Zeiten des Schreckens von SweeneyLestrange ================================================================================ Prolog: -------- Sommer 1980 Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Vergebens bemühte er sich darum, die Kontrolle zu wahren und das aufkommende Zittern zu unterdrücken. Er befand sich inmitten eines Kreises, den die dunklen Gestalten um ihn herum bildeten. Ihre tiefschwarzen Roben ließen sie mit den Schatten verschmelzen, sodass einzig die silbernen Masken im schummerigen Kerzenlicht aufblitzten. Barty zwang sich, tief Luft zu holen. Er musste sich konzentrieren, er wollte sich würdig zeigen, musste sich würdig zeigen, für das, was ihm bevorstand. Der Kreis brach entzwei. Die silbernen Masken verloren sich in den Schatten der Kapuzen, als die Anhänger des Dunklen Lords ehrerbietig den Kopf neigten und ihren Herr und Meister in ihre Mitte ließen. „Willkommen, meine treuen Todesser“, sprach die kalte Stimme Voldemorts in die Stille hinein. „Willkommen. Die meisten von euch werden den Anlass kennen, der uns heute hier zusammengeführt hat.“ Erwartungsvolles Schweigen antwortete ihm. „Heute“, fuhr Voldemort fort, „wird uns die Freude zuteil, ein weiteres Mitglied in unseren engen Reihen begrüßen zu dürfen.“ Barty erschauerte. Sein Herzschlag schien im doppelten Tempo zu schlagen, das Blut rauschte ihm in den Ohren. Dennoch hielt er den Blick ehrfürchtig gesenkt. Aus dem Augenwinkel verfolgte er, wie der Dunkle Lord ruhigen Schrittes die Reihe seiner treuesten Anhänger entlang ging. „Ihr alle wisst, dass nur den wenigsten die Ehre vergönnt ist, in eurer Reihe zu stehen. Ihr, die ihr mir die wertvollsten Dienste verrichtet…“ Voldemort hatte innegehalten. Barty spürte, wie sich die Aufmerksamkeit seines Herrn auf ihn richtete. „Vor euch befindet sich jemand weiteres, der in den vergangenen Monaten mehrmals seine Treue und sich uns somit als würdig bewiesen hat.“ Der Dunkle Lord war vor dem knienden Jungen stehen geblieben. Mehr als zwanzig Augenpaare hatten sich auf die beiden Gestalten in ihrer Mitte gerichtet und verfolgten den Beginn eines Rituals, das sie selbst bereits hinter sich gebracht hatten. „Bartemius Crouch Junior“, sprach Lord Voldemort den Namen seines jüngsten Anhängers, „bist du bereit, dich mir bedingungslos anzuschließen, im Kampf gegen die Schlammblüter und Blutsverräter?“ „Ja, mein Herr.“ „Und wirst du mir, Lord Voldemort, deinem Herr und Meister, unabdingbare Treue schwören?“ „Ja, mein Herr.“ Bartys Stimme bebte vor Anspannung. Traum und Realität schienen ineinander zu fließen. Vergeblich bemühte sich sein Verstand zu erfassen, was vor sich ging, als Barty mit traumwandlerischer Sicherheit nach dem linken Ärmel seiner festlichen Robe griff und ihn nach oben schob. Der blasse Unterarm, der darunter hervorkam, schien merkwürdig nackt. Dann wagte er es aufzusehen. Sein ehrerbietiger Blick traf flüchtig auf die roten stechenden Augen Lord Voldemorts. Irgendwo glaubte Barty etwas Fremdartiges in einem Winkel seiner Gedanken zu spüren. Doch das sollte ihm recht sein. Wenn er musste, würde er sein Innerstes nach außen kehren, um seine Treue zu beweisen. Gebannt verfolgte er schließlich, wie sein Dunkler Lord den Zauberstab hob. Barty hielt den Atem an, wild entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. Demütig das Mal entgegenzunehmen und sich seiner kommenden Position gerecht zu verhalten. Ein erstickter Laut entfuhr ihm. Glühender Schmerz fraß sich einen Weg in seinen entblößten Unterarm und lockte einen Schrei hervor, der gehört werden wollte. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte Barty dagegen an. Stattdessen versuchte er sich auf den flammenden Strahl zu konzentrieren, der aus der weißen Zauberstabspitze des Dunklen Lords drang und sich in verschlungenen Windungen in seine nackte Haut fraß. Barty starrte auf die purpurnen Flammen, die immer dunkler wurden. Der Schmerz wuchs und er hörte wie ein Schrei seine Lippen verließ. Plötzlich war alles wieder vorbei. Das Licht erloschen, das Brennen verklungen. Zurückgeblieben war ein pechschwarzer Totenkopf, aus dessen Mundöffnung sich eine Schlange wand. Das Dunkle Mal. „Willkommen“, sprach die kalte Stimme seines Meisters feierlich. „Willkommen, Bartemius Crouch Junior, in meinen Reihen.“ Beinahe ungläubig lauschte Barty diesen lang ersehnten Worten und starrte auf das frisch eingebrannte Zeichen. In irgendeinem versteckten Winkel seines Verstandes bemerkte er die unbändige Euphorie, die über ihn hereinbrach. Ihm schwindelte, als er sich erhob. Es war wie ein Rausch, ein gar köstliches Gefühl und es kostete ihn alle erdenkliche Willenskraft, sich in Zurückhaltung zu üben. „Mein Herr“, sprach er und verneigte sich tief. „Es ist mir eine Freude, in Euren Diensten stehen zu dürfen.“ Und dann sah er auf. In seinen Augen funkelte das wilde Glück, das ihn erfüllte, und seine Mundwinkel umspielte ein triumphierendes Grinsen, als er seinen Platz in der Reihe von Lord Voldemorts treuesten Dienern einnahm. Kapitel 1: Einweisung --------------------- Bartemius Crouch Senior saß an einem wuchtigen Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und war damit beschäftigt, die Formulare auszufüllen, die sich vor ihm stapelten. Ihm gegenüber stand sein Sohn. Schweigend sah dieser zu seinem Vater und hasste sich für die Angst, die ihn Zeit seines Lebens seiner Stimme beraubt hatte, wenn er unangenehme Dinge im Beisein seines Vaters ansprechen musste. Nachdenklich folgten seine Augen der Feder, die nur so über das Pergament zu fliegen schien, während er Mut sammelte. „Vater“, sagte er schließlich. „Es gibt noch etwas anderes, das ich ansprechen wollte.“ Mr Crouch machte sich nicht die Mühe aufzusehen. Er machte sich nicht einmal die Mühe, in seiner Arbeit innezuhalten. Einzig ein Brummen gab Barty zu verstehen, dass er weitersprechen sollte. „Ich hatte überlegt, mir eine Wohnung in London zu suchen. So wäre ich näher am Arbeitsplatz…“ …und hätte mehr Möglichkeiten, mich mit den anderen zu treffen, fügte er in Gedanken hinzu. Das Kratzen des Federkiels erfüllte die eingetretene Stille, in der Bartys Worte langsam ihre Bedeutung entfalteten. Plötzlich sah Mr Crouch auf. „Kommt nicht in Frage!“ „Aber, Vater, ich-“ „Es gibt keinen Grund, warum du nach London ziehen solltest. Hier bist du am sichersten. Also mach dich nicht lächerlich.“ Barty fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Wut brodelte in ihm auf und es kostete ihn größte Beherrschung, seinen Vater nicht hasserfüllt anzufunkeln. „Aber ich möchte anfangen, mir ein eigenes Leben aufzubauen. Ich…“ „Hast du mir nicht zugehört?“, donnerte sein Vater. „Ich sagte nein!“ Trotzig erwiderte Barty den Blick Mr Crouchs, dessen Augen hervorzuquellen begannen — ein sicheres Zeichen, dass es nicht mehr lange bis zu einem Wutanfall dauern konnte. Doch das war Barty in dem Moment egal. „Warum?“, stieß er heftig hervor. „Warum kann ich mir nicht einfach mein eigenes Leben aufbauen? Ich bin gut, ich bin richtig gut. Ich kann mich verteidigen.“ „Du bist lange noch nicht gut genug“, knurrte Crouch. „Ich will nicht, dass irgendwelche Todesser meinem törichten Sohn auflauern und ihn womöglich noch unter den Imperius-Fluch stellen.“ Barty wollte gerade erwidern, dass es dazu nicht kommen würde, da fuhr sein Vater bereits fort: „Ich habe dir eine wichtige Stelle gegeben. Du hast Zugriff auf Informationen, die sehr wertvoll für dieses abscheuliche Pack sind. Es wäre leichtsinnig, dich ihnen so auszuliefern.“ Für einen ganz kurzen Moment war Wärme in ihn gekrochen. Wärme, die sofort wieder erstarb, als sich Barty den eigennützigen Hintergedanken seines Vaters ins Gedächtnis rief. Ja, er hatte eine gute Position im Ministerium erhalten. Das jedoch nur weil sein Vater niemandem mehr über den Weg traute und glaubte, dass er in ihm einen willenlosen Untergebenen hatte, der voll und ganz nach seiner Pfeife tanzte. Ausdruckslos sah Barty zu seinem Vater und senkte den Kopf. „Entschuldige“, sagte er darum bemüht, seine Stimme reuevoll klingen zu lassen. „Du hast recht. Ich habe nicht nachgedacht.“ Mr Crouch nickte nur kalt und widmete sich wieder den Pergamentrollen, die seinen Arbeitsplatz überfüllten. Nachdem sich die Angelegenheit geklärt hatte, war Barty Luft für ihn. Verdrossen verließ Barty das Zimmer seines Vaters, wobei er mit Mühe den Drang unterdrückte, die Tür hinter sich zuzuknallen. Stattdessen lief er mit zusammengebissenen Zähnen und geballten Fäusten den Flur entlang und wünschte diesem Mistkerl die schrecklichsten Dinge an den Hals. Die Gewissheit, dass er eines Tages Rache nehmen konnte, schenkte ihm in diesem Moment wenig Beruhigung. „Barty?“, ertönte da die Stimme seiner Mutter. Barty hielt zögernd inne. Er befand sich im kalten Foyer und hatte gerade die große Treppe hinaufgehen wollen, um sich in sein Zimmer zurückzuziehen. Seine Mutter trat aus dem Flur hervor und näherte sich ihm vorsichtig. Er bewegte sich nicht vom Fleck; er hatte ihr den Rücken zugekehrt, während sein Blick zur Haustür wanderte. „Sei deinem Vater nicht böse.“ Schnaubend fuhr er herum. „Lass mich in Ruhe!“, sagte er kalt und lief wütend weiter. Er hätte gar nicht erst stehen bleiben sollen. Was wusste seine Mutter denn schon? „Warte, Barty!“ Das Klappern von Mrs Crouchs Absätzen erfüllte das Haus, als sie hastig ihrem Sohn hinterher lief. Im letzten Moment hielt Barty sich davon ab, seine Zimmertür vor der Nase seiner Mutter zuschlagen zu lassen. „Was ist?“, fuhr er sie gereizt an, während er so tat, als wäre er mit den Pergamenten auf seinem Schreibtisch beschäftigt. „Barty, hör mir zu, es ist meine Schuld. Ich habe mit deinem Vater über deine Pläne gesprochen.“ Barty horchte auf. Alles in ihm versteifte sich. „Ich habe mir Sorgen gemacht, dass das Ganze vielleicht etwas übereilt ist“, sagte sie. „Es sind schreckliche Zeiten. Und wie dein Vater sagt, bist du ein perfektes Angriffsziel für die Todesser. Dein Vater und ich sind uns deshalb einig, dass es das Beste für dich ist, wenn du noch eine Weile hier wohnst.“ „Glaubst du wirklich, dass die Todesser nicht auch andere Wege finden würden, um an mich heranzukommen?“, fragte Barty und konnte nicht verhindern, dass sich etwas von dem Spott, den er für das lächerliche Verhalten seiner Mutter empfand, in seine Stimme schlich. „Außerdem kann ich mich gut selbst verteidigen.“ „Das weiß ich doch, aber alles, was dir auch nur ein bisschen mehr Schutz gewähren könnte, solltest du in Anspruch nehmen.“ Seine Mutter klang mit einem Mal flehentlich. „Bitte, sei nicht leichtsinnig. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt.“ Ihre Stimme brach, was Barty dazu veranlasste aufzusehen. Der Anblick seiner zierlichen Mutter, die vergebens versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie besorgt sie um ihn war, berührte etwas in ihm. Er spürte, wie sein Zorn schwand, obwohl er stur versuchte daran festzuhalten. „Der Krieg wird immer schlimmer … Ich möchte dich nur beschützen können.“ Barty ließ von seiner vorgespielten Tätigkeit ab. Wie von selbst setzte er einen Fuß vor den anderen und nahm seine Mutter in den Arm. „Ich weiß“, sagte er langsam. „Und ich werde gut auf mich aufpassen, das verspreche ich dir.“ Vorsichtig löste sie sich wieder von ihm. Ihre grauen Augen schimmerten verdächtig feucht, während sie ihn mit einem schwachen Lächeln ansah. „Tu es für mich, ja?“ „In Ordnung“, murmelte Barty und wandte sich wieder ab. Was hatte er auch für eine andere Wahl? ~*~ „Ignorier doch einfach den alten Knacker“, meinte Rabastan achselzuckend, als er und Barty wenig später durch die Winkelgasse schlenderten. Nichts erinnerte mehr an die einst so bunte und belebte Einkaufsstraße. Viele Geschäfte waren geschlossen. Die dicken Holzbretter, mit denen die Fenster vernagelt waren, kündeten von tragischen Schicksalen, die die Geschäftsbesitzer nur allzu wahrscheinlich ereilt hatten. Überall lagen alte Flugzettel mit Sicherheitshinweisen des Zaubererministeriums verteilt und verrotten dahin; niemand machte sich die Mühe, für Sauberkeit zu sorgen. Nicht wenn sich ohnehin kaum eine Menschenseele auf die Straße hinaus traute. „Das kann ich nicht“, antwortete Barty frustriert. „Noch nicht“, fügte er grimmig hinzu. „Ich muss nach seiner Pfeife tanzen, sonst kommt Verdacht auf.“ „Dann beschwer dich nicht“, entgegnete Rabastan leichthin. Verärgert vergrub Barty die Hände in den Taschen seines Umhangs. Rabastan hatte leicht Reden! Seine Familie hatte von Anfang an mit den Idealen des Dunklen Lords sympathisiert. Er musste sich nicht mit einem Fanatiker herumschlagen, der den eigenen Sohn unter totaler Kontrolle haben wollte. „Es ist nur so ungerecht“, stieß Barty hervor. „Ich kann machen, was ich will; er würde mir nie zuhören, geschweige denn einen Gefallen tun. Ich will endlich tun können, was ich will!“ „Sieh es mal so, im Moment verarschst du den Alten nach Strich und Faden und leistest dem Dunklen Lord gute Dienste“, wandte Rabastan ein und bog in die Nokturngasse. „Eigentlich willst du doch genau das machen.“ „Schon“, stimmte Barty dem Älteren widerwillig zu. „Na also.“ Rabastan grinste. „Der Rest kommt noch. Du solltest einfach nicht so ungeduldig sein.“ Sie hatten ein unscheinbares Geschäft erreicht, das sich tief in die Schatten der anderen Häuser geduckt hatte. Ein leises Bimmeln ertönte, als sie die Ladentür aufstießen. Durch die dreckigen Fenster fiel nur wenig Licht in das vollgestellte Innere und machte aus vielen der unheimlichen Gegenstände gefährliche Stolperfallen. „Ah die beiden Herren sind gekommen“, ertönte eine kratzige Stimme und ein dürrer Zauberer trat hervor. Barty neigte unwillkürlich den Kopf, sodass sein Gesicht noch weiter unter seiner Kapuze verschwand. Er hatte zwar sein Äußeres verändert, doch fühlte er sich so sicherer. Die wenigsten durften von seiner geheimen Existenz als Todesser erfahren. „Ja, da sind wir“, übernahm Rabastan das Wort. Dann zog er seinen linken Ärmel hoch und zeigte das Dunkle Mal. „Wir sollten keine Zeit verlieren.“ Der Zauberer, bei dem es sich um den Geschäftsführer Wilf Stroud handelte, nickte und bedeutete den beiden, ihm zu folgen. Sein Blick huschte flüchtig zu Barty, doch wusste er es besser, als den Unbekannten neugierig in Augenschein zu nehmen. Sie betraten ein kleines, staubiges Hinterzimmer, das in einen geräumigen Keller führte. Rabastan murmelte leise unverständliche Worte und zog anschließend ein kleines Gerät hervor, dessen Zeiger schwerfällig tickte. „Traust uns nicht, was?“, ertönte plötzlich eine kehlige Stimme. „Sicher ist sicher“, entgegnete Rabastan, während er zufrieden das faustgroße Gerät verstaute. Barty wusste, dass er damit sämtliche Überwachungszauber kontrollieren konnte, die auf diesem Raum lagen. Und wie es schien, waren sie dort unten vor jedem unwillkommenen Zuhörer sicher. „Also nimm’s mir nicht übel, dass ich unsere Schutzvorrichtung selbst noch mal gecheckt habe“, fuhr Rabastan fort und trat weiter in den Keller hinein. Schwere Kisten sowie allerlei kuriose Gegenstände waren achtlos an die Seite geschoben worden, um in der Mitte des Raums für einen hölzernen Tisch Platz zu schaffen. Zwei Gestalten saßen bereits dort, von der sich eine erhob und nun auf Rabastan zuschritt. „Besser ist’s wohl“, brummte Antonin Dolohow und klopfte Rabastan grüßend auf die Schulter. Dann wanderte sein Blick zu Barty. Ein abschätziges Lächeln erschien in dem langen Gesicht, das merkwürdig verzerrt wirkte, und er nickte dem jungen Todesser nach einer kleinen Pause knapp zu. „Ich werde die Herrschaften nun in Ruhe lassen“, erklärte der dürre Zauberer. „Wenn’s was Verdächtiges gibt, sagst du sofort bescheid, ansonsten läuft alles wie gehabt, verstanden?“ Wilf Stroud nickte ehrerbietig. „Gut, dann geh!“, befahl Dolohow und sah zu, wie die dürre Gestalt die Treppe hinauf verschwand. Mit einem lässigen Wink seines Zauberstabs verschloss er die Tür und wandte sich anschließend wieder an Barty. „Nette Verkleidung“, grinste er. Barty schnaubte verdrossen. „Reine Vorsichtsmaßnahme“, entgegnete er, wobei er die störende Kapuze endlich absetzte. Statt seines strohblonden Haars quollen dunkelbraune Locken hervor, die ihm unordentlich in das blasse Gesicht fielen. Er hatte dafür gesorgt, dass seine Sommersprossen verschwunden waren und seine normalerweise gerade Nase größer und knubbeliger aussah. Dunkle Bartstoppeln vervollständigten seine Tarnung. „Das ist wirklich eine außergewöhnlich gelungene Verkleidung“, meldete sich da die vierte Person im Raum. „Hätte nicht gedacht, dass ich hier Crouchs Sohn vor mir stehen hab.“ Barty spähte an Dolohow vorbei und erkannte ein vertrautes pockennarbiges Gesicht im schwachen Kerzenschein. „Rookwood?“, flüsterte er und schaffte es nicht ganz, sein Erstaunen zu verbergen. „Tja“, lächelte Rookwood. „Nicht jeder ist das, was er zu sein scheint“, und zwinkerte Barty zu. Noch immer verblüfft darüber, einen Unaussprechlichen der Mysteriumsabteilung vor sich sitzen zu haben, tat es Barty Rabastan und Dolohow gleich und nahm an dem Tisch Platz. Dabei konnte er nicht den Blick von Rookwood abwenden. Wie hatte ihm nie auffallen können, dass es sich bei ihm um einen Todesser handelte? Er war ihm schon unzählige Male auf irgendwelchen Feierlichkeiten des Ministeriums begegnet. Und trotzdem hatte er ihn auf den wenigen Anlässen des Dunklen Lords nie bemerkt. „Kommen wir zur eigentlichen Sache“, begann Dolohow unwirsch und hatte damit wieder Bartys Aufmerksamkeit auf sich gezogen. „Mit deiner neuen Stellung im Ministerium haben wir eine weitere wichtige Informationsquelle gewonnen. Der Dunkle Lord wünscht, dass du dich deswegen bedeckt hältst und fürs erste nur Informationen in unmittelbarer Reichweite beschaffst, verstanden?“ Für einen Augenblick spürte Barty einen Stich; zu gerne hätte er diese Anweisung von seinem Herr und Meister persönlich gehört. Doch wer war er, dass er sich das verdient hatte? Nein, er würde weiterhin hart arbeiten müssen, um sich der Aufmerksamkeit des Dunklen Lords gewiss zu sein. Entschlossen nickte Barty. „Ich habe verstanden.“ „Ich werde es so einrichten, dass wir uns im Ministerium das ein oder andere Mal über den Weg laufen. Alles Wichtige kannst du mir dann übermitteln“, fuhr Rookwood fort. „Du befindest dich auf einer gefährlichen Position, da wir bisher niemanden in die Strafabteilung einschleusen konnten - bis jetzt.“ Ein Grinsen breitete sich in Bartys Gesicht aus. „In den anderen Abteilungen kannst du damit rechnen, dass wir Verbündete haben.“ Rookwood fuhr fort zu erklären, wer sich bisher unter dem Imperius-Fluch befand und wer bereits auf deren Seite stand. „Es ist trotzdem wichtig, dass du keinen Verdacht erregst. Die wenigsten sollten von deiner Identität erfahren, deshalb wird Rookwood deine einzige Kontaktperson sein“, mischte sich Dolohow ein. Wieder nickte Barty ernst. Er spürte, wie sich Aufregung in seiner Magengegend rührte. Endlich hatte er die Möglichkeit bekommen, seine Künste voll und ganz in den Dienst des Dunklen Lords zu stellen! „Ansonsten werden wir uns regelmäßig treffen, wenn dein alter Herr das zulässt“, ergänzte Rabastan der Form halber. „Treffpunkt ist entweder das Anwesen meines lieben Bruders oder hier. Wilf wird uns keine Probleme machen, dafür haben wir gesorgt.“ „In Ordnung.“ Es kostete Barty Mühe, seine aufkommende Freude so weit zu unterdrücken, dass er weiterhin einen gewissenhaften Eindruck machte. Viel zu lange hatte er diesen Moment herbeigesehnt, in dem er voll und ganz in die Machenschaften der Todesser involviert sein würde. Und nun war er endlich gekommen! Aufmerksam verfolgte er die weiteren Pläne, die Dolohow ihnen vorlegte. Es war von einem Angriff auf ein Muggeldorf die Rede, den Dolohow und Mulciber leiten würden. Rabastan sollte mit Rodolphus und Bellatrix in der Zeit mögliche Auroren ablenken, die kommen könnten. Barty spürte, wie Enttäuschung in ihm aufwallte. Zu gerne wäre er bei so etwas dabei, doch das würde warten müssen. Ihm standen andere Aufgaben bevor. Nachdem alles besprochen worden war, machte sich Rookwood als Erster auf den Weg zurück. Wenig später folgte ihm Dolohow, womit Barty und Rabastan allein in dem Keller blieben. Sie hatten noch gut zehn Minuten Zeit, bis sie wieder hinaus auf die Straßen gehen konnten, alles andere hätte für einen eventuellen Beobachter verdächtig ausgesehen. „Ach ja, ich soll dir von Bella ausrichten, dass du sobald wie möglich mal vorbei schauen sollst“, sagte Rabastan auf einmal in die Stille hinein. Überrascht sah Barty auf. „Warum?“, rutschte es ihm heraus. „Hat irgendwas mit deiner neuen Aufgabe zu tun. Ich glaube, es geht um Okklumentik — zumindest scheinst du das nicht gerade zu beherrschen.“ „Ich hatte bisher auch keine Gelegenheit, das vernünftig zu lernen“, murmelte Barty zu seiner Verteidigung. Rabastan grinste. „Glaub mir, es gibt nicht viele, die das wirklich können oder davon wissen. In deiner Position wär’s nur ganz gut, wenn du’s beherrschst … Kann mir denken, dass du im Moment noch wie’n Buch zu lesen bist — sonst hättest du mehr Probleme gehabt, in unseren engen Kreis zu kommen.“ Barty spürte eine heiße Welle in sein Gesicht schießen. Rabastan hatte recht. Er hatte kein Geheimnis daraus gemacht, wie viel ihm daran lag, dem Dunklen Lord zu dienen und dass er ganz und gar nicht nach seinem Vater, diesem Blutsverräter, kam. „Das war ja dann gut so, oder?“, erwiderte er schließlich patzig. „So weiß der Dunkle Lord immerhin, dass ich mit den besten Absichten in seine Dienste getreten bin.“ Rabastan lächelte amüsiert. „Deine feinen Noten, die du in Hogwarts bekommen hast, werden dir in der Realität nicht weiterhelfen. Das solltest du dir hinter die Ohren schreiben.“ Barty schnaubte nur und wandte den Blick ab. Er wollte nicht zugeben, wie wenig er die Wahrheit akzeptieren wollte: Ihm fehlte es nach wie vor an Übung und Erfahrung. Die beiden Todesser verfielen in Schweigen. Angespannt starrte Barty ins Leere, während in seinen Augen wilde Entschlossenheit loderte, seinen guten Schulleistungen gerecht zu werden. Rabastan indessen hatte gelangweilt die Füße auf den Tisch gelegt und kippelte mit seinem Stuhl, während er darauf wartete, dass sie endlich aus diesem Loch gehen konnten. Plötzlich trat ein hinterhältiges Grinsen in sein Gesicht und ehe Barty es sich versah, hing er kopfüber in der Luft. „Was soll das?“ Aufgebracht funkelte er Rabastan an, der nach wie vor in dem Stuhl lümmelte und nun ein süffisantes Lächeln im Gesicht trug. „Ich helfe dir“, erklärte er und befreite Barty von dem Fluch. „Du solltest wachsamer sein. Außerdem lassen deine Reflexe wirklich zu wünschen übrig.“ „Ach ja? Wenn ich gew-“ „Nichts da! Stell dir mal vor Auroren wären hereingekommen, was hättest du dann gemacht?“ Barty verstummte. „Dann wäre ich vorgewarnt gewesen“, sagte er leise. „Wirklich?“ „Nein“, gab Barty widerwillig zu. Wenn sie vorher die Überwachungszauber entkräftet hätten und mit einem Fluch hereingeplatzt wären, der ihre Geräusche verschluckt hätte, dann wäre er nicht vorgewarnt gewesen. Aber trotzdem … Er hatte wenig Lust, sich in diesem Augenblick von Rabastan vorführen zu lassen. Sie beide wussten, wie unwahrscheinlich dieser Fall gewesen wäre. Keiner von ihnen wäre darauf vorbereitet gewesen; dafür fühlten sie sich zu sicher. Konzentriert holte Barty Luft, wobei er immer noch vorgab, darüber zerknirscht zu sein, dass Rabastan ihn bei seiner Nachlässigkeit ertappt hatte. „Gut, dann hast du heute wieder etwas Wichtiges gelernt. Was dich freuen müsste, du lernst doch so gerne“, fuhr Rabastan grinsend fort. Doch seine Selbstgefälligkeit erstarb augenblicklich, als er bemerkte, dass er sich nicht mehr fortbewegen konnte. „Trolldreck!“, fluchte er. Finster sah er zu Barty, der ihm nur feixend zulächelte. „Dann haben wir heute beide eine wichtige Lektion gelernt“, bemerkte er und hob seinen Beinklammerfluch wieder auf. Rabastan brummelte etwas, während er verstimmt die Uhrzeit prüfte. „Scheint, als könnten wir uns endlich von hier verdrücken“, meinte er und marschierte zur Treppe, ohne Barty noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Eilig folgte dieser ihm. „Tut mir Leid“, brachte er schließlich auf der verlassenen Nokturngasse heraus. Überrascht wandte sich Rabastan um. „Na ja, es tut mir Leid, dass ich dir deine Unvorsichtigkeit vorführen konnte“, erklärte Barty, „ich hätte gedacht, du wärst gegen so einen harmlosen Fluch gewappnet.“ „Werd bloß nicht frech!“, rief Rabastan und machte Anstalten, Barty am Schlafittchen zu packen. Doch dieser konnte ihm so gerade eben noch ausweichen. „Einigen wir uns auf ein Unentschieden“, sagte Barty. „Unentschieden?“ Rabastan musste lachen. „Junge, du bist mir völlig unterlegen, wenn ich’s ernst meinen würde.“ Herausfordern sah Barty den Älteren an. „Vielleicht“, meinte er. „Aber ich werde dich schlagen. Das schwöre ich bei Merlins Unterhosen!“ „Was soll das denn wert sein?“ „Gut, dann schwöre ich das so, wie ich mir geschworen habe, dem armseligen Leben meines Vaters ein Ende zu bereiten“, erklärte Barty auf einmal todernst. Dann lächelte er. „Besser?“ Für einen kurzen Moment fühlte sich Rabastan an Bellatrix erinnert, als er Barty ansah und den Anflug von Wahnsinn bemerkte, der sich in dessen Züge genistet hatte. „Besser“, bestätigte er jedoch nur mit einem schiefen Lächeln. „Aber glaub mal nicht, dass ich’s dir leicht machen werde.“ Kapitel 2: Eine folgenschwere Entdeckung ---------------------------------------- Er war wieder acht Jahre alt. Er erinnerte sich an die tiefe Angst, die in ihm saß, und nie ganz aus seinen Gliedern gewichen war. Der Sturm war losgebrochen. Unaufhaltsam und zerstörerisch fiel er über ihn her. Barty wusste, dass es zwecklos war, die Augen zu schließen oder die Hände auf die Ohren zu legen, denn das würde alles nur noch schlimmer machen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Furcht zu ertragen und dem Ungeheuer entgegen zu blicken. Er musste zuhören, er musste lernen, damit er diesem Sturm beim nächsten Mal gewachsen sein würde. Mit einem Schrei riss sich Barty los. Bellatrix stand vor ihm und obwohl in ihren Augen der Hohn glitzerte, sagte sie nichts. Sie beließ es bei einem amüsierten Lächeln, von dem Barty nicht sagen konnte, ob es besser oder gar schlimmer war, als der spöttische Kommentar, den er erwartet hatte. Es nutzte jedoch nicht, darüber zu grübeln. Es gab Wichtigeres, mit dem er sich auseinandersetzen musste. Barty schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Irgendwo entfernt in seinen Gedanken konnte er noch immer das Donnern des Sturms hören. Aber davon durfte er sich nicht ablenken lassen! Eilig schob er die aufkommenden Erinnerungsfetzen beiseite, bis er glaubte, seinen Kopf frei von irgendwelchen unnützen Gedanken gemacht zu haben. Entschlossen sah er auf. „Legilimens“, flüsterte Bellatrix. Nichts. Barty spürte, dass er Erfolg hatte. Ein Blick in Bellatrix’ unzufriedene Miene bestätigte es ihm und verzog seine Lippen zu einem triumphierenden Lächeln. Er wurde immer besser. „Gut“, sagte Bellatrix knapp. „Ich glaube, das reicht für heute.“ Damit wandte sie sich von ihrem Schüler ab und ließ sich hoch erhobenen Hauptes auf dem ledernen Sofa nieder, das in dem großen Wohnzimmer der Familie Lestrange stand. Unter schweren Lidern beobachtete sie, wie Barty ihr gegenüber Platz nahm. Crouchs kleiner Sohnemann. Ruhig, blass, unscheinbar und dennoch wusste sie, dass in ihm der Wille loderte, alles für den Dunklen Lord zu tun — koste es, was es wollte. „Nächste Woche holen wir Severus dazu, der müsste dir noch ein paar Tricks zeigen können“, bestimmte Bellatrix knapp. Barty unterdrückte das freudige Grinsen, das in seinen Mundwinkeln kitzelte und konzentrierte sich stattdessen auf den Gedanken an Snape. Severus Snape. Unwillkürlich verzog er das Gesicht, als er an den ungepflegten Schüler dachte, der ihm schon während seiner Schulzeit suspekt erschienen war. „Muss ich dann zu Snape?“, rutschte es aus ihm heraus, ehe er sich zurückhalten konnte. „Ich denke nicht“, sagte Bellatrix. „Wir sollten abwarten, wo die nächsten Treffen sind und welche Aufgaben wir zu erfüllen haben.“ Schweigend nickte Barty. Aufgaben… Obwohl er seit mehreren Wochen im Besitz des Dunklen Mals war, hatte er sich noch nicht sehr nützlich machen können. Die meisten Informationen aus dem Ministerium erlangte der Dunkle Lord über Rookwood, er selbst konnte allenfalls Details beisteuern; nichts jedoch von großem Wert. Die anderen Todesser hingegen befanden sich auf Missionen, erhielten Befehle von ihrem Herr und Meister persönlich und bereinigten die Welt von dreckigen Blutsverrätern. Wann würde er endlich an der Reihe sein? „Du treibst dich ja immer noch hier rum.“ Rodolphus war eingetreten und riss Barty wieder aus seinen Gedanken. „Jeder Grund, nicht nach Hause zu müssen, ist ein guter Grund“, entgegnete Barty. „Rabastan hatte erzählt, dass das mit der Wohnung nicht geklappt hat.“ „Jaah, sei viel zu gefährlich“, wiederholte Barty die Worte seines Vaters und zog sie verächtlich in die Länge. „Mir könnten ja böse Todesser auflauern.“ Bellatrix lachte und Rodolphus’ Mundwinkel verzogen sich spöttisch. „Das wär wirklich bedauerlich.“ Barty zuckte mit den Achseln. „Tja, wenn der Mistkerl wüsste…“ „Lucius hat mir vorhin eine Nachricht zukommen lassen, dass für nächste Woche ein Treffen angesetzt ist“, sagte Rodolphus auf einmal. Sein Tonfall war hart und ernst geworden. „Du könntest bis dahin herausfinden, wie weit die Schwachköpfe im Ministerium mit den Ermittlungen sind.“ „Bisher gab es zwei Tobsuchtsanfälle und einen Verdächtigen. Nichts von Bedeutung. Die Muggel glauben an einen höchstgefährlichen Brandstifter und das Ministerium hat einen Peter Underwood inhaftiert.“ „Gut, Rookwood hat ähnliches berichtet.“ Rodolphus hatte neben Bellatrix Platz genommen, die Arme lässig auf die Lehne des Sofas gelegt. „Sowie es etwas Neues gibt, erzählst du es mir, verstanden?“ „Ja, Sir.“ Zu spät fiel Barty auf, dass er versehentlich in Konventionen des Ministeriums gefallen war. Rodolphus zog jedoch bloß belustigt eine Augenbraue in die Höhe. „Sieh zu, dass du keine Scheiße baust und dich verrätst“, war alles, was er dazu sagte. „Werde ich nicht“, erklärte Barty entschlossen. „Zumindest nicht durch Okklumentik, wenn du so weiter machst“, warf Bellatrix ein. „Aber pass auf, dass du dich nicht verplapperst. Was für eine Schande das wäre…“ „Das wird nicht passieren!“, erwiderte Barty heftig. „Ich würde nie den Dunklen Lord enttäuschen!“ Er hatte gar nicht gemerkt, wie er aufgesprungen war. Doch da stand er plötzlich vor Rodolphus und Bellatrix Lestrange, ein inbrünstiger Ausdruck von Treue. „Das wollen wir doch alle hoffen“, entgegnete Bellatrix und erhob sich ebenfalls. Anmutig umrundete sie den kleinen Sofatisch, der zwischen ihr und dem jungen Zauberer stand und flüsterte ihm ins Ohr: „Nicht dass Papis missverstandener Sohn auf einmal anfängt zu singen.“ Bartys Augen weiteten sich. Bellatrix bloße Andeutung an ein doppeltes Spiel, das er gegen sie führen könnte, entfachte Zorn in ihm. „Du hast gesehen, dass das nie passieren wird“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Hab ich das?“, fragte sie. „Ich hab nur gesehen, dass du die Hosen voll hast.“ „Genug!“, fuhr Rodolphus die beiden an. „Lasst diesen Unfug bleiben. Der ist unserem Dunklen Lord nicht würdig.“ Barty und Bellatrix traten automatisch einen Schritt auseinander. Der eine sah betroffen drein, die andere funkelte ihren Mann herausfordern an. „Barty, bevor du gehst, muss ich noch etwas mit dir besprechen — unter vier Augen“, fügte Rodolphus mit Blick auf seine Frau hinzu. Bellatrix hatte die Augen zu Schlitzen verengt, während sie beobachtete, wie Barty ihrem Mann gehorsam aus dem geräumigen Wohnzimmer folgte. Schwere Schritte erfüllten das große Foyer und hallten von den hohen Wänden wider, als Rodolphus zielstrebig die gewundene Treppe ansteuerte, die auf die nächsten beiden Stockwerke des Anwesens führte. Eilig lief Barty dem kräftig gebauten Todesser hinterher. „Du musst aufpassen, Crouch“, sagte Rodolphus, kaum dass er die dunkle Tür zu seinem Arbeitszimmer geschlossen hatte. „Es sind nicht viele bei uns, die dir trauen. Dein Vater ist einer unserer größten Widersacher und du arbeitest für ihn.“ Barty hatte den Mund aufgemacht, um etwas zu erwidern, doch Rodolphus gebot ihm mit einer herrischen Geste zu schweigen. „Du weißt, dass das stimmt. Der Dunkle Lord vertraut dir jedoch. Außerdem gibt’s ein paar andere bei uns, die genau wissen, auf wessen Seite du stehst. Das reicht.“ Die letzten beiden Worte sprach Rodolphus mit Nachdruck. „Je weniger das tun, desto besser. Du musst dich niemandem mehr beweisen. Damit bringst du wenn überhaupt nur deine Mission in Gefahr, verstanden?“ Barty nickte. Er hatte mit vielem gerechnet, nicht aber mit einem solchen Gespräch. „Ich möchte nur…“, sagte er leise, „ich möchte richtig von Nutzen sein. Ich will zeigen, was ich kann.“ „Dann benutz mal deinen Kopf; dich beweisen kannst du noch früh genug“, erwiderte Rodolphus kalt. „Dein ganzer Ehrgeiz ist zwar lobenswert, aber fehl am Platz. Im Moment unterstützt du uns mit Informationen, an die wir nicht rankommen, alles andere kann warten, klar?“ Barty nickte erneut und starrte nachdenklich zu einer Vitrine, in der sich viele seltsame Gegenstände befanden. Es gefiel ihm nicht, von Rodolphus so gescholten zu werden. Er war kein kleines Kind mehr. Er war nicht einmal mehr minderjährig! „Gibt’s im Moment irgendetwas Bestimmtes, wo ich nach Ausschau halten soll?“, fragte er schließlich um einen unbekümmerten Tonfall bemüht. „Allerdings“, sagte Rodolphus knapp. Er war zu einem großen Schreibtisch gegangen, aus dessen Schublade er nun ein eingerolltes Pergament hervorholte. Das Siegel war bereits gebrochen. „Zwei unserer Leute sind verschwunden. Es sind zwar nur kleine Fische, aber es wär trotzdem gut zu wissen, ob sie derzeit frei herumlaufen oder verhört werden.