als ich., dachte der Schwarzhaarige triumphal und entschied sich, dass er diesen grauenhaften Ort verlassen konnte.   Cynthra wusste, dass der Bettler ihre Botschaft überbracht haben würde, aber sie wusste nicht, ob der Feurer so klug war, wie sie hoffte. In all den Jahren war ihr Niemand so nah gekommen, wie er und es hatte viele gegeben, die es versucht hatten. Feurer, Söldner und Wachen waren an der Mission gescheitert, sie zu beseitigen. Sie hatte nicht vor, diesen Zustand zu ändern. Nicht jetzt, wo sie endlich an ihre Materialien gekommen war! Es war nicht einfach gewesen, aber indem sie sich mit einigen Bettlern - solchen wie Asran - gut gestellt hatte, hatte sie einige Tricks erlernt und einige mit Essen bestechen können, um eine passende Leinwand zu erhalten und zahlreiche Zutaten für Farben. Auch wunderbare Pinsel mit feinen und groben Borsten. Wenn doch etwas fehlte oder leer werden würde, hatte die Schöpferin nun die Möglichkeit, ihre neuen Freunde zu beauftragen. Immerhin hatte es Jahre gedauert bis sie im Untergrund einen Fuß fassen konnte und das nun zu nutzen, erschien ihr weniger verwerflich. Und es ist notwendig, wenn mir die Feurer unentwegt folgen., grübelte die junge Frau, Johannes ist wirklich hartnäckig. Er wird es niemals sein lassen. Ihr neues Versteck befand sich in einem zerfallenen Gebäude im obersten Stockwerk. Die Wände, Decken und Böden waren schon rissig und es war alles andere als schön, aber es erfüllte seinen Zweck. Es bot eine wirklich schöne Aussicht auf die weite Stadt und es war so eine leblose Umgebung, dass jeder Fremdling, der ein bisschen besser bekleidet war, sofort auffiel. Außerdem handelte es sich um den Hauptsitz der Diebesgilde, die sie unterwandert hatte. Wenn ein Fremder oder sogar ein Feurer sich nährte, würde man sie rechtzeitig warnen und sie würden alle verschwinden als haben sie niemals existiert. Es war egal, wie geschickt sich Gerald durchfragte, er würde immer wieder kurz vor Ende scheitern, weil sie ihn kommen sahen, bevor er sie sah und noch früher würden sie ihn hören. All das spielte für die Schöpferin keine Rolle, die all die teuren Materialien zusammensuchte, die sie nun besaß und sie ordentlich aufreihte. Nun endlich konnte die Langhaarige mit ihrem Meisterwerk beginnen. Es mochte eine graue und tristlose Umgebung sein und ihr Leben hatte ebenso den Glanz verloren, doch das bedeutete nicht, dass sie dem Grau nicht Farbe verleihen konnte. Eine Steppe war eine Steppe bis eine riesige Schlacht darauf tobte. Dann wurde es ein Schlachtfeld, um am Ende ein historischer Platz zu werden. Doch vorher war es nichts gewesen als diese einfache Steppe im Nirgendwo. Hier war alles Grau und es war alles unbedeutend. Doch Cynthra würde diesen Ort zu einem historischen Platz machen und sie würde ihm Farbe und Glanz verleihen. Die Geschichtsbücher würden über sie schreiben und genau hier würde ihre große Geschichte beginnen! Die Geschichte über ihr Meisterwerk und wie sie ganz Lichtheim zum Narren gehalten hatte. Hier würde der Anfang vom Ende sein. Und wenn nicht hier mein Anfang ist, dann mein Ende., schwor sie sich bei Valira und begann in den vielen sauberen Gefäßen zu mischen. Alkohole, Pflanzenextrakte und einige geheime Zutaten, die vor ihr kein anderer Schöpfer genutzt hatte. Doch kein anderer Schöpfer hatte auch jemals so viel Ehrgeiz und Überlebensdrang besäßen. Und nicht mal dann musste es zwingend sein, dass sie schafften, was sie sich vorgenommen hatte. Ich schaffe das oder ich sterbe bei dem Versuch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)