“ „Ich kümmere mich drum“, erklärte Barty und begann die in dem Pergament verzeichneten Daten zu studieren. Dann fuhr er mit der Spitze seines Zauberstabs über die Buchstabenreihen und beobachtete, wie sie sich zu einer komplexen Verschlüsselung verschoben, ehe er den verräterischen Hinweis einsteckte. „Noch etwas?“ „Das war’s fürs erste. Ich schätze Rabastan wird dir in den nächsten Tagen wegen dem Treffen noch Genaueres sagen.“ „In Ordnung.“ Sie verabschiedeten sich knapp voneinander, dann brach Barty auf, um wieder den langweiligen Teil seines Lebens anzutreten. ~*~ Bartys Kopf dröhnte. Verbissen beugte er sich über das Pergament auf seinem Schreibtisch in dem Versuch, sich auf die Daten des Angeklagten zu konzentrieren. Doch ohne Erfolg. Über ihm schwirrten unablässig Botschaften ins Büro, stampfende Schritte drangen von den Gängen hinein und aus dem Raum seines Vaters konnte er lauter werdendes Stimmengewirr hören. Barty seufzte. Es schien schier unmöglich zu sein, diesen Berg an Arbeit zu bewältigen und wenn er Pech hatte, war seine Pause für heute ein weiteres Mal gestrichen. Angestrengt las er das Protokoll und bemühte sich darum, den Worten einen Sinn abzugewinnen. Er musste sich auf den Inhalt konzentrieren, selbst wenn dieser in höchstem Maße absurd war. Geoffrey McKee werde verdächtigt, ein Todesser zu sein, hieß es in dem Bericht. Barty unterdrückte ein verächtliches Lachen. Dieser Wurm war ein Niemand! Ein kleiner Fisch, den sie für ihre Zwecke genutzt hatten, aber nicht mehr. Die Bezeichnung Todesser schien geradezu beleidigend. Ansonsten befanden sich unter den Pergamenten meistens Schadensberichte - in einigen Fällen ungeklärte Morde - doch zu Bartys Zufriedenheit war in keinem die Rede von den zwei Leuten, die spurlos verschwunden waren. Hinter ihm wurden die Stimmen noch lauter. Barty konnte nun ganz deutlich den lauten Bass seines Vaters heraushören. Irgendetwas stimmte nicht. Neugierig geworden, griff er nach den vorbereiteten Akten für seinen Vater und näherte sich dem Büro. „…nicht machen, wir wären nicht besser als sie!“ „Was bleibt uns denn für eine Wahl? Verdammt noch mal, wenn wir nicht bald irgendwelche Erfolge verzeichnen können, dann war’s das!“ „Warte mal eben, Barty … da ist jemand.“ Barty erstarrte. Sein Herz begann schneller zu schlagen und sein Griff um die Akten wurde fester. Vor ihm öffnete sich langsam die Bürotür seines Vaters, hinter der ihm das finstere Gesicht von Alastor Moody entgegenblickte. Barty räusperte sich hastig. „Verzeihung, Sir“, murmelte er kleinlaut. „Ich wollte nicht stören, aber ich habe hier noch dringende Papiere für m … für Mr Crouch.“ Aus dem Augenwinkel konnte er seinen Vater am Schreibtisch stehen sehen, die Augenbrauen noch immer wütend zusammengezogen. „Hätte das nicht warten können?“, fuhr Mr Crouch ihn unwirsch an. Barty schüttelte hastig den Kopf. „Nein, Sir, es tut mir leid“, mit zittrigen Fingern zog er ein Pergament hervor, „dieser Bericht wird noch heute Nachmittag zurückerwartet und …“ „Schon gut, leg alles auf meinen Schreibtisch.“ Vorsichtig schlängelte sich Barty an Moody vorbei, der noch immer den Durchgang zum Büro versperrte, und bemerkte erst dann, dass eine dritte Gestalt anwesend war. Frank Longbottom. Eilig legte er den Aktenstapel zu mehreren anderen auf den wuchtigen Schreibtisch seines Vaters und versuchte sich dabei so klein und unauffällig wie möglich zu machen. Gerade, als er wieder kehrtmachen wollte, meldete sich sein Vater jedoch zu Wort: „Wenn du im Moment nichts zu tun hast, dann bring die hier runter zu Mr Featherstone.“ Ein Stapel Pergamentrollen kam auf Barty zugeflogen, den er gehorsam entgegennahm. „Natürlich, Sir“, murmelte er und wich dem Blick seines Vaters aus. Er verabscheute es, im Beisein von Außenstehenden den demütigen Sohn zu spielen. „Dann geh jetzt und pass ja auf, dass du nichts verlierst!“ Barty sagte dazu nichts. Mit einem stummen Nicken wandte er sich von seinem Vater ab und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er die durchdringenden Blicke von Moody und Longbottom auf sich brennen spüren konnte. Plötzlich packte ihn eine Hand an der Schulter. Erschrocken zuckte Barty zusammen und hätte beinahe seine Last fallengelassen, doch Frank Longbottom konnte mit einem geistesgegenwärtigen Wingardium Leviosa ein paar der Rollen von ihrer Flucht abhalten. „D-danke“, murmelte Barty. Danach brachte er die Kraft auf, den durchdringenden Blick von Moody zu erwidern. „Beim nächsten Mal wartest du gefällig, bis das Gespräch zu Ende ist“, knurrte dieser, „verstanden?“ „Ja, Sir, natürlich, ich hatte nur … es war dringend und … tut mir leid.“ Mit gesenktem Kopf hielt er in seinem zusammenhangslosen Gestammel inne. Moody schnaubte bloß und ließ ihn wieder los. Es war Zeit zu verschwinden. Mit vorsichtigen Schritten suchte Barty sich einen Weg aus dem Büro, während hinter ihm Moody wieder zu reden begonnen hatte: „Also, Barty, denk darüber nach. Frank und ich sollten…“ Die Tür fiel ins Schloss und verschluckte die restlichen Worte des Aurors. Bedauernd lief Barty zu seinem Schreibtisch zurück. Er hätte gerne, mehr von dem Gespräch mitbekommen, doch jede Sekunde, die er länger als nötig unter den achtsamen Augen Moodys verbracht hätte, hätte verdächtig wirken können. Nicht dass man ihn der Spionage verdächtigen würde, aber er musste es schließlich nicht darauf ankommen lassen — nicht wenn es nicht nötig war. Seufzend legte Barty den Stapel Pergamentrollen ab und begann seine Sachen zu sortieren. Im Grunde genommen warteten keine wichtigen Papiere darauf von ihm bearbeitet zu werden — zumindest war nichts von dringendster Wichtigkeit, da konnte er eigentlich sofort losgehen. Sein Blick wanderte zur geschlossenen Bürotür. Er konnte natürlich auch noch etwas Zeit schinden und hoffen, mehr über den Inhalt der Diskussion herauszubekommen. Nur wie lange würden sich Moody und Longbottom noch dadrin aufhalten? Barty entschied kurzerhand, dass es keinen Sinn hatte zu warten, sammelte die Pergamentrollen wieder auf und machte sich auf den Weg, die Abteilung für Magische Strafverfolgung zu verlassen. Genau in dem Augenblick wurde die Bürotür des Abteilungsleiters geräuschvoll geöffnet und Moody polterte heraus, gefolgt von Longbottom. Mit einem grimmigen Ausdruck in dem vernarbten Gesicht durchschritt der Auror in großen Schritten die Abteilung genau an Barty vorbei und war verschwunden. Neugierig sah Barty ihm hinterher und bemerkte gar nicht, wie Frank Longbottom auf einmal neben ihn getreten war. „Das lief nicht ganz wie geplant“, kommentierte er Moodys Abgang. Überrascht sah Barty auf. „Hi“, sagte Frank mit einem schiefen Lächeln. „Hallo“, entgegnete Barty, unsicher, was er von der Situation halten sollte und setzte sich langsam wieder in Bewegung. „Du musst runter zum Gericht, oder?“ Natürlich musste er das, Longbottom hatte das doch soeben mitbekommen. Barty verkniff sich den bissigen Kommentar, sondern nickte nur stumm. „Ich muss auch runter, da würde ich dich begleiten.“ „In Ordnung.“ Sie hatten mittlerweile die Abteilung für Magische Strafverfolgung verlassen und befanden sich nun auf einem langen Flur, der sie an der Aurorenzentrale vorbei führte. Nachdenklich sah Barty zu Longbottom. Bisher hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Es hatte auch nie eine Gelegenheit gegeben. Sie hatten vielleicht ein oder zwei Jahre gemeinsam auf Hogwarts verbracht, doch war der Altersunterschied zu groß gewesen, als dass sie miteinander gesprochen hätten. Dass sie beide in zwei unterschiedlichen Häusern gewesen waren, hatte ihr übriges dazu beigetragen. Und eigentlich gab es auch im Ministerium keine Gelegenheit, sich zu begegnen, waren sie beide schließlich in zwei völlig unterschiedlichen Aufgabenbereichen tätig. Eigentlich … „Du, sag mal“, brach Frank schließlich das unangenehme Schweigen, das zwischen ihnen hing, „gibt es irgendeinen guten Trick, mit dem man deinen Vater, ich meine, Mr Crouch, für seine Sache gewinnen kann?“ Barty hätte beinahe spöttisch aufgelacht, schluckte das böse Lachen jedoch gerade noch rechtzeitig hinunter und beließ es bei einem bedauernden Kopfschütteln. „Ich glaube nicht. Es kommt aber auch darauf an, was man von ihm will.“ „Wir wollten ihn von was abbringen…“, Frank hielt inne und sah zu Crouchs Sohn, der ihn mit einem Anflug von Interesse bedachte. „Na ja, wahrscheinlich sollte ich das gar nicht sagen, was?“ Er lachte. Barty schenkte ihm ein kleines Lächeln und gab sich alle Mühe, den zurückhaltenden und unscheinbaren Sohn zu spielen, während er den Stapel Pergamentrollen unwillkürlich fester umklammerte. „Ist auch nicht wirklich wichtig. An sich müsstest du eh schon wissen, worum es geht. Ich wünschte einfach nur, dass Mr Crouch nicht so … verbissen wäre. Wenn das so weitergeht, werden wir nicht besser als der Feind sein.“ Barty zuckte etwas hilflos die Achseln. „Klingt ganz so, als würdet ihr keine Chance haben, ihm etwas auszureden“, sagte er und fragte sich neugierig, um was es ging. „Dachte ich’s mir.“ Frank legte seufzend den Kopf in den Nacken und starrte zu dem hektischen Gewimmel von violetten Memos an der Decke. „Aber einen Versuch ist es wert. So kann man immerhin sagen, man hat was getan.“ „Stimmt“, pflichtete ihm Barty bei. „Etwas versucht zu haben, ist besser als gar nichts getan zu haben.“ Das brachte Frank zum Grinsen. „Meine Rede.“ Doch plötzlich wurde er ernst. „Ich möchte alles tun, damit mein Sohn eines Tages in einer Welt aufwachsen kann, die nicht mehr vom Krieg zerrüttet ist. Ich will nicht, dass er jeden Tag bangen muss, dass seine Eltern vielleicht nicht mehr von der Arbeit zurückkehren.“ Nachdenklich sah Barty in das entschlossene Gesicht von Frank und spürte einen Stich von Neid. Verwirrt über diesen lächerlichen Anflug von Gefühlen sah er weg. Es war nicht nur Neid, da war auch bittere Enttäuschung. „Ich kann mir vorstellen, dass dein Vater das ähnlich sieht, so verbissen wie er gegen Voldemort und sein Gefolge vorgeht.“ „Wirklich?“, entfuhr es Barty verächtlich, ehe er sich zurückhalten konnte. Einen Moment lang sahen Frank und er sich an. Barty glaubte Mitleid in Longbottoms Gesicht sehen zu können, statt jedoch wegzuschauen starrte er dem Auror trotzig entgegen, bis dieser wegschaute. „Ich glaube schon“, sagte Frank Longbottom. „Ich glaube auch, dass du ihm eine ziemlich große Hilfe bist, auch wenn er es nicht zugeben will.“ Den restlichen Weg zu den Fahrstühlen verfielen sie beide in tiefes Schweigen. Frank aus Ratlosigkeit und Barty aus Reflex. Er wollte nicht hören, was ihm da der Auror erzählte. Dieser Blutsverräter hatte schließlich überhaupt keine Ahnung. Gerade im rechten Moment erreichten sie eins der goldenen Gitter, hinter dem einer der vielen Fahrstühle des Ministeriums ratternd zum Halt kam. Eine kleine Schar von Hexen und Zauberern kam ihnen aus der engen Kabine entgegen und quetschte sich an ihnen vorbei. Dann betraten Barty und Frank wortlos den Lift und stellten sich zwischen die übrigen Mitarbeiter des Zaubereriministeriums. Niemand sah auf. Jeder vermied den Blickkontakt und zog es vor, den eigenen Gedanken hinterher zu hängen, während der Aufzug in gewohnt halsbrecherischer Fahrt die verschiedenen Stockwerke des Ministeriums ansteuerte und immer mehr der Passagiere ablieferte, bis er schließlich die unterste Etage erreichte. Grübelnd verließ Barty das Gefährt und folgte den wenigen verbliebenen Zauberern in die dunkel gefliesten Gänge hinein. Eine Hand auf seiner Schulter veranlasste ihn jedoch anzuhalten. „Hey“, sagte Longbottom. Skeptisch sah Barty ihn an, während er unwillkürlich die Schultern hochzog. „Es tut mir leid, wenn ich was Falsches gesagt habe.“ Etwas unbeholfen vergrub Longbottom die Hände in den Taschen seiner Robe. „Meine Mutter ist selber was streng. Ich dachte, es wäre ganz nett, was Gutes zu hören.“ Barty sagte noch immer nichts. „Ich kann mir vorstellen, wie anstrengend das manchmal mit jemandem wie Crouch sein kann. Ich wollte einfach nur sagen, mach dir nichts draus, ja? Es tut mir wirklich leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin.“ Frank seufzte. „Ich sollte es eigentlich besser wissen. Sowas geht mich auch eigentlich gar nichts an, was?“ Grinsend sah er Barty an, der den Blick nachdenklich erwiderte. Dann regte sich ein leichtes Lächeln in dem Gesicht des Jungen. Es wirkte unsicher und verloren. „Na ja, mach dir nichts draus“, redete Frank schnell weiter. „Es sind einfach miese Zeiten. Wir sollten das Beste draus machen und bald — bald ist alles bestimmt vorbei.“ Irgendwo bewunderte Barty diesen hoffnungslosen Optimismus seines Gegenübers. Sein Lächeln wurde jedoch breiter bei dem Gedanken, dass bald wirklich alles vorbei sein würde. Bald hätte der Dunkle Lord gesiegt und ein Goldenes Zeitalter würde für die Zauberer einbrechen. „Du hast recht“, sagte Barty schließlich. „Tut mir leid wegen gerade. Der ganze Stress. Manchmal bin ich solchen Situationen noch nicht gewachsen.“ „Kein Ding, du hättest Alice und mich mal in unseren ersten Wochen als richtige Auroren erleben sollen. Moody und Scrimgeour haben uns täglich eingeheizt, obwohl wir uns total angestrengt haben.“ Barty hielt sein Lächeln aufrecht, während er schweigend weiterging. „Oh, da ist mein Ziel“, meinte Frank auf einmal und hielt in seinem Redefluss inne. „Hör mal, Barty - Barty ist doch in Ordnung, oder? - es war schön mit dir zu reden. Ich bin mir sicher, man sieht sich.“ „Man sieht sich“, murmelte Barty und starrte dem davon hastenden Auror nachdenklich hinterher. Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass er diesen Blutsverräter irgendwie mochte. Verärgert über sich selbst marschierte Barty weiter und versuchte gar nicht länger über die gerade erlebte Begegnung nachzudenken. Sie war seltsam gewesen. Eigentlich konnte er sich nicht daran erinnern, einer so aufmerksamen Person wie Frank begegnet zu sein. Die einzige Person, die ähnlich war, war seine Mutter. Barty schnaubte verächtlich. Seine Mutter! Was kümmerte ihn das alles eigentlich? Er war doch kein kleines Kind mehr! Er konnte gut für sich selbst sorgen. Barty hatte den dunklen steinernen Treppengang erreicht, der ihn noch tiefer unter die Erde führte, an einen Ort, den selbst die Fahrstühle des Ministeriums nicht mehr erreichten. Gerichtsraum Nummer zehn. Vorsichtig öffnete Barty die hölzerne Tür mit den Eisenbeschlägen und schlüpfte unauffällig in den düsteren Raum hinein. Sogleich suchte er sich einen Weg zwischen den Bänken hinauf, um sich einen guten Blick aufs Geschehen zu sichern und um - natürlich - seiner Pflicht nachzugehen und ein paar der eiligen Dokumente abzugeben. Die sechs Pergamentrollen hatte er dafür neben sich her schweben lassen. „Ich weiß von nichts“, hörte er da ein klägliches Jammern aus den Tiefen des Raumes zu sich empor steigen. Verächtlich starrte Barty hinunter auf sechs erbärmliche Gestalten, die allesamt mit goldenen Ketten auf einem unbequem aussehenden Holzstuhl gefesselt waren. „Wirklich nich’, ich hab nur auf Frau und Kind aufgepasst. Da war Lärm, aber …“ „Das genügt“, unterbrach eine kalte Männerstimme den völlig aufgelösten Mann. Neugierig ließ Barty seinen Blick zu den versammelten Zauberern und Hexen in ihren pflaumenblauen Umhängen wandern. Das kleine silberne Z auf ihrer Kleidung, wies sie als Mitglieder des Zaubergamots aus. Leises Getuschel brach los, als sich der beleibte Zauberer in der Mitte der vorderen ersten Reihe mit einer Hexen zu seiner Linken beriet. Barty nutzte die Gelegenheit, um sich einen Weg vorzukämpfen und seinen Botengang zu vollenden. Es wunderte ihn, dass sein Vater mehr oder weniger verlangte, eine solche Anhörung zu stören — selbst wenn die Verdächtigen von noch so belangloser Natur waren. Ob in den Dokumenten doch etwas von entscheidender Wichtigkeit stand? „Verzeihung, Sir“, flüsterte Barty. „Ich … ich soll Ihnen das von Mr Crouch bringen, es ist von größter Dringlichkeit.“ Mit einem Schwenk seines Zauberstabs übergab er dem gewichtig aussehenden Zauberer die Pergamentrollen. Es handelte sich dabei um Mr Featherstone, einen Untergeordneten Mr Crouchs. „Danke“, brummte Featherstone und entließ Crouch Junior mit einer nachlässigen Handbewegung. Doch Barty dachte nicht daran sofort zu gehen. Neugierig drückte er sich in die Schatten der hinteren Bänke, wo er einen guten Blick auf die sechs Hexen und Zauberer hatte. Zu seinem Unbehagen erkannte er Peter Underwood unter ihnen. Er sah deutlich mitgenommener aus als auf dem Foto, das den Dokumenten beigelegt worden war. Das hellbraune Haar hing ihm ungepflegt in das ovale Gesicht und die schmalen Lippen waren zu einem grimmigen Strich verzogen. Hatte dieser Schwachkopf doch mehr preisgeben können als vorerst angenommen?
 Aufmerksam sah Barty zu Mr Featherstone, der dabei war, die überbrachten Dokumente zu überfliegen. „Mr Underwood“, erscholl plötzlich die kalte Stimme Mr Featherstones durch den Gerichtsraum Nummer zehn. „Wie ich soeben erfahren habe, wurden eindeutige Beweise gefunden, dass sie mit Todessern in Kontakt stehen.“ Barty erstarrte. „Sie haben nun die Möglichkeit, uns aus freiem Stück mitzuteilen, um wen es sich dabei gehandelt hat.“ „Ich weiß nich“, stammelte der Angeklagte mir aschfahlem Gesicht. „Das is’n gewaltiger Irrtum.“ „Mr Underwood!“ „Nja, die tragen nicht umsonst Masken, würd ich sagen. Wie soll ich da wissen, wer das war?“ Bartys Augenbrauen zogen sich missbilligend zusammen. Seine Finger hatten bereits unbemerkt nach seinem Zauberstab gegriffen. „Sie geben also zu, mit Todessern in Kontakt zu stehen“, fasste Mr Featherstone unbeeindruckt zusammen. „Nein! Nein, ich hatte keine Wahl. Ich musste an meine Familie denken. Sie verstehen doch sicherlich …“ Aber sein Richter hörte ihm gar nicht mehr zu. Stattdessen hatte er sich der kleinen Hexe zu seiner Linken zugewandt. Nachdem sie zu einem Entschluss gekommen zu sein schienen, sah Featherstone wieder auf. „Uns bleibt keine Wahl. Veritaserum“, bestimmte er knapp. Verdammt! Barty schluckte. Er musste etwas unternehmen, wollte etwas unternehmen und konnte nicht. Nicht in diesem Augenblick, sonst wäre seine Tarnung aufgeflogen. Er war ohnehin schon viel länger, als er eigentlich sollte, dort unten. Wenn er nicht langsam ging, würde er Aufsehen erregen. Zähneknirschend machte sich Barty wieder auf den Weg hinaus, während im Hintergrund das elendige Gejammer der anderen Angeklagten zu hören war. Keiner von ihnen schien ihm wirklich gefährlich gewesen zu sein. Keiner … bis auf Underwood. Hastig stürmte Barty den spärlich beleuchteten Treppengang hinauf und lief durch den kahlen Flur an einer schwarzen Tür vorbei, die just in diesem Moment aufging. „Hoppla!“, rief ein überraschter Rookwood mit einem Anflug von Belustigung. „Na, wenn das nicht Crouch Junior ist.“ Barty hielt unwirsch inne. Er hatte keine Zeit für so etwas. „Was soll das?“, blaffte er, nur um im nächsten Moment in heillose Demütigung zu fallen, als ihm aufging, in was für einer Situation er sich befand . „Oh nein, verzeihen Sie mir, Sir. Ich hab’s eilig. Ich wollte nicht … ich wusste nicht, dass Sie aus der Tür. Bitte entschuldigen Sie mich.“ „Na na, ist doch halb so wild. Ich hoffe doch, es ist nichts Schlimmes vorgefallen?“ Rookwoods Blick sprach Bände und Barty verstand sofort. „Es kommt drauf an, was Sie als schlimm verstehen, Sir. Es ist auf jeden Fall sehr dringend. Ich muss sofort zurück.“ Rookwood nickte leicht, wobei er unmerklich Richtung Gerichtsraum Nummer zehn sah. Mit einem flüchtigen Nicken bedeutete ihm Barty, dass er richtig verstanden hatte, dann wandte sich der Junge ab. „Entschuldigen Sie mich bitte, Sir, ich muss weiter.“ Und ohne sich irgendwie anmerken zu lassen, dass Barty und Rookwood sich viel besser kannten, als sie vorgaben, eilte Barty davon. Kapitel 3: Der Fehler --------------------- „Was hast du gesagt?“ Bartys Kopf schmerzte. Müde rieb sich Barty die Augen und beobachtete, wie alle Farbe aus Rabastans Gesicht wich, als er zum zweiten Mal vom Vorfall im Ministerium berichtete. „Weißt du, wie viel sie aus Underwood herausbekommen haben?“, fragte Rabastan mit belegter Stimme. Barty schüttelte den Kopf. „Ich musste weiter, vielleicht hat Rookwood-“ „Rookwood?“ „Ja, ich bin ihm kurz darauf begegnet. Er weiß bescheid.“ „Scheiße. Sonst noch jemand?“ Barty zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht“, sagte er erschöpft und bemühte sich darum, aufmerksam zu bleiben. Rabastans Verhalten weckte seine Skepsis. Irgendetwas stimmte nicht und er musste herausfinden, was es war. An Erholung würde er später noch denken können. „Aber vielleicht hat Rookwood den Vorfall weitergegeben. Kommt drauf an, wie ernst die Lage ist.“ Rabastan sagte nichts. „Wie ernst ist die Lage?“, hakte Barty nach. Rabastan gab noch immer kein Wort von sich. Bartys Augen verengten sich zu Schlitzen. Er spürte, Adrenalin in sich aufsteigen, das ihn wieder klarer denken ließ. Plötzlich sprang Rabastan auf. „Okay, tut mir leid, aber das wird heute nichts. Ich muss noch einmal los.“ „Wo willst du hin?“, wollte Barty wissen. „Das geht dich ’n Dreck an. Geh am besten nach Hause, wir können morgen oder so alles Weitere besprechen.“ „Warte!“, rief Barty, doch zu spät; Rabastan war bereits disappariert. Wütend trat Barty in den Dreck, dann griff er einem Impuls folgend nach seinem Zauberstab, drehte sich einmal um die eigene Achse und apparierte. Taumelnd kam er vor seinem Zuhause an und lief sofort zur Haustür, die er in seiner Eile ungeschickt öffnete. „Möchte der junge Herr etwas haben? Winky kann ein bisschen von dem Abendessen und ein erfrischendes Glas-“ „Jetzt nicht“, würgte Barty die kleine Hauselfe ab. „Ist Mutter schon schlafen gegangen?“
 Die Elfe nickte. „Die Mistress war sehr müde und hat sich früh hingelegt. Aber vorher hat sie Winky gesagt, dass sie sich um die beiden Herren kümmern sollte, wenn sie wiederkommen.“ „Schon gut, danke, Winky“, sagte Barty hastig und hoffte, dass er die fürsorgliche Hauselfe so zum Verstummen brachte. „Ich brauche nichts, wirklich. Am besten wir sind jetzt leise, damit wir Mutter nicht aufwecken, ja?“ Winky nickte. „Ich muss noch was für meinen Vater holen, heute wird es wieder spät, deshalb kannst du dich zurückziehen. Verstanden?“ „Ja, Winky, versteht, auch wenn Winky es bedauert, dass die Herren so viel Arbeit haben.“ Barty hätte am liebsten die Augen verdreht. Warum mussten Hauselfen sich so lange mit diesen dämlichen Treuebekundungen aufhalten? „Dann geh!“, zischte er. „Natürlich, Winky, will den jungen Herr nicht mehr belästigen“, hörte er da die ersehnten Worte aus dem Mund der dummen Hauselfe und beobachtete, wie sie in der Dunkelheit verschwand. Mit einem grimmigen Lächeln sah er in den Flur. Der Griff um seinen Zauberstab wurde fester. Was er nun vorhatte, hatte er sich Zeit seines Lebens noch nie gewagt und er wusste, dass es katastrophale Folgen haben würde, wenn er entdeckt werden würde. Konzentriert schloss Barty die Augen und begann einen komplexen Zauber zu weben, der seine Präsenz ebenso wie seine Schritte verschleiern würde. Als er fertig war, schlich er vorsichtig näher zur Bürotür seines Vaters und begann sie angespannt nach Schutzvorrichtungen abzusuchen. Barty fand jedoch überraschend wenig und dazu noch einen überraschend schwachen Schutz. Fühlte sich dieser alte Mistkerl wirklich so sicher? Nun, ihm konnte es recht sein. Mit einem breiten Grinsen entsicherte Barty die Schutzvorrichtung und wagte sich vorsichtig weiter vor. „Lumos“, flüsterte er und begann im bläulichen Licht von der Spitze seines Zauberstabs mit seiner Suche. Es dauerte, da Barty mit größter Vorsicht vorgehen musste, um keine verräterischen Spuren zu hinterlassen, doch am Ende, hielt er zwei kopierte Dokumente in der Hand. Ein Gefühl des Triumphs schwoll in ihm an, als er das Büro samt Schutzvorrichtung in seinen Ursprungszustand versetzte und sich anschließend in sein Zimmer begab. Angespannt breitete Barty die beiden langen Pergamentrollen vor sich auf dem Schreibtisch aus. In enger Schrift war feinsäuberlich eine kleine Zahl an Zauberern gelistet, die die Aurorenzentrale für verdächtig hielt mit Todessern im Bunde zu stehen. Ein schneller Blick versicherte Barty, dass von den meisten Verdachten keine Gefahr ausging, doch unter ihnen befand sich Peter Underwood. Bartys Blick schnellte zu dem zweiten Pergament, auf dem sich nähere Angaben zu dem Verdächtigen befanden. Halbblüter, Vater von einem Kind, Vergissmich, Norrell-Tragödie. Norrell-Tragödie… Die kleinen Buchstaben begannen vor seinen Augen zu verschwimmen, bis es gar unmöglich wurde, ihren Sinn zu entziffern. Verbissen kämpfte Barty gegen die aufkommende Müdigkeit an. Er merkte, wie seine Glieder schwer wurden, wie an seinen Lidern Gewichte zu hängen schienen, die sie unerbittlich nach unten ziehen wollten. Wenn er sie zumachen würde. Nur für ein paar Minütchen. Vielleicht würden dann auch endlich diese entsetzlichen Kopfschmerzen weggehen. Diese Kopfschmerzen, die ihn den ganzen Tag schon geplagt hatten. Den ganzen langen Tag, den er im Zaubereiministerium verbracht hatte. Die Arbeit … so viel Arbeit… Glühender Schmerz ließ Barty erschrocken hochfahren. Keuchend krümmte er sich zusammen und versuchte zu begreifen, was geschah. Seine Gedanken drehten sich träge im Kreis, noch immer von der Müdigkeit übermannt. Er befand sich in seinem Zimmer, er war mitten in einer Recherche. Er war eingeschlafen! Und plötzlich war da dieses entsetzliche Brennen. Dieses Ziehen — es glich fast einem Rufen. In dem Moment fiel es Barty wie Schuppen von den Augen. Voller Grauen zog er seinen linken Ärmel hoch und starrte im spärlichen Licht einer verzauberten Kerzenflamme auf das Dunkle Mal, das sich stärker denn je von seiner blassen Haut abhob. Der Dunkle Lord rief nach ihm. Hektisch sprang er auf. Sein Blick irrte durchs Zimmer, während seine Gedanken rasten. Er musste dem Ruf augenblicklich folgen, doch durfte er dabei nicht zu unüberlegt vorgehen. Er kämpfte gegen den Impuls an, sofort zu apparieren, sondern widmete sich zuerst mit einem Schlenker seines Zauberstabs den verräterischen Dokumenten. Im Nu waren sie in einem geheimen Fach unter seinem Bett verstaut. Dann begutachtete er sich prüfend im Spiegel, wischte sich den letzten Rest Schlaf aus den Augen und strich sich durch das zerzauste Haar. Mehr Zeit für derlei Eitelkeiten blieb jedoch nicht. So leise wie möglich verließ er das Haus, um abseits des Apparierschutzes aufzubrechen. Er wusste nicht, wohin es ging, doch vertraute er dem Rufen des Dunklen Mals und so gelangte er ohne irgendwelche Vorkommnisse in einen kleinen Vorraum. „Da bist du ja“, empfing ihn eine knurrende Stimme, die er für die von Macnair hielt, und er spürte, wie ein grober Schubs ihn nach vorne stolpern ließ. Erschöpft folgte Barty dem anderen Todesser, wobei er geistesgegenwärtig genug war, seine silberne Maske aufzusetzen, bevor er durch die doppelflüglige Tür schritt. Ein prachtvoller Raum erstreckte sich vor ihm, der von mehreren kleinen Kerzenflammen sowie einem großen Kaminfeuer im hinteren Teil beleuchtet wurde. In der Mitte befand sich eine lange Tafel aus dunklem, kunstvoll bearbeitetem Stein, an dessen beiden Seiten die bereits eingetroffenen Todesser saßen. An ihrem Kopfende thronte der Dunkle Lord persönlich, der seinen mitleidlosen Blick auf seine reglosen Diener gerichtet hatte. Ihre Haltung war steif. Unheilverkündendes Schweigen hatte sich auf die Versammelten herabgesenkt und schien jeden von Bartys Schritten in doppelter Lautstärke erklingen zu lassen. Ein viel zu lautes Scharren ertönte, als er vorsichtig seinen Stuhl hervorzog und am anderen Ende der Tafel, weit entfernt von seinem Herr und Meister, Platz nahm. Schweigend wartete Barty darauf, dass dieser das Wort ergriff. Unterdessen konnte er jedoch nicht vermeiden, wie seine Gedanken noch immer in einem halsbrecherischen Tempo durch seinen Kopf rasten. Bilder, Gedanken, Satz- und Wortfetzen blitzten auf und scheiterten letztlich daran, einen Zusammenhang zu bilden. Alles schien so furchtbar durcheinander. Am liebsten hätte sich Barty die Schläfen gerieben, doch verhinderte seine Maske das. Also bemühte er sich, sich zu konzentrieren. Zu konzentrieren auf die verbleibenden Mitglieder, die nach und nach eintrudelten, bis sie zu dieser unmenschlichen Zeit vollständig versammelt waren. „Ich bedauere es wirklich sehr, euch zu dieser Stunde einberufen zu haben“, eröffnete Voldemort leise die Versammlung, „doch blieb mir leider keine Wahl.“ Barty beobachtete, wie sich die Anwesenden fragend ansahen. Keiner schien so recht zu wissen, um was es ging. Keiner — bis auf eine schlaksige Gestalt, die elendig in sich zusammengesunken war. „Wie ihr alle sicherlich wisst, ist unsere Arbeit von Erfolg gekrönt. Die erbärmlichen Blutsverräter und Muggelfreunde müssen immer weiter vor unserer Macht weichen. Nicht mehr lange und der Sieg ist unser.“ Zustimmende Laute des frühen Jubels ertönten, die jedoch augenblicklich verstummten, als Voldemort jäh aufstand. „Doch auch wenn wir unser Ziel bald erreicht haben“, zischte er mit eisiger Miene, „ist dies noch lange kein Grund unachtsam zu werden. Denn Unachtsamkeit führt zu Fehlern. Und Fehler werde ich nicht in meinen Reihen dulden!“ Unangenehme Stille füllte den Raum, in dem die Worte des Dunklen Lords langsam ihre volle Bedeutung entfalteten. Verstohlene und teils ängstliche Blicke wurden ausgetauscht, während sich neben dem Dunklen Lord die Schlange Nagini zischend aufrichtete. „Fehler“, fuhr Voldemort diesmal gefährlich leise fort, „werde ich nicht ungestraft geschehen lassen.“ Noch ehe irgendjemand reagieren konnte, zerriss ein markerschütternder Schrei das Schweigen. Erschrocken beobachtete Barty, wie sich die zuvor zusammengesunkene Gestalt plötzlich wand und krümmte, während sie allmählich in die Höhe stieg. „Fehler“, donnerte der Dunkle Lord über die Schmerzenslaute seines Dieners hinweg, „erlauben es diesen verachtenswerten Schlammblütern vorzudringen und unsere standhafte Reihe zu schwächen.“ Ein weiterer Schrei folgte diesen Worten und Barty wurde mit einem mulmigen Gefühl klar, dass er die Stimme kannte. „Wie konnte es passieren, dass ein mickeriger Halbblüter unserem Feind wertvolle Informationen liefern konnte?“ „I-ich weiß es … nicht, mein Herr, bitte…“, drang es dumpf unter der Maske des gequälten Todessers hervor. „Du weißt es nicht?“, wiederholte Voldemort in gespieltem Erstaunen. Dann zuckte seine Hand blitzschnell hervor. Ein dunkles Licht flammte auf und stieß den Todesser zu Boden, wo er japsend und wimmernd nach Atem rang. Mit einem weiteren Schlenker seines Zauberstabs löste Voldemort die silberne Maske des Gepeinigten in Luft auf und offenbarte das schmerzverzerrte Gesicht Rabastans. „Bitte glaubt mir“, keuchte Rabastan mit zusammengebissenen Zähnen, „Wir hatten … die Situation unter … Kontrolle. Wir wussten nicht …“ Doch seine letzten Worte wurden von einem weiteren Schmerzensschrei verschluckt. „Ihr wusstet also nicht, dass bereits Auroren da waren?“, meinte Voldemort höhnisch. „Wisst ihr … vielleicht mehr?“ Die Diener des Dunklen Lords saßen stocksteif auf ihren Plätzen. Kaum einer fühlte sich angesprochen oder wagte es gar, seinen Herrn anzusehen. Barty war es unter seiner Maske schrecklich heiß geworden. Er bemerkte gar nicht, dass er vor Angst unwillkürlich zu zittern begonnen hatte. Alles, was in diesem Augenblick zählte, waren die Informationen, die er hatte und die er nicht hatte. „Nun, ich höre, Avery?“ Eine zweite Gestalt war, von einer unsichtbaren Macht getroffen, schreiend zu Boden gestürzt. Bedrohlich schritt Voldemort die Reihe seiner treuen Diener ab, wobei er jeden einzelnen prüfend musterte. Niemand meldete sich jedoch zu Wort. Alle sahen sie auf die dunkle Tischplatte und schwiegen. „Er hat einen unserer besten Standorte verraten“, bemerkte Voldemort. „Nicht nur das: Sie hätten fast eine Quelle bekommen, die Namen hätte sagen können. Kannst du dir das vorstellen, Rosier?“ Eine dritte Gestalt wurde zu Boden geschleudert. „Glücklicherweise reichten unsere Informationsquellen aus. Ich fürchte, der gute Wilf Stroud ist nicht mehr am Leben.“ Barty überlief bei diesen Neuigkeiten ein eiskalter Schauer. Vor wenigen Tagen hatte er ein weiteres Mal mit Rabastan von dem geheimen Treffpunkt in der Nokturngasse Gebrauch gemacht und sich im Keller von Wilfs Geschäft im Duellieren geübt. „Sollte euch ein weiterer Fehler unterlaufen“, sprach Voldemort dieses Mal wieder an die drei Todesser gewandt, die vor Schmerzen zuckend und wimmernd am Boden lagen, „werde ich nicht so gnädig sein wie heute.“ Die roten Augen des Dunklen Lords schimmerten kalt, als er seine Aufmerksamkeit wieder seinen übrigen Dienern schenkte. „Ich möchte, dass ihr die heutige Nacht im Gedächtnis behaltet, wenn ihr demnächst eure Aufträge ausführt.“ Ein Nicken ging durch die Reihen der Todesser. „Gut, dann erkläre ich diese Versammlung hiermit für beendet.“ Das Scharren von Stühlen, die nach hinten geschoben wurden, sowie das Rascheln von Roben erklangen, als die meisten eilig aufstanden, um sich aus dem Staub zu machen. Barty hielt in dem Gewirr jedoch zögernd inne. Er sollte gehen. Er wusste, dass er gehen und schlafen sollte, um am Morgen ausgeruht einen neuen Arbeitstag antreten zu können. Es gab nichts, das ihn hier noch hielt und noch weniger wollte er mit dem Zorn seines Meisters konfrontiert werden. Und dennoch sah er zu Rabastan, der sich ächzend wieder aufrappelte, und fragte sich, was geschehen war. Was das Verhör von Peter Underwood ausgelöst hatte. Etwas weiter abseits konnte Barty Rookwood sehen, wie er zu dem Dunklen Lord ging und ihm in demütiger Haltung einen Bericht abstattete. Plötzlich richtete sich das Augenmerk auf ihn. Barty erstarrte, als ihn der flüchtige Blick seines Herr und Meisters traf. Er überlegte gerade, ob er Anstalten machen sollte, doch noch vorzutreten und die spärlichen Neuigkeiten, die er hatte, vorzubringen, als der Dunkle Lord sich wieder Rookwood zuwendete und ihn im selben Moment ein harter Stoß fast aus dem Gleichgewicht brachte. „Mitkommen“, hörte er Rodolphus’ Stimme dumpf unter der Maske hervordringen. Völlig überrumpelt stolperte Barty der großen Gestalt hinterher. „Rod…“, brachte Rabastan heraus, der unter all den Schmerzen kaum stehen konnte. Aber da hatte ihn bereits ein harter Stoß seines Bruders zu Boden geworfen. „Was soll das?“, empörte sich Rabastan schwach, während er sich mühselig wieder aufrappelte. „Ich hab…“ „Bis du von allen guten Geistern verlassen?“, zischte Rodolphus und packte Rabastan grob am Kragen seiner Robe. „Warum hast du nichts davon gesagt? Wie konnte dir das passieren?“ Barty wurde unwohl zumute, als er beobachtete, wie der um einiges größere und kräftigere Rodolphus seinen Bruder mühelos in der Luft hielt, wo dieser sich röchelnd aus dem Griff zu befreien versuchte. „Ich … kann das … erklären“, brachte Rabastan schwach hervor und fiel ein weiteres Mal zu Boden, nachdem ihn sein Bruder losgelassen hatte. Rodolphus hatte die Maske abgenommen und schnaubte verächtlich. „Erklären“, sagte er bitter, „das ist das Mindeste, was du mieser, unfähiger Haufen von Trolldreck tun kannst!“ „Wir sollten gehen“, erinnerte ihn auf einmal Bellatrix warnend, die mit missgelaunter Miene an die Seite ihres Mannes getreten war. „Sofort“, zischte sie, als Rodolphus Anstalten machte, wieder auf seinen Bruder loszugehen. Stattdessen packte er ihn jedoch nur am Kragen und schleifte ihn mit sich aus dem Versammlungsraum. Eilig folgte Barty den drei Lestranges und apparierte gemeinsam mit ihnen zurück auf ihr Anwesen. Kaum befanden sie sich in dem geräumigen Wohnzimmer, ließ Rodolphus seinen Bruder achtlos los. Barty konnte hören, wie Rabastans Kopf mit einem schmerzhaft klingenden Laut auf den harten Steinboden aufschlug. Stöhnend blieb er dort liegen. Für einen kurzen Moment kehrte die nächtliche Stille ein, in der die drei Todesser reglos auf die armselige Gestalt zu ihren Füßen starrten. „Und jetzt verrate mir, was das sollte“, knurrte Rodolphus mit geballten Fäusten. „Wie konntest du unseren Namen so in den Dreck ziehen?“ Außer sich vor Wut wirbelte er herum und trat seinem Bruder mit voller Wucht in die Seite. „Nachdem wir alles getan haben, um uns als treueste Diener würdig zu erweisen, baust du irgendeine Scheiße!“ Hastig rollte sich Rabastan zur Seite, um einem weiteren Tritt zu entgehen und stieß dabei unsanft gegen ein Tischbein. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er nach der hölzernen Kante der Tischplatte und versuchte sich ächzend aufzurichten. „Tue nicht … so wichtig“, brachte er mühsam hervor. „Dir hätte genauso ’n … Fehler passieren können.“ Dieses Mal zischte ein Fluch durch die Luft, den Rabastan in letzter Sekunde mit einem Protego abwehren konnte. „Tschuldigung, hab ja ganz vergessen, dass der … ach so große Rodolphus, Träger und Erbe unseres ehrenwerten Namen, unfehlbar ist.“ „Halt die Klappe!“, brüllte Rodolphus. Seile schossen aus der Spitze seines Zauberstabs hervor und schlangen sich um die wehrlose Gestalt seines Bruders. Unruhig wandte Barty den Blick von dem Geschehen ab und sah unwillkürlich zu Bellatrix, die schweigend neben ihm stand. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass Barty sie in einer solchen Situation tatenlos vorfand. Ihr war anzusehen, dass sie Rabastan am liebsten mit dem Cruciatus gefoltert hätte, bis ihm Hören und Sehen vergingen, doch überließ sie das ihrem Mann. Es war eine Sache, die weit persönlicher ging, als es den Anschein hatte und das gefiel Barty nicht. Es interessierte ihn auch nicht. Er wollte wissen, wofür er gebraucht wurde und nicht Zeuge werden, wie eine Familienstreit vom Zaun brach. Doch stattdessen musste Barty zusehen, wie Rodolphus den mittlerweile hilflosen Rabastan immer übler zurichtete. „Du elender Scheißkerl“, fluchte Rabastan und spukte Blut, nachdem ihn ein harter Faustschlag getroffen hatte. „Hör mir doch erstma zu! Das war nicht meine Schuld-“ Ein Fluch peitschte durch die Luft und riss ihm die letzten Worte von den Lippen. „Natürlich“, höhnte Rodolphus, während er sich langsam seinem Bruder näherte. „Es ist nie deine Schuld. Das war’s auch nie gewesen. Wie konnte mir das nur entgehen?“ „Scheiße noch mal, keiner von uns hat damit gerechnet. Wir haben alles wie geplant gemacht. Dieses kleine Schlammblut hätte ’n ordentliches Willkommen gehabt und dann kam diese verschissene Patrouille!“ „Red dich nur raus“, sagte Rodolphus kalt und Barty bemerkte, wie dessen Zauberstabspitze für einen flüchtigen Moment grün aufblitzte. Ein markerschütternder Schrei folgte. Rabastans Körper begann krampfhaft zu zucken unter den straff gespannten Seilen, während er seinen Kopf im Kampf gegen die Schmerzen von einer Seite auf die andere warf, als würde er die Pein so von sich stoßen können. Teilnahmslos beobachteten die anderen drei Todesser die leidende Gestalt, bis Rodolphus schließlich den Cruciatus-Fluch wieder aufhob. „Und ist dir noch was eingefallen?“ Schweratmend hob Rabastan den Kopf. Das verschwitzte Haar hing ihm in die Augen und sein Mund war noch immer zu einer schmerzerfüllten Grimasse verzogen. „Was willst du von mir hören?“, stieß er schwach hervor. „Ja, verdammt mir und Avery und Rosier ist’n gewaltiger Fehler passiert. Zufrieden?“ „Das war doch längst nicht alles“, mischte sich Bellatrix auf einmal ein und richtete ihren Zauberstab auf die armselige Gestalt des jüngsten Lestranges. „Wie wär’s, wenn ich noch den Rest aus dir herauskitzel?“ Doch Rodolphus hob die Hand. „Lass gut sein, ich hab ’ne bessere Idee.“ Zweifelnd sah Bellatrix ihn an, senkte jedoch ihren Zauberstab. „Du hast Glück“, zischte sie mit zornesroten Wangen. „Solltest du beim nächsten Mal auch nur irgendeinen kleinen Fehltritt machen, der das große Werk des Dunklen Lords in Gefahr bringt, werde ich eigenhändig dafür sorgen, dass du nie wieder irgendeinen Mist bauen kannst.“ Rabastan lächelte schwach. „Danke, Bella“, und bekam dafür unsanft die Spitze ihres Zauberstabs in seine Wange gerammt. Dann lösten sich Rodolphus’ Seile und taumelnd kam Rabastan zum Stehen. Als niemand etwas unternahm, um ihn aufzuhalten, drehte er sich um die eigene Achse und apparierte. Böse starrte Bellatrix ihm nach und verschwand kurzerhand ebenfalls an Ort und Stelle. Mit einem Mal befand sich Barty mit Rodolphus allein in diesem großen Haus und versuchte zu verstehen, was er soeben gesehen hatte. „Komm mit“, sagte Rodolphus schließlich harsch und ging mit ausgreifenden Schritten den Weg zu seinem Arbeitszimmer. Eilig lief Barty ihm nach, unsicher, was der Todesser von ihm wollen konnte. Die Norrell-Tragödie lag bereits mehrere Monate zurück und war zu einer Zeit in der Magischen Strafabteilung bearbeitet worden, zu der Barty sich noch nicht im Ministerium befunden hatte. Wie sollte er also weiterhelfen können? „Ich brauche Informationen“, sagte Rodolphus knapp, kaum dass die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. „Ich-“, setzte Barty an und wurde sofort von einer unwirschen Handbewegung zum Verstummen gebracht. „Ich weiß, dass du jetzt nichts hast“, fuhr Rodolphus fort, „deshalb hab ich dich hergeholt. Du sollst wissen, wonach du Ausschau halten musst.“ Etwas beleidigt schwieg Barty. Es war schließlich nicht so, als hätte er gar keine Informationen. „Pass auf, die Norrell-Tragödie wurde so gut es ging vertuscht. Die feinen Ministeriumsleute hatten Schiss, dass die Öffentlichkeit sich sonst einmischen würde. Du weißt, worum es ging?“ „Stephanie Norrell, Schlammblut und Journalistin für den Tagespropheten wurde mitsamt ihrer Familie ermordet“, wiederholte Barty das, was er wusste. „Die Verantwortlichen wurden nie gefasst und die ganze Sache unter den Teppich gekehrt.“ Rodolphus nickte. „Rabastan hatte das Kommando über die Mission. Du hast gehört, was er gesagt hat. Wahrscheinlich war das nicht alles und es wäre gut, wenn du von meinem dummen Bruder mehr erfahren könntest. Außerdem müssen wir wissen, wie viel das Ministerium tatsächlich weiß — dafür hingen zu viele unserer Leute mit drin.“ Ein helles Klopfen ließ den Todesser innehalten. Misstrauisch spähte er zu dem hohen Fenster hinaus, auf dessen Sims eine große Eule hockte und ungeduldig mit ihrem Schnabel gegen die Scheibe schlug. Ein eisiger Luftzug fuhr in die warme Behaglichkeit des Arbeitszimmers, als Rodolphus das Tier kurz hineinließ und die Nachricht entgegen nahm. Während die Eule wieder von dannen flog, richtete er seine Aufmerksamkeit auf das kurze Schreiben. Barty konnte beobachten, wie sich Rodolphus’ Miene von Zeile zu Zeile verfinsterte, bis er mit einem leisen Fluch das Stück Pergament verbrannte. „Wie gesagt, ich brauche jegliche Art von Information — am besten so schnell wie möglich.“ „Und wie soll ich dir die Informationen zukommen lassen?“, fragte Barty ausdruckslos, wobei er versuchte, sich seinen Ärger über Rodolphus’ plötzliche Unaufmerksamkeit nicht anmerken zu lassen. Stattdessen warf er einen neugierigen Blick auf die verkohlten Pergamentfetzen am Boden in der Hoffnung, mehr über den Inhalt dieser geheimnisvollen Nachricht in Erfahrung bringen zu können. Doch das Feuer hatte bereits alles vernichtet. „Schick eine Eule, dass du etwas hast oder komm am besten sofort hierhin.“ „Verstanden“, sagte Barty. Rodolphus wirkte unachtsam, fast schon durcheinander, so wie er mit unheilschwangerer Miene aus dem Fenster sah. Und das gefiel ihm nicht. „Gibt es sonst noch etwas?“, fragte er schließlich vorsichtig. Rodolphus wandte sich wieder dem jungen Todesser zu. Etwas verwirrt blinzelte er, dann schien er sich gefasst zu haben. „Ich hab hier die ersten Entwürfe, wie Rabastan mit seinen Leuten vorgehen wollte.“ Mit einem Ruck öffnete er eine der schweren Schubladen seines Schreibtisches und zog eine große Pergamentrolle hervor. Schweigend breitete er sie auf einer freien Fläche aus. „Präg sie dir gut ein. Sie dir mitzugeben, wäre zu gefährlich.“ Müde nickte Barty und unterdrückte ein Gähnen, als er auf den Plan starrte. Er enthielt die Umrisszeichnung eines kleinen Dorfes, an dessen Ecken und Gassen Markierungen gemacht worden waren. Daneben waren in enger Schrift Operationsschritte festgehalten. Barty merkte, wie die Striche vor seinen Augen zu tanzen begannen; alles verschwamm und zwang ihn dazu angestrengt zu blinzeln, um den Fokus zu bewahren. Die hämmernden Kopfschmerzen, die es sich hinter seiner Schädeldecke bequem gemacht hatten, trugen auch nicht sonderlich zur Besserung bei. „Ich werde versuchen, an eine Kopie aus dem Ministerium heranzukommen, dann können wir sie hier miteinander vergleichen“, murmelte er und kämpfte gegen die bleierne Müdigkeit an, die ihn mit einem Mal überkommen hatte. Ein sehnsüchtiger Blick auf die kleine tickende Uhr auf einem der vielen Regale verriet ihm, dass zwei Uhr Nacht bereits um war. „Gute Idee“, stimmte Rodolphus zu, während er den Plan mit einem Schlenker seines Zauberstabs wieder zusammenrollen ließ. „Geh nach Hause und sieh zu, dass du so schnell wie möglich an Informationen herankommst.“ „Ja“, nickte Barty entschlossen und machte sich mit einem leisen ‚Gute Nacht‘ auf den Heimweg. Kapitel 4: Strategiewechsel --------------------------- Der nächste Morgen nahm keinen guten Anfang. Barty fühlte sich nach der vergangenen Nacht erschöpfter denn je, denn wie zu erwarten gewesen war, hatte er kaum Schlaf bekommen. Müde schlurfte er hinunter ins Esszimmer und wollte gar nicht an den bevorstehenden Tag denken. „Guten Morgen“, murmelte er zu seinen Eltern und nahm auf einem der eleganten Holzstühle Platz. Der verheißungsvolle Duft von einem köstlichen Frühstück stieg in seine Nase und weckte seine Lebensgeister. Während er sich eine großzügige Portion Rührei mit Speck auftischte und nach dem Toast griff, fiel sein Blick zu seinem Vater, der hinter dem aufgeklappten Tagespropheten verschwunden war. Auf dem Titelblatt war von irgendeinem Vorkommen die Rede, das kaum der Aufmerksamkeit wert war, bedachte man all die anderen Ereignisse der letzten Zeit. Dennoch beruhigte es Barty, dass bisher nichts von dem Fall Underwood an die Ohren der neugierigen Reporter oder gar an die Öffentlichkeit gedrungen war. „Habt ihr heute wieder so einen langen Tag?“, fragte Mrs Crouch irgendwann in das unangenehme Schweigen hinein. Barty sah von seinem Darjeeling-Tee auf, an dem er gerade nippte, und spähte hinüber zu seinem Vater, der seufzend den Tagespropheten zusammenfaltete. „Du weißt, dass Arbeitszeiten in diesen schweren Zeiten keine Rolle spielen. Es wird so lange gearbeitet, bis eine Lösung gefunden worden ist oder bis zumindest etwas erreicht wird!“, sagte dieser. Mrs Crouch schwieg bedrückt. Ihre schmalen Hände umklammerten die feine Porzellantasse, als suchte sie Halt. „Überarbeitet euch nicht. Winky hat gesagt, dass ihr heute Nacht wieder sehr spät zu Hause wart.“ Mr Crouch seufzte. Dabei sah er zu einer kleinen Uhr, die auf einer Kommode stand. „Wir müssen los“, sagte er knapp. Barty nickte ergeben, auch wenn er nicht umhin konnte, noch einen bedauernden Blick auf sein halbgegessenes Frühstück zu werfen. Danach verabschiedete er sich mit einer flüchtigen Umarmung von seiner Mutter und folgte seinem Vater ins Kaminzimmer. Es war zu einer alltäglichen Routine geworden; das wortkarge Frühstück, der Weg zum Kaminzimmer, das Aufheben der ledernen Aktentaschen, der Schritt in den Kamin. „Ins Zaubereiministerium!“ Dann folgte das Flohpulver und von einer smaragdgrünen Flamme wurde man verschluckt. In einer geübten Bewegung klopfte Barty sich den Staub von der Robe, während er eilig aus dem Feuerplatz stolperte und seinem Vater den langen Gang entlang folgte, an dessen Seiten sich weitere Kamine befanden. „Du siehst erschöpft aus, ist alles in Ordnung?“, bemerkte sein Vater auf einmal. „Alles in Ordnung“, antwortete Barty und tat sich schwer damit, seine Überraschung über das plötzliche Interesse an seinem Befinden zu verbergen. „Es war ein langer Tag und ich konnte nicht gut schlafen.“ Mr Crouch nickte knapp. „Sieh zu, dass du dich davon nicht einschränken lässt. Ich erwarte höchste Konzentration!“ „Sehr wohl, Sir.“ Teilnahmslos sah Barty in das betriebsame Gewimmel, das bereits im Atrium herrschte. Über ihren Köpfen schwirrte eine Vielzahl an violetten Memos, während das Getrampel eiliger Schritte die große Halle erfüllte. „Der heutige Tag ist von wichtiger Bedeutung“, fuhr Mr Crouch neben ihm fort, was Barty dazu brachte, doch noch zu seinem Vater zu sehen. Zu seiner Enttäuschung gab dieser aber nicht mehr preis. Schweigend gingen sie weiter ihren Weg durch das Zaubereiministerium. Vereinzelt gab es Zauberer, die Mr Crouch höflich, teils auch freundlich grüßten und dann gab es welche, die ihn mit offenkundigem Missfallen begegneten. Barty hingegen wurde kaum Beachtung geschenkt. Er war der einfache Sohn des Leiters der Magischen Strafabteilung. Fleißig — wie man sich sagte — aber nicht der Rede wert. Er stand im Schatten seines Vaters und wurde von diesem verschluckt. Barty hätte es gehasst, wenn ihm diese Position nicht unsagbar wertvolle Vorteile einbrachte. Vor ihnen öffnete sich ratternd das goldene Gitter des Fahrstuhls und ein Strom von geschäftigen Zauberern ergoss sich auf den langen Gang, der an der Aurorenzentrale vorbei zu den Büros der Magischen Strafverfolgung führte. Nachdenklich schritt Barty den Weg entlang, während er zu den großen Fenstern sah. Wie so oft in letzter Zeit zeigten sie strahlenden Sonnenschein, der nicht nur für diese späte Jahreszeit unüblich war, sondern kaum zur derzeitigen Situation passte. Es hätten dunkle Sturmwolken sein müssen, ein Gewitter mit kräftigen Blitzen. Aber den Ministern war nicht daran gelegen, die Stimmung noch schlechter zu machen, als sie ohnehin schon war. Dafür gab es schließlich Vorgesetzte wie Barty Crouch Senior. Verächtlich sah Barty zu seinem Vater. Sie hatten die Abteilung erreicht; Barty wollte sich soeben an seinen Schreibtisch setzen und seine Arbeit vom Vortag wieder aufnehmen, da bedeutete Crouch ihm zu folgen. „Mitkommen“, brummte er. Etwas erstaunt lief Barty ihm zum angrenzenden Büroraum hinterher. Bevor er jedoch die Frage stellen konnte, was sein Vater wollte, sah er weitere Zauberer hereinkommen. Bei den meisten handelte es sich um Auroren, darunter auch Moody und Longbottom. „Ich möchte, dass so etwas wie diese Nacht nicht noch einmal vorkommt“, donnerte Crouch, kaum dass alle anwesend waren. Mit irgendwelchen Floskeln der Begrüßung hielt er sich gar nicht erst auf. Stattdessen starrte er auf die kleine Runde von Zauberern und schien vor unbändiger Wut über ihren Misserfolg zu kochen. „Wir hatten fast einen Zeugen, fast! Vielleicht hätten wir sogar Namen bekommen können“, rief er, während er aufgebracht vor seinem Schreibtisch auf und ablief. „Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen. Wir sind ganz nah dran gewesen, diesen Abschaum zu fassen.“ „Barty“, knurrte Moody. „Das ist nicht deine Aufgabe. Warum sind wir hier?“ Barty konnte sehen, wie sein Vater zu einer heftigen Erwiderung ansetzte, sich dann aber in den Griff bekam. „Wir können niemandem mehr trauen“, sagte er leise. „Das hat der gestrige Tag gezeigt, wie Sie vielleicht wissen. Nachdem Underwood gestanden hat, mit Wilf Stroud in Kontakt zu stehen und in seinem Laden Todesser getroffen zu haben, wurde eine kleine Gruppe von Auroren losgeschickt, um den Ladeninhaber festzunehmen und Beweise zu sammeln, mit denen wir weitere Todesser nach Askaban hätten schicken können. Stattdessen haben unsere Auroren das Dunkle Mal am Himmel gefunden, als sie in der Nokturngasse ankamen. Wilf Stroud ist tot und sein Laden fast komplett in einem Feuer vernichtet worden.“ Bitteres Schweigen füllte das Büro. Jedem stand das Grauen und der Misserfolg vor Augen, von dem Mr Crouch berichtete. „Ich möchte deshalb, dass Sie versuchen, gefangene Täter noch vor der Anhörung zu befragen. Wir brauchen Informationen, bevor sie in die falschen Hände geraten können.“ „Ich weiß nicht, ob das so einfach ist. Bagnold möchte über alles informiert sein, wenn herauskommt, dass-“ „Was ist Ihnen wohl lieber, Mr Featherstone: Dass sie das Land vor dieser Bedrohung bewahren oder dass Sie Gefahr laufen, wichtige Informationen an den Feind zu verlieren?“, fuhr Crouch dazwischen. Mr Featherstone verstummte sichtlich eingeschüchtert und scharrte stattdessen unwohl mit seiner Stiefelspitze über den blanken Boden. Niemand bemerkte, wie Barty aufmerksam zu ihm hinübersah. Im Vergleich zu den anderen Anwesenden, die alle einen mehr oder minder entschlossenen Gesichtsausdruck trugen, wirkte Featherstone am unsichersten. Selbst Frank, dem seine Skepsis anzusehen war, zeigte wie die übrigen vier Auroren die grimmige Entschlossenheit, alles Notwendige zu tun, um die Pläne des Dunklen Lords zu vereiteln. „Ich habe Sie heute hier einberufen, weil ich von Ihnen glaube, dass Sie nicht mit irgendwelchen Machenschaften von Du-weißt-schon-wem in Kontakt stehen. Im Ernstfall haben wir Bagnold auf unserer Seite, doch je weniger Informationen nach außen und zu ihr dringen, desto sicherer werden wir sein“, erklärte Mr Crouch schließlich. „Was ist mit dem Widerstand?“, wagte es Frank einzuwenden. Tiefe Verachtung grub sich in Mr Crouchs Gesicht. „Wir müssen Du-weißt-schon-wen mit der Kraft der Regierung zu Fall bringen, wenn wir unser Ansehen in der Zaubererwelt wahren wollen. Ich erwarte, dass Sie alle dem Ministerium treu bleiben.“ Moody brummte etwas Unverständliches, schien aber keine konkreten Einwände zu haben. „Du weißt, dass ich das tue, was ich für angemessen halte, Barty“, knurrte er. Crouch nickte. „Gut“, sagte er dann, als sich niemand sonst noch zu Wort meldete, „wichtige Dokumente werden ausschließlich an meinen Sekretär oder direkt an mich weitergegeben — so gehen wir sicher, dass kein Außenstehender an diese Informationen kommt.“ Somit wusste auch Barty, was er mit der Sache zu tun hatte. Er war der Sekretär, der seinem Vater den Hintern hinterher tragen durfte. Er war jedoch auch einer der wenigen, die — wie es aussah — äußerst vertrauliche Informationen bekommen sollten. Barty verkniff sich ein triumphierendes Lächeln und verfolgte stattdessen, wie sich die kleine Versammlung aufzulösen begann, nachdem alles Wichtige besprochen worden war. „Bartemius“, sagte sein Vater schließlich, als alle anderen gegangen waren. „Ich möchte alles, was man über Wilf Stroud weiß, zusammengetragen haben. Und dann setz einen Termin für Underwoods Verurteilung an. Der Fall hat eine deutlich höhere Priorität bekommen, weshalb ich mich darum kümmern werde.“ „Verstanden, Sir“, entgegnete Barty steif. „Und gib Acht“, fügte Crouch auf einmal hinzu, kurz bevor Barty sein Büro verlassen hatte, „du bist in einer sehr wichtigen Position. Solltest du in irgendwelche Schwierigkeiten geraten, gefährdet das alles, wofür wir arbeiten.“ Barty drehte sich nicht mehr zu seinem Vater um. Er blieb einfach stehen, den Rücken zu ihm gewandt, und nickte schweigend. Er wollte nicht, dass er das verräterische Zucken in seinen Mundwinkeln bemerkte. Wenn ihm das denn tatsächlich aufgefallen wäre. So aber murmelte er nur ein demütiges „Sehr wohl, Sir“, und machte sich an die Arbeit. Das Gerichtsverfahren für Underwood war schnell in die Wege geleitet. Das Ministerium war froh, der Öffentlichkeit Ergebnisse präsentieren zu können und so wurde Peter Underwood im Beisein des Zaubergamots, der Zaubereiministerin, Millicent Bagnold, sowie dem Vorsteher, Bartemius Crouch Senior, auf lebenslänglich nach Askaban verurteilt. Seinem Wimmern und Klagen, dass er keine Wahl hatte, dass er unter dem Imperius gestanden habe, hatte man keine Beachtung geschenkt. Das Veritaserum hatte genug aus ihm hervorgelockt, um ihn verurteilen zu können. Tatsächlich hatte er gestanden, seine Funktion als Vergiss-Mich missbraucht zu haben und in vielen Fällen den Muggeln nicht nur das Gedächtnis gelöscht, sondern, wenn es sich angeboten hatte, sie mit einem Unverzeihlichen umgebracht zu haben. Genauso schnell waren Informationen über Wilf Stroud eingeholt worden, die zum großen Unmut Crouchs keinerlei Spuren enthielten, mit denen weitere Todesser hätten gefasst werden können. In Barty wuchs indessen der Frust über die geringe Informationsfülle, die es über die Norrell-Tragödie zu geben schien. Wie Rodolphus bereits vermutet hatte, hatten die meisten ihr Bestes getan, den Fall unter den Teppich zu kehren. Selbst während Underwoods Verurteilung hatte man ihm kaum Relevanz beigemessen und sich stattdessen auf andere Beweise berufen. Und so erarbeitete sich Barty mit quälender Langsamkeit Stück für Stück ein weiteres Teil des großen Puzzles. ~*~ Es war später Abend. Die kalte Winterluft schnitt Barty ins Gesicht, während er schnellen Schrittes durch die kleine, dunkle Gasse lief. Niemand wusste, dass er hier war. Zusammen mit seinem Vater war er von einem anstrengenden Tag nach Hause gekehrt, nur um kurz darauf wieder aus dem Haus zu schleichen. In weiter Ferne konnte Barty das Bellen eines Hundes vernehmen. Ein schwacher Lichtstrahl durchbrach die Düsternis, als in einem Fenster der Vorhang beiseite gezogen wurde. Hastig drückte sich Barty in die Schatten und wartete, bis der schwache Lichtschimmer wieder verschwunden war. Er war froh, dass noch kein Schnee gefallen war, in dem er verräterische Spuren hinterlassen hätte. Schließlich erreichte er eine kleine schiefe Holztür. Neben ihr waren vier alte, verrostete Platten angebracht, auf denen in unleserlicher Schrift die Namen der Bewohner standen. Doch Barty scherte sich darum nicht. Vorsichtig zog er seinen Zauberstab hervor, öffnete die alte Haustür und betrat das muffige Treppenhaus. Das bläuliche Licht eines abgeschwächten Lumos’ fiel auf die versifften Wände. Barty zog unwillkürlich die Nase kraus bei dem Anblick dieses erbärmlichen Zustands und machte sich dann auf in den zweiten Stock. Leise murmelte er mehrere Zauber, mit denen er ein starkes System an Sicherungsvorrichtungen entdecken konnte. Für einen Augenblick überlegte er, ob es nicht einfacher sein würde, anzuklopfen und sich zu erkennen zu geben, doch war sein Ehrgeiz geweckt. Voller Konzentration schloss er die Augen und begann, Zauber zu weben, mit denen er eine Lücke in dem Schutz schaffen konnte. Als er fertig war, öffnete Barty vorsichtig die Tür und zuckte bei dem plötzlichen Quietschen, das ertönte, erschrocken zusammen. Verdammt! Daran hatte er nicht gedacht. Eilig murmelte er einen Spruch, der die Geräusche dämpfte und betrat die staubige Wohnung. Sie war klein und leer und eigentlich nicht mehr als ein weiterer Treffpunkt für Kontaktaufnahmen. Langsam ging er tiefer hinein. Doch auch so wusste er bereits, dass niemand hier war. Verärgert erlaubte er sich ein lautes Stöhnen und machte sich daran, die Schutzvorrichtung wieder herzustellen. Er war sich sicher gewesen, dass er ihn heute hier antreffen würde — dafür hatte er sich zu sehr in bestimmte Alltagsroutinen fallen lassen. Aber was schadete es schon, wenn Barty ein bisschen warten würde? Mit einem Grinsen machte er es sich in einem der Sessel bequem, wobei er sich die Überraschung ausmalte, die ihm ins Gesicht geschrieben stehen würde, wenn… „Bei Slytherin!“ Müde blinzelte Barty und versuchte zu erfassen, was geschah. Wo er sich befand. „Was machst du denn hier?“ Langsam krochen seine Gedanken zurück und schoben sich wieder an die richtige Position. Er war zu dem Treffpunkt gegangen, um Rabastan zu Rede und Antwort zu stellen, doch es war niemand da gewesen und dann… Erschrocken fuhr Barty hoch. Er war eingeschlafen! Wie hatte er so dumm sein können? „Tut mir ja leid, ich wollte dich wirklich nicht wecken“, erklang es nun spöttisch und Barty spürte einen groben Stoß gegen sein Bein. „Lass das“, brummelte Barty. „Wer hat mir denn aufgelauert?“ Barty sah finster zu Rabastan und entdeckte erst da die junge Hexe, die dicht an seine Seite geschmiegt war. Unwillkürlich zog er die Augenbrauen hoch und gab Rabastan einen bedeutungsvollen Blick. „Keine Sorge, sie wird schon nicht singen, stimmt’s?“ Mit einem Grinsen wandte der ältere Todesser sich an seine Begleitung, die mit einem leisen Kichern antwortete. Etwas gefiel Barty daran nicht. Ausdruckslos sah er von der Frau zu Rabastan. „Ich muss mit dir reden“, war alles, was er kühl sagte. „Oooh ist ja gut.“ Rabastan warf theatralisch die Arme in die Luft und richtete dann seinen Zauberstab auf die junge Begleiterin. „Obliviate“, murmelte er. „Du gehst wieder zurück und weißt von nichts, ja?“, hörte Barty den Todesser flüstern. Mit einem Nicken befolgte sie den Befehl und verschwand kurz darauf in den smaragdgrünen Flammen des Flohpulvers. „Bist du sicher, dass sie nichts sagt? Man könnte ihren Weg zu diesem Kamin zurückverfolgen“, sagte Barty skeptisch. „Was ist mit dir?“, fuhr Rabastan ihn verärgert an. „Sie weiß doch nicht mal, wer ich bin, wie soll man da Rückschlüsse ziehen können, dass das hier’n Versteck ist?“ Barty zuckte die Achseln und lümmelte sich tiefer in die Polster des Sessels. „Ich finde nur, dass wir vorsichtig sein sollten. Das ist alles.“ „Wahrscheinlich bist du einfach nur neidisch.“ „Neidisch?“ Verwundert sah Barty zu Rabastan. „Klar, schließlich vergnüge ich mich zwischendurch.“ „Das hat damit nichts zu tun!“ „Nicht?“ Grinsend trat Rabastan näher und lehnte sich lässig vor, wobei sein Stiefel auf der Armlehne des Sessels ruhte. „Ich wette, du hast’s noch nie richtig getan, oder?“ „Was soll das?“, fuhr Barty ihn an und spürte, wie ihm heißes Blut ins Gesicht schoss. Unwohl rutschte er vor Rabastan zurück und versuchte dessen triumphierendem Blick standzuhalten. Er erinnerte sich an leise Worte und manchmal hatten sich schüchterne Blicke getroffen, die mehr als tausend Worte gesagt zu haben schienen. Ein Kribbeln regte sich in ihm. „Ich hab recht, oder?“, fragte Rabastan, obwohl es eigentlich keiner Antwort mehr bedurfte. Sein Grinsen war breiter geworden und er hatte sich noch tiefer zu Barty gebeugt, der ihm sichtlich auszuweichen schien. „Du hast keine Ahnung“, antwortete Barty heftig und stand flink auf, um Abstand zu gewinnen. „Wirklich nicht?“ „Ja!“ Dieses Wort klang so kläglich, dass es Rabastan zum Lachen brachte. Und obwohl Barty sich noch immer nicht ganz wohl fühlte, konnte er nicht anders, als einzufallen. „Na ja, musst du wissen“, meinte Rabastan schließlich achselzuckend. „Würd dir aber raten, dass es sich ohne Stock im Arsch leichter leben lässt. Vertrau mir.“ Bartys Augenbrauen wanderten nach oben. Das sagte der, der vor wenigen Wochen nicht nur vom Dunklen Lord sondern auch vom eigenen Bruder für seine Dummheit verprügelt worden war. Dennoch beließ er es dabei. Jetzt war keine Zeit für so etwas. „Warum hast du dich eigentlich nicht mehr gemeldet?“, fragte er stattdessen. „Oh, hattest du Sehnsucht nach mir?“, witzelte Rabastan. Barty schwieg jedoch finster. „Schon gut, schon gut, ich höre auf. Ich hab versucht ’n paar Dinge zu richten. Und auf meinen Bruder konnte ich auch verzichten“, erklärte Rabastan nun wieder ernst, während er es sich in dem Sessel bequem machte, in dem kurz zuvor noch Barty gesessen hatte. „Gibt’s zu“, fügte er dann mit einem spöttischen Lächeln hinzu, „mein Bruder hat dich auf mich angesetzt.“ Barty sagte nichts, sondern starrte nur mit ausdrucksloser Miene auf den Todesser vor sich. In seinem Kopf ging er bereits durch, wie er nun am besten vorgehen sollte, um ihn für sich gewinnen zu können. „Hör mal mit dem Scheiß auf“, brummte Rabastan schließlich gereizt. „Wir sind hier nicht im Ministerium, da kannst du ruhig was offener sein. Also: Hat Rodolphus dich auf mich angesetzt?“ Barty zuckte abwägend die Schultern. „Nicht ganz. Er will wissen, wie dir der Fehler passieren konnte. Das war’s auch.“ „Wahrscheinlich hat Vater sich eingemischt“, schnaubte Rabastan verächtlich und legte den Kopf in den Nacken. „Es gilt Familienehre zu wahren. Ich darf keine Schande machen“, imitierte er mit tiefer Stimme Mr Lestrange. „Dabei hab ich nur meinen Job gemacht. Es hätte alles gut laufen können. Ehrlich! Alles war durchgeplant.“ Erwartungsvoll horchte Barty auf. Sein Körper spannte sich unmerklich an bei dem Gedanken, dass Rabastan tatsächlich kurz davor war, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Doch der ältere Todesser bemerkte das nicht. „Rosier ist der Kleinen gefolgt. Musste dafür sogar so’n Muggelfahrzeug nehmen. Avery und ich standen auf Position und haben die nette Begrüßung vorbereitet. Niemand hätte eine Möglichkeit gehabt, uns zu verraten!“ „Aber jemand hat geplaudert“, bemerkte Barty ruhig. Rabastan nickte wütend. „Ja, irgendso’n Verräter.“ „Was ist mit Underwood?“ Überrascht sah Rabastan auf. „Underwood stand fest unter unserer Kontrolle. Eher hätte Avery sich verplappert, als dass dieses Halbblut geplaudert hätte.“ Barty schwieg nachdenklich und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. „Hast du mitbekommen, dass Underwood verurteilt worden ist?“, fragte er schließlich vorsichtig. „Ihm wurde Kontakt zu Todessern vorgeworfen und über ihn sind sie an Wilf gekommen.“ „Um Wilf hab ich mich gekümmert“, sagte Rabastan leise und starrte finster ins Leere. „Wir mussten wegen dieser Kacke einen unserer besten Treffpunkte aufgeben. Und seitdem ist ständig irgendwo ’n Spitzel in der Nokturngasse.“ Frustriert strich er sich das Haar aus der Stirn und stand auf. „Du hast also keine Ahnung, was genau schief gelaufen ist?“, hakte Barty nach. „Nein, verdammt!“, fuhr Rabastan ihn an. „Ich weiß, dass wir Underwood unter Kontrolle hatten, ich weiß, dass alle anderen Punkte des Plans perfekt ausgeführt worden sind und ich weiß, dass dieser beschissene Haufen der Magischen Patrouille plötzlich angewackelt kam und alles zunichte gemacht hat!“ „Und danach habt ihr die Norrells getötet und das halbe Dorf in die Luft gejagt, richtig?“ „Kann man so sagen“, stieß Rabastan grimmig hervor. „Und von dieser scheiß Patrouille haben wir ordentlich welche mitnehmen können.“ Das würde erklären, warum sie in der Magischen Strafabteilung mittlerweile unterbesetzt waren. Der Gedanke amüsierte Barty und lockte ein flüchtiges Lächeln hervor. Schnell rief er sich jedoch in Erinnerung, dass es weitere Punkte zu klären galt, denn wenn er Rabastan glauben konnte, lag der Fehler gar nicht bei ihm, sondern war anders entstanden. „Ich versuche noch mehr im Ministerium herauszufinden“, sagte Barty nur. „Heißt, du hast noch keinen Erfolg gehabt?“ „Wenig“, gab Barty missmutig zu und starrte unwillkürlich zum Fenster hinaus. Dann riss er sich zusammen. „Aber ich habe was anderes für dich, was von Interesse sein könnte.“ „Und das wäre?“, fragte Rabastan neugierig. Barty lächelte ein finsteres Lächeln. „Es gibt eine Schwachstelle unter den Angestellten meines Vaters. Ich bin mir sicher, dass wir eine nette Informationsquelle hätten mit den richtigen … Druckmitteln.“ Auch in Rabastans Gesicht erschien ein Grinsen. „Ich verstehe“, sagte er. „Und von wem genau ist die Rede?“ „Mr Featherstone.“ Kapitel 5: Die Norrell-Tragödie ------------------------------- Ungeduldig spielte Barty am Riemen seiner ledernen Umhängetasche und unterdrückte den Drang, unruhig auf den Fußballen zu wippen. Sein wohlverdienter Feierabend stand an und statt endlich in diesen gehen zu können, war er nun dazu gezwungen abzuwarten, dass sein Vater auch dem letzten seiner Mitarbeiter irgendwelche Anweisungen erteilt hatte. Wäre es nicht nach Mrs Crouch gegangen, dann hätte sein Vater mal wieder als Letzter die Abteilung verlassen oder hätte gleich im Ministerium übernachtet; da war Barty sich sicher. So aber blieb ihm an diesem Abend keine andere Wahl, als in den bitteren Kürbis zu beißen und zu warten. Nicht dass er es eilig gehabt hätte … Da, endlich, hatte sich Mr Crouch von seinem Gesprächspartner losgerissen und ging nun auf seinen Sohn zu. Dieser neigte unmerklich den Kopf und folgte ihm, immer darauf bedacht ein winziges bisschen zurückzubleiben. Er wusste, dass es seinen Vater in dem Gefühl bestärken würde, einen unfähigen Sohn zu haben. Schweigend betraten sie den weiten Korridor, der von den Fenstern in das warme, friedliche Licht der Abenddämmerung getaucht wurde. „Barty!“, rief auf einmal eine knurrige Stimme aus der Aurorenzentrale, kaum dass sie sie passierten. Sofort blieb der Angesprochene stehen. „Was gibt es?“, fragte Mr Crouch kurzangebunden. „Wir haben gerade ’ne Nachricht von ’nem hässlichen Überfall erhalten. Mehrere Muggel sind tot, darunter die Eltern eines Muggelgeborenen.“ „War das Dunkle Mal zu sehen?“ Moody nickte grimmig. Das blutrote Licht der untergehenden Sonne malte tiefe Schatten in seine verhärmten Züge, während seine dunklen Augen von Crouch Senior zu dessen unscheinbarem Sohn wanderten, der schweigend daneben stand und einen Anflug von Entsetzen im Gesicht trug. „Wär gut, wenn du dir die Fakten ansiehst. Die Longbottoms sind schon vor Ort und suchen nach Spuren. Miss Vance und ich wollten gleich hinter her, auch wenn ich nicht glaube, dass wir noch irgendjemanden von diesem Dreckspack in die Finger kriegen.“ „In Ordnung“, nickte Crouch und machte Anstalten, Moody in die Zentrale zu folgen, bis ihm sein Sohn wieder einfiel. „Du kannst gehen, Bartemius. Richte deiner Mutter bitte aus, dass es heute Abend spät werden wird und es mir leid tut.“ „Natürlich, das werde ich machen“, sagte Barty pflichtbewusst und spürte, wie alles in seinem Inneren über das gute Timing jubilierte. Nun würde es keine großen Probleme geben, den wichtigen Teil des Tages anzutreten. Einen flüchtigen Moment trafen sich Moodys und sein Blick. Etwas in Barty gefror zu Eis, bei dem durchdringenden Paar dunkelbrauner Augen und er war froh, dass ihm Okklumentik immer weniger Probleme bereitete. So ließ er alles leer werden und erwiderte den Blickkontakt ruhig. Dabei zeigte er das angemessene Maß an Respekt und Entsetzen, das bei diesen wunderbaren Nachrichten erwartet wurde. „Es wird Zeit, dass Bagnold endlich ihr Einverständnis gibt“, hörte Barty seinen Vater sagen. „Wir müssen in Situationen wie diese die Möglichkeit haben, zu drastischeren Maßnahmen zu greifen.“ Moody wandte sich mit einem knappen Nicken des Abschieds von Barty ab und folgte Mr Crouch zustimmend in die Aurorenzentrale. „Du hast recht, Barty, aber solange es Idealisten wie die Longbottoms gibt, könnt’s…“ Der Rest der Worte verlor sich. Es ärgerte Barty, dass er keine andere Wahl hatte, als weiterzugehen. Am liebsten wäre er den beiden gefolgt, um endlich herauszufinden, was genau sein Vater mit diesen Andeutungen meinte. Doch die Dokumente in seiner Tasche wogen schwer und erinnerten ihn daran, dass er einen wichtigeren Auftrag auszuführen hatte und dass jegliches verdächtige Verhalten fehl am Platz war. Er würde früher oder später noch herausbekommen, was sein Vater so unbedingt durchsetzen wollte und was Longbottom so großes Missfallen entlockte. Vielleicht sollte er mit letzterem einfach einmal nett plaudern. Zielstrebige suchte sich Barty einen Weg durch das hektische Feierabendtreiben, das das riesige Atrium erfüllte. Über ihm flatterten die letzten Memos, um noch rechtzeitig ihren Adressaten die wichtigsten Mitteilung des Abends zu überbringen, während die Halle von dem lockeren Geplapper der Hexen und Zauberer erfüllt war. Nichts in dieser unbekümmerten Menge deutete darauf hin, dass ihre wunderschöne Welt kurz vor dem Zusammenbrechen stand. Der Gedanke entlockte Barty ein Grinsen, während er mittlerweile immer beschwingter seinen Weg zum nahegelegenen Kamin ging. „Mutter!“, rief er, sowie er aus dem Feuerplatz in das Kaminzimmer seines Zuhauses gestolpert war. „Ich bin wieder da.“ Unbekümmert klopfte er sich, den restlichen Staub aus der Kleidung und ließ seinen Umhang auf Winky fallen, die herangetreten war, um ihm seine Last abzunehmen. Dann lief er als pflichtbewusster Sohn ins angrenzende Wohnzimmer, in dem seine Mutter mit der Hexenwoche in der Hand auf der Couch saß, und begrüßte sie flüchtig. „Wo ist dein Vater?“, fragte sie, nachdem sie sich wieder aus der Umarmung losgemacht hatte. Barty zuckte die Achseln. „Es gab noch was im Ministerium. Ich soll dir ausrichten, dass es ihm leid tut und dass er heute Abend später kommt.“ Er konnte beobachten, wie ein trauriger Schatten über das schmale Gesicht seiner Mutter fiel. „Ich hab leider auch noch ein paar Dinge zu erledigen“, fügte er hinzu und hob bedeutungsvoll seine Tasche. „Der Fleiß scheint wohl in der Familie zu liegen, was?“, sagte Mrs Crouch. Die Bitternis in ihrer Stimme strafte ihr schwaches Lächeln Lüge. Als Barty nichts sagte, stand sie auf und strich ihm unsicher eine Falte aus der Robe. „Ich bin stolz auf dich“, fügte sie hinzu. „Denk bitte immer daran.“ Teilnahmslos sah Barty auf seine Mutter. Sie war alt geworden. Ein feines Spinnennetz hatte sich um ihre Augen gelegt und auch im restlichen sommersprossigen Gesicht hatten sich viele Falten gegraben, die ihm zuvor nie aufgefallen waren. „Geht es dir wieder besser?“ Sie nickte. „Ja, ich war noch einmal in der Winkelgasse und habe mir dort ein paar Tränke verschreiben lassen. Sie erfüllen ihre Wirkung.“ „Du solltest heute nicht auf Vater warten. Es schien ein Notfall gewesen zu sein. Der wird sich erst spät blicken lassen. Ruh dich stattdessen aus, versprichst du mir das?“ „Aber natürlich, Barty. Du musst dir doch keine Sorgen um mich machen.“ Das tat er auch nicht. Nicht wirklich. Er wollte wissen, dass sie ihre Schlaftränke genommen hatte; das würde es einfacher für ihn machen, später unbemerkt zu verschwinden. Also schenkte Barty ihr nur das liebevolle Lächeln eines zuvorkommenden Sohns und wandte sich anschließend von ihr ab, um in sein Zimmer zu gehen. Dort breitete er triumphierend die gestohlenen Dokumente auf dem Schreibtisch aus und begann sogleich sie durchzuarbeiten, von den wichtigsten Punkten Kopien anzufertigen und sich Notizen zu machen. Es war spät, als Barty sich aus dem Haus in die kühle Nachtluft stahl. Seine Mutter schlief und wusste wie so oft nichts von den nächtlichen Unternehmungen ihres Sohns, während sein Vater noch immer im Ministerium beschäftigt war. Lächelnd umklammerte Barty die Tasche mit seinen neuesten Errungenschaften fester und apparierte Vor ihm ragte das große Anwesen der Lestranges im kühlen Mondlicht auf. Dunkel und verlassen lag es da; kein Lichtschein drang aus den Fenstern und keine Rauchsäule kündete von wärmenden Heizfeuern. Doch Barty wusste es besser. Aufgeregt folgte er einem allzu vertrauten Weg durch den kleinen Vorgarten und ließ den silbernen Türklopfer in vier kurzen Abständen gegen das schwere Holz schlagen. Es dauerte nicht lange, da hatte ihm eine kleine gebrechliche Hauselfe mit einer tiefen Verneigung geöffnet. Eilig trat Barty aus der winterlichen Kälte in das wärmere Foyer hinein und starrte abwartend zu der Hauselfe. „Gib bitte bescheid, dass ich da bin“, befahl er kalt. „Ich glaube, das ist nicht nötig“, antwortete ihm eine dunkle Frauenstimme. „Bartemius, was verschafft mir die seltene Ehre?“ In einem Anflug von Überraschung sah Barty auf und erkannte Bellatrix auf sich zugehen. Ein elegantes Abendkleid betonte ihre Figur und ließ darauf schließen, dass sie in dieser Nacht keinen Auftrag ausführen würde. In ihrem Gesicht trug sie ein spöttisches Lächeln, das Barty mit einem breiten Grinsen erwiderte. „Ich habe Neuigkeiten für Rodolphus.“ „Oh, wie schade“, Bellatrix verzog in gespieltem Bedauern den Mund, „der ist gar nicht da.“ Barty spürte, wie sein breites Grinsen in sich zusammenzufallen begann. Er hatte fest damit gerechnet, Rodolphus anzutreffen. Die Aussicht, länger warten zu müssen, passte ihm nicht. Er wollte seinen Fund noch diese Nacht präsentieren. „Er sollte aber bald zurück sein. Wenn du willst, kannst du’s dir hier solange bequem machen“, fügte Bellatrix hinzu und bedeutete Barty mit einem Wink ihr zu folgen. „Vielleicht kannst du mich ja mit irgendwelchen Neuigkeiten unterhalten? Die letzten Tage war es so langweilig!“ Mit diesen Worten ließ sie sich elegant auf ein ledernes Sofa fallen und beobachtete Barty, der ihr gegenüber Platz nahm. Nachdenklich legte dieser den Kopf in den Nacken. In Gedanken ließ er die vergangenen Tage Revue passieren, auf der Suche nach interessanten Ereignissen, von denen es sich zu berichten lohnte. „Es gab nicht viel“, meinte er schließlich. „Moody kam heute an und hat etwas von einem ‚hässlichen Überfall‘ erzählt, der irgendwelche Eltern von Schlammblütern betroffen hat.“ „Mehr nicht?“ „Ich kann nicht sagen, dass die Arbeit im Ministerium sonderlich spannend ist. Ich kann dir aber gerne von meinem ganzen Papierkram erzählen, wenn du unbedingt möchtest“, sagte Barty grinsend. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er es sich nie gewagt, solche Worte zu Bellatrix Lestrange zu sagen. Dies schien jedoch ein anderes Leben gewesen zu sein. „Du könntest mir auch erzählen, was du da in deiner Tasche hast“, entgegnete Bellatrix leise. Ihre dunklen Augen wanderten langsam von Bartys Umhängetasche zu seinem Gesicht, bis sich ihre Blicke trafen. Ein Lächeln verzog ihre Lippen. „Oder ich werde nachsehen gehen.“ Barty reagierte blitzschnell, riss die Tasche an sich und sprang hinter den Sessel, während er im selben Moment einen Schildzauber heraufbeschwor. Genau zur rechten Sekunde, denn da prallte bereits einer von Bellatrix’ Flüchen ab. „Das geht nicht“, rief er hinter der Lehne des Sessels hervor. „Der Inhalt ist für Rodolphus.“ Ein leises ‚Plop‘ ertönte und mit einem Mal ragte Bellatrix genau vor ihm auf. In dem Moment dämmerte Barty, dass er sich gleich zu Anfang in eine Sackgasse manövriert hatte und er verfluchte seine Unbedachtheit. Gegen seinen Rücken drückte der Sessel, während alle anderen Fluchtwege von Bellatrix versperrt wurden. Langsam beugte sie sich zu ihm hinab. Eine lange Strähne ihrer schwarzen Locken fiel ihr dabei über die Schulter und streifte Bartys hochgezogenes Knie. „Tatsächlich?“, fragte sie lauernd. „Ich bin seine Ehefrau, ich glaube, da habe ich jedes Recht zu sehen, was mein Mann tut.“ Barty zögerte. „Ich …“, erwiderte er lahm auf der Suche nach den richtigen Worten. „Ich kann das nicht. Tut mir leid, Bella, aber der Inhalt ist nur für Rodolphus, das hab ich ihm geschworen.“ Seine Finger umklammerten seinen Zauberstab dazu bereit, sofort zu reagieren, wenn Bellatrix einen weiteren Angriffsversuch starten sollte. Doch stattdessen tätschelte sie ihm lachend den Kopf und richtete sich anschließend wieder auf. „Gut gesagt“, meinte sie. „Ich werde da wohl mit Rodolphus sprechen müssen.“ Noch immer etwas misstrauisch stand Barty auf. Er spürte, wie Adrenalin durch seine Adern schoss und ihn glasklar denken ließ, während er Bellatrix beobachtete. Insgeheim genoss er den Moment der Unberechenbarkeit, in dem er sich nicht zu verstellen brauchte. „Wie sieht’s mit Okklumentik bei dir aus?“, fragte Bellatrix unvermittelt. „Macht Snape seinen Job gut?“ Barty gab ein unverständliches Schnauben von sich bei dem Gedanken an die wenigen Stunden, die er mit Severus Snape gehabt hatte. Er kam mit ihm aus. Aber es bereitete ihm noch lange keine so große Freude wie Übungsstunden, die er bei den Lestranges bekam. „Ich bin gut“, sagte er schließlich und er bemerkte kaum, wie sich seine Lippen zu einem Grinsen verzogen. „Snape hat kaum mehr eine Chance.“ „Und wie steht’s um deine Fähigkeiten im Duellieren?“ 
Dieses Mal war Barty vorbereitet. Im Nu hatte er einen Schild errichtet und feuerte blitzschnell einen Fluch in Bellatrix’ Richtung, die ihn jedoch mit spielerischer Leichtigkeit parierte. „Dürftig“, stellte sie für sich selbst fest. „Seeehr dürftig. Rabastan sollte sich was schämen.“ Bevor Barty reagieren konnte, war sie appariert. Mit gezücktem Zauberstab sah er sich um. Aus dem Augenwinkel glaubte er, einen Schatten zu sehen und apparierte kurzerhand selbst. „Protego!“ Ein Fluch stieß mit voller Wucht gegen Bartys Schutz und warf ihn ein Stück zurück. Dennoch konnte er von Bellatrix noch immer keine Spur entdecken. Grimmig biss Barty die Zähne zusammen und drehte sich einmal um die eigene Achse. „Suchst du mich etwa?“ Die Spitze eines Zauberstabs bohrte sich in seinen Nacken. Barty zwang sich ruhig zu bleiben, während er heißen Atem auf seiner Haut spürte. „Da solltest du dir mehr Mühe geben“, flüsterte Bellatrix. Ihre Stimme umschmeichelte seine Ohrmuschel und ließ einen kalten Schauer seinen Rücken hinablaufen. Konzentriert schloss Barty die Augen. Haare kitzelten ihn in an der Wange, die Spitze des Stabs war unverwandt in seinen Nacken gedrückt und er glaubte zu spüren, wie Bellatrix siegesgewiss lächelte. Er schluckte. Alles in ihm spannte sich an, seine Atmung beschleunigte sich unmerklich, dann warf er sich mit aller Kraft zur Seite und schleuderte einen Fluch auf Bellatrix. Überrascht versuchte sie ihn abzuwehren, doch zu spät. Die Wucht des Zaubers stieß sie zurück und brachte sie zum Taumeln. Unsanft schlug Barty währenddessen auf dem kalten Steinboden auf. Sein Fluchen ging im Gelächter von Bellatrix unter, als sie sich wieder gefangen hatte. „Das war wohl nichts“, bemerkte sie schadenfroh und beobachtete Barty, der verdrossen den Beinklammerfluch wieder aufhob, sich grimmig aufrappelte und umgehend Haltung annahm. Dieses Mal würde er vorbereitet sein. Schweigend standen sich die beiden Kontrahenten gegenüber; der eine ernst, die andere geradezu übermütig und doch teilten sie beide das wilde Funkeln in den Augen, während sie gespannt den ersten Angriffsversuch des anderen abwarteten. Barty bemühte sich um Beherrschung. Er war festentschlossen, dieses Mal die Oberhand zu gewinnen und wenn es nur für kurz war. Vorsichtig setzte er einen Schritt zur Seite, Bellatrix folgte. Sie lächelte und trat diesmal einen weiteren Schritt zur Seite; Barty folgte, den Blick unverwandt auf die große Hexe gerichtet. Plötzlich zischte der erste Fluch durch die Luft. Ein dumpfer Laut ertönte, als der Zauber gegen einen Protego Schild traf; Funken sprühten und bunte Blitze sirrten durch den Raum, als im Nu weitere Flüche folgten. Es war ein ungleiches Duell. Barty hatte schnell erkannt, dass Bellatrix mit ihm spielte, dass er ihrem Willen folgte, ohne etwas dagegen tun zu können. Sie lenkte das Duell, doch zu seinem Erstaunen in eine Richtung, die ihm einen erbitterten Kampf erlaubte, der ihm alles abverlangte. Er erhielt die Möglichkeit sein ganzes Repertoire an Tricks auszuprobieren, während er sich immer tiefer in dem zerstörerischen Tanz verlor. Die Welt um ihn herum bestand einzig aus den kunterbunten Flüchen, die sich blitzschnell ihren Weg auf ihr Opfer suchten. Geschickt zeichnete er in komplexen Schlenkern seines Zauberstabs den nächsten Angriff in die Luft, eine schnelle Bewegung, die kaum verriet, was seine Gegnerin erwartete. Die trockenen Lippen hatte er dabei fest zusammengepresst, sodass über sie kein verräterischer Laut dringen konnte. Seine Füße trugen ihn selbstsicher über den steinernen Boden, immer wieder an Flüchen und Hindernissen vorbei. Es war ein Spiel geworden, an dem er großen Gefallen gefunden hatte. Ein Spiel, das die Zeit viel zu schnell vorbei streichen ließ. Der Zauber eines Dritten trieb die beiden Duellierenden schließlich auseinander und sicherte sich ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. „Rodolphus!“, rief Barty, kaum dass er den hochgewachsenen Zauberer im Eingang zum Wohnzimmer erspäht hatte. Sofort fiel ihm wieder sein eigentliches Anliegen ein und das gerade geschehene Duell geriet in Vergessenheit. Ein Schrei entschlüpfte seinen Lippen. Mit einem Mal fegte eine Welle glühenden Schmerzes über Barty hinweg und riss jegliche Gedanken hinfort. Er spürte kaum, wie seine Knie auf dem harten Boden aufschlugen, dicht gefolgt von seinem Oberkörper. Ein unkontrolliertes Zucken hatte seine Glieder erfasst, während er glaubte, dass jeder einzelne Nerv in ihm durch die Mangel genommen wurde. „Ts, ts, ts, wie unvorsichtig von dir“, bemerkte Bellatrix mit einem verächtlichen Schnalzen. Die Absätze ihrer Stiefel hallten laut von den Wänden wieder, als sie auf Barty zulief, der mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden lag. „Das Duell war noch nicht beendet; du kannst dich nicht so einfach ablenken lassen.“ Mit diesen Worten stieg sie achtlos über ihn hinweg und griff nach der ledernen Umhängetasche. Ächzend stieß Barty einen Laut des Protests aus, doch zeigte er keinerlei Wirkung. Bellatrix Lestrange hatte sich gänzlich von der am Boden liegenden Gestalt abgewandt und sich vollkommen ihrem Gatten gewidmet. Wut und Panik schossen durch Barty und verhalfen ihm dazu, im Nu aufzuspringen und mit zittrigen Beinen zu den beiden Lestranges zu taumeln. Er verfluchte seine Unvorsichtigkeit und er verfluchte Bellatrix’ rücksichtslose Vorliebe für den Cruciatus. „Ich hab … Neuigkeiten“, brachte Barty hervor, kaum dass er Rodolphus erreicht hatte. Die Gewissheit seiner neuesten Entdeckungen entlockte ihm ein breites Grinsen und verdrängte allmählich den restlichen Nachhall der Schmerzen vom Folterfluch. „Es sind gute Neuigkeiten.“ Schweigend sah Rodolphus von dem teils ramponierten Wohnzimmer, zu seiner Frau und dem Jungen, der völlig erschöpft aber glücklich vor ihm stand. Seine dicken Augenbrauen hoben sich unmerklich. „Ich würde sagen, dann sollten wir keine weitere Zeit mit anderen Dingen verschwenden“, sprach er. Wortlos griff er nach Bartys Tasche, die Bellatrix immer noch in den Händen hielt und musste feststellen, dass seine Frau gar nicht daran dachte loszulassen. „Ich komme mit“, entschied sie und schaffte es, den ledernen Riemen mit einem groben Ruck aus Rodolphus’ Griff zu reißen. Ihr herausfordernder Blick traf Rodolphus’ grüne Augen. Barty konnte spüren, wie von einem auf den anderen Moment die Temperatur merklich fiel. Rodophus hatte Bellatrix bei keinem seiner Besprechungen mit ihm dabei gehabt. Es war eine Mission gewesen, um die nur sie beide sich gekümmert hatten, die im Hintergrund geschehen war, während sie nach wie vor die Befehle des Dunklen Lords ausführten. Es war schwer vorstellbar, dass er Bellatrix auf einmal dabei haben wollte. Auffordernd streckte Rodolphus die Hand aus. „Gib mir die Tasche.“ „Das könnte dir so passen“, erklärte Bellatrix und warf stolz den Kopf zurück. „Ich werde bei eurer Besprechung dabei sein. Finde dich damit ab.“ Rodolphus machte einen Schritt auf seine Frau zu, die Hand noch immer ausgestreckt. „Bellatrix“, sagte er mit ruhiger Stimme, der die Beherrschung jedoch sichtlich anzumerken war. „Du wirst nicht dabei sein, also gib mir die Tasche. Jetzt!“ Das brachte das Fass zum Überlaufen. Mit einem wütenden Stoß schleuderte Bellatrix die Tasche von sich, zückte ihren Zauberstab und drückte ihn ihrem Mann direkt unters Kinn. „Wage es nicht noch einmal so mit mir zu reden“, zischte sie erbost. Ihr Zauberstab bohrte sich so fest unter Rodolphus’ Kinn, dass die Spitze in seinem Bart verschwand. Wütend funkelten sich die beiden an, während Rodolphus langsam nach Bellatrix’ Handgelenk griff und ihre Hand unsanft hinunter drückte. „Hör auf, mir zu drohen“, knurrte er, wobei er selbst nach seinem Zauberstab griff und mit einem Aufrufezauber die Tasche mit den Dokumenten zu sich beschwor. Dann wandte er sich kommentarlos von seiner wutentbrannten Frau ab. „Wir gehen“, bestimmte er Richtung Barty. Verunsichert wollte Barty Rodolphus’ Worten Folge leisten, als ein Fluch durch die Luft zischte und dicht neben Rodolphus in einem bunten Funkenregen explodierte. „Ignoriere mich nicht!“, kreischte Bellatrix außer sich vor Zorn. „Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, was du und Crouch für den Dunklen Lord treibt.“ Wütend fuhr Rodolphus herum und wehrte einen Fluch ab, der dieses Mal direkt auf ihn gerichtet war. „Meine Angelegenheiten gehen dich einen Scheißdreck an, also hör mit diesem Theater auf!“ „Ach, und den kleinen Crouch tun sie das, hm?“ Unauffällig zog sich Barty weiter in den Hintergrund zurück, um ja keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er konnte sehen, wie nun auch Rodolphus allmählich seine Beherrschung verlor. „Ja, er gibt mir wichtige Informationen, an die du nie rankommen würdest“, brachte der zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Arschloch!“ Noch ein Fluch sirrte durch die Luft, dem Rodolphus geschickt auswich. „Du beschissene Sabberhexe. Lass den Mist bleiben und finde dich damit ab, dass dich meine Familienangelegenheiten ’nen Dreck angehen.“ „Und ob mich die was angehen, du hirnverbrannter Vollidiot“, schrie Bellatrix mit zornesroten Wangen. „Ich bin genau so eine Lestrange wie du! Alles, was dein dummer, kleiner Bruder verbockt, werde auch ich vor dem Dunklen Lord ausbaden müssen. Ich werde nicht, tatenlos rumstehen und zuschauen, wie du das alles allein in die Hand nimmst.“ So schnell wie der Sturm aufgekommen war, war er auch wieder verklungen. Mit einem Mal hatte drückende Stille Einzug gehalten und beraubte die drei Todesser jeglicher Worte. Bellatrix trug eine merkwürdige Mischung aus Wut und Verletzlichkeit im Gesicht, die ihr Mann beinahe mit Erstaunen zur Kenntnis nahm, während sich Barty unwohl in den Hintergrund drückte. „Gut“, durchbrach Rodolphus schließlich leise das Schweigen. „Komm mit.“ Der Nachklang des Streits schien die drei zu verfolgen, als sie zum Arbeitszimmer schritten. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und trug seinen Teil zur drückenden Stimmung bei. Hinter ihnen fiel die schwere Holztür ins Schloss und zerriss die Stille mit einem lauten Klacken. Pergament raschelte und das Schaben von Holz ertönte, als Rodolphus die Schreibtischschubladen grob aufriss und seine eigenen Dokumente herausholte. Barty hatte sich indessen an dem Verschluss seiner Tasche zu schaffen gemacht und zog aus ihrem vergrößerten Inneren eine Vielzahl unterschiedlicher Akten und Pergamentrollen hervor. „Also was gibt’s Neues?“, fragte Rodolphus, nachdem sie alle Unterlagen ausgebreitet hatten. „In den letzten Wochen haben wir uns ausschließlich mit der Norrell-Tragödie als solche beschäftigt, weil wir der Annahme waren, dass Rabastan oder einer der anderen einen Fehler in der Planung gemacht hat“, begann Barty, während er geistesabwesend über einen Lageplan des Dorfes strich. „Aber genau darin bestand der Fehler. So wie wir es den Unterlagen entnehmen können, war ihr Plan gründlich ausgearbeitet und hätte in seiner Funktionsweise keine Probleme bereiten dürfen. Tatsächlich schien auch alles einwandfrei gelaufen zu sein. Das Problem war also nicht der Plan als solcher, sondern die Beteiligten.“ Eilig blätterte Barty verschiedene Dokumente durch, bis er einen langen Pergamentbogen hervorzog. Er wollte gerade fortfahren, als Bellatrix ihre Hand darauf legte und Barty ein zuckersüßes Lächeln schenkte. „Wie wär’s, wenn du von vorne beginnst, hm?“ Etwas unsicher sah Barty von Bellatrix zu Rodolphus. Die Miene des älteren Zauberers hatte sich verfinstert, dennoch gab er ihm mit einem auffordernden Nicken zu verstehen, dass er auf Bellatrix hören sollte. „In Ordnung“, sagte Barty und unterdrückte den verunsicherten Klang seiner Stimme. Schnell rief er sich die Fakten ins Gedächtnis, während er Bellatrix’ bohrendem Blick standzuhalten versuchte. „Vor knapp einem Jahr hat es das Schlammblut Stephanie Norrell geschafft, regelmäßig Kolumnen im Tagespropheten zu veröffentlichen, die die Taten des Dunklen Lords nicht nur in Frage stellten, sondern sie regelrecht verurteilten. Irgendwann ging es so weit, dass sie damit begann, Lord Voldemort mit der Diktatur eines erbärmlichen Muggel gleichzusetzen!“ „Ihre verleumdenden Artikel sollten die Zauberergesellschaft zum Denken anregen. Das dumme Gör glaubte tatsächlich, somit irgendwas bewirken zu können“, ergänzte Rodolphus und gab ein freudloses Lachen von sich, während er auf gesammelte Ausschnitte des Tagespropheten sah. „Es war also nur eine Frage der Zeit, bis wir uns ihr widmen würden. Wir konnten schließlich nicht zulassen, dass so ein abartiges Gedankengut in die Welt posaunt wird. Aus diesem Grund wurden mein Bruder sowie Avery und Rosier vom Dunklen Lord beauftragt, sich drum zu kümmern. Rabastan hatte sich gelegentlich an mich gewandt, deswegen hab ich ’n guten Eindruck von der Situation bekommen. Die Sache war jedenfalls simpel: Das Schlammblut musste weg und am besten auf einem Weg, der eine Mahnung an alle Würmer sein würde, die meinen müssten, es ihr nachzutun.“
 Bellatrix nickte zustimmend. Sie hatte so weit einiges von diesem Vorfall mitbekommen, war zu diesem Zeitpunkt jedoch in andere Aufträge eingespannt gewesen, als dass sie dem viel Beachtung hätte schenken können. „Aus guten Quellen haben Rabastan und Avery herausgefunden, wann Stephanie ihre Muggelfamilie wieder besuchen würde“, setzte Barty den Bericht fort. „Am Tag der Verabredung haben die beiden Position bezogen und … Vorbereitungen für einen angemessenen Empfang getroffen. Rosier ist dem Schlammblut in der Zeit gefolgt, um sicherzustellen, dass alles seine Richtigkeit hatte. Außerdem waren Underwood und zwei weitere seiner Vergiss-Michs zugegen, damit größeres Aufsehen unter den Muggeln fürs Erste vermieden werden konnte. Insgesamt wurden zwei Muggeln an diesem Abend das Gedächtnis gelöscht, bevor die Magische Patrouille sich gezeigt und Auroren gerufen hat. Danach musste alles schnell gehen. Statt der geplanten Folter wurde jedes Norrell-Mitglied getötet und als Ablenkungsmanöver haben Rabastan, Rosier und Avery das halbe Dorf in die Luft gejagt. Mehrere Mitglieder der Magischen Patrouille hat es erwischt, ebenso wie einen der Vergiss-Michs. Die vier Auroren, die eingetroffen sind, konnten sich rechtzeitig schützen und haben im Nachhinein Underwood ebenso wie seinen Kollegen überführt und Tage später gefasst.“ „Rabastan konnte immerhin von dem Gör in Erfahrung bringen, dass die Redaktion des Tagespropheten in zwei Gruppen gespalten war“, fiel Rodolphus ein und begann in seinem Arbeitszimmer auf und ab zu schreiten. „Die meisten von denen waren gegen die Veröffentlichungen der Artikel. Aber anscheinend hat das kleine Schlammblut den Chefredakteur höchstpersönlich unter den Imperius gesetzt. Eigentlich schade, dass wir das nicht dem ollen Crouch vorsetzen konnten“, sagte Rodolphus und erwiderte Bartys Grinsen. Dann fügte er hinzu: „Nachdem wir also das wissen, haben wir weitere Leute eingeschleust und die Redaktion weitestgehend unter Kontrolle gebracht.“ „Und ihr wollt sagen, dass Rabastan keinen Fehler in diesem Plan gemacht hat?“, fragte Bellatrix skeptisch. Sie hatte die geschwungenen Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen, während sie eingehend die Unterlagen studierte. „Na ja, nicht direkt. Der Plan selbst war ziemlich wasserdicht. Niemand konnte wissen, was sie vorhatten. Die Auroren waren viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, als dass sie dieser Schlammblut-Sache Beachtung hätten schenken können und von keinem der sechs Beteiligten wäre das Erscheinen in dem Dorf irgendwie verdächtig gewesen. Zumal niemand hätte wissen können, dass die Vergiss-Michs für uns gearbeitet haben“, erklärte Barty und trat näher an den großen Arbeitstisch heran. „Underwood hatte bis zu diesem Zeitpunkt zwei Kontakaufnahmen: Eine zu Rookwood und eine zu Rabastan. Er kommt augenscheinlich aus einer Familie, die sich krampfhaft darum bemüht, Reinblut-Statuts zu erlangen. Es war ihm sehr wichtig, uns beizutreten und dem Dunklen Lord von Nutzen zu sein. Rookwood hat alles überprüft und seine Absichten schienen aufrichtig gewesen zu sein. Das hat er außerdem mit mehreren unauffälligen Morden an Muggeln bewiesen. Nach der Tragödie hat Moody irgendwie herausfinden können, dass es Kontakt zu Todessern gegeben hat und hat ihn als einen der Hauptakteure der Norrell-Tragödie verantwortlich gemacht, da die Anzahl der Beteiligten unklar geblieben ist und das Ministerium auf Ergebnisse gepocht hat.“ „Underwood wurde aber trotzdem nur wegen der Muggelmorde und dem Kontakt zu Todessern nach Askaban geworfen“, bemerkte Bellatrix, die nach dem Protokoll von Underwoods Gerichtsverhandlung gegriffen hatte. „Das ist richtig. Das liegt daran, dass sich die feinen Minister alle größte Mühe geben, die Norrell-Tragödie zu vertuschen“, sagte Barty. „Sie haben herausgefunden, was in der Redaktion des Tagespropheten passiert ist und versuchen diesen zweifellos skandalösen Umstand zu verheimlichen. Der Chefredakteur unter dem Imperius-Fluch eines Schlammbluts! Das ist doch genau das, was die Öffentlichkeit braucht, um den Dunklen Lord zu unterstützen.“ Barty lächelte verächtlich und spielte gedankenverloren an der vergilbten Ecke von einer Zeitungsseite. Dann sah er mit einem triumphierenden Funkeln in den Augen auf. „Aber heute bin ich an weitere Unterlagen aus der Aurorenzentrale gekommen“, hauchte er begeistert. „In ihnen steht, dass wir Underwood überschätzt haben und die Muggeltode nach seinem Dienst aufgefallen seien, weshalb man dazu überging, ihn gelegentlich zu überwachen. Als sich einer der anderen beiden Vergiss-Michs auch noch seltsam unter dem Imperius-Fluch verhielt und auf einmal ungewöhnlich viel Kontakt zu Underwood pflegte, kam Verdacht auf. Zu unserem Glück hatte niemand von Underwoods Beschattern mit der Norrell-Tragödie gerechnet, weshalb wir nicht nur die Überraschung auf unserer Seite hatten, sondern auch die Verstärkung viel zu spät kam.“ Barty hielt in seinem Redeschwall inne und beobachtete gespannt die Reaktion von Rodolphus und Bellatrix. „Hm“, meinte die jedoch nur. „Ich finde nicht, dass das Rabastans Versagen rechtfertigt. Das nächste Mal sollte er sich seine Leute gründlicher aussuchen.“ „Niemand hat aber von den Beschattern gewusst.“ „Weshalb für uns im Moment wichtiger sein sollte, wie viel sie in Erfahrung bringen konnten“, mischte sich Rodolphus schneidend ein. „Barty, hast du noch irgendetwas dazu in den Unterlagen?“ Konzentriert blätterte Barty durch einen Ordner. „Ich habe etwas finden können, aber nicht viel“, meinte er schließlich, während er eine Seite aufschlug, auf der in feiner Schrift eine Liste von Namen geschrieben stand. „Das hier ist ein Plan mit der jeweiligen Aufgabenverteilung. Von Longbottom hab ich außerdem noch ein paar andere Namen bekommen, die ebenfalls in Frage kommen könnten.“ Barty deutete auf eine angeheftete Notiz. „Frank Longbottom?“ Rodolphus zog skeptisch die Augenbraue hoch. Doch Barty grinste nur. „Mit den richtigen Fragen ist er wirklich redselig. Und als Crouchs Sohn bringt man mir ’ne Menge Vertrauen entgegen.“ Bellatrix lachte anerkennend und studierte die acht Namen. „Drei von den Namen können wir schon einmal vergessen. Zwei sind während der Norrell-Tragödie umgekommen und Brennan ist bei irgendeinem Einsatz tödlich verletzt worden.“ Eifrig begann Barty mit einer Feder entsprechende Markierungen an den Namen vorzunehmen. „Außerdem weiß ich, dass Vance für andere Aufgaben eingesetzt worden ist“, fuhr er fort. „Die können wir also auch vergessen.“ „Das heißt, es bleiben noch die vier hier“, bemerkte Rodolphus und deutete auf die Namen Jones, Simmons, Clarke und Harrison. „Genau.“ Schweigend sahen die drei auf die Dokumente. „Tja“, sagte Bellatrix schließlich. „Dann ist die Sache klar: Wir holen uns ein paar Informationen über die Leute hier und statten ihnen einen hübschen Besuch ab.“ „Ich kann zusehen, dass ich an ihre Akten komme“, bot Barty automatisch an. Sein Blick war noch immer auf die vier Namen gerichtet, während er mit den Fingern gedankenverloren über den Griff seines Zauberstabs strich. Eigentlich wollte er mehr anbieten, doch er wusste, dass das nicht in seinen Aufgabenbereich fallen würde. „In Ordnung“, sagte Rodolphus schließlich. „Das war gute Arbeit, damit kommen wir auf jeden Fall weiter.“ Kapitel 6: Hausbesuch --------------------- Das leise Blubbern eines Zaubertranks erfüllte die abendliche Stille, die nur gelegentlich von einem unverständlichen Murmeln und darauf folgendem Pergamentrascheln durchbrochen wurde. Konzentriert saß Barty an seinem Schreibtisch und las in einem kleinen, unscheinbaren Buch. Die dünnen Seiten waren mit einer geschwungenen Handschrift beschrieben. An den breiten Seitenrändern befanden sich Anmerkungen, von denen viele in Runen des Älteren Futhark geschrieben standen. Nichts seiner ordentlichen Lektüre würde in einem außenstehenden Betrachter den Verdacht erwecken, dass sich hinter den Buchstaben verbotenes Wissen verbarg. Doch die tiefschwarzen Letter erzählten von Flüchen, die Brunnen versiegen und das Land ein Jahrzehnt lang brach werden ließen, sie enthielten Informationen darüber, wie man seinen Kontrahenten innere Verletzungen zufügen konnte, die schlimmsten Geschwüre herbeizauberte, Organe von innen nach außen kehrte, Menschen verhexte, auf dass sie einzelne Impulse verspürten, ohne gleich unter dem Imperius zu stehen… Bartys Augen waren vor Faszination weit aufgerissen, während er gierig Zeile um Zeile verschlang. Nur manchmal zwang er sich gewaltsam von seiner Lektüre los, um sich eilig ein paar Notizen auf bereitliegenden Pergamenten zu machen. Angst davor, dass sie in die falschen Hände gelangen würden, hatte er nicht. Dafür hatte er Vorkehrungen getroffen, zu denen auch eine ganz besondere unsichtbare Tinte gehörte und deren Nachschub gerade im Hintergrund vor sich hin köchelte. Und so genoss er die wenigen Stunden der nächtlichen Ruhe, die ihm vergönnt waren, bevor es wieder hieß, die Arbeit im Ministerium zu beginnen. Der dumpfe Knall an seiner Fensterscheibe traf Barty vollkommen unerwartet. Er war so sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, wann er ein paar der Flüche ausprobieren könnte, dass er vor Schreck fast das Buch fallengelassen hätte. Eilig sah er zur Quelle des Geräuschs und lief zum Fenster. Da war jedoch nichts. Misstrauisch geworden, zog Barty seinen Zauberstab hervor und spähte aus zusammengekniffenen Augen in die nächtliche Dunkelheit hinein. Er glaubte, zwischen den Bäumen eine Gestalt ausmachen zu können, sicher war er sich jedoch nicht. Dann entdeckte er eine winzige Pergamentrolle auf der Fensterbank schweben. Vorsichtig öffnete er sie mit einem Schwebezauber und machte sich auf alles gefasst. Statt jedoch irgendwelche Flüche oder Drohungen zu enthalten, stand dort ein einfacher Satz geschrieben: Rauskommen, kleiner Streber, es gibt Arbeit für dich. -B Barty wusste sofort, von wem die Nachricht war. Mit klopfendem Herzen spähte er erneut in die dunkle Nacht hinaus und war sich dieses Mal sicher, dass es Bellatrix sein musste, die da im Schatten der Bäume stand. Eilig ließ er die verräterische Nachricht in Flammen aufgehen und blickte sich in seinem Zimmer um. Er wusste, dass er den Trank - oder besser gesagt die Tinte - gefahrlos weiter köcheln lassen konnte; den Rest musste er verstecken. Indessen plagte ihn die Frage, was Bellatrix von ihm wollen konnte, denn er wollte vorbereitet sein. Zögernd blätterte er durch seine Unterlagen, die er nach und nach verstaute und entschied letztlich, dass sein Zauberstab und ein warmer Umhang ausreichen würden. Außerdem würde es fataler sein, Bellatrix Lestrange zu lange warten zu lassen, als ihr unvorbereitet gegenüber zu stehen. Kurze Zeit später befand Barty sich in der eisigen Kälte des Januars und suchte sich einen Weg über die gefrorenen Überbleibsel des Schneematschs. „Da bist du ja endlich!“, empfing ihn Bellatrix, kaum dass er in Hörweite war. „Ich hätte früher dasein können, hätte ich gewusst, dass es noch Arbeit gibt“, erwiderte Barty ruhig. Ein kurzer Blick auf Bellatrix’ schwarze Todesser Robe bestätigte seinen Verdacht, was es mit der ganzen Sache auf sich hatte. „Nichts da, ich habe doch gesehen, wie du Ewigkeiten in deinem Zimmer herumgeschlichen bist, nachdem du die Nachricht bekommen hast.“ Barty schwieg. „Na, was hast du gemacht?“ „Beweise vernichtet“, antwortete er. Bellatrix seufzte. „Seit wann bist du so gefasst geworden? Früher hast du mehr Spaß gemacht.“ „Früher bin ich ein hoffnungsloser Fall gewesen“, erklärte Barty. „Früher hatte ich noch nicht die Möglichkeit…“ Seine Fingerspitzen strichen versonnen über den Ärmel seines linken Unterarms. Bellatrix folgte der Bewegung und lächelte. „Und genau deswegen bist du hier“, erklärte sie schließlich, dann streckte sie ihre Hand aus. „Komm mit, den Rest erkläre ich dir unterwegs.“ Ohne zu zögern, ergriff Barty ihre Hand und spürte sogleich, wie die Welt um ihn herum schwand und er apparierte. Sie erreichten eine weite Wiese, die sich bis ins Nirgendwo zu erstrecken schien und hinter den Hügeln am Horizont verschwand. Angestrengt suchte Barty nach Anhaltspunkten, die seinen Standort verrieten, doch konnte er in der sternenklaren Nacht nichts entdecken. „Was wollen wir hier?“, fragte er vorsichtig, während er seine silberne Todessermaske heraufbeschwor. Bellatrix warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Ein paar kleinen Blutsverrätern ordentlich einheizen, natürlich.“ „Welchen Blutsverrätern?“ Die silberne Maske verschluckte Bartys Frage beinahe, so ehrfürchtig hatte er sie gehaucht. Mit klopfendem Herzen folgte er Bellatrix über den unebenen Grund der Wiese, wobei er aufmerksam seine Umgebung in Augenschein nahm — zumindest so weit das bei den spärlichen Lichtverhältnissen möglich war. „Na, was glaubst du, wer das sein könnte?“, stellte Bellatrix ihre Gegenfrage, sichtlich vergnügt darüber, dass Barty sich im Unklaren befand. „Du weißt doch sonst so gut bescheid.“ Nachdenklich ging Barty im Kopf die kürzlich zugetragenen Fälle durch. Es waren nicht viele gewesen und in den meisten waren die Betroffenen bereits tot oder es war sich angemessen um sie gekümmert worden. „Jim Harrison“, entfuhr es ihm schließlich. „Henry Simmons. Ich dachte-“ „Genau“, fiel ihm Bellatrix ins Wort. „Die beiden übrig gebliebenen Beschatter.“ Barty erstarrte. Ungläubig sah er zu seiner Begleiterin, während die unterschwellige Bedeutung ihrer Worte ihren Sinn in seinen Gedanken entfaltete. „Das heißt … ich darf …?“ Er ließ den Satz unausgesprochen. Auch so wollte er sich noch keine falschen Hoffnungen machen; dafür gab es zu viele andere Dinge, für die man ihn brauchen konnte. Doch Bellatrix nickte. „Wird Zeit, dass du dich beweist. Rodolphus hat sich bereits um Jones gekümmert und ist jetzt auf dem Weg zu Clarke. Er glaubt, dass sich Harrison und Simmons zusammengetan haben, deshalb dachte ich mir, ein bisschen Rückendeckung könnte nicht schaden.“ Barty schluckte. Mit einem Mal war er um die Maske froh, hinter der er sein Gesicht verbergen konnte, sonst hätte Bellatrix gesehen, wie er für einen flüchtigen Augenblick die Beherrschung verlor und sich ein aufgeregtes Strahlen in seine Züge legte. „Danke“, hauchte er und versuchte sich wieder auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren. Nun, da er wusste, was ihn erwartete, fiel es ihm schwer, seinen Enthusiasmus im Zaum zu halten. Aufgeregt spähte er auf die verlassene Landschaft, während seine Finger nachdenklich über den verschlungenen Griff seines Zauberstabs strichen. Er hatte eine Idee bekommen. Fragend schaute er zu Bellatrix, die mit einem leichten Lächeln auffordernd nickte. Sofort hob Barty den Zauberstab und murmelte leise Worte, die ihm offenbarten, dass der Bereich vor ihnen von mehreren Zaubern geschützt war — wahrscheinlich war sogar schon ihre Ankunft bemerkt worden. Ohne sich mit längeren Absprachen aufzuhalten, zückte Bellatrix ihrerseits ihren Zauberstab, vollführte eine komplexe Bewegung und stieß zu. Ihre Spitze blitzte in einem grellen Silberweiß auf, dann begann das Bild der nächtlichen Ländereien zu schmelzen und unter dem Anblick der verlassenen Wiese kam ein kleines, altes Bauernhaus zum Vorschein. „Wie bescheiden“, kommentierte Bellatrix spöttisch, während sie schnurstracks darauf zulief. Hastig folgte Barty ihr und kam nicht umhin, ihre Gelassenheit zu bewundern. Er selbst war ein einziges Nervenbündel. Ob vor Aufregung oder Angst konnte er gar nicht sagen. Er wusste nur, dass ihn diese unbekannte und doch langersehnte Situation mit Adrenalin erfüllte. „Klopf, klopf“, rief Bellatrix, ehe sie die alte Holztür mit Bombarda aus den Angeln sprengte. Ein kleine Staubwolke behinderte die Sicht in den schlichten Raum, der von einem schwachen Kaminfeuer beleuchtet wurde. Vorsichtig stieg Barty Bellatrix über die Trümmer hinterher und lauschte nach verräterischen Geräuschen. Doch bis auf den bröckelnden Stein, der mit der Tür aus der Wand herausgerissen worden war, war nichts zu hören. Ein leiser Auffindungszauber offenbarte ihm jedoch, dass sich noch eine weitere Person in ihrem näheren Umfeld befand. Plötzlich spürte Barty etwas hinter sich. Blitzschnell wirbelte er herum und machte sich bereit, jegliche Art von Zauber abzuwehren, aber da hatte Bellatrix bereits den rötlichen Blitz mit einem lässigen Schwenk vereitelt. In der Dunkelheit konnte Barty eine dunkle Gestalt ausmachen, die eilig vor ihnen zurückwich. Schon jetzt war absehbar, dass sie keine Chance gegen die beiden Todesser haben würde. Genauso absehbar war, dass sie sich nicht ohne Kampf geschlagen geben würde. Hastig wehrte Barty einen Fluch ab, der auf ihn gerichtet war und trat, überrascht von der Stärke des Angriffs, einen Schritt zurück. Wütend auf sich selbst, dass er so leicht aus der Fassung zu bringen war, stellte er sich an Bellatrix’ Seite und setzte seinerseits zum Angriff an. Während Barty zusehends in die Verteidigung fiel und immer mehr Zauber abwehren musste, apparierte Bellatrix auf einmal. In dem schwachen Mondlicht konnte Barty erkennen, wie Bellatrix neben ihrem Opfer wieder auftauchte, dann ging es unter qualvollen Lauten in die Knie. Langsam näherte sich Barty den beiden mit erhobenem Zauberstab. „Wie wär’s, wenn wir ihn erstmal reinbringen?“, meinte Bellatrix. „Da ist es warm und gemütlich und da haben wir alle Zeit der Welt, diesem Stück Abschaum ein paar Fragen zu stellen.“ Spielerisch stellte sie ihre Stiefelspitze auf die Wange des besiegten Zauberers und drehte sein Gesicht hin und her. „Oder was meinen Sie, Mr Simmons?“ Der Angesprochene brachte kein Wort heraus. In seinen Augen blitzte noch immer der Kampfgeist, während seine Stimme bereits von einem leisen Wimmern beherrscht wurde. „Schaffen wir ihn rein!“, bestimmte sie zu Barty gewandt und überließ es ihm, Simmons mit einer Ganzkörperklammer zu belegen und in das Haus schweben zu lassen. Das leise Knistern des Kaminfeuers erfüllte den Raum und warf sein flackerndes Licht auf das grausige Geschehen. Während Bellatrix Mr Simmons mit Seilen gefesselt hatte, hatte Barty dafür gesorgt, dass die Tür wieder repariert war und kein eisiger Luftzug in das behagliche Zimmer dringen konnte. Danach hatte er einen Zauber beschworen, der verhindern würde, dass eventuelle Schreie in der Ferne zu hören waren, denn auf eine Überraschung konnten sie in dieser Nacht gut verzichten. Nachdem diese Vorbereitungen erledigt waren, wandte sich Barty dem Grund seines Kommens zu. „Also Mr Simmons“, begann Bellatrix mit süßlicher Stimme, „fangen wir ganz einfach an. Sie wissen, warum wir hier sind?“ Mr Simmons schwieg. Wütend funkelte er die beiden Todesser vom dreckigen Boden herauf an und zeigte keinerlei Anzeichen der Kooperation. „Ich würde ja fast sagen, dass Ihre mangelnde Kooperation schade ist“, sagte Bellatrix und wandte sich dann an Barty. Er konnte das manische Glitzern ihrer Augen hinter der Maske erkennen und musste grinsen. „Aber das … wäre eine Lüge“, fuhr Bellatrix fort. Das gespielte Bedauern in ihrer Stimme war Verzückung gewichen. Plötzlich warf Mr Simmons den Kopf zurück. Seine Augen verdrehten sich, dass nur noch das Weiße zu sehen war und seiner Kehle entfuhr ein markerschütternder Schrei. Sein ganzer Körper begann wild zu zucken, während ihm sichtlich anzumerken war, dass er gegen die Schmerzen ankämpfte. „Versuchen wir es noch einmal“, sagte Bellatrix. „Sie kennen den Grund unseres Kommens, Mr Simmons?“ Der gefesselte Zauberer rang nach Atem. „Ja“, keuchte er schließlich. „Und?“, mischte sich Barty ein und spielte den Ungeduldigen. „Es ist wegen Underwood. Jones habt ihr schon erwischt. Jetzt wollt ihr die anderen.“ „Wollten wird das?“, fragte Barty, der eine Idee bekam. „Eigentlich ging es doch nur um Harrisons Aufenthaltsort, aber wenn wir schon einmal dabei sind …“ Verwirrt blickte Mr Simmons auf. „Wie? Ihr … ihr wollt doch-“ „Wir wollen vieles. Wir wollen die Schlammblüter und miesen kleinen Blutsverräter vernichten. Wir wollen die Zauberer zu ihrer wahren Größe zurück verhelfen. Aber Sie waren eigentlich für uns uninteressant“, fiel Bellatrix ihm ins Wort. „Da Sie aber anscheinend noch andere Informationen haben, wären wir natürlich auch daran interessiert“, fuhr Barty fort und trat einen kleinen Schritt vor. Er genoss es zu beobachten, wie Mr Simmons sich unwillkürlich weiter gegen die Wand presste in dem vergeblichen Versuch, Abstand zwischen sie zu bringen. „D-da gibt es nichts zu erzählen“, brachte Simmons hervor. „Underwood war verdächtig oft als Vergiss-Mich anzutreffen, wenn es weitere Muggelmorde an Einsatzgebieten gab.“ „Das wissen wir doch schon“, erklärte Bellatrix geradezu freundlich. „Gibt es da Einzelheiten?“ „Oder Dokumente?“, half Barty nach. „Es müsste sich alles in seiner Akte befinden.“ Barty hielt kurz inne und rief sich ins Gedächtnis, was er dieser Akte entnommen hatte. Es waren tatsächlich viele Informationen gewesen — einige hatten am Ende sogar besagt, dass Underwood bei einer Muggelleiche gefunden worden wäre. Nie aber etwas Eindeutiges, Aussagekräftiges gegen einen Todesser. „Und wurde sie gewissenhaft ausgefüllt?“, fragte er. „Natürlich!“ Barty wechselte einen flüchtigen Blick mit Bellatrix. Sein Herz hämmerte wild gegen seine Brust, als sie unmerklich nickte und er daraufhin seinen Zauberstab hob. „Crucio“, flüsterte er und beobachtete aufgeregt, wie sich Mr Simmons vor Qual zu Boden warf. Dort wand und krümmte er sich, soweit es seine Fesseln erlaubten, und schrie sich ganz jämmerlich die Seele aus dem Leib. „Sind Sie sich sicher?“, fragte Barty liebenswürdig, nachdem er seinen Unverzeihlichen Fluch wieder aufgehoben hatte. „Ja“, wimmerte der Mann und hob mühevoll das Tränen verschmierte Gesicht. „Alles, … was ich …weiß … befindet sich dadrin.“ „Und was ist mit unserem lieben Mr Harrison?“, wandte Bellatrix ein. Mr Simmons verzichtete jedoch auf eine Antwort. Stattdessen wand er sich auf dem dreckigen Holzboden, in dem vergeblichen Versuch, sich wieder aufzurichten, um seinen Peinigern mit Würde ins Gesicht sehen zu können. Bellatrix schnaubte verdrossen. „Ich höre?“ Ein Schrei gellte auf, als plötzlich eine Flamme Mr Simmons Gesicht streifte. Ehe er reagieren konnte, schossen weitere kleine Flammen aus den Bodendielen, genau aus den Stellen, auf denen er sich abstützte und aufzurichten versuchte. „Mr Harrisons Aufenthaltsort?“, half Bellatrix den Gedanken ihres Opfers nach, nachdem sie ihren Incendio-Zauber wieder beendet hatte. „Ich weiß es nicht.“ „Wirklich nicht?“ Bedrohlich lehnte sich Bellatrix vor. Dann griff sie in Mr Simmons dunkle Haare und riss seinen Kopf nach oben, so dass sie ihm direkt in die Augen sehen konnte. „Sie wissen doch sicherlich, dass Sie sich ein bisschen Leid ersparen könnten, Mrs Simmons, oder?“ Ihr antwortete nur ein trotziges Keuchen, als der Zauberer versuchte, sich aus ihrem Griff zu entwinden. „Und vergessen Sie bitte nicht Ihre schwangere Frau“, warf Barty auf einmal beiläufig ein. „Mit Ihrer Kooperation sorgen Sie dafür, dass wir ihr ein schnelles Ende gewähren — oder vielleicht sogar eine Chance. Das wäre doch etwas!“ „Ihr Schweine!“, schrie Mr Simmons und versuchte sich mit seinem Gewicht gegen Bellatrix zu werfen. Die ließ ihn jedoch einfach los, wodurch er hart zu Boden schlug. Fluchend und windend versuchte er von dort unten erneut einen bedrohlichen Blick auf die beiden Todesser zu bekommen. Doch es hatte keinen Zweck. Der jämmerliche Anblick, den er darbot, brachte Bellatrix und Barty einzig zum Lachen. „Das war die falsche Antwort“, flötete Bellatrix schließlich und ließ spielerisch ihren Zauberstab durch die Luft schwenken. Sofort brach Mr Simmons in schmerzerfülltes Geschrei aus. Nachdenklich stellte Barty fest, dass er einen Menschen noch nie so hatte schreien hören. Er war richtiggehend überrascht, was für Tonlagen die Stimme erreichte. Nachdem Bellatrix ein weiteres Mal ihren Cruciatus von Mr Simmons genommen hatte, lag ihnen ein einziges wimmerndes Nervenbündel zu Füßen. „Ich weiß nichts“, brachte der Zauberer erstickt hervor. „Bitte. Harrison … sollte hier sein … und is dann einfach weg.“ Mit klappernden Zähnen holte er Luft. „Wollte er zurückkommen?“, fragte Barty unbeeindruckt. „Ich … keine Ahnung.“ „Das ist eine sehr unbefriedigende Antwort“, sagte Bellatrix. Barty nickte beipflichtend, dann hielt er inne. Eilig sah er zu Bellatrix, die es ebenfalls bemerkt hatte und zwar keine Sekunde zu früh, denn da schoss die Tür zum zweiten Mal in dieser Nacht aus den Angeln. Sofort beschwor Barty einen Protego, während er in der aufgekommenen Staubwolke etwas zu erkennen versuchte. Neben sich konnte er Bellatrix husten hören, ehe sie den ersten Fluch ziellos in den Eingangsbereich schleuderte. Einem Instinkt folgend trat Barty näher zu Mr Simmons und wartete mit gezücktem Zauberstab den nächsten Angriff ab. Wer immer vor der Haustür stand — es konnten nicht viele sein, sonst wäre der Angriff von mehreren Seiten gekommen. „Wenn das nicht Mr Harrison ist“, hörte er Bellatrix’ Stimme. Ein Fluchen ertönte und ein blitzschneller Wechsel der härtesten Angriffszauber, dann war wieder alles ruhig. Vorsichtig ließ Barty mit einem Schwenk die Staubwolke verschwinden, deren Dichte magisch verstärkt worden war. Bellatrix und Mr Harrison starrten sich wortlos an. Beide hatten den Zauberstab erhoben. Mit Schrecken musste Barty feststellen, dass Bellatrix ihre Maske verloren hatte. Ihre dunklen Augen waren herausfordernd auf den massigen Zauberer vor ihr gerichtet, während ihre aristokratischen Gesichtszüge von einer Mischung aus Wut und Anstrengung verzogen waren. „Ich werde … nicht“, knurrte der Zauberer, bei dem es sich allem Anschein nach um Mr Harrison handelte. Bellatrix sagte nichts. Ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt und ihre geschwungenen Augenbrauen zogen sich finster zusammen. Der Zauberer ächzte. Aufmerksam verfolgte Barty das Geschehen, nicht sicher, ob er eingreifen sollte. Noch sah es nicht allzu gefährlich für Bellatrix aus, weshalb er sich schließlich dagegen entschied. Wenn es brenzlig wurde, konnte er Mr Harrison noch immer verhexen oder im Ernstfall töten. Auf einmal merkte er, wie sich neben ihm etwas rührte. Stöhnend versuchte Mr Simmons einen Blick auf seinen Kollegen zu erhaschen. „Jim“, krächzte er schwach. „J-jim…d-“ Mehr konnte er nicht sagen, da Barty ihm grob in die Magengrube getreten hatte. „Schnauze“, zischte er. Im selben Moment ging Mr Harrison ehrerbietig in die Knie. Überrascht starrte Barty auf den knienden Auroren, der langsam den Oberkörper zu Boden neigte, um Bellatrix demütig die Stiefel zu küssen. Barty musste grinsen. Die Verstärkung hatte ganz offensichtlich verloren. Bellatrix indessen verlor nicht viel Zeit und zwang Mr Harrison mit Hilfe ihres Imperius-Fluchs zum Reden. „Wo sind Sie gewesen, Mr Harrsion?“ „Bei Johanna.“ „Johanna?“ „Mr Simmons Frau“, warf Barty ein. „Gut“, Bellatrix schenkte ihm einen verärgerten Blick, dann wandte sie sich wieder ihrem Opfer zu. „Was haben Sie da gemacht?“ „Ich … ich hab ihr gesagt, dass mit Henry alles in Ordnung ist und er sie bald wiedersehen kann.“ „Ach tatsächlich?“ Bellatrix’ Stimme wurde gefährlich leise, während sie nachdenklich von Mr Harrison zu Mr Simmons sah. „J-Jim“, kam es auf einmal aus der Ecke, in der sich der andere Auror befand. „Bitte … nicht… du“, doch ein weiterer Tritt von Barty brachte den Zauberer mit einem kläglichen Hustenanfall zum Verstummen. „Das hat doch keinen Zweck“, erklärte Barty mit gespielter Liebenswürdigkeit und hockte sich in falschem Mitgefühl neben Mr Simmons, „das müssten Sie doch bereits verstanden haben. Lassen Sie Ihren Kollegen reden — das könnte seine Familie retten.“ „Zum Teufel mit euch, ihr ver-“ „Ah, ah, ah“, sagte Barty und wackelte mahnend mit dem Zeigefinger. „Das macht das alles nicht besser.“ Vergnügt beobachtete er das wutentbrannte Gesicht Mr Simmons, der ihm wahrscheinlich gerade die unflätigsten Dinge an den Kopf warf, die ihm einfielen. Doch über seine Lippen drang kein Laut mehr — dafür hatte Barty gesorgt. „Entschuldige, die kleine Störung“, sagte er galant an Bellatrix gewandt und blickte dann neugierig zu Mr Harrison. Plötzlich brach unter dessen ausdruckslosen Miene ein grimmiges Lächeln hervor. „Ihr werdet das alles noch bereuen“, stieß er aus. „Ihr werdet allesamt nach Askaban kommen und dort eure gerechte Strafe absitzen!“ „Ach wirklich?“, zischte Bellatrix. Dieses Mal glomm unbändiger Zorn in ihren dunklen Augen und ehe es sich Mr Harrison versah, erzitterten seine Glieder unter einem schrecklichen Cruciatus. „Das werden wir ja sehen. Imperio!“ Erneut trübte sich die Miene des Aurors. Mit glasigem Blick starrte er zu den beiden Todessern und brachte dank seiner Schmerzen keinerlei Widerstand mehr auf, um gegen den Imperius-Fluch anzukämpfen. „Also was wisst ihr über Underwood?“, fragte Bellatrix leise. „Underwood? Underwood … stand mit Todessern im Bunde.“ Mr Harrisons Gesicht verzerrte sich flüchtig, als kämpfte noch immer etwas dagegen an, diese Worte hervorzubringen, „Wir haben … nicht herausfinden können … mit wem, aber dieses Arschloch … hat unschuldige Muggel getötet.“ „Na, das ist doch einmal eine klare Aussage“, grinste Bellatrix zufrieden und sah mit zur Seite geneigtem Kopf zu Barty. „Brauchst du den noch?“, wollte sie wissen, wobei sie mit dem Zauberstab bereits auf ihr Opfer deutete. Schweigend schüttelte Barty den Kopf. Er war sich sicher, dass er Mr Simmons Glauben schenken konnte und da auch Rodolphus nach Jones’ „Befragung“ keine neuen Informationen hatte, konnte er davon ausgehen, dass Mr Harrison für sie von keinem Nutzen war. „Gut“, meinte Bellatrix. Lächelnd wandte sie sich Mr Harrison zu, hob ihren Zauberstab und sagte beinahe zärtlich: „Avada Kedavra!“ Wie eine Puppe, der man die Fäden durchtrennt hatte, klappte Mr Harrison in sich zusammen. „Was machen wir mit ihm hier?“, fragte Barty; dabei deutete er auf Mr Simmons, der sich panisch gegen die Wand drückte. „Ich würde sagen, er ist ganz deiner“, antwortete Bellatrix mit einem Lächeln, während sie einen prüfenden Blick aus einem der kleinen Fenster warf. „Wir scheinen diese Nacht keinen weiteren Besuch zu bekommen.“ Barty musste unwillkürlich grinsen. Mit einem Schwenk hob er seinen Silencio wieder auf und starrte nachdenklich auf den am Boden liegenden Zauberer. Er wusste, dass sich ihm gerade die seltene Gelegenheit bot, alles, was er wollte, auszuprobieren. „Bitte … nicht“, japste Mr Simmons jämmerlich. Abschätzig beobachtete Barty hinter seiner Maske, wie Mr Simmons Gesicht einen Ausdruck angenommen hatte, der ganz offensichtlich um Gnade winselte. Er fand das verabscheuenswürdig. Es war ein Zeichen von Schwäche, zeigte, dass man nicht voll und ganz hinter seiner Aufgabe stand. „Du weißt nichts Weiteres über Underwood, oder?“, fragte er kalt. Allen Anwesenden war jedoch bewusst, dass es mehr eine Feststellung als eine Frage war, für die es keine Antwort brauchte. Ein Blick in Mr Simmons weitaufgerissenen Augen und Barty wusste genug. „Gut“, sagte er bedächtig, „vielleicht freut es Sie zu hören, dass … Johanna aus erster Hand erfahren wird, was sich hier zugetragen hat.“ Langsam zog Barty seinen Zauberstab. Unter seiner Maske hatte sich in seine Gesichtszüge ein irres Lächeln ausgebreitet, während er den Moment seiner Macht genoss. Er hatte vor, den größten Nutzen daraus zu ziehen, weshalb er sich einen der kürzlich gelesenen Zauber in Erinnerung zu rufen versuchte. Leise murmelte Barty die beiden lateinischen Worte und spürte einen Schwall dunkelster Magie aus ihm herausbrechen. In einem feinen violetten Nebel sprühte sie aus der Spitze seines Zauberstabs hervor und drang schließlich durch die Poren in Mr Simmons ein. „Was sollte das denn sein?“, fragte Bellatrix belustigt, als keine sofortige Reaktion kam. Mit einem spöttischen Funkeln in den dunklen Augen trat sie an Bartys Seite und betrachtete Mr Simmons verächtlich. „Wart’s ab.“ Konzentriert starrte Barty auf sein Opfer, als könnte er mit seinem bloßen Willen den Zauber beschleunigen. Er war sich sicher, dass er alles richtig gemacht hatte. So wie er es sich die vergangenen Nächte über immer wieder durchgelesen und notiert hatte. Dann begann Mr Simmons zu wimmern. Stöhnend wälzte er sich auf den dreckigen Bodendielen, während sich alles an ihm verkrampfte. Das Wimmern und Stöhnen wurde lauter und qualvoller. Für einen Moment war Barty abgestoßen, von dem was er sah und hörte. Der Gedanke an das, was sich vor seinen Augen abspielte bereitete ihm Übelkeit, bis er sich wieder in Erinnerung rief, dass er es war, der solch ein Werk vollbringen konnte. Er hatte die Macht dafür, er bediente sich Wissen, für das die meisten zu feige waren, es sich anzueignen. „Nicht schlecht“, gab Bellatrix schließlich zu, nachdem die ersten Schmerzensschrei von blutigem Schaum erstickt wurden, der aus Mr Simmons Mund zu quellen begann. „Aber wir sollten uns langsam beeilen, sonst sind wir morgen früh noch hier, bis dieser Verräter endlich verreckt ist.“ Womit sie nicht ganz unrecht hatte, denn Bartys Fluch entfaltete mit qualvoller Langsamkeit seine Wirkung. Also hob Barty erneut seinen Zauberstab und sprach dieses Mal einen Fluch, der ihm besser vertraut war: „Avada Kedavra.“ Fasziniert beobachtete Barty, wie der grüne Lichtblitz in Mr Simmons Körper drang und ihn schlagartig seines restlichen Lebens beraubte. Die Stille, die daraufhin einkehrte, war merkwürdig beklemmend. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließen Barty und Bellatrix das kleine Haus. Erst als sie sich wieder in der kühlen Nachtluft befanden, wandte sich Bellatrix mit einem Hauch von Anerkennung an Barty. „Das lief doch nicht schlecht“, sagte sie, während ihr Blick abschätzig zu dem kleinen Gebäude zurückkehrte. So bemerkte sie nicht, wie Bartys Augen zu leuchten begannen bei dem Lob. Die Erinnerungen an das soeben Geschehene, waren noch zu frisch, als dass er sie gänzlich erfassen konnte. Doch Bellatrix’ Worte bedeuteten ihm eine ganze Menge. Dann wandte sich die Hexe ihm wieder zu. „Ich würde sagen, für heute Nacht gebührt dir die Ehre“, bestimmte sie, wobei sie mit einer eleganten Geste in die Höhe deutete. Barty verstand sofort. Voller Freude reckte er seinen Zauberstab gen Himmel und hauchte ehrfürchtig das Wort, das er so lange hatte aussprechen wollen: „Morsmordre!“ Kapitel 7: Eine bedeutsame Einladung ------------------------------------ Barty schwebte auf Wolke sieben. Ein unbändiges Glücksgefühl durchflutete ihn nach vergangener Nacht und selbst die schlechte Laune seines Vaters konnte das nicht dämpfen. Im Gegenteil; es erinnerte ihn durchgehend an den Erfolg seiner ersten richtigen Mission und bestärkte ihn in seiner guten Laune. Die eigentliche Schwierigkeit bestand darin, sich sein Glück nicht anmerken zu lassen. Tatsächlich musste er seine Gesichtszüge regelrecht in eine betrübte Maske zwingen, während in seinem Inneren alles euphorisch jubilierte. „Es ist eine Ungeheuerlichkeit! Im St. Mungos versucht man derzeit noch immer herauszufinden, unter welchen grausamen Umständen Mr Simmons gestorben ist.“ Barty wusste es. Er wusste es. Und all diese Narren um ihn herum hatten keine Ahnung. „Es tut mir so leid für die arme Johanna!“ Alice Longbottom hatte gesprochen. Ihre sonst so helle Haut zierte gespenstische Blässe bei dem Gedanken an die schwere Zeit, die der Frau von Mr Simmons bevorstehen würde. „Um die wurde sich fürs erste gekümmert“, brummte Moody. „Wir können annehmen, dass die Todesser auch hinter ihr her sein werden, nachdem sie nun ihren Mann abgeschlachtet haben. Aber sie werden sie nicht finden.“ Düsteres Schweigen kehrte ein. Es fiel Barty so unglaublich schwer, niemandem mit einem triumphierenden Grinsen zu begegnen, lauthals loszulachen über ihre Niederlage. Stattdessen zwang er sich zur Ruhe und holte tief Luft. Ganz tief Luft, erfreute sich an der aussichtslosen Lage, in der sein elender Vater steckte und atmete durch. Langsam und unauffällig. „Ich werde heute noch Bagnold aufsuchen und dafür sorgen, dass wir drastischere Maßnahmen ergreifen können. Allein der Gedanke, dass drei gute Zauberer wie Simmons, Harrison und Clarke die vergangene Nacht diesen Bastards zum Opfer gefallen sind und sich vielleicht hätten wehren können, macht mich krank“, sagte Mr Crouch leise. Ihm war anzusehen, wie viel Mühe es ihn kostete, die Beherrschung zu wahren. Verwirrte Blicke und betretenes Nicken füllte den Raum gleichermaßen. Bartys gute Laune wurde getrübt, als sein Vater das Mysterium nicht weiter aufdeckte, sondern sich an Mr Featherstone wandte: „Heute Nachmittag werden zwei Hauptverdächtige zu dem Fall der kürzlich verübten Muggel-Morde verhört. Wir müssen herausfinden, ob sie etwas von den Ereignissen dieser Nacht wissen.“ „Sehr wohl, Sir.“ Nervös zog Mr Featherstone ein mit Spitze umhäkeltes Taschentuch hervor und tupfte sich damit fahrig den Schweiß von der glänzenden Stirn. Niemandem außer Barty schien Mr Featherstones Unwohlsein aufzufallen. Alle waren sie mit dem Mord an den drei Auroren beschäftigt. Und sollten sie dem doch Beachtung schenken, so schoben sie das lediglich auf die schwere Situation. Wer würde auch glauben, dass eine so treue Seele wie Mr Featherstone mittlerweile Leichen im Keller hatte? Der restliche Verlauf der kleinen Besprechung von Crouch erfüllte Barty zusehends mit Zufriedenheit. Die Dinge standen schlecht für die Magische Strafabteilung. Die Auroren tappten im Dunklen; nach wie vor konnten allerhöchstens Vermutungen zu den Identitäten möglicher Todesser angestellt werden und die Anhänger, die sie doch geschnappt hatten, verzeichneten keinen großen Erfolg. Am Nachmittag erwartete Barty jedoch eine Überraschung. Noch immer beschwingt von den erfreulichen Ergebnissen des Tages saß er eifrig über seine Arbeit gebeugt und verfasste voller Konzentration ein paar wichtige Formulare im Auftrag seines Vaters. Die Schritte, die sich seinem Schreibtisch genähert hatten, bemerkte er erst, als Frank Longbottom direkt vor ihm stand. Etwas erstaunt sah Barty auf. „Hi“, sagte Longbottom schließlich, da Barty keine Anstalten machte, das Wort zu ergreifen. „Hast du heute schon Pause gehabt?“ Barty schüttelte den Kopf. „Gut, ich auch nicht.“ Als Barty ihn weiterhin bloß abwartend ansah, fuhr Longbottom eilig fort: „Wenn es keinen Notfall gibt, muss ich erst heute Abend noch einmal raus. Und jetzt gerade hat mir Scrimgeour meine paar Minuten Pause angeordnet und da dachte ich mir, vielleicht hättest du ja Lust, mir Gesellschaft zu leisten?“ Dieses Mal stahl sich der Anflug von ehrlicher Überraschung in Bartys Gesicht. „Ich…“, brachte er verblüfft heraus und begann unwillkürlich damit, die Pergamente gerade zu rücken, „ich weiß nicht.“ „Ich bin mir sicher, dass Mr Crouch nichts dagegen haben sollte. Schließlich bist du doch den ganzen Tag schon am Arbeiten.“ Das hieß noch lange nichts. So wie Barty seinen Vater kannte, hätte er sich erst eine Pause verdient, wenn er nach dreißig Arbeitsstunden kaum mehr seine Feder, geschweige denn die Augen offen halten konnte. Dennoch war die Gelegenheit verlockend. „Wie viel Zeit hast du? Dann beende ich noch eben diesen Absatz“, erklärte sich Barty schließlich einverstanden. „Ach, ich glaube genug.“ Barty nickte knapp und nahm wieder den Faden auf, um den letzten Rest dieser lästigen Anfrage beendet zu haben. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie Longbottom sich in der Zeit etwas abseits stellte und trotz aller Unbeholfenheit in dieser Situationen einen durchaus selbstbewussten Eindruck machte. „Gibt es etwas Bestimmtes?“, fragte Barty schließlich, nachdem er die Dokumente in einer verzauberten Schublade verstaut und gemeinsam mit Longbottom sein kleines Büro verlassen hatte. „Also wenn du so fragst, dann schon“, grinste Frank verlegen. Gespannt sah Barty ihn an, während sie den langen Gang zu den Fahrstühlen entlang schlenderten. „Hat deine Mutter heute morgen etwas gesagt?“ „Nein, ich glaube nicht. Wieso?“ Doch plötzlich hielt Barty inne. Da war etwas gewesen. Seine Mutter hatte einen ihrer seltenen Briefe bekommen, der anscheinend eine sehr erfreuliche Nachricht enthalten hatte. Bevor sie sie jedoch hatte mitteilen können, hatte sein Vater sie bereits abgewürgt, da im selben Moment eine Eilbotschaft über den Fund von Mr Clarke gekommen war. „Ich glaube meine Mutter hatte etwas sagen wollen, aber Vater und ich waren bereits auf dem Sprung.“ Frank nickte. „Dann weißt du’s wohl noch nicht. Also Alice und ich, wir haben dich und deine Eltern zu unserer Feier eingeladen. Wegen dieses ganzen Chaos’ sind wir nie zu einer schönen Weihnachtsfeier gekommen. Das wäre Nevilles erste gewesen… Jedenfalls haben wir uns gedacht, dass es im Moment nicht viel besser wird und bevor vielleicht doch alles schlimmer wird, wäre es ärgerlich nicht noch einmal zu so etwas wie einem gemeinsamen Abend zusammengekommen zu sein. Einfach einmal die Guten um sich zu haben und sich über das Beisammensein freuen. In so einer Zeit haben wir das alle bitter nötig. Findest du nicht auch?“ Bartys Welt verlor sich in Unwirklichkeit. „Ich hoffe, das ist nicht zu unerwartet für dich…“ Seine Sinne löste sich vom Hier und Jetzt. „… Alice und ich freuen, wenn du kommst …“ Platz blieb nur noch für einen brennenden Gedanken, der ihn voll und ganz ausfüllte, ihn lenkte. An ihm zog und zerrte. „…dir noch einmal überlegen.“ Barty bemühte sich seine Atmung ruhig zu halten. Er spürte wie sich kalter Schweiß in seinem Nacken bildete, wie sein Herz immer schneller schlug, wie alles in ihm danach schrie, seinen linken Ärmel hochzuziehen. Nach seinem Zauberstab zu greifen. Zu Apparieren. Dem Rufen seines Meisters zu gehorchen! „Barty ist alles in Ordnung?“ Longbottoms Stimme klang so alarmiert. Barty blinzelte. „Barty, du bist total blass. Geht’s dir nicht gut?“ Barty suchte nach Worten. Sein Hals war ganz trocken und er war sich gar nicht sicher, ob seine Stimme ihm überhaupt gehorchen würde. „Ich…“, krächzte er. Wann waren sie stehen geblieben? Verwundert sah sich Barty um. Ihm war nicht einmal mehr bewusst, dass die idyllische Landschaft draußen vor dem Fenster bloß eine Illusion war. Er musste weg und er konnte nicht. Er würde seinen Meister verraten! Der Gedanke ließ ihn erzittern. „Hey, Barty, sieh mich an!“ Er spürte, wie Longbottom nach seinen Schulter griff und ihn bestimmt, aber vorsichtig dazu brachte, sich zu dem jungen Auror zu drehen und ihm in das besorgte Gesicht zu sehen. „Was ist los?“ Was los war?Was los war?Der irrationale Drang zu lachen, stieg in Barty hoch. Er stand hier mit einem elenden Blutsverräter, der sich Sorgen um ihn machte. Ihn, der den guten Mr Simmons vor wenigen Stunden grausam ermordet hatte. Der hier stand, umgeben von Verrätern und nun seinen Herr und Meister enttäuschte. „Ich fühle mich komisch“, würgte Barty hervor und bemühte sich nicht zu lachen, nicht zu viel Angst zu zeigen. Einfach wieder seine Fassung zu gewinnen. Wenigstens das musste er schaffen, wenn er dem Rufen Lord Voldemorts schon nicht folgen konnte. Wenn er nicht dabei sein würde, wenn er verpassen würde … „Vielleicht hast du dich überarbeitet“, überlegte Frank sorgenvoll. „Wenn du mich fragst, verlangt Crouch viel zu viel von dir. Du bist nicht einmal seit einem Jahr dabei und sollst Aufgaben von Zauberern übernehmen, die mehr als ein Jahrzehnt hier arbeiten.“ Barty lächelte schwach. „Das wird’s sein.“ Longbottoms Hand stützte ihn noch immer. Hastig schüttelte er sie ab und unterdrückte den Impuls, sich über die Stelle zu reiben, als würde er so etwas Infektiöses von sich wischen. „Ich sollte einfach zurück gehen und mich ausruhen und wenn Mr Crouch zurück ist, kann ich ja mit ihm reden.“ „Hört sich nach einer guten Idee an.“ Flüchtig schloss Barty die Augen und holte tief Luft. Mehrere Zauberer waren bereits eilig an ihnen vorbeigelaufen und hatten den ein oder anderen neugierigen Blick auf sie geworfen. Er musste dagegen vorgehen. Also ließ er sich wieder von Frank zu seinem Schreibtisch zurückbegleiten. Eine tolle Pause war das gewesen! „Danke, Frank“, sagte Barty schließlich, wobei er sich in seinen bequemen Schreibtischstuhl fallen ließ. „Keine Ursache.“ „Auch für die Einladung. Ich denk drüber nach.“ Franks Gesicht hellte sich auf. „Ich würde mich freuen und Alice auch. Außerdem kannst du mal unseren kleinen Neville kennenlernen!“ Barty nickte und schwieg. Jeder seiner Gedanken war glasklar. Alles um ihn herum hatte an Intensität gewonnen, ließ ihn messerscharf denken, während jedes winzige Detail ihn unerbittlich daran erinnerte, dass er dem Ruf nicht folgte. „Ähm weißt du, das Ganze macht mir Angst. So Sachen wie heute. Mit Simmons und Harrison und Clarke. Ich möchte nicht, dass …“, Barty hielt inne und stellte zufrieden fest, dass seine Stimme tatsächlich brach. Etwas beschämt starrte er auf die aufgeräumte Oberfläche seines Schreibtischs. „Mir auch“, antwortete Frank leise. Er hatte sich eigentlich schon zur Tür gewandt, um zu gehen. Doch da drehte er sich noch einmal mit einem schiefen Lächeln im Gesicht um. „Aber ich glaube, dass wir es schaffen können. Wir dürfen uns nur nicht entmutigen lassen!“ Barty erwiderte das Lächeln schwach. Unter dem Tisch ballten sich seine Hände heimlich zu Fäusten. „Sag einfach bescheid, ob du kommst, ja?“ „Mache ich.“ Eine seltsame Stille erfüllte den abgetrennten Abschnitt seiner Bürozelle. Ausdruckslos stierte Barty auf das dunkle Holz seines Schreibtischs und lauschte dem Schwirren seiner Gedanken. Er wusste, dass, wenn er irgendetwas tun würde, er ganz bestimmt durchdrehen musste. Nichtstun, mit angehaltenem Atem dazusitzen und den Moment abzuwarten; das schien die beste Option. Er musste seinen Kopf leer bekommen. Er durfte nicht an Longbottom denken, er durfte nicht an das Dunkle Mal auf seinem Unterarm denken, an das Rufen, an seinen Herr und Meister, der ihn zu sich beordert hatte, der nun in einer wichtigen Besprechung mit all den anderen sitzen würde. Wahrscheinlich würde einzig sein Platz leer sein… Barty spürte kaum, wie sich seine Finger unwillkürlich einen Weg unter den Ärmel seiner Robe gesucht hatten und dort langsam die kunstvolle Erhebung seines Dunklen Mals entlang fuhren. Ganz vorsichtig. Hastig schüttelte Barty den Kopf und zwang sich mit all seiner Willenskraft dazu, sich zusammenzureißen. Er musste in den bitteren Kürbis beißen und ausharren. In wenigen Stunden hatte er es geschafft. Ihm war jedoch klar, dass die folgenden Stunden eine Härteprobe waren, die verglichen mit dem Cruciatus-Fluch ein Witz war. Die Idee, sich krank zu melden, um noch zur einberufenen Versammlung Lord Voldemorts zu kommen, verwarf Barty sofort wieder. Die Chancen standen hoch, dass sein Vater mitbekommen könnte, dass er doch nicht so krank war und sich erst spät bei seiner Mutter blicken lassen würde. Das konnte er nicht riskieren. Also biss Barty die Zähne zusammen und konzentrierte sich mühsam auf all die Dokumente, die ihm vorgelegt wurden. ~*~ Er wusste nicht mehr, wie er es am Ende endlich geschafft hatte, sich von allem loszueisen. Zeit war zu etwas Abstraktem geworden, das sich jeglicher Erfassung entzog. Sie war in quälender Langsamkeit verstrichen und doch waren die Details alle verloren gegangen, obwohl sie Barty so deutlich vorgesetzt worden waren. Alles was zählte, war einzig, dass Barty sich plötzlich in einer großen dunklen Eingangshalle befand und überhaupt nicht wusste, wo er war. Aber das spielte keine Rolle. Etwas sagte ihm, dass er richtig war. Der Ruf hatte ihn hierher geführt und vielleicht, vielleicht war es ja noch nicht gänzlich zu spät. Vielleicht würde er retten können, was noch zu retten war. Vorsichtig wagte er sich vor. Sein Herz hämmerte ihm wild gegen die Brust. Ihm wurde heiß hinter der Maske, die er pflichtbewusst aufgesetzt hatte, während er angestrengt in die Düsternis starrte. Irgendwo glaubte er leise Stimmen zu hören. Es war die Richtung, in die es ihn gezogen hatte, weshalb er vorsichtig näher schritt. Eine hohe Tür ragte schließlich vor ihm auf. Prüfend berührte Barty das dunkle Holz und stellte überrascht fest, dass sie nur angelehnt war. Dennoch wagte er es nicht, sie aufzustoßen, da er sich dieses Mal ganz sicher war, die Stimme seines Dunklen Lords gehört zu haben. Vor Angst erstarrt stand Barty da, die Hand noch immer an dem Holz und überlegte fieberhaft, wie er weiter vorgehen sollte. Konnte die Besprechung noch immer im Gange sein? Und wenn ja, konnte er so einfach hineinplatzen? Aber was wenn sie bereits vorbei war? Er schluckte. Er musste sich einen Ruck geben! Da ertönte ein leises Zischen und die Tür öffnete sich. Durch den Spalt schob sich der Leib einer riesigen Schlange und ehe Barty wusste, wie ihm geschah, sah er direkt in die gelben Augen von Nagini. Wieder zischte sie. Ihre Zunge schnellte mehrmals hervor, während ihr Kopf sanft in der Luft pendelte. Wie hypnotisiert starrte Barty auf die riesige Anakonda und wagte kaum zu atmen. „Komm herein“, ertönte auf einmal die kalte Stimme seines Meisters. Die Tür öffnete sich weiter, sodass Barty nun ein Blick in den Raum gewährt wurde. Schwaches Kerzenlicht setzte hier und da ein paar Akzente in dem hoffnungslosen Unterfangen, der Finsternis Einhalt zu gebieten, die den Raum zu verschlingen drohte. In diesem Licht konnte Barty zwei Gestalten erkennen. Da war die hochgewachsene, dünne Statur des Dunklen Lords und jemand Zweites, der demütig zu dessen Füßen kniete. Fasziniert beobachtete Barty die Szene, während er langsam eintrat und dabei Nagini unwillkürlich folgte. Ein flüchtiger Wink Voldemorts bedeutete der anderen Person wieder aufzustehen. Erst da erkannte Barty, dass es Bellatrix war. Die langen Locken fielen ihr schwungvoll über die Schultern und eine widerspenstige Strähne hing ihr im Gesicht. Alles an ihr strahlte eine wilde Schönheit aus, die Barty für einen kurzen Moment in seinen Bann zog, bis sich ihre Blicke trafen. Sie lächelte. In ihren Augen glomm ein gefährliches Funkeln. „Mein Herr“, sagte sie ehrerbietig zu Voldemort gewandt und lief dann hoch erhobenen Hauptes aus dem Raum. Ihr Verschwinden schien die Temperatur um ein paar Grad fallen zu lassen. Mit trockenem Mund wandte sich Barty an den Dunklen Lord und versuchte Herr seines Gefühlschaos zu werden. Er tat das, was das einzig Vernünftige zu sein schien. Er fiel Lord Voldemort vor die Füße. Seine weiten Roben bauschten sich auf. Den Schmerz, als er mit seinen Knien auf dem harten Steinboden aufschlug, spürte Barty kaum. Stattdessen senkte er demütig den Kopf, während Worte aus ihm hervorsprudelten, die ihm den ganzen Tag auf der Zunge gelegen hatten. „Herr, bitte verzeiht, dass ich Eurem Ruf nicht folgen konnte.“ „Steh auf, Bartemius.“ Barty tat, wie ihm geheißen. Seine Beine fühlten sich seltsam schwach an. Als wollten sie ihn jeden Moment in dieser Unwirklichkeit fallen lassen. Angespannt stand Barty da, während Euphorie und Angst einen wilden Reigen tanzten. „Dir sei verziehen“, sprach Lord Voldemort. „Deine Position ist von entscheidender Bedeutung. Es wäre nachlässig, sie so leicht aufs Spiel zu setzen.“ Ein riesiger Stein fiel von Bartys Herz. Er hatte alles richtig gemacht! „Und wie es sich gezeigt hat, werde ich dich weiterhin in dieser Position brauchen. Ich habe mir sagen lassen, dass du großen Nutzen für uns aus deiner Arbeit gezogen hast und dich nun mehrfach beweisen konntest.“ Barty nickte schwach. Das Gefühl von Unwirklichkeit nahm zu. Es schien das höchste Glück zu sein, solche Worte aus dem Mund seines Herr und Meisters zu hören! Fieberhaft bemühte er sich darum, zu erfassen, was geschah und glaubte doch kläglich zu scheitern. „Es sind überaus erfreuliche Neuigkeiten, einen so fähigen Zauberer in meinen Reihen zu wissen“, fuhr Voldemort bedächtig fort und musterte Bartemius kühl. „Auch die Tatsache, dass du trotz alledem diesen Ort aufgesucht hast, ehrt deine Loyalität.“ „Ich würde alles tun“, brach es aus Barty heraus. Sogleich biss er sich auf die Zunge und verwünschte sein ungestümes Verhalten. „Ich weiß“, erwiderte Voldemort jedoch nur, wobei sich seine Mundwinkel unmerklich hoben. „Das ist sehr löblich. Deswegen möchte ich dir hiermit versichern, dass keine Notwendigkeit für dich besteht, in Situationen wie die heutige dem Ruf des Dunklen Mals zu folgen, sollte es deine Position in Gefahr bringen.“ „Ich habe verstanden, Herr.“ Eine kurze Stille trat ein, in der Barty den durchdringen Blick des Dunkle Lord auf sich ruhen spürte. Irgendwo im Hintergrund knisterten leise die letzten Überreste eines sterbenden Kaminfeuers, während er gespannt auf weitere Anweisungen wartete. „Nun, Bartemius, ich würde mich freuen, aus erster Hand ein paar Einzelheiten deiner bisherigen Arbeit zu hören“, sagte Voldemort bedächtig. „Es wäre mir ein Vergnügen“, antwortete Barty und begann sogleich von den Details zu berichten, auf die er gestoßen war und denen er großen Nutzen im Kampf gegen die Auroren zuschrieb. Eifrig schilderte er alles, woran er sich erinnern konnte, rief jedes einzelne Wort auf, das er mit penibler Sorgfalt aufgeschrieben hatte und versuchte seine Freude darüber, dass der Dunkle Lord ihm allein Gehört schenkte, im Zaum zu halten. Bevor er schließlich zum Schluss kam, fügte Barty einem Instinkt folgend hinzu: „Die Longbottoms werden übrigens bald eine Feier veranstalten. Sie scheint größer zu sein und meine Familie ist auch dort eingeladen.“ Einen kurzen Moment schwieg Lord Voldemort. Dann nickte er langsam. „Sehr gut“, sagte er, „das wird uns eine hervorragende Möglichkeit geben, mehr darüber zu erfahren, was Dumbledore und seine kleinen Freunde vorhaben.“ Ein breites Lächeln verzog Bartys Lippen. „Ich möchte außerdem, dass du große Sorgfalt auf jegliche Informationen legst, die du über die Potters erhalten kannst.“ „Natürlich, Herr“, sagte Barty mit einem Anflug von Überraschung, den er schnell zu unterdrücken versuchte. Sein Herr und Meister würde schon seine Gründe für das haben, was er von ihm verlangte. „Nun denn, Bartemius, es war erfreulich zu hören, dass bisher alles wie geplant läuft. Du darfst gehen.“ Mit einem weiteren Kniefall verabschiedete sich Barty von seinem Herr und Meister und lief mit einem seligen Grinsen in die tiefe Nacht hinaus. Kapitel 8: Feierlichkeiten -------------------------- Gefrorener Schnee knirschte unter den schweren Schritten der beiden vermummten Gestalten. Trotz der Wärmezauber und der soeben abgeschlossenen Duellierübung fröstelte es Barty. Sein Atem ging stoßweise von der Erschöpfung und bildete kleine weiße Wolken vor seinem Gesicht, die sich in der Dunkelheit der Nacht verloren. Vor ihm war Rabastan gerade damit beschäftigt, den Schließzauber der Tür zu öffnen und einen Fluch gegen Eindringlinge aufzuheben. „Da wären wir“, hörte Barty schließlich die langersehnten Worte, als Rabastan schwungvoll die dicke Holztür aufstieß. Eilig folgte er dem älteren Todesser in das warme, behagliche Innere des kleinen Hauses, wo er sich sofort auf eins der beiden durchgesessenen Sofas im Wohnzimmer fallen ließ und einen erschöpften Seufzer ausstieß. „Na, das lief doch ganz ordentlich“, meinte Rabastan grinsend und nahm Barty gegenüber auf dem anderen Sofa Platz. In der einen Hand hielt er eine ungeöffnete Flasche von Odgens Feuerwhisky, während er mit der anderen aus einer Tasche seines Umhangs eine Tüte von Bertie Botts Bohnen hervorzog. Barty erwiderte das Grinsen. Er merkte, wie seine erschöpften Glieder es ihm dankten, sich für den Moment nicht mehr bewegen zu müssen. Er war sogar zu faul, sich den Umhang auszuziehen. Stattdessen ließ er es einfach zu, dass der Schnee darauf allmählich zu tauen und in das alte Sofa einzudringen begann. Ihm gegenüber tat Rabastan das gleiche. „Bald werd ich dazu kommen, dich zu besiegen“, meinte Barty, als seine Lebensgeister wieder so weit erwacht waren, dass ihm nach Sprechen zumute war. Spöttisch sah Rabastan auf. „Das glaubst auch nur du.“ Dann nahm er genüsslich einen weiteren Schluck Feuerwhisky und reichte die Flasche schließlich Barty. „Wir werden’s sehen“, war alles was der Jüngere mit einem entschlossenen Funkeln in den Augen sagte. Mit einer nachlässigen Bewegung seines Zauberstabs beschwor er ein Glas herauf, goss sich ein und stellte die Flasche auf den kleinen Tisch zu den Bertie Botts Bohnen. Nachdenklich ließ er die bernsteinfarbene Flüssigkeit kreisen und beobachtete, wie sich das schummerige Licht in ihr brach. Er wollte nicht gehen. Die alte Standuhr zeigte, dass die Nacht bereits weit fortgeschritten war und es ratsam wäre, so bald wie möglich aufzubrechen, um sich von den Anstrengungen des Tages erholen zu können. Doch etwas in Barty weigerte sich beharrlich auf seine Vernunft zu hören. Etwas in ihm wollte den Moment genießen, in dem er träge auf den weichen Polstern der Couch lümmelte und sich keinerlei Gedanken über sein Auftreten machen musste. Er konnte der sein, der er sein wollte. Er konnte denken, was er für richtig hielt. Und man begrüßte ihn dafür. „Hatte ich dir eigentlich erzählt, dass Bellatrix deinen Job als dürftig bezeichnet hat?“ Fragend zog Rabastan die Augenbrauen hoch. „Na ja, als ich Rod die Dokumente wegen der Norrell-Tragödie gebracht habe, hat sie mich herausgefordert und befand das Ergebnis für ‚seeeehr dürftig‘.“ Rabastan schnaubte verächtlich. „Bella redet doch nur. Wahrscheinlich passt es ihr nicht, dass du tatsächlich gut wirst.“ Barty spürte, wie ein breites Grinsen seine Wangen erreichte und griff hastig nach ein paar Bohnen. Er wollte nicht den Eindruck des kleinen Jungen geben, der sich um die Anerkennung der Todesser bemühte — schließlich gehörte er längst dazu! Schlagartig verging Barty das Grinsen. Sein Gesicht verzog sich zu einer einzigen Grimasse des Ekels, als er, ohne weiter darüber nachzudenken, eine gelbe Bohne wieder ausspuckte. „Bei Merlin, was war das denn?“ Rabastan tat unschuldig, während er, seiner Mimik nach zu urteilen, auf einer Bohne mit einer äußerst angenehmen Geschmacksrichtung herumkaute. „Ist ’ne neue Sorte. Soll alle möglichen Variationen von Fäulnis beinhalten.“ „Das schmeckt man.“ Barty schüttelte sich und griff nach dem Whisky, mit dem er wesentlich besser bedient war. „Übrigens“, sagte Rabastan auf einmal, nachdem wieder entspanntes Schweigen eingekehrt war, „danke.“ Verwundert sah Barty auf. „Du weißt schon für Featherstone.“ Rabastan tat das Ganze eilig mit einem lässigen Schulterzucken ab, doch Barty kannte sein Gegenüber besser und musste lächeln. „Er macht Fortschritte, oder?“ „Jap, plaudert aus dem Nähkästchen und hat neulich erst die Ergebnisse einer Befragung beeinflussen können.“ „Hab ich gesehen.“ Nachdenklich nahm Rabastan einen weiteren Schluck aus der Flasche. „Der Dunkle Lord ist auf jeden Fall sehr erfreut über diese Wendung.“ Neugierig beobachtete Barty Rabastan, der mit einer losen Ecke des Etiketts von Odgens Feuerwhisky spielte. Dann begegnete ihm der Blick seiner grünen Augen und Barty stellte zu seiner Freude fest, dass sich Dankbarkeit in ihnen zeigte. Schnell verschwand sie jedoch wieder hinter einem lässigen Grinsen, als Rabastan fragte: „Du hast es geschafft, oder?“ „Was?“ Etwas aus dem Konzept gebracht sah Barty ihn an. „Na, eine Unterredung beim Dunklen Lord zu bekommen. Hab ich von Bella gehört.“ Bartys Lächeln wich flüchtig der Verwirrung, die sich jedoch bei dem bloßen Gedanken an das vergangene Gespräch mit seinem Herr und Meister in ein fanatisches Strahlen verwandelte. „Ja“, hauchte er. Rabastan nickte und starrte schweigend auf die Flasche. „Das freut mich“, sagte er schließlich. Die Verwirrung gewann wieder Oberhand in Bartys Mienenspiel. „Schließlich ist’s doch das, wofür du dir Tag und Nacht den Arsch aufreißt“, fuhr Rabastan fort, während sich ein schiefes Lächeln in seinem Gesicht ausbreitete. „Und es ist gut zu wissen, wen man zu den treuen Anhängern zählen kann. Lucius ist zum Beispiel ’ne Pfeife. Seit sein kleiner Liebling Draco auf die Welt gekommen ist, ist er noch schlimmer geworden. Ich wette der würd seinen Sohn als Ausrede nehmen, um ’nen gefährlichen Auftrag ablehnen zu können.“ Barty lachte leise. Er genoss den Stolz, der in ihm bei Rabastans Worten aufwallte. „Vergessen wir aber nicht, dass er am Geldhahn sitzt und auch im Ministerium ein gern gesehener Besucher ist“, sagte der Jüngere. Dabei reckte er das Kinn hoch in die Luft und setzte einen möglichst blasierten Gesichtsausdruck auf. „Er hat hohen Einfluss und das ohne den Imperius-Fluch.“ Rabastan schnaubte belustigt und nahm einen weiteren großen Schluck des Feuerwhiskys. „Wohl gesprochen, Bartemius!“ „Habt Dank“, entgegnete Barty lachend und deutete eine leichte Verbeugung an — soweit das im Sitzen möglich war. „Hatte ich dir eigentlich schon erzählt, dass die Longbottoms bald eine Feier machen? Da werden all die Blutsverräter und Schlammblüter aufkreuzen und sich ach-so-heilig fühlen, in ihrem lächerlichen Kampf für die Muggel.“ „Ernsthaft?“ „Jap.“ Barty tat es Rabastan nach und beugte sich vor. Ein beinahe verschwörerisches Funkeln glomm in seinen Augen, während er weitererzählte: „Longbottom meinte, dass er das Zusammensein stärken wollte und so einen Blödsinn. Er will Hoffnung machen, wo keine mehr zu finden sein sollte.“ Rabastan stieß ein verächtliches Schnauben aus. „Sieht diesem selbsternannten Heilsbringer ähnlich.“ „Das Beste kommt noch: Meine Familie ist eingeladen worden.“ Dieses Mal schlich sich Erkenntnis in Rabastans Miene. „Der Dunkle Lord möchte, dass ich hingehe und Informationen sammele“, fügte Barty hinzu. Er bemerkte nicht, wie er vor Ehrfurcht die Stimme gesenkt hatte. „Das kann interessant werden.“ Barty nickte zustimmend. Der Gedanke, sich als einziger in der vorteilhaften Position zu befinden, in die Mitte des Feindes zu kommen, erfüllte ihn mit Vorfreude. Und keiner würde auch nur den geringsten Verdacht schöpfen… „Stell dir nur mal die dummen Gesichter vor, wenn die wüssten, wer du bist“, meinte Rabastan und sprach genau das aus, was Barty durch den Kopf ging. „Das würde ich zu gern sehen.“ „Ich glaub, Longbottom würde das ziemlich hart treffen“, spottete Barty. „Im Moment scheint er es sich zur Aufgabe gesetzt zu haben, mich wegen meines strengen Vaters zu umsorgen. Als ob ich danach gefragt hätte. Ich bin doch kein kleines Kind!“ „Sieht dem aber ähnlich.“ „Ich werde schon mit diesem Scheißkerl fertig. Der Dunkle Lord persönlich hat mir versichert, dass mir das Vergnügen zuteil wird, diese elende Missgeburt von einem Vater zu töten.“ Ein grimmiges Lächeln verzerrte das sommersprossige Gesicht. „Ich kann es kaum erwarten, ihn zu sehen“, fügte Barty hinzu. Sein Augenmerk war auf einen fernen Punkt in der Zukunft gerichtet. Ein zarter Hauch von Wahnsinn flackerte darin. „Wenn dieses Arschloch endlich erkennt, wer direkt vor seiner Nase für seinen Untergang gesorgt hat.“ Stille kehrte ein. Von der Rachevorstellung in einem Kopf verzückt, nippte Barty an seinem Feuerwhisky. Dann begegnete er Rabastans Blick mit einem breiten Grinsen. „Auf den Dunklen Lord!“, rief er plötzlich und hielt inbrünstig sein Glas in die Höhe. „Auf den Dunklen Lord“, erwiderte Rabastan. Ein helles Klirren erfüllte den kleinen Raum, als die beiden Todesser anstießen. ~*~ „Barty, bist du so weit?“ Ein vorsichtiges Klopfen ertönte an der Tür zu seinem Zimmer. „Einen Augenblick, Mutter!“, rief Barty und räumte eilig ein paar Dokumente zusammen, an denen er gerade gearbeitet hatte, ebenso wie ein unauffälliges schwarzes Buch. „Barty?“ Die Tür öffnete sich leise und die schmale Gestalt von Mrs Crouch betrat das ordentlich hergerichtete Zimmer. „Mutter, Frank hat doch gar keine genaue Ankunftszeit genannt“, sagte Barty darum bemüht, sich seinen Ärger über das ungefragte Eindringen seiner Mutter nicht anmerken zu lassen. „Wir werden schon nicht zu spät kommen.“ „Ich weiß, Liebling.“ Seine Mutter lächelte ein zartes Lächeln. „Aber es wäre doch schade, wenn wir sie allzu lange warten ließen.“ „Hat Vater sich schon beschwert?“ „Nein, er sitzt noch im Büro.“ Barty spürte, wie diese Worte ihm unerwartet einen Stich versetzten. Der Anblick seiner Mutter, die ihre Freude über die anstehende Feier kaum verbergen konnte, stimmte ihn traurig. Es würde einer der seltenen Abende sein, an denen sie etwas unternahm — und das auch noch gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn. „Lass uns runtergehen“, sagte er schließlich und zwang sich zu einem Lächeln, „Vater wird bestimmt gleich fertig sein.“ Doch ihnen war klar, dass die Worte einer längst erloschenen Hoffnung entsprangen. Mr Crouch war noch nicht mit seiner Arbeit fertig. Das würde er auch nie sein. „Vater, wir wollten Frank und Alice wirklich nicht so lange warten lassen, das wäre unhöflich“, wagte Barty einem winzigen Teil seines Ärgers Luft zu machen, nachdem er eine gefühlte Ewigkeit mit seiner Mutter zusammen gewartet hatte. Er stand abwartend vor der großen Tür, hinter der sich Mr Crouchs Arbeitszimmer befand, und bemerkte kaum, wie er nervös auf seinen Fußballen auf- und abwippte. Da endlich hörte er das leise Klacken des Schlosses, als sich die Klinke hinunterdrückte und Mr Crouch vor seinem Sohn aufragte. „Bist du so weit?“, brachte Barty eilig hervor und wich instinktiv vor dem strengen Blick seines Vaters zurück. „Wir würden wirklich gerne los.“
Mr Crouch sagte nichts. In aller Ruhe riegelte er sein Arbeitszimmer ab und lief wortlos an seinem Sohn vorbei auf seine Frau zu. „Es tut mir leid, wenn ich dich habe warten lassen, Liebes. Ich befinde mich gerade in einer wichtigen Verhandlung“, hörte Barty seinen Vater sagen. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten, während er sich wieder seinen Eltern zuwandte. „Es ist in Ordnung, Barty. Ich wollte dich nicht hetzen.“ Immerhin war sein Vater schon aufbruchbereit, weshalb sie sich ohne weitere Verzögerungen auf den Weg zu den Longbottoms machen konnten. Zu dritt apparierten sie an eine kleine Waldgrenze. In etwas weiter Ferne konnte Barty ein Dorf ausmachen; ansonsten schien der Ort sehr abgeschieden zu sein und möglichen Bewohnern Ruhe und Frieden vor unwillkommenen Gästen zu schenken. Während Barty seinen Eltern in den Wald hinein folgte, musterte er schweigend seine Umgebung und versuchte sich alles gut einzuprägen. Man wusste schließlich nie, wozu das noch nützlich sein konnte. Dann hatten sie ein kleines Haus erreicht, das ganz offensichtlich der Grund für den starken Apparierschutz war. Nachdenklich ging Barty hinter seinen Eltern den gepflasterten Weg durch den Vorgarten entlang. Nichts deutete daraufhin, dass an dem heutigen Abend eine Feier veranstaltet wurde. Alles war ruhig und friedlich, geradezu widerlich idyllisch in einer Zeit, die vom Krieg zerrüttet war. „Hallo, da seid ihr ja!“, riss Barty eine warme Frauenstimme aus den Gedanken. Zerstreut sah er auf und beobachtete mit einem Anflug von Überraschung, wie seine Mutter Alice Longbottom eine herzliche Umarmung zur Begrüßung gab. Sein Vater nickte nur knapp, was Alice mit einem belustigten Lächeln quittierte. Dann fiel ihr Blick auf ihn. „Hi, Barty“, sagte sie, „schön dass du kommen konntest.“ Und ehe Barty, wusste wie ihm geschah, befand er sich in einer flüchtigen Umarmung. Verwundert starrte er die junge Frau mit den kurzen mausbraunen Haaren an und versuchte herauszufinden, was für ein Beweggrund sie zu einer solchen Handlung treiben konnte. Sie waren Arbeitskollegen — wenn man das so bezeichnen konnte, schließlich arbeiteten sie beide in unterschiedlichen Bereichen — aber Kontakt darüber hinaus hatten sie nie miteinander gehabt. Bartys Blick huschte zu seiner Mutter, auf deren Gesicht sich ein glückliches Lächeln gestohlen hatte. Wahrscheinlich hatte alles seine Richtigkeit. Er unterdrückte ein Seufzen und zwang sich eilig zu einer Antwort: „Ich hab mich sehr über die Einladung gefreut.“ Eine etwas unbeholfenen Stille trat ein, die Alice schnell wieder durchbrach: „Ähm kommt doch erst einmal rein. Nicht dass ihr mir in dieser Eiseskälte erfriert.“ Drinnen erwartete sie wohlige Wärme und ein seltsames Gefühl von Zuhause schlug Barty entgegen. Während er sich seines warmen Winterumhangs entledigte, sah er sich bedächtig im Inneren um und spitzte die Ohren. Stimmen drangen zu ihm vor, kaum dass die Haustür wieder ins Schloss gefallen war und der Zauber, der verhinderte, dass Lärm nach draußen drang, unwirksam wurde. „Kommt am besten einfach mit, die meisten sind schon da“, plauderte Alice freundlich und führte ihre Gäste zu einem großen Salon, in dem an einer langen Tafel ein gutes Dutzend Hexen und Zauberer saßen. In einer Ecke zwischen einer großen Couch und zwei bequem aussehenden Sesseln mit dicken Kissen spielten zwei rothaarige Jungen mit sich bewegenden Figuren. Bevor Barty sie näher betrachten konnte, hatten die übrigen Gäste bereits seine volle Aufmerksamkeit beansprucht. Mit einem Mal befand er sich inmitten eines herzlichen Chaos’ aus Begrüßungen und Händeschütteln. Ein feindliches Gesicht nach dem anderen erschien vor ihm. Sie alle hatten ein fröhliches, geradezu unbeschwertes Lachen auf den Lippen. Nie hätte Barty gedacht, dass es eine Wohltat sein würde, dem mürrischen Antlitz Moodys gegenüber zu stehen. Aber bei ihm wusste Barty immerhin, wo er dran war. „Hallo Moody“, sagte er und spielte den Schüchternen. „Freut mich Crouch“, brummte Moody und hatte sich bereits Bartys Eltern zugewandt. „Barty, wie geht’s?“, begrüßte ihn da Franks Stimme aus dem Gewirr heraus. „Toll, dass du kommen konntest.“ Barty lächelte unsicher und wünschte sich ganz weit weg. Er erwiderte Franks Handschlag und ließ sich von ihm zu einem Platz an dem vollen Tisch führen. Seine Mutter war bereits in ein Gespräch mit Alice vertieft, während sich sein Vater etwas weiter entfernt mit Moody in eine Ecke zurückgezogen hatte. „Die können die Arbeit auch nie ruhen lassen“, meinte Frank, der Bartys Blick gefolgt war. „Dabei gibt es auch noch andere wichtige Dinge im Leben.“ „Ach lass die nur — irgendjemanden muss es ja geben, der uns diesen ganzen Kram erspart“, tönte von einem Tischende eine Stimme, die Barty nur allzu vertraut war. Da saß Sirius Black. Das schulterlange Haar hing ihm verwegen ins Gesicht, in dem er mittlerweile einen Bart trug, und in seiner Hand hielt er lässig einen Kelch. Es fiel Barty schwer, ihm nicht augenblicklich den Rücken zuzukehren. Regulus Blacks Bruder. Ein Blutsverräter der schlimmsten Sorte. Hinzu kamen all die Situationen, in denen Sirius während seiner Schulzeit auf Regulus herumgehackt hatte und in die Barty das ein oder andere Mal ebenfalls verwickelt gewesen war. Glücklicherweise entbrach eine kleine Diskussion zwischen Sirius und Frank, die alle Aufmerksamkeit von Bartys Anwesenheit lenkte. Stattdessen ermöglichte sie es ihm, auch noch Sirius’ Begleitung in Augenschein zu nehmen: James Potter, Remus Lupin und Peter Pettigrew. Am liebsten hätte er eine Grimasse geschnitten. Doch letztlich blieb ihm nur ein freundliches Lächeln, als Potter auf einmal Blickkontakt zu ihm aufnahm. Heimlich kreuzte Barty die Finger unter dem Tisch, dass er nicht ein Gespräch anfangen würde. Er hatte diesem ehemaligen Unruhestifter nichts zu sagen. Zu seinem Glück lenkte jedoch eine junge rothaarige Frau Potters Aufmerksamkeit ab — Lily Evans beziehungsweise mittlerweile Potter. „Kannst du dich kurz um Harry kümmern? Ich wollte mit Molly einmal an die frische Luft.“ Vorsichtig nahm James das Bündel entgegen und schenkte erst dem kleinen Baby und dann seiner Frau ein liebevolles Lächeln. „Aber sei vorsichtig, ja?“ Lilys gespielt genervter Blick sprach Bände, dann war sie zwischen den Gästen wieder verschwunden. „Wenn du hungrig bist, Barty, kannst du dich übrigens da hinten am Buffet bedienen“, riss Alice’ Stimme ihn plötzlich aus seinen Gedanken. Verwirrt folgte er der angegebenen Richtung und spürte, wie sich beim Anblick all der leckeren Speisen sein Magen meldete. „Danke“, sagte er leise und verschwendete keine Zeit damit, aufzustehen. Um ehrlich zu sein, war er sogar richtiggehend froh, eine Ausrede gefunden zu haben, nicht länger bei Frank und Potters Freunden sitzen zu müssen. Wenn er gekonnt hätte, hätte er so viel Abstand wie möglich zwischen sie gebracht. Sie erinnerten ihn an Hogwarts. „Das hier ist ein Eintopf von Molly, den solltest du unbedingt probieren und hier sind noch Salate und Pasteten …“ Barty hörte gar nicht mehr länger zu. Wann hatte er zuletzt gegessen? In den letzten Monaten waren seine Mahlzeiten schrecklich unregelmäßig geworden. Immer hatte es etwas zu tun gegeben, nie hatte er eine Pause gehabt, um sich einfach einmal hinzusetzen, Luft zu holen und zu entspannen. Nachdenklich sah Barty zu Longbottom, der Potter und seine Freunde wieder verlassen und sich mit einem Lachen zu Moody und seinem Vater gesellt hatte. Das Lachen schwand aus Franks Gesicht, als Barty seinen Vater etwas sagen und Moody bekräftigend nicken sah. „Hast du schon den Kesselkuchen probiert?“ Dieses Mal war es seine Mutter, die sich neben ihn gestellt hatte, nachdem Alice sich geschäftig einen Weg durch das bunte Treiben gesucht hatte, um ihrer Pflicht als Gastgeberin ohne Hauselfe nachzukommen. „Ich dachte, ich fange erst einmal mit dem Eintopf an“, meinte Barty, der sich eilig eine Schüssel füllte und nach einem Stück Brot griff. „Stimmt, du hattest ja gar kein Mittagessen.“ Doch Barty schenkte seiner Mutter keine Beachtung mehr. Stattdessen versuchte er sich unauffällig in Hörweite von Moody und den anderen beiden zu schleichen. Er wusste, dass er später dringend die Potters im Auge behalten sollte, doch solange Lily sich mit Molly draußen rumtrieb, konnte Barty die Zeit noch anders verbringen. Und irgendetwas sagte ihm, dass es wichtig war. „Heh! Pass auf!“ Barty ging weiter, die Stimme beschloss er einfach zu ignorieren. „Das war gemein von dir!“ Plötzlich befand sich ein rothaariger kleiner Junge direkt in Bartys Laufbahn und funkelte ihn herausfordernd an. Mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und purem Genervtsein starrte Barty zurück. „Was habe ich denn getan?“, wollte er wissen, während er unmerklich zu den drei Zauberern schielte. „Du hast Charlies Drachen zertrampelt!“ „Ich hab was?“ „M-Mein Drache, er hätte fast gewonnen“, ergänzte ein etwas kleinerer Junge — offenbar Charlie — traurig über den Verlust seines Drachen. „Das tut mir leid. Das hab ich wohl nicht gesehen.“ Für Barty war die Sache damit erledigt, für die beiden Jungen jedoch nicht. „Jetzt musst du uns einen Schokodrachen bringen. Mama, erlaubt uns nämlich keinen mehr. Sie sagt, wir sollen den anderen nicht alles wegnehmen“, wandte der ältere der beiden Jungen ein. Was für Schokodrachen? Warum mussten ihn diese Blagen damit nerven? Er wusste nicht einmal, was er überhaupt getan hatte. Verstimmt sah sich Barty um und entdeckte auf dem Teppich einen plattgetretenen dicken Fleck Schokolade. „Solltet ihr das nicht zuerst einmal sauber machen?“, fragte er und verkniff sich in letzter Sekunde den hämischen Unterton. Charlie starrte traurig auf den Schokoladenfleck, während sein Bruder die Arme verschränkte und sachlich erklärte: „Wenn, müsstest du das, weil du hast ja den Drachen zertreten.“ „Und ihr habt euer Spielzeug einfach herumliegen lassen.“ „Aber-“ „Bill, Charlie belästigt doch nicht Bartemius, er hat sich gerade etwas zu essen genommen. Seht ihr das nicht?“ Ein Zauberer war herangetreten, der Barty irgendwie bekannt vorkam und der genauso rotes Haar wie die beiden Jungen hatte. Das musste also ihr Vater sein. „Arthur Weasley“, stellte er sich mit einem freundlichen Lächeln vor. „Ich arbeite im Büro gegen den Missbrauch von Muggelartefakten.“ „Bartemius Crouch Junior.“ Barty schüttelte steif die ihm dargebotene Hand und bemühte sich darum, all seine Verachtung für diesen Mann zu unterdrücken. Dieses Gesindel um ihn herum war diesen Abend sein Bekanntenkreis. Er musste sich gut mit ihnen geben, durfte sich nichts anmerken lassen. „So und ihr beide guckt, dass ihr mit euren Spielsachen nicht im Weg seid, ihr habt doch gehört, was eure Mutter gesagt hat“, wandte sich Arthur Weasley streng an seine beiden Söhne. Barty nutzte die Gelegenheit, um sich davon zu stehlen und sofort herauszufinden, dass die Diskussion zwischen seinem Vater und den beiden Auroren wieder ein Ende gefunden hatte. Resigniert biss Barty ein Stück von seinem Brot ab und überlegte, wie er am sinnvollsten vorgehen konnte, um diesen Abend zu überstehen und dem Dunklen Lord nützliche Informationen erbringen zu können. „Was habt ihr denn da gemacht? Das tut mir leid, Alice. Und nein. Nein, Charlie, es gibt keine Schokoladendrachen mehr für euch. Guckt euch doch mal diese Sauerei an!“ Interessiert sah Barty zu einer rothaarigen dicken Frau, die verärgert die Hände in die Hüfte gestemmt hatte und scheltend auf die beiden Jungen herabsah. Das musste dann wohl Molly Weasley sein. „Das mit dem Schmutz ist doch kein Problem“, wandte Lily ein und hatte bereits ihren Zauberstab gezückt, als Barty vortrat. „Entschuldigung, aber ich glaube, ich trage ebenfalls Schuld an dem Dreck. Ich habe nicht so genau hingeschaut, wo ich hintrete.“ „Nein, mein Lieber, du kannst nichts dafür. Ich habe den beiden heute schon mehrere Male gesagt, dass sie ihre Sachen nicht einfach so rumliegen lassen sollen“, fiel Mrs Weasley ihm ungnädig ins Wort. „Trotzdem“, fuhr Barty unbeirrt fort, „möchte ich das wieder gut machen.“ Mit einem kleinen und wie er hoffte freundlichen Lächeln, griff er nach seinem Zauberstab und ließ den Schokoladenfleck mit einem geübten Schlenker nicht nur aus dem Teppich verschwinden, sondern bildete daraus einen neuen Drachen, der sich schwebend auf Charlie zu bewegte. „Als Wiedergutmachung“, fügte Barty hinzu, als der kleine Junge ihn aus großen Augen ehrfurchtsvoll ansah. „Das ist aber lieb“, lächelte Lily. „Und dein Zauber war wirklich gut.“ „Tja, unser Barty ist eben ziemlich begabt, was?“ Plötzlich war Frank hinter ihnen aufgetaucht und gesellte sich in den kleinen Kreis, der sich zwischen den Sofas gebildet hatte. „Hast zwölf UTZs gehabt, oder?“ Daraufhin erntete er von einigen der Anwesenden anerkennende Blicke und ehe Barty etwas dagegen unternehmen konnte, spürte er, wie seine Wangen heiß wurden. „Na ja, ich habe mich gut vorbereitet“, erklärte er. „Unsinn, du hast echtes Talent. Eigentlich eine Schande, dass du nicht zu uns in die Aurorenzentrale gekommen bist. So jemanden wie dich könnten wir gut gebrauchen“, meinte Frank grinsend. „Das hatte Professor Slughorn mir bei der Berufsberatung auch vorgeschlagen.“ Barty erinnerte sich noch gut daran. Damals hatte er den Verdacht gehabt, dass die Lehrer vom Ministerium verpflichtet gewesen waren, den Schülern den Beruf des Aurors schmackhaft zu machen, denn dank der hohen Anforderungen waren Auroren Mangelware im Kampf gegen Voldemort. „Siehst du“, lachte Frank, „da bin ich ja nicht der Einzige, der so denkt.“ „Der Junge taugt überhaupt nichts zum Auror“, meldete sich Moodys knurrige Stimme zu Wort. Barty spürte den Blick des Aurors auf sich brennen. Unbemerkt traten seine Knöchel weiß hervor, während er noch immer seinen Zauberstab umklammert hielt. Natürlich hatte Moody recht. Er taugte nichts zum Auror. Aber das auch nur, weil diese sich auf der falschen Seite befanden. „Jetzt sei doch nicht so hart. Wenn es nach dir ginge, würde kaum jemand die Ausbildung bestehen“, warf Alice lachend ein. Moody zuckte jedoch die Achseln. „Ich sag nur, wie’s ist“, schnaufte er und löste sich wieder aus dem Grüppchen, um an dem langen Esstisch Platz zu nehmen. „Moody hat recht“, sagte Barty, „mir liegt der ganze Papierkram besser. Ich wäre bei euch ein hoffnungsloser Fall.“ „Ach, jetzt sei doch nicht so hart zu dir“, meinte Frank und zuckte dann die Achseln. „Aber eigentlich lohnt’s sich nicht, sich darüber noch einen Kopf zu machen — schließlich haben wir mit dir einen wertvollen Mitarbeiter in der Magischen Strafabteilung gewonnen, was?“ Barty versuchte sich an einem Lächeln und konzentrierte sich schnell auf irgendetwas anderes, um nicht in all die optimistischen Gesichter blicken zu müssen. Wenn die wüssten! Unwillkürlich biss er von seinem Stückchen Brot ab, damit er den aufkommenden Spott aus seiner Miene vertreiben konnte. „Oh, ich wollte dich nicht vom Essen abhalten.“ „Schon in Ordnung“, meinte Barty, während er froh war, nun einen Grund zu haben, der ihn aus der kleinen Gruppe führte und Ablenkung versprach. Kurz bevor er jedoch mit Frank den Tisch erreicht hatte, erklang ein lautes Klirren in dem ausgelassenen Gerede. Es brauchte, bis Barty begriff was geschehen war. Wie benommen starrte er auf seine leere, linke Hand und blickte dann zu Boden, wo sich sein unberührter Eintopf langsam zwischen den Scherben der zersprungenen Schüssel ausbreitete. Sein Kopf war wie leergefegt. Mit weitaufgerissenen Augen sah er zu Longbottom, in dessen Gesicht eine Mischung aus Sorge und Überraschung geschrieben stand. Bartys Hand zuckte. Nur mit Mühe konnte er verhindern, nicht seinen Ärmel hochzureißen und auf das Dunkle Mal zu starren, das glühend heiß auf seiner Haut brannte und von dem Ruf des Dunklen Lords kündete. Kapitel 9: Inmitten des Feindes ------------------------------- Barty reagierte blitzschnell. Ohne länger nachzudenken, verdrehte er die Augen und sackte in sich zusammen. Bevor er jedoch auf dem Boden aufschlagen konnte, hatte Frank ihn bereits an der Robe gepackt und mehr schlecht als recht aufgefangen. „Barty? Hörst du mich?“ Barty beschloss, nicht sofort zu reagieren. Stattdessen begann er sich mental darauf vorzubereiten, dass er sich ganz schwach fühlen musste. Er musste Kräfte sammeln. „Was ist passiert?“ „Ich weiß es nicht, auf einmal…“ „Oh Merlin, w-“ „Barty!“ Langsam öffnete Barty die Augen. Er gab sich alle Mühe, so zu tun, als müsste er erfassen, was geschehen war. Da war seine Mutter, die voller Sorge auf ihn hinab starrte und seine Hand hielt. Da waren Frank und Alice, die Weasleys, sogar dieses Schlammblut sah besorgt auf ihn hinab. Und irgendwo im Hintergrund hörte er das Schreien eines Babys. Mit einem Stöhnen versuchte Barty sich wieder aufzurichten. Sofort waren irgendwelche helfenden Hände da, die ihn fürsorglich stützten. „Vorsicht, nicht zu hastig.“ „Vielleicht solltest du lieber noch etwas liegen bleiben.“ „Habt ihr nicht noch irgendwo einen Stärkungstrank, Alice?“ „Der arme Junge ist ja ganz blass.“ „Es geht schon“, flüsterte Barty heiser, während er sich vorsichtig wieder aufrappelte. „Ehrlich“, fügte er dann noch hinzu, als seine Mutter keine Anstalten machte, seinen Arm loszulassen. Auch Frank schien nicht sonderlich überzeugt. „Das … das war bestimmt nur die Müdigkeit. Und gegessen habe ich auch noch nicht.“ „Dann setzt du dich am besten hin und isst erst einmal etwas“, bestimmte Mrs Weasley. Für einen Augenblick war Barty versucht, sich nun erst recht nicht hinzusetzen und das zu tun, was diese Blutsverräterin vorschlug, doch hatte er keine andere Wahl. Beipflichtendes Nicken folgte auf ihre Worte, während Alice bereits verschwunden war, um ihm irgendeine Stärkung zu holen. Frank war indessen der Ansicht, dass er ihn dringend stützen musste und griff nach seinem anderen Arm. Den linken Unterarm. Barty zuckte zusammen. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und holte tief Luft, froh darüber, dass er das seinem Schwächeanfall zuschreiben konnte. Er musste sich konzentrieren. Er durfte sich nichts vom Dunklen Mal anmerken lassen — am besten sollte er gar nicht daran denken. Was wesentlich leichter gedacht als getan war. „Hier bitte“, sagte Alice schließlich und reichte Barty eine neue Schüssel von dem Eintopf. „Und wenn das nicht hilft, hier ist auch noch ein kleiner Stärkungstrank.“ Damit stellte sie eine kleine Phiole auf einen niedrigen Tisch, der neben dem Sofa stand. Glücklicherweise hatte sich die Aufregung gelegt und die meisten Gäste widmeten sich wieder ihren ursprünglichen Gesprächen. Als Barty flüchtig zu Moody spähte konnte er in dessen zerfurchtem Gesicht einen merkwürdig zufriedenen Ausdruck sehen. Es fehlte nur noch ein „Hab ich doch gesagt, dass der Junge zu nichts taugt.“ Grübelnd rührte Barty in dem heißen Eintopf und beobachtete, wie gelegentlich die Speckklumpen an die Oberfläche trieben, bis ihm plötzlich etwas anderes auffiel. „Wo ist eigentlich Vater?“, fragte er seine Mutter, die besorgt auf dem zweiten Sofa ihm gegenüber saß. „Der musste leider schon gehen. Anscheinend gibt es gleich noch eine wichtige Verhandlung, bei der er als Abteilungsleiter gebraucht wird und anschließend soll eine Pressekonferenz mit dem Tagespropheten stattfinden. Er meinte, das könnte länger dauern und er würde wohl diese Nacht nicht mehr zur Feier zurückkommen.“ Mrs Crouch seufzte leise. Verwirrt runzelte Barty die Stirn und überlegte, was das für eine Konferenz sein konnte. Warum wusste er davon nichts? „Weißt du, worum es geht?“, fragte Barty schließlich Longbottom. „Ja“, antwortete Frank knapp und klang alles andere als begeistert. „Was ist es?“ Ein merkwürdiger Ausdruck stahl sich in Franks Gesicht. „Du hast nichts davon mitbekommen?“ Unbemerkt strich sich Barty über den Ärmel, flüchtig, als könnte er so das beharrliche Rufen des Dunklen Mals abwischen. „Ich glaube nicht“, sagte er dann und konnte nicht verhindern, wie sein Tonfall hart wurde. Es missfiel ihm, doch nicht in alles Wichtige eingeweiht zu sein. „Dann wirste das morgen im Tagespropheten lesen können, Junge.“ Moody hatte sich von der lebhaften Konversation am langen Esstisch abgewandt und sich auf dem großen Holzstuhl zu der kleinen Gruppe auf den Sofas gedreht. Barty nahm schweigend einen Löffel Eintopf. Er gab sich alle Mühe, nicht zu dem Auror zu schauen, weil er spürte, wie er kurz davor war, sich zu verraten. Er konnte diese selbstherrliche Art nicht ausstehen, mit der Moody sein ehrenvolles Dasein als Auror bedachte und auf ihn herabsah. „Es war eine Sache, die hauptsächlich in Absprache mit der Aurorenzentrale gehalten wurde — wahrscheinlich hast du deswegen nichts davon gehört, schließlich hast du genug mit den ganzen Verfahren zu tun gehabt“, wandte Frank tröstend ein. Barty bewunderte noch immer, mit welchem Optimismus dieser Mensch von seinem Vater dachte. Als ob der alte Mistkerl je an ihn gedacht hätte, wenn es um sein Arbeitspensum gegangen war! „Bestimmt“, sagte er jedoch nur leise und zwang sich zu einem unbeschwerten Gesichtsausdruck. „Manchmal habe ich einfach nur Sorge, dass Vater selbst mir nicht traut. Er macht immer aus allem ein Geheimnis.“ „Mach dir nichts draus, das hat er schon immer gemacht — zumindest seit ich meine Ausbildung zum Auror begonnen habe“, meinte Frank mit einem aufmunternden Schulterklopfen. „Frank hat recht“, wandte seine Mutter ein, „du weißt doch, wie dein Vater ist. Morgen wird er uns bestimmt alles erzählen.“ Gedankenverloren nahm Barty etwas von dem Eintopf und kaute so lange wie möglich darauf herum, bis er sich schließlich zu einem ehrlichen Lächeln zwang. Eine Antwort, die seiner Mutter ebenso wie Longbottom auszureichen schien und ihm endlich etwas Ruhe gewährte. Während Barty sich voll und ganz auf seine Mahlzeit konzentrierte, verloren sich die anderen um ihn herum in fröhliches Geplauder. Er beobachtete, wie Frank und Alice sich zu Moody und Emmeline Vance an den Tisch gesellt hatten. Eine hitzige Diskussion über Quidditchmannschaften war zwischen James und Frank losgebrochen, an der sich die anderen mal mehr mal weniger enthusiastisch beteiligten. Barty konnte sehen, wie sich Pettigrew anders als all die übrigen Gäste seltsam still und unruhig verhielt. Dann waren da noch die beiden Weasley Jungen, die nun brav aber sichtlich gelangweilt bei ihren Eltern saßen. Das Schlammblut hatte sich dazu gesellt und hielt in ihrem Arm ihren kleinen Sohn. Es fiel Barty schwer, seinen Missfallen zu verbergen. Stattdessen wollte er sich ablenken, indem er zu seiner Mutter sah, die in ein angeregtes Gespräch mit Augusta Longbottom verwickelt war. Ihre Augen strahlten und aus ihrem Mund kamen so viele lebhafte Worte. Barty konnte sich nicht daran erinnern, sie in letzter Zeit so glücklich gesehen zu haben. All das Gelächter um ihn herum, die wohlwollenden Blicke, das Kinderschreien, das Gezanke, das Geplauder und das Gegrinse. Barty starrte in die mittlerweile leere Schüssel hinein, die er noch immer in den Händen hielt und stand plötzlich auf. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, suchte er sich zielstrebig einen Weg zum Badezimmer und atmete erleichtert auf, als der Riegel hinter ihm ins Schloss fiel. Er verfluchte sich dafür, zu dieser bescheuerten Feier gekommen zu sein. Er hatte dort nichts verloren. Viel eher hätte er nun an der Versammlung des Dunklen Lords teilnehmen können, hören können, was sein Herr und Meister zu sagen hatte und lachen können, über die erbärmlichen Widerstandsversuche ihrer Gegner. Nachdenklich saß Barty auf dem hölzernen Toilettensitz, den weiten Ärmel seiner Robe hatte er hochgeschoben und unter ihr die lederne Armschiene aufgeknüpft, um einen Blick auf das Dunkle Mal werfen zu können. Die schönen pechschwarzen Linien. Immerhin konnte er sich mit dem Gedanken beruhigen, dass seine Anwesenheit nicht verlangt war, dass der Dunkle Lord sogar wusste, wo er sich befand. Mit einem tiefen Atemzug bedeckte Barty wieder sein Dunkles Mal, erhob sich und ließ kaltes Wasser in das kleine Waschbecken laufen. Das Rufen war bereits abgeschwächt und wie er von Rookwood erfahren hatte, gab es keinen Grund dem nachzutrauern. Der Unaussprechliche selbst konnte nicht immer seinen Posten in der Mysteriumsabteilung verlassen und zu den einberufenen Zusammentreffen erscheinen. Und das war auch gut so. Es half, seine Identität vor einigen Todessern zu verbergen. Barty fröstelte, als das eiskalte Wasser auf seine Handflächen traf. Dann spritzte er sich etwas davon ins Gesicht, um wieder klare Gedanken fassen zu können, und sah mit grimmiger Entschlossenheit in den kleinen Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen. Kaum hatte Barty das kleine Badezimmer verlassen, schlug ihm die heitere Stimmung der Feier wie ein kalter Schwall Wasser entgegen. Mit Mühe suchte er den ruhigen, etwas linkischen Jungen, den so viele in ihm zu sehen schienen, und betrat wieder das Wohnzimmer. Sein Blick huschte unsicher durch den weitläufigen Raum, dann entschied er sich, an dem Tisch bei Potter, seinen unausstehlichen Freunden und den ebenso unausstehlichen Auroren Platz zu nehmen. „Geht’s dir wieder besser?“, erkundigte sich Frank, kaum dass sich Barty neben ihn gesetzt hatte. Der Junge nickte bloß und gab sich alle Mühe, ein optimistisches Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern. „Das freut mich zu hören.“ Gerade als Barty glaubte, Frank würde ihn nun wieder in Ruhe lassen, fügte der jedoch hinzu: „Vielleicht solltest du Mr Crouch um ein, zwei Tage Urlaub bitten. Das ist ja nicht das erste Mal gewesen, dass du wegen Erschöpfung fast umgekippt bist.“ Auch das noch! Barty spürte, wie ihm tatsächlich die Röte ins Gesicht stieg. Für wie schwach und unfähig mussten diese Leute ihn halten? Nervös spielte er an dem Saum seines Ärmels, während er überlegte, was er sagen konnte. Ihm gegenüber hatte sich Moody ihrem Gespräch mit einer unbeteiligten Miene zugewendet. „Da muss der Junge durch“, knurrte er. „Wir können es uns im Momente nicht leisten, auf Arbeitskräfte zu verzichten — ich denke, Crouch sieht das genauso.“ Frank stieß einen unzufriedenen Seufzer aus. Sah sich dann aber gezwungen, dem Ganzen zuzustimmen, wohingegen Barty gegen den Ärger ankämpfte, dass einfach so über seinen Kopf hinweg von ihm gesprochen wurde. „Ich hätte auch nicht vorgehabt, meine Arbeit ruhen zu lassen“, warf er deshalb steif ein. „Ruhen kann man immer noch, wenn der Krieg gewonnen ist.“ „Das wird dir aber auch nichts mehr nützen, wenn du tot bist“, mischte sich plötzlich Alice ein. Auf dem Arm hielt sie den kleinen Neville, der mit großen Augen auf die Anwesenden starrte. „Irgendwelche Leute müssen doch die ganze Arbeit machen“, meinte Barty. „Und vergessen darüber hinaus, wofür sie das eigentlich tun.“ Barty schwieg und beobachtete, wie Alice einen Stuhl herbeizauberte und sich mit ihrem Sohn auf dem Arm neben Moody setzte. Vom anderen Ende des Tisches drang lautes Gelächter herüber. Sirius musste einen Witz gerissen haben, denn Potter schlug ihm gerade mit einem beipflichtenden Nicken auf die Schulter, während Vance ihn breit grinsend ansah. „…egal, was es nun ist, das wir tun, wir sollten uns immer daran erinnern, wofür wir das am Ende machen. Wenn mir was passiert, dann wird das nicht umsonst gewesen sein. Ich werde an meinen kleinen Neville denken können; ich werde wissen, dass ich diesem Pack einen weiteren Stein in den Weg gelegt habe…“ Der entschlossene Blick wich einem zärtlichen Lächeln. „Nicht wahr, mein Kleiner?“, sagte Alice und brachte ihr Gesicht ganz nah an das ihres Sohns. Barty sah weg und wünschte sich, er hätte irgendetwas zu essen oder trinken mitgenommen, damit er wenigstens etwas hatte, mit dem er sich ablenken konnte. Sirius war gerade wild am Gestikulieren. Gebannt hingen die anderen an seinen Lippen, während Worte wie „Kampf“, „Zauberstab“ und „Gegner“ fielen. Es war offensichtlich, dass er sich mit irgendeinem lächerlichen Duell brüstete. „Hattest du schon überlegt, wann du eine Familie gründen wirst?“ Es dauerte, bis Barty dämmerte, dass die Frage an ihn gerichtet war. „Ähm“, brachte er nicht sehr eloquent heraus und starrte verdattert zu Frank. „Nicht wirklich, der Krieg hat Vorrang.“ „Das eine schließt das andere nicht aus. Lily und James haben schließlich auch ihr Glück gefunden…“ Wieder schaute Barty zum anderen Ende des Tisches; dieses Mal zu Lily und James, die glücklich nebeneinander saßen und überhaupt keinen Anlass gaben, warum der Dunkle Lord ausgerechnet sie ausspioniert haben wollte. Potter schien seinen Blick bemerkt zu haben, denn plötzlich sah er auf und schenkte Barty ein Lächeln. „Ich werde warten“, erklärte Barty und konzentrierte sich hastig wieder auf sein eigentliches Gespräch. „Ich möchte die Traditionen meiner Familie ehren und für die ist im Moment wenig Zeit.“ Zu seinem Glück schien das ein akzeptables Argument zu sein, das die Diskussion beendete. Zu seinem Unglück schien sich jedoch Potter dazu ermutigt, sich in das Gespräch einzumischen. „Eigentlich solltest du wissen, wie weit dich Familientradition bringt. Guck dir die ganzen Fanatiker von Du-weißt-schon-wem draußen an.“ „Das ist was anderes“, entgegnete Barty steif. „Die Crouchs geben sich nicht mit einem solchen Pack ab. Aber es darf nicht verkehrt sein, sich Tradition bewahren zu wollen, egal mit welchen Umständen man nun konfrontiert wird. Ich werde mir nicht von irgendwelchen Fanatikern mein Leben bestimmen lassen.“ „Du weißt, was das Regulus und seinen Eltern gebracht hat.“ Mit einem Mal herrschte dröhnendes Schweigen. Alle Ausgelassenheit war mit Potters Worten am Tisch getilgt worden. Stattdessen wurden sie nun von allen Seiten angestarrt, teils neugierig, teils traurig, teils misstrauisch. Regulus Black. Der Name war zu einem empfindlichen Thema geworden. „Wenige Monate nach Blacks Verschwinden hat man Orion tot aufgefunden“, fügte Moody hinzu. „Eine Schande. Er war ein guter Fluchbrecher. Hat sich vielleicht was zu sehr für die Dunklen Künste interessiert, aber hervorragende Arbeit geleistet.“ „Und das alles, weil Regulus zu sehr an Traditionen gehalten hat“, meinte Lupin bedauernd, wobei er Sirius einen mitfühlenden Blick zuwarf. Dieser schwieg beharrlich. Seine Augenbrauen waren finster zusammengezogen, während er mit verschränkten Armen und sichtlichem Missfallen die Wendung des Gesprächs verfolgte. „Sag mal, wart ihr beide nicht so gut befreundet, Barty?“, warf auf einmal Lily ein. „Ich kann mich auf jeden Fall daran erinnern, dass ich euch damals auf Hogwarts sehr oft zusammen gesehen habe.“ Lilys Worte fühlten sich an wie ein Schlag ins Gesicht. „Er hat irgendwann den Kontakt gemieden“, erklärte Barty und musste feststellen, dass sein Betrüben gar nicht gespielt war. Er vermisste Regulus, den einzigen richtigen Freund, den er je gehabt hatte. „Es ist einfach eine Schande, zu was Du-weißt-schon-wer und sein Gefolge manche Familien treiben“, pflichtete Lupin dem bei. Seine Worte verloren sich in dem brütenden Schweigen, das sie alle befallen hatte. Schließlich schlug Sirius wütend auf den Tisch, sodass das Geschirr klirrte und Harry erschrocken zu weinen anfing. „Das ist er selbst schuld. Das sind sie alle selbst schuld — diese Vollidioten!“ Sirius’ kleiner Ausbruch brachte wieder Leben unter die Anwesenden. Auf einmal schienen sie sich zu erinnern, zu welchem Zweck sie auf dieser Feier waren und widmeten sich erfreulicheren Angelegenheiten des Lebens. Nur Barty blieb zurück und schien es nicht zu schaffen, seine Gedanken aus der Vergangenheit zu holen. Wie hatte ihm nie klar sein können, was mit Regulus war? Wie hatte der Black ihre Freundschaft so hintergehen können? Zorn kochte in ihm hoch. Zorn darüber, dass alles hätte anders sein können. Um Barty herum setzte die Zeit ihren normalen Lauf fort. Frank verließ irgendwann seinen Platz, um sich mit anderen Gästen unterhalten zu können, während Mrs Crouch und Augusta Longbottom sich zu den anderen am Tisch gesellten. Es wurden viele Belanglosigkeiten ausgetauscht. Peinliche Kindheitsgeschichten, die ersten Dinge, die Harry und Neville taten, Molly Weasley erzählte von ihrer ganzen Sippe, auf die derzeit ihr Bruder aufpasste, damit sie mit Bill und Charlie hatte herkommen können, und währenddessen schauten immer mal wieder andere Gesichter bei der Feier vorbei. Gesichter, denen Barty teils nicht einmal Namen zuordnen konnte und die wiederum nie lange genug blieben, um sie in Erfahrung bringen zu können. Offensichtlich patrouillierten sie. „Duuuh“, drang irgendwann eine kleine Jungenstimme an Bartys Ohr und er spürte ein vorsichtiges Zupfen an seinem Ärmel. Etwas benommen blinzelte Barty, dann sah er auf Charlie. Schüchtern aber dennoch entschlossen stand er neben ihm und hielt in seinen Händen den kleinen Schokodrachen, den Barty ihm gezaubert hat. „Ich wollte mich für den Drachen bedanken.“ „Gern geschehen.“ Schweigend betrachtete Barty Charlie und überlegte, ob er noch irgendetwas zu sagen hatte. Er war nicht gut mit Kindern. „Wenn ich auf Hogwarts bin, kannst du mir dann zeigen, wie man so einen Drachen macht?“ „Barty geht gar nicht mehr auf Hogwarts, Schatz, er hat letztes Jahr seinen Abschluss gemacht“, mischte sich Molly Weasley ein. „Oh.“ Etwas unbeholfen blickte Charlie auf den kleinen Drachen hinab. Ihm war anzusehen, dass er diese Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen hatte. Um irgendetwas zu sagen und sich der Situation — wie Barty hoffte — angemessen zu verhalten, sagte er jedoch: „Macht nichts. Ich kann dir das bestimmt ein andermal zeigen.“ „Ehrlich?“ „Ganz bestimmt.“ Strahlend sah Charlie von Barty zu seiner Mutter und wieder zurück. „Es dauert aber noch vier Jahre, bis du zaubern lernst. Bis dahin musst du brav sein und gut auf deine Geschwister aufpassen, in Ordnung?“ Charlie nickte artig, wobei er wieder neugierig zu Barty spähte, während Molly seufzend die Hände in die Hüfte stemmte und nach ihrem ältesten Sohn Ausschau hielt. „Arthur!“, rief sie und zwängte sich einen Weg an der Stuhlreihe zum anderen Ende des Tisches entlang. „Fabian sollte jeden Augenblick hier sein. Kommst du dann mit oder bleibst du noch?“ Neugierig verfolgte Barty das Gespräch, weil es immerhin interessanter war, als sich mit einem kleinen Jungen zu unterhalten. „Ich wollte noch ein bisschen bleiben. Sirius hat mir gerade von einem Muggelgerät erzählt, dass…“ „Magst du Drachen?“, tönte es wieder von Bartys Rechten. „Ähm Drachen sind groß … artig?“, brachte Barty nicht sehr überzeugend heraus. Doch für den kleinen Jungen war das genug. „Hast du schon einmal einen echten gesehen?“ Glücklicherweise hatte Barty das nicht. Und eigentlich hatte er das auch nicht vor. Diese Biester waren gefährlich — da reichte es, mit was er sich damals in Pflege Magischer Geschöpfe bei dem inkompetenten Professor Kesselbrand hatte rumschlagen müssen. „Nein, hab ich nicht. Du etwa?“ „Nee, aber wenn ich groß bin, werde ich welche suchen gehen“, verkündete Charlie. „Ah ja.“ Barty spähte wieder rüber zu den anderen Weasleys und erkannte zu seiner Freude, dass sich Molly diesmal mit Bill im Schlepptau zu ihrem Sohn zurückbegab. „Charlie scheint dich zu mögen“, stellte Molly lächelnd fest und strich sich eine widerspenstige Strähne zurück. „Ich finde, du und deine Mutter solltet uns mal besuchen kommen. Dann kann Charlie dir seine Drachenfigurensammlung zeigen. Was meinst du?“ Charlie nickte begeistert, Barty brachte ein höfliches Lächeln zustande. „Das ist eine wirklich schöne Idee. Wenn das meine Arbeit zulässt, komme ich gerne einmal vorbei.“ Bevor diese Blutsverräter jedoch auf weitere grauenvolle Ideen kommen konnten, betrat ein rotblonder Mann Anfang dreißig den Raum, winkte lässig in die Runde und ging dann zu Molly. „So Schwesterherz, sollen wir los?“, sagte er und drückte sie flüchtig. „Ist noch Zeit zum Verabschieden?“ „Ich denke schon. Gideon meint, dass er alles abgecheckt hat. Er und Dorcas überwachen grad den Waldrand, aber um ehrlich zu sein, scheint’s ’ne ruhige Nacht zu werden.“ „Das denkt man immer und dann trifft es einen mitten in den Rücken!“, warnte Moody, während Molly sich bereits an die Verabschiedung gemacht hatte. „Sag mal Lily, willst du vielleicht auch schon mit Harry mitkommen?“ „Danke, Fab, das geht schon. Remus und Sirius kommen später mit. Du weißt schon…“ Bedeutungsvoll ließ sie den letzten Satz in der Luft hängen. „Aber danke.“ Fabian zuckte die Achseln und zog sich einen freigewordenen Stuhl heran. „Hab ich irgendwas verpasst? Weil ich kann euch sagen, ihr habt ganz bestimmt so einiges verpasst. Fred und George sind beide ausgebüxt und wollten Ron zudecken, aber sie hätten’s fast geschafft, den Armen zu ersticken!“ „Gibst du später Marlene noch bescheid oder was hattet ihr abgesprochen?“, fragte Moody, der Fabians Geplapper eiskalt überging. „Ich wollt später noch mal vorbeischauen, wenn Molly und die Kinder sicher Zuhause angekommen sind und Gideon hatte gefragt, ob Sirius ihn noch ablösen könnte. Ist ganz schön kalt draußen.“ Keiner der beiden bemerkte, dass Barty voller Interesse dieser teils recht kryptischen Unterhaltung lauschte und sich in Gedanken jedes Detail gut einzuprägen versuchte. Allein die Namen waren ungeheuer nützlich und wenn es bedeutete, dass sie öfter so vorgingen, dann konnte das bei späteren Angriffen berücksichtigt werden. Obwohl er sich wunderte, was es mit Lilys Andeutung zu tun hatte. In dem Moment klopfte es gegen die Fensterscheibe. Mehrere Anwesende zuckten erschrocken zusammen. Moody hatte sogar ohne viel Federlesen seinen Zauberstab gezückt, während er angespannt Richtung Geräuschquelle sah. Doch auf dem Fenstersims hockte lediglich eine Schleiereule, die demonstrativ ihr linkes Bein hob, an dem sich eine kleines Stück Pergament befand. Eilig nahm Frank die Nachricht entgegen. Barty konnte beobachten, wie sich dessen Gesicht unmerklich verfinsterte, als er auf den Absender starrte. Angestrengt versuchte Barty nicht allzu neugierig zu wirken, was gar nicht so einfach war, da Frank nun zu Moody rübergegangen war und ihm wortlos das kleine Stück Pergament hinhielt. „Durchgekommen“, war alles, was Frank sagte. Moody dagegen wirkte relativ zufrieden. „Ist besser so. Das wird denen ’ne Lehre sein. Außerdem ist’s ja nicht für immer, Longbottom.“ Frank nickte gequält, doch war ihm anzusehen, wie wenig er davon hielt. „Das macht uns einfach nicht besser als sie. Wie soll das denn weitergehen? Irgendwie müssen wir uns doch unsere Grundsätze wahren.“ „Betrachte es als Abschreckung.“ Frank sagte nichts. Barty konnte sehen, wie der junge Auror wütend den Unterkiefer vorschob und schließlich zu Alice ging, um ihr die Nachricht zu verkünden. Und plötzlich regte sich in Barty ein Verdacht. Vorsichtig spähte er zu Moody, der sehr zufrieden mit sich aussah, und gerade von Molly Abschied nahm. Konnte es etwa sein? „Tschüss, Barty!“, riss ihn Charlies Stimme erneut aus den Gedanken. Der kleine Junge hatte ein Talent dafür. „Bis bald.“ „Tschüss“, murmelte Barty zerstreut. „Ich hab noch einmal mit deiner Mutter gesprochen und sie findet die Idee ganz großartig, einmal zu Besuch zu kommen. Sie meinte, dass du auch sicherlich nichts dagegen hättest, wenn Bill und Charlie einmal zu dir kämen.“ Molly Weasley. Ausdruckslos sah Barty diese Blutsverräterin an und erinnerte sich gerade noch rechtzeitig daran, dass nun ein Lächeln angebracht war. „Natürlich nicht, das klingt doch nach einer ganz hervorragenden Idee“, sagte er und verabschiedete sich eilig. Aus dem Augenwinkel bemerkte Barty, wie Moody leise etwas mit Fabian besprach. Auch der wirkte nicht sonderlich angetan, nickte jedoch grimmig. „Bis später, Leute“, rief Fabian und machte sich gemeinsam mit seiner Schwester und seinen Neffen auf den Weg nach draußen. „Sind das nicht zwei liebe Kinder?“, sagte Mrs Crouch mit einem Lächeln. Augusta nickte beipflichtend, wobei sie beteuerte, dass Neville eines Tages bestimmt genauso sein würde, wenn nicht sogar besser erzogen — ganz so wie sein Vater. Barty indessen wünschte sich einfach nur ganz weit weg. Unwillkürlich fragte er sich, wie lange er tatsächlich noch an diesem Ort ausharren musste. Natürlich wusste er, dass jede Minute länger mehr Informationen für seinen Meister bedeutete und irgendwo war die ganze Gesellschaft gar nicht mal so schlecht. Es war was anderes. Doch jedes Mal, wenn er sich in Erinnerung rufen musste, um was für eine Gesellschaft es sich handelte, und mit welcher er viel lieber zu tun gehabt hätte, sank seine Laune. Lustlos stand er irgendwann auf und suchte sich einen Weg zwischen den Gästen hindurch, um sich ein Glas Butterbier zu holen. Neben ihm konnte er hören, wie Alice und Lily miteinander sprachen und befanden, dass es längst Zeit war, ihre kleinen Blagen ins Bett zu bringen. In einer anderen Ecke konnte er Sirius und Weasley über irgendetwas namens „Motorräder“ sprechen hören — was auch immer das sein sollte. Und schließlich fand er sich neben James Potter wieder. Potter, der es das letzte halbe Jahr über immer wieder geschafft hatte, mit Frau und Kind spurlos zu verschwinden. Einzig seine Aktivität im Widerstand war bekannt. „Du siehst nicht sehr glücklich aus“, bemerkte James, während er sich ebenfalls etwas Butterbier einschüttete. Barty zuckte die Achseln und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. „Ich frag mich manchmal, wie das alles enden soll.“ „Das tun wir alle. Aber es hilft nicht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Herausfinden, tun wir das doch so oder so. Genieß lieber mal die Ablenkung.“ James grinste und Barty versuchte zurück zu grinsen. „Wusstest du, damals auf Hogwarts warst du einer der wenigen wirklich akzeptablen Schlangen. Warst nie so voreingenommen und eigentlich ganz in Ordnung. Zumindest dachte ich, dass du zu der angenehmen Sorte gehörst und es ist schön zu sehen, dass nicht alle Vorurteile zutreffen. Du weißt schon Reinblut, Slytherin. Da geht man sofort von irgendwelchen Fanatikern aus.“ „Das hab ich meinem Vater zu verdanken“, entgegnete Barty und konnte sich den spöttischen Unterton nicht ganz verkneifen. „Stimmt, obwohl du ja auch viel mit Regulus rumhingst. Sowas ist natürlich auch immer ein Einfluss.“ „Regulus hat seine Fehler gemacht und ich werde die nicht wiederholen, nur weil wir befreundet waren“, sagte Barty kühl. Er spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Warum musste Potter plötzlich damit ankommen? Warum konnte er ihn nicht einfach in Ruhe lassen oder besser: Irgendetwas Nützliches verraten? Bevor Barty aber seinerseits mit den Fragen ausholen konnte, hatte Potter ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter gelegt. „Das mit Regulus war ein ein schwerer Schlag. Sirius wird es, glaub ich, nie zugeben, aber es hat ihn hart getroffen. Er mochte seinen Bruder, auch wenn er es nicht gezeigt hat. Trotzdem war Regulus ein anständiger Kerl und als solchen sollten wir ihn in Erinnerung bewahren.“ Barty schwieg und nippte nachdenklich an seinem Butterbier. Potter neben ihm strich sich durch das schwarze strubbelige Haar und rückte seine Brille zurecht. Er war erwachsen geworden und erinnerte kaum mehr an den unausstehlichen Mobber, der er einst gewesen war. „Du solltest öfter vorbeikommen, Barty. Ich glaube, so ein bisschen Gesellschaft wird dir gut tun“, sagte Potter schließlich mit einem freundlichen Lächeln. Es war der Moment, in dem Barty ihm am liebsten seinen Kelch Butterbier in das widerliche, offenherzige Gesicht geworfen hätte. Was bildeten sich die Leute hier ein, so über ihn zu urteilen? „Bist du öfter hier?“, fragte Barty stattdessen beiläufig und ließ seinen Blick über die Gäste schweifen. „Nicht wirklich. Lily und ich passen die meiste Zeit auf Harry auf und versuchen Du-weißt-schon-wem und seinem Gefolge aus dem Weg zu gehen.“ „Ich hätte irgendwie gedacht, dass du offensiver bist“, meinte Barty. Doch James grinste nur verschmitzt. „Ich hab einen Sohn, an den es zu denken gilt, da kann ich mich nicht mehr kopflos in das Getümmel stürzen, auch wenn ich natürlich eine wertvolle Unterstützung bin.“ Barty versuchte keine Grimasse zu schneiden, sondern nahm stattdessen einen riesigen Schluck Butterbier. Sein Blick fiel auf Frank und Alice, die gerade über Neville gebeugt waren und er überlegte, welches Gespräch er aufsuchen konnte, sowie er Potter wieder losgeworden war, als die Antwort wie von selbst kam. „Barty“, sagte seine Mutter, „ich hatte ü-“ Ein Knall riss ihr die letzten Worte von den Lippen. Schlagartig verstummten alle Gespräche in dem Raum. Nur ein leises Weinen aus Nevilles Korb drang an die Ohren der Anwesenden, deren Blicke alle auf die Gestalt im Türrahmen gerichtet waren. Völlig außer Atem versuchte der Mann Luft zu holen. Das rotblonde Haar war zerzaust, Äste und Zweige hatten sich in seinem dicken Winterumhang verfangen und seine Stiefel waren vollkommen verdreckt. „Sie…“, keuchte er. „Wir…“ „Gideon was ist los?“, zerschnitt Moodys knurrige Stimme das angespannte Schweigen. Er hatte sich erhoben und eine wachsame Haltung angenommen. „Das Dorf… Dorcas ist schon da. Wir müssen“, brachte Gideon heraus und schien sich gar nicht entscheiden zu können, was er zuerst sagen wollte, so schnell stolperten die Worte aus seinem Mund. „Todesser“, stieß er schließlich hervor. „Sie greifen das Dorf an.“ Kapitel 10: Angriff ------------------- Selten hatte Barty so einen Stimmungsumschwung erlebt. Kaum war das Wort „Todesser“ ausgesprochen, war jegliche Ausgelassenheit von den Anwesenden abgefallen. Übrig blieben nur aufgeregtes Raunen und eine angespannte Angriffsbereitschaft. „Was sagst du da?“, rief Moody, während Frank zur immer noch offen stehenden Haustür losgelaufen war und einen prüfenden Blick in die dunkle Nacht geworfen hatte. „Wir hatten ’nen Auge auf den Waldrand geworfen. Dorcas is noch mal rüber appariert, um Fabian zu treffen. Also war ich allein. Und dann war da auf einmal ’n richtig helles Licht. Zuerst sah das alles einfach nur wie ein Feuer aus. Als hätte eins der Häuser Feuer gefangen, was ja nicht ganz ungewöhnlich gewesen wäre. Auch die Schreie, dachte ich, würden wegen dem Brand kommen. Aber dann war da auf einmal eine brennende Gestalt … flog einfach durch die Luft ins nächste Dach. Danach bin ich einfach los. Ich weiß nicht, was da los ist, aber wir müssen den Muggeln helfen!“ „Hast du welche von diesem Pack sehen können?“, fragte Moody eindringlich. „Ja, da warn ein oder zwei dunkle Gestalten. Schienen ums Dorf zu apparieren.“ „Was ist mit dem Wald? Hast du überprüft, ob hier welche sind?“ „Ich weiß nicht“, stieß Gideon hektisch hervor, „ich hab niemanden gesehen oder gehört und eigentlich kann das nicht sein.“ Moody wurde ungehalten. „Frank! Emmeline!“, rief er. „Sucht das Waldgebiet ab. Wir können es uns nicht leisten hier in der Falle zu sitzen.“ Sofort verschwanden die beiden Auroren mit gezückten Zauberstäben in die Nacht hinaus. „Das ist kein Zufall, oder?“, fragte Alice mit fester Stimme. „Ich glaube nicht. Sie hätten irgendjemanden heute angreifen können. Aber das einzige Dorf, was hier in unmittelbarer Nähe liegt…“, Moody ließ den Satz unvollendet. Auch so war jedem die Andeutung bewusst. „Als Erstes sollten wir zusehen, dass wir die Kinder in Sicherheit bringen“, mischte sich Lily ein. Moody nickte. „Lily, du gehst mit Augusta, Neville und Harry zu dir zurück. Sirius, James und Peter ihr schützt sie vor möglichen Angriffen, verstanden?“ „Nein, kommt nicht in Frage! Ich bleibe mit James hier“, erwiderte Lily. „Ihr werdet jede Unterstützung gebrauchen können.“ „Lily“, versuchte James einzuwenden, doch seine Frau gab ihm bloß einen entschlossenen Blick, der jeden Einwand zunichte macht. „Gut, warten wir ab, was Frank und Emmeline berichten“, knurrte Moody. „Macht euch aber bereit. Wir wissen noch nicht, wie viele tatsächlich dort draußen sind und was die vorhaben. Wenn wir Glück haben, sind’s wirklich nur ein paar, die es auf Muggel abgesehen haben.“ „Wo ist Molly?“, fragte Gideon auf einmal. Er wurde leichenblass, als ihn die Erkenntnis traf. „Sind sie schon los? Merlin, bitte sagt nicht, dass sie aufgebrochen sind, was wenn…?“ „Beruhig dich. Fabian hat sie und Charlie und Bill vor einer halben Stunde abgeholt. Ich bin mir sicher, dass sie wohlbehalten im Fuchsbau angekommen sind“, wandte Arthur ein, der jedoch nicht ganz so zuversichtlich aussah, wie er klang. „Und wo ist Fabian dann? Er sollte schon längst zurück sein!“, erwiderte Gideon heftig. „Er wollte bescheid geben, ob das mit der Ablösung klappt.“ Unbehagliches Schweigen breitete sich aus. „Das werden wir später sehen“, sagte Moody schließlich ungehalten. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Sein scharfer Blick huschte kurz über die Anwesenden und blieb schließlich an Barty hängen. „Crouch“, sagte er knapp. „Sowie wir wissen, wie die Situation ist, wirst du mit deiner Mutter losgehen und euch in Sicherheit bringen, verstanden? Remus du könntest ihnen Rückendeckung geben, oder?“ Lupin nickte, während Bartys Gedanken rasten. Alles woran er denken konnte, war der Angriff. Er konnte sich nicht erinnern, von einem heutigen Einsatz gehört zu haben. War das also vielleicht nur etwas Nichtiges? „Ich … ich will kämpfen“, hörte er sich plötzlich sagen. „Ich bin gut … ich kann helfen. Ihr braucht doch noch Leute.“ Er musste herausfinden, was vor sich ging. Neben ihm schnappte seine Mutter entsetzt nach Luft. Ihre schmalen Hände krallten sich unwillkürlich in seinem Ärmel fest, während sich fast alle Augenpaare auf ihn richteten. „Mach dich nicht lächerlich“, fuhr Moody ihn an. „Du hast keinerlei Erfahrung im Kampf. Am wichtigsten ist es für uns, die Unbeteiligten in Sicherheit zu bringen. Du tust schon genug, wenn du dafür sorgst, dass du und deine Mutter unbeschadet nach Hause kommt.“ Barty ballte die Hände zu Fäusten. „In Ordnung“, presste er widerwillig hervor. In dem Augenblick platzte Frank herein. „Ich habe nichts finden können. Wir scheinen noch unbemerkt zu sein. Aber das Dorf sieht echt übel aus, wir sollten-“ „Gut“, unterbrach ihn Moody. „Dann dürfen wir keine Zeit verlieren. Sirius, James, Peter?“ Die drei nickten, wobei Pettigrew alles andere als glücklich aussah. Neben sie hatten sich Lily und Augusta gestellt, beide jeweils mit einem Kind auf dem Arm. „Ihr geht zuerst und kommt umgehend zurück, wenn die Kinder in Sicherheit sind. Verstanden?“ Wieder nickten sie. „Crouch, Lupin. Ihr geht danach los.“ „In Ordnung“, sagte Remus. „Wo ist Vance?“, fragte Moody schließlich an Longbottom gewandt. „Holt Verstärkung.“ „Gut. Alice und du, ihr kommt gleich mit mir, wir werden uns ansehen, was genau los ist. Arthur, Gideon, ihr gebt uns Rückendeckung.“ Die Spannung in der Luft war greifbar. Jeder schien mit angehaltenem Atem da zu stehen und auf ein Signal zu warten. Das Signal zum Angriff. Moody warf noch einmal einen vorsichtigen Blick durch das Fenster in die dunkle Nacht hinaus, dann wandte er sich mit einem Nicken an die Anwesenden. „Bevor ihr geht“, sagte er, „solltet ihr noch wissen, dass seit heute Abend der Antrag der Magischen Strafabteilung genehmigt worden ist. Wenn ihr angegriffen werdet, dürft ihr die Unverzeihlichen benutzen.“ Ein eiskalter Schauer lief Barty den Rücken hinab. Er hatte es geahnt! Und niemand wusste davon. Zumindest niemand von seiner Seite, wenn die Genehmigung erst vor einer guten Stunde durchgekommen war. „Moody, glaubst du wirklich…“, wollte Lily unsicher einwenden, doch der Auror schnitt ihr unwirsch das Wort ab. „Wir haben keine Zeit für Diskussionen. Wenn es um euer Leben geht, zögert nicht. Entweder ihr oder sie. Klar?“ Betretenes Schweigen kehrte ein. „Die Luft sollte rein sein“, murmelte Frank, der noch einmal draußen nachsehen gegangen war. In seiner Hand hielt er hocherhoben den Zauberstab, während er wachsam seinen Blick über das verlassene Grundstück schweifen ließ. „In Ordnung“, brummte Moody. „Es geht los!“ Sofort setzten sich die Potters, Black, Pettigrew und Augusta in Bewegung. Mit gezückten Zauberstäben und entschlossenen Blicken traten sie hinaus in den kleinen Vorgarten, als sich plötzlich eine Gestalt aus der Dunkelheit schälte. „Nicht!“, schrie sie. „Nicht!“ „Fabian“, hauchte Alice und lief ihm entgegen. „Was ist los?“ „Hinter mir … weg … andere …sofort.“ Moody verstand augenblicklich. „Ihr nehmt den Weg auf der Rückseite. Crouch, Lupin. Ihr geht gen Westen. In etwa einer halben Meile hört der Apparierschutz auf.“ Barty nickte angespannt, kam jedoch nicht umhin Fabian einen neugierigen Blick zuzuwerfen. Er wollte nicht gehen. Nicht jetzt. Es wurde spannend. Das war alles, wofür er trainierte. Er würde dem Dunklen Lord in dieser Nacht beistehen und diese Blutsverräter von innen heraus vernichten. Neben ihm hatte sich die andere Gruppe in Bewegung gesetzt. Die Zeit drängte und Barty sah ein, dass auch er nicht mehr viel länger an Ort und Stelle verharren konnte. Lupin war bereits vorgelaufen, Mrs Crouch dicht hinter ihm. Währenddessen kümmerten sich Gideon und Alice um Fabian, der noch immer völlig außer Atem war und kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. „Nicht“, murmelte er. „Nein, nein, nein. Sie kommen.“ „Fab, sind Molly und die Kinder in Sicherheit?“, hörte Barty Arthur eindringlich rufen. „Molly?“ Verwirrt sah Fabian auf. Dann dämmerte ihm, worauf Weasley hinauswollte und er nickte. „Ja, ja doch, sie sind in Sicherheit. Hab sie weggebracht. Und dann kam ich an und plötzlich waren sie überall … ich bin noch einmal appariert …“ Der Rest seiner Worte verlor sich. Barty war losgelaufen. „Glaubst du, du schaffst das später?“, fragte Lupin, während er gemeinsam mit Barty Mrs Crouch stützte. Voller Sorge erkannte er, dass seine Mutter den Sprint nicht aushielt. Sie war leichenblass im Gesicht und stolperte. „Mutter?“, fragte Barty. „Mutter, ist alles in Ordnung?“ „Es geht schon“, presste sie mühsam hervor, taumelte jedoch im selben Moment und wäre fast hingefallen. „Mutter!“ Eilig griff Barty nach ihrer Robe und fing sie auf. „Stütz dich auf mir ab. Lupin, ist es noch weit?“ Eindringlich starrte Remus in die dunkle Nacht hinaus. Sie hatten es vermieden einen Lumos zu benutzen, um die Chancen zu verringern entdeckt zu werden. „Es geht“, antwortete er grimmig. Barty nickte und sah sich hektisch um. Mit einem Mal dämmerte ihm der Ernst der Lage. Es stand nicht sein Leben auf dem Spiel — zumindest konnte er sich nicht vorstellen bei einem Todesserangriff in Gefahr zu sein, doch das bedeutete noch lange nicht, dass seine Mutter unbeschadet davonkommen würde. Und eigentlich… Was wenn Lupin etwas bemerkte? „Kommen wir an einen Besen ran?“, fragte Barty. „Dann könnte ich bis zur Grenze fliehen und von dort aus apparieren.“ „Ich fürchte, dafür ist es zu spät. Komm, wir sollten uns besser beeilen, dann schaffen wir das schon.“ Widerwillig folgte Barty Lupins Beispiel und griff nach dem anderen Arm seiner Mutter, um sie stützend durch den Wald zu geleiten. Seit wann war sie so schwach geworden? Barty wusste, dass sie manchmal mit Krankheit zu kämpfen hatte, aber ihm war nie klar gewesen, welche Auswirkungen das auf sie hatte. „Wir schaffen das, Mutter“, flüsterte er. „Gleich sind wir zu Hause.“ Seine Mutter lächelte. „Barty, wenn wir angegriffen werden, dann bring dich bitte in Sicherheit. Versprich mir das, ja? Kümmere dich nicht um mich. Ich möchte, dass du unbeschadet davon kommst.“
 „Mutter!“ Entsetzt sah Barty sie an. „Ich denke nicht daran. Du kannst nicht einfach … das … das passiert nicht. Wir kommen jetzt nach Hause und dann bist du in Sicherheit!“ „Barty“, sagte Remus leise. Alles an dem angespannten Unterton ließ Barty zu Eis gefrieren. Etwas stimmte nicht. Vorsichtig spähte Barty in die Dunkelheit. Dann hörte er ein Rascheln. Und noch ein Rascheln. Zweige knackten. Ein Ast brach. Und plötzlich drang ein markerschütternder Schrei an ihre Ohren. Alarmiert sahen sich Barty und Lupin an und verdoppelten ihre Anstrengungen Mrs Crouch zu stützen. „Schnell“, keuchte Remus. Wieder raschelte es. Dieses Mal näher. Und noch näher. Es raschelte mehr und mehr und da sah Barty die drei dunklen Gestalten, die unvermittelt aus den Schatten vor ihnen aufragten. Ein silbriger Schimmer blitzte auf, als flüchtig das Mondlicht auf eine der Masken fiel. Sie saßen in der Falle. Barty blieb stehen. Er spürte, wie sich Remus neben ihm anspannte und konzentriert auf die drei Gestalten spähte, während sie Mrs Crouch hinter sich deckten. „Was habt ihr es denn so eilig?“, ertönte ein tiefer Bass spöttisch. Die Todesser teilten sich gemächlich auf, sodass sich ihnen nun zwei von der Seite und einer frontal näherte; sie fast umzingelt waren. „Bleibt doch noch ein bisschen, sonst verpasst ihr alles.“ Wieder erklang ein Schrei aus der Ferne. „Wirklich schade, dass ihr nicht auf euren Freund gehört habt, sonst würdet ihr gerade den spannenden Teil erleben“, ergänzte eine andere Stimme. Bartys Mut sank, denn er musste feststellen, dass er keine der beiden Sprecher identifizieren konnte. Plötzlich wurde ihm klar, wie naiv es gewesen war zu glauben, dass er geschützt sei. Natürlich war er das nicht. Wie viele Diener seines Meisters wussten tatsächlich von seiner wahren Identität? Die Antwort war ernüchternd: Erschreckend wenig. „Lasst uns durch“, sagte Remus fest. „Ach und dann?“ „W-Wir tun nichts. Wir sind normale Zauberer, ich wollte nur mit meiner Mutter nach Hause“, mischte sich auf einmal Barty ein. „Ach wirklich. Zu dieser Uhrzeit, in dieser Gegend? Und dann ist da auch noch ein ganz starker Apparierschutz. Findest du das nicht ein bisschen seltsam?“ Der Todesser, der Barty direkt gegenüberstand, neigte fragend den Kopf. Barty umklammerte seinen Zauberstab unwillkürlich fester. „Das ist reine Vorsichtsmaßnahme.“ Dieses Mal lachte sein Gegenüber ein falsches Lachen, das hinter seiner Maske seltsam verzerrt klang. Trolldreck! Warum konnte er ihn nicht zuordnen? Er musste doch wissen, um wen es sich bei seinen Angreifer handelte. „Natürlich“, höhnte der. „Eine Vorsichtsmaßnahme.“ Barty hatte genug. „Expelliarmus!“, schrie er und beobachtete, wie der Zauberstab seines Angreifers im hohen Bogen durch die Luft flog. Im nächsten Moment schleuderte er diesen erbärmlichen Todesser mit einem gezielten Stupor zu Boden und belegte ihn mit einer Ganzkörperklammer. Er hatte Glück. Hinter ihm hatte Remus augenblicklich reagiert und einen Schutzschild errichtet, an dem die ersten Flüche abprallten. „Barty“, zischte Remus, während sie weitere Angriffe abwehrten. „Nimm, deine Mutter und flieh. Ich lenke sie ab.“ „Aber, was …“ „Nichts, da. Ich schaffe das.“ Barty nickte und wartete auf einen geeigneten Moment, um loszustürmen. „Bist du so weit?“, flüsterte er zu seiner Mutter. Diese nickte unsicher. Als ein weiterer Stupor den zweiten Todesser außer Gefecht setzte, lief Barty los. Mit seiner linken Hand hatte er den Arm seiner Mutter fest umklammert, während er in seiner rechten wachsam seinen Zauberstab hob. Mrs Crouch indessen hatte ihrerseits ihren Zauberstab hoch erhoben. Sie hatten keine Zeit zu verlieren! Aber ein Ortungszauber sagte ihm, dass sie noch immer nicht den Schutz verlassen hatten und hinter ihm ertönte bereits wieder Geraschel. „Mutter, geh hinter mich“, flüsterte Barty, als er sich hastig umdrehte. Ein grüner Blitz schoss auf sie zu, dem Barty nur in allerletzter Sekunde ausweichen konnte. „Verdammt“, fluchte er. „Schaffst du es alleine weiter?“ 
„Barty, nein, ich lasse dich hier nicht kämpfen, das ist viel zu gefährlich!“, widersprach seine Mutter. Barty presste die Lippen aufeinander und starrte finster in die Richtung, aus der der Angriff gekommen war. Sie waren den Todessern vollkommen ausgeliefert. Bei Slytherin, sie wussten nicht einmal, wie viele tatsächlich unterwegs waren! 
„Ach nein, wie süß, wen haben wir denn da?“ Barty wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte beim Klang dieser Stimme. „Na, passte gut auf Mutti auf?“ Rabastan. „Ihr werdet uns nicht kriegen“, spie Barty wütend aus. „Wir haben nichts gemacht. Wir … wir gehören gar nicht zu denen. Wir sind … reinblütig.“ „Ändert leider nix daran, dass die Crouchs zu den Verrätern gehören.“ Die dunkle Gestalt umkreiste sie. An der Spitze ihres Zauberstabs leuchtete ein kleiner Lumos, der in die Dunkelheit der Nacht spielerische Muster malte. Aufmerksam verfolgte Barty jeden von Rabastans Schritten. Was hatte er vor? Vorsichtshalber richtete er seinen Zauberstab auf seinen vorgeblichen Gegner. Wollte er Zeit schinden? Aber wofür? „Na, was ist? Trauste dich nicht, ’nen Todesser anzugreifen?“
 „Barty“, flüsterte seine Mutter im Hintergrund ängstlich. Doch Barty blieb regungslos. „Ich höre.“ Barty antwortete immer noch nicht. Das war nicht Rabastans Stil. Bellatrix würde mit ihren Opfern spielen. Rabastan hingegen stürzte sich Hals über Kopf ins Gefecht und würde vielleicht mittendrin mal die ein oder andere Spöttelei an seinem Gegner auslassen. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass du noch Verstärkung bekommst, oder? Dein kleiner Freund dahinten, steckt ganz schön in der Klemme. Wahrscheinlich würde Verstärkung eh erst zu ihm eilen — so weit weg wie du von den anderen schon bist.“ Allmählich dämmerte Barty, was Rabastan wollte. „Na komm“, rief er, „mach was.“ Rabastan feuerte den ersten Fluch und Barty beschloss den Schwachen zu spielen und ihn kaum abwehren zu können. „Oh, fein. Das hättest du beinahe verkackt.“ „Impedimenta!“, rief Barty, doch Rabastan wich seinem Zauber spielerisch aus. Zugegeben, Barty hatte auch nicht ordentlich gezielt. Plötzlich kam ihm ein anderer Gedanke. Er musste Rabastan mitteilen, was er erfahren hatte! Rabastan musste über den Einsatz der Unverzeihlichen bescheid wissen. In dem Moment jedoch brach seine Mutter schreiend hinter ihm zusammen. Voller Entsetzen starrte Barty auf den zweiten Todesser, dessen grünlich schimmernde Zauberstabspitze auf Mrs Crouch gerichtet war. Bartys Hand handelte wie von selbst. Blitzschnell feuerte er mehrere Flüche in die Richtung des zweiten Angreifers und hörte nicht mehr auf. Der erste Fluch wurde noch abgewehrt, der zweite traf, der dritte traf, der Todesser wand sich auf dem Boden, der vierte traf, dann flüsterte Barty: „Crucio.“ Voller Genugtuung beobachtete er, wie sich diese jämmerliche Gestalt auf dem Boden wand. Abrupt beendete er jedoch seinen Fluch, als ihm klar wurde, dass er seine Tarnung gerade aufs Spiel setzte und er zu allem Überfluss gar nicht wusste, wen er da eigentlich folterte. Hastig sah er zu Rabastan, der ihm bloß schweigend gegenüber stand und auf einmal in den Himmel deutete. Verwundert sah Barty auf, konnte aber außer dem Halbmond und den Sternen nichts entdecken. Rabastan deutete eine leichte Drehung an und Barty verstand. Eilig kroch er durch das Laub auf seine Mutter zu. „Geht’s dir gut?“, flüsterte er besorgt und griff nach ihrer Hand. „Du musst aufstehen, schnell.“ Ein letztes Mal blickte Barty zu Rabastan, der einen spöttischen Diener vollführte, bevor die Welt um ihn herum verschwamm und er gemeinsam mit seiner Mutter apparierte. Barty stolperte auf die nasse Wiese und konnte so gerade eben noch seine Mutter vor einem Sturz bewahren. Sie hatten es geschafft! „Mutter“, keuchte er. „Mutter, geht es dir gut? Sag was!“ Mrs Crouch stützte sich auf seinen Schultern ab und vergrub den Kopf an seiner Brust. „Mein kleiner Barty“, flüsterte sie. „Ich bin so stolz auf dich.“ Flüchtig strich Barty ihr über den Rücken und machte sich schließlich wieder von ihr los. Er durfte keine Zeit verlieren. Er musste die anderen warnen, wenn sie es nicht bereits herausgefunden hatten. Die Unverzeihlichen Flüche würden gegen die Todesser eingesetzt werden. „Komm mit, Mutter, ich bringe dich ins Haus und da erholst du dich und morgen ist alles wieder gut, ja?“ Seine Mutter nickte und stolperte ihm durch das Gras auf den Weg hinterher, der sich zu ihrem Haus wand. Erst da spürte Barty allmählich, wie ihn tiefe Erleichterung befiel. Erleichterung darüber, dass Rabastan ihm unerwartet zu Hilfe geeilt war. Erleichterung über das Auflösen des Apparierschutzes. Immerhin hatte der keinem mehr was genutzt. „Winky?“, rief Barty, kaum dass er zur Haustür hereingekommen war. „Winky ist da. Was wünscht der junge Herr?“, fragte sie beflissen und verbeugte sich tief. „Ist mein Vater da?“, fragte Barty, doch die Hauselfe schüttelte den Kopf. „Gut, ich möchte, dass du dich um meine Mutter kümmerst. Ihr geht es nicht gut. Ich muss noch einmal zurück, verstanden?“ Winky nickte und wollte dem jungen Herrn helfen, die Herrin ins Wohnzimmer zu bringen, als Mrs Crouch sich wehrte. „Nicht“, protestierte sie und riss sich aus dem stützenden Griff los. „Nicht“, wiederholte sie und sah Barty dieses Mal entschlossen an. „Du wirst nicht noch einmal zurück gehen, ist das klar?“ Barty starrte seiner Mutter ausdruckslos entgegen. „Ich muss“, war alles, was er sagte. Es war ihm egal. In diesem Moment war es ihm sowas von scheißegal. Er wollte — musste — zurück. Wollte an Rabastans Seite diese ganzen elenden Blutsverräter dem Erdboden gleich machen, wollte die anderen warnen, was sie erwartete, wollte für seinen Meister kämpfen, wollte dabei sein! „Barty, komm zurück!“ Barty drehte sich nicht um. Mechanisch steuerte er wieder den kleinen Weg, vor seiner Haustür an, um den Apparierschutz, der ihr Anwesen umgab, zu verlassen. „Es ist viel zu gefährlich.“ Barty biss die Zähne zusammen. „Bartemius Crouch Junior, komm auf der Stelle zurück!“ Dieses Mal drehte sich Barty um. Er sah seine Mutter, die erschöpft, aber entschlossener denn je im Türrahmen stand. In ihrer Hand hielt sie ihren Zauberstab. „Mutter, ich muss“, sagte Barty. „Bitte, du kannst nicht einfach für mich bestimmen. Ich will das. Ich will den anderen helfen. Ich will nützlich sein. Das ist auch mein Krieg!“ „Du hast doch überhaupt keine Chance.“
 „Und ob ich die habe!“ „Nein, hast du nicht! Was weißt du schon von dem Krieg? Ich verbiete es dir zu gehen!“
 Überrascht starrte Barty zu seiner Mutter, die ihm nur noch eine Armlänge entfernt gegenüberstand. Es war das erste Mal, dass sie laut geworden war. Ihn angeschrien hatte. Wenn er ehrlich war, konnte er sich überhaupt nicht daran erinnern, dass sie in seiner Gegenwart je die Stimme gehoben hatte — das hatte immer sein Vater getan. „Bitte, Mutter, lass mich einfach gehen“, flehte Barty. Plötzlich spürte er, dass er das nicht wollte. Er spürte, wie sich unaufhaltsam etwas anbahnte, etwas Zerstörerisches. „Ich kann nicht“, sagte seine Mutter und dieses Mal zitterte ihre Stimme. „Bitte, Barty. Siehst du denn nicht, wie gefährlich das ist? Ich möchte dich nicht verlieren.“ „Lass mich los“, sagte Barty ruhig. Langsam griff er nach der Hand seiner Mutter, die ihn an der Schulter gepackt hatte. „Vertrau mir, bitte. Ich weiß, was ich tue.“ Aber das tat sie nicht. „Warum willst du nicht auf mich hören?“, rief sie verzweifelt. „Bartemius, lass es sein! Du weißt nicht, was du da tust. Was, wenn sie dich fassen? Wenn dein Vater jetzt hier wäre, würde er dir das genauso verbieten!“ Alles in Barty versteifte sich bei dem letzten Satz. Sein Körper schien unabhängig von seinem Denken zu funktionieren, er zitterte vor Wut. Sein Gesicht war jedoch bar jeder Emotion. Mit einem Mal wusste er, was er tun musste. Er beobachtete, wie sich seine Hand mit dem Zauberstab unmerklich hob, sodass sich die Spitze auf seine Mutter richtete. Er sah in ihr verzweifeltes Gesicht, das von Sorge verzerrt wurde. Er spürte nichts. Er wusste nur, dass er es hasste, so bevormundet zu werden, dass er sein eigenes Leben leben wollte, das seine Eltern ihm beraubten. Immer und immer wieder. Er musste los, zu seinen Gefährten. Und um das zu tun, gab es nur einen Weg. „Imperio.“ Schlagartig verschwand jegliche Sorge aus dem Gesicht seiner Mutter und die tiefe Erschöpfung kehrte zurück. Sie sollte sich schwach fühlen, sie sollte sich wieder an die Schmerzen des Cruciatus erinnern, sie sollte glauben, dass der Todesserangriff sie auseinander getrieben hatte. Sie sollte sich keine Sorgen mehr um ihren Sohn machen. „Geh schlafen“, flüsterte Barty, „und vergiss was passiert ist. Morgen ist alles ganz normal. Nichts ist in dieser Nacht geschehen.“ Seine Mutter sah ihn mit leerem Blick an und nickte schließlich willenlos. Noch nie war es Barty so leicht gefallen, jemandem seinen Willen aufzuzwingen. Die Macht des Imperius' war berauschend. Er musste grinsen, als er sah, wie seine Mutter umkehrte und ihn seines Weges ziehen ließ. Er lachte bei dem Gedanken, wie einfach plötzlich alles war. Nachdem die Tür hinter seiner Mutter ins Schloss gefallen war, schwang Barty seinen Zauberstab, hüllte sich in die Uniform seiner Leute und setzte die silberne Maske vors Gesicht. Dann apparierte er. Kapitel 11: Die Schlacht ------------------------ Der Schein unzähliger Feuer erhellte die Nacht. Bunte Blitze zerrissen die Dunkelheit und den Schutz des Waldes. Um sich herum konnte Barty den Lärm des Kampfes hören. Schreie drangen an seine Ohren, Schmerzensschreie, Todesschreie, sie alle vermengten sich unter hastig ausgestoßenen Flüchen zu einem Aufschrei des Leids, das über das kleine Dorf hergefallen war. Hektisch sah sich Barty um. Er hatte beschlossen, zu der Stelle zurückzukehren, von der er mit seiner Mutter nach Hause appariert war. Es erschien ihm sicherer, von da aus vorzustoßen — schließlich wusste er nicht, wie die derzeitige Lage aussah. Bisher hatte er jedoch nichts Verdächtiges ausmachen können. Dann hörte er ein leises Stöhnen. Misstrauisch spähte er in das dichte Gehölz, bis ihm aufging, dass die Geräuschquelle zu seinen Füßen lag. Langsam verzogen sich Bartys Lippen zu einem breiten Grinsen. Wenn das nicht der Todesser war, der seine Mutter angegriffen hatte… „Lumos“, murmelte er und betrachtete die dunkle Gestalt, auf dem Boden. Er hatte ganz vergessen, dass sich unter seinen Flüchen auch eine Ganzkörperklammer befunden hatte. Einem Impuls folgend, ließ er den regungslosen Körper in die Luft schweben und beobachtete nachdenklich, wie die silberne Maske das grünliche Licht am Nachthimmel reflektierte. „Zeig deinen Arm“, befahl Barty kalt, wobei er seinen Unbeweglichkeitsfluch aufhob. Angestrengt tat der Todesser, wie ihm geheißen und entblößte die nackte Unterseite seines linken Arms. Barty schnaubte verächtlich und ließ seinen Mitstreiter unsanft zu Boden fallen. Er musste sich zusammenreißen. Er durfte seine Wut nicht an einem der ihren auslassen — selbst wenn es nur irgendein armseliger kleiner Zauberer war, der dem Dunklen Lord nie im Leben solch eine große Unterstützung sein würde, wie er es war. „Wo sind die anderen?“, fragte Barty stattdessen knapp. „I-im Dorf“, brachte der Todesser schmerzerfüllt hervor. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte sich Barty ab und machte sich auf den Weg zur Geräuschquelle. Seine Anspannung nahm zu, beraubte ihn fast seines Atems, wenn er an das dachte, was ihn erwartete. Würde heute der Moment gekommen sein, in dem die Verräter fielen? Seine Schritte beschleunigten sich, während er wachsam seine Umgebung beobachtete. Ob Lupin noch irgendwo hier war oder hatte er es geschafft, den beiden Todessern zu entkommen? Die Geräusche wurden lauter, die Schreie nahmen zu. Barty glaubte, das Knistern von lodernden Flammen zu hören. Und plötzlich zerriss ein grüner Blitz die Dunkelheit. Erschrocken sprang Barty zurück, den Zauberstab entschlossen auf die Gefahrenquelle gerichtet. Zwischen den Bäumen trat eine verhüllte Gestalt hervor, die die Arme spöttisch in der Luft erhoben hatte. Ein Blick auf das Muster der Maske verriet Barty, dass es sich um Rabastan Lestrange handelte, der ihm entgegenkam. „Dachte ich’s mir, dass du dir das hier nicht entgehen lässt“, meinte er und gesellte sich zu Barty. „Was machst du hier?“, zischte Barty, während er seinen Blick aufmerksam über das Geäst schweifen ließ. „Hab den ein oder anderen Muggel erledigt, der abhauen wollte. Nichts Dolles. Ich wollt nur mal schauen, wie du dich so schlägst.“ „Danke.“ Rabastan winkte ab und setzte sich in Bewegung. „Jetzt sind wir wirklich quitt.“ Gemeinsam liefen sie das restliche Stück zum Waldrand, wobei sie sorgfältig nach Feinden oder flüchtenden Muggeln Ausschau hielten. „Was ist mit dem Haus der Longbottoms?“, wollte Barty schließlich wissen. „Hat Bella mit ’nem ordentlichen Bombarda gesprengt. Das meiste Kampfgeschehen hat sich auf das Dorf verteilt. Zumindest scheinen die flüchtenden Blutsverräter entweder entkommen oder tot zu sein“, meinte Rabastan und starrte nachdenklich in die Richtung, in die Lily mit den anderen geflohen war. Dann zuckte er die Achseln. „Na ja, was soll’s. Hier scheint sich ja auch niemand mehr rumzutreiben, was?“ Barty schüttelte den Kopf, nachdem ein weiterer seiner Zauber keine Regung in der unmittelbaren Umgebung entdecken konnte. „Sieht nicht so aus“, fügte er hinzu und wandte sich wieder dem Geschehen in seinem Rücken zu. Er sah auf die brennenden Häuser, sah auf die Gestalten, die sich auf dem weiten Feld einen erbitterten Kampf lieferten. Immer wieder apparierten Feinde und Verbündete und machten es unmöglich abzuschätzen, um wie viele Kämpfende es sich tatsächlich handelte, doch soweit Barty erkennen konnte, waren sie deutlich in der Überzahl. Aus allen Ecken waren die muggelfeindlichen Zauberer und Opportunisten hervorgekrochen und hatten sich dem nächtlichen Spektakel angeschlossen, das Ruhm und Erfolg versprach. Barty holte noch einmal tief Luft, ein glückseliges Lächeln im Gesicht. „Bereit?“, fragte Rabastan an seiner Seite. Barty nickte. „Na, dann auf in die Action!“, rief Rabastan und war verschwunden. Ohne zu zögern, folgte Barty. Hitze war das Erste, das ihm entgegenschlug. Sengende Hitze von einem der lichterloh brennenden Gebäude. Vorsichtig sah er sich um und entdeckte zwei erbittert duellierende Zauberer. Eine Explosion zerriss krachend den Lärm des Kampfes und ein Feuerball schoss aus einem der Fenster. Zu seinen Füßen lagen Glasscherben und auf den Straßen befanden sich die verkohlten Überreste von Muggeln. Zumindest war Barty sich ziemlich sicher, dass es sich bei ihnen um Muggel handeln musste. Grünes Licht blitzte etwas weiter entfernt auf, woraufhin ein gellender Todesschrei über das prasselnde Feuer hinweg tönte. In dem Moment wurde Barty klar, dass er einen gewaltigen Fehler gemacht hatte. Er musste doch die anderen warnen! „Rabastan“, zischte Barty und folgte dem älteren Todesser eilig, der bereits abenteuerlustig in eine Gasse vorgedrungen war. „Warte kurz!“ „Was ist?“ „Hör mir zu, es ist wichtig!“, sagte er eindringlich und versuchte Rabastans Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. „Die Auroren, sie dürfen die Unverzeihlichen benutzen. Das wurde heute vom Ministerium erlassen. Und ich glaube, alle anderen auch. Wir müssen unsere Leute warnen.“ Rabastan stockte. Hinter der Maske glaubte Barty ein leises Lachen hören zu können. „Glaubst du wirklich, dass das ’ne Gefahr sein wird?“ „Ich weiß nicht, ich kann mir vorstellen, dass…“ „Mach dir mal nicht ins Hemd“, meinte Rabastan und widmete sich wieder dem Geschehen am Straßenende. „Pass auf, siehst du da vorne den Typen? Ich würde sagen, du von rechts, ich von links, ja?“ Barty gefiel das Ganze nicht sonderlich, doch nickte er. Was hatte er in dem Moment für eine Wahl? Es galt für seine Seite zu kämpfen! Auf Rabastans Zeichen hin apparierten sie erneut. Diesmal fand sich Barty hinter einem dieser blechernen, lauten Muggelgefährte wieder und duckte sich hastig, als der feindliche Zauberer zu ihm sah. Im Licht des Feuers glaubte Barty, Dädalus Diggel erkennen zu können, sicher war er sich jedoch nicht. Dann konnte er drei weitere Gestalten ausmachen, die sich etwas weiter von dem Zauberer entfernt zusammengedrängt hatten. Keiner von ihnen trug einen Umhang oder hielt gar einen Zauberstab in der Hand. Panisch und völlig verstört irrten ihre Blicke über das Ausmaß der Zerstörung, während sie mit einem Anflug von Hoffnung auf Diggel sahen. Wie süß, dachte Barty. In der Ferne konnte er Rabastan sehen, der hinter seiner Deckung hervor stürzte und zum Angriff ansetzte. Barty tat es ihm jedoch nicht gleich. Während Diggel damit beschäftigt war, Rabastans Flüchen auszuweichen, richtete Barty seinen Zauberstab auf die ältere Frau, die schützend von einem Mann im Arm gehalten wurde und ihrerseits ein jugendliches Mädchen festhielt. „Imperio“, flüsterte Barty und beobachtete vergnügt, wie sich die Frau auf einmal aus der schützenden Umarmung des Mannes befreite und wie hypnotisiert mitten auf die zwei duellierenden Zauberer zuhielt. Die beiden Muggel brüllten und kreischten und versuchten sie zurückzuhalten. Doch als der Mann die Frau erneut packen wollte, ging er schreiend zu Boden. Dort wand er sich unter den furchtbaren Qualen des Cruciatus-Fluchs, der von Sekunde zu Sekunde unerträglicher wurde. Bartys Ablenkung zeigte Wirkung. Diggel schien in die Enge getrieben und erlag dem hoffnungslosen Unterfangen, die Muggel nun vor Rabastans Angriffen zu schützen. Verzweifelt versuchte er die Muggelfrau aus dem Kreuzfeuer zu bringen, indem er selbst in eine denkbar ungünstige Sackgasse zurückwich, dicht gefolgt von Rabastan, der die Ausweglosigkeit seines Gegners merklich auskostete. Während Barty am Überlegen war, welchen Zeitpunkt er abpassen sollte, um sein Imperius-Opfer einen von Rabastans Flüchen abfangen zu lassen, hörte er auf einmal ein Zischen. In letzter Sekunde fuhr Barty herum und schaffte es, den Angriff mit einem Schild-Zauber abzuwehren. Überall um ihn herum apparierten Abgeordnete des Zaubererministeriums. An ihren Uniformen konnte Barty erkennen, dass es sich um Mitglieder der Magischen Strafpatrouille handelte ebenso wie Vergiss-Michs, die nun mit gezückten Zauberstäben auf ihn und Rabastan zielten. Er fluchte leise. „Keine Bewegung!“, sagte eine Stimme. „Lasst die Muggel in Ruhe.“ Auch das noch! Grimmig starrte Barty auf die sieben Gestalten und rechnete sich seine Chancen aus, heil dort rauszukommen. Sein Blick huschte unbemerkt zu Rabastan, der von Diggel abgelassen hatte. Wenn sie beide eine Ablenkung herbeizaubern konnten, sollten sie problemlos davon kommen. Rabastan schien den gleichen Gedanken zu haben, denn unvermittelt stieß er seinen Zauberstab vor und sprengte mit einem gewaltigen Bombarda einen Teil der Straße in die Luft. Betonbrocken regneten auf die Umstehenden herab und hüllten sie in eine dichte Staubwolke ein. Während sich Barty hustend zu schützen versuchte, spürte er auf einmal Rabastans Hand, die ihn fest am Arm packte. Dann waren sie appariert. „Das kam unerwartet“, sagte Rabastan. „Und ziemlich knapp“, fügte Barty hinzu, wobei er auf die dicke Staubwolke sah, die sich weiter entfernt mit der übrigen Rauchwolke vermengte. „Hätte nicht gedacht, dass das Ministerium so schnell mit Verstärkung ist.“ „Na ja, is ja auch ’n ziemlich ordentlicher Kampf hier. Die werden jetzt wahrscheinlich allerlei Vorkehrungen treffen, damit das auch ja nicht die Muggelwelt mitbekommt.“ Barty beobachtete, wie sich Rabastans Augen weiteten. Sadistisches Vergnügen funkelte in ihnen. „Diesen Schwachköpfen werden wir’s ordentlich geben.“ Plötzlich apparierte eine weitere Gestalt direkt neben ihnen. Hastig sprang Barty zurück und richtete seinen Zauberstab auf sie, bereit jederzeit zu töten. „Was steht ihr hier so dumm rum?“, hörte er die barsche Stimme Dolohows. Schnell senkte er wieder seinen Zauberstab. „Ich habe wichtige Informationen“, sagte Barty eilig. „Das Ministerium hat den Einsatz der Unverzeihlichen Flüche gegen uns erlaubt.“ „Ach?“ Ebenso wie Rabastan schien Dolohow das völlig unbeeindruckt zu lassen. „Dann wollen wir sehen, wie weit sie das bringt. Lestrange, du hältst mit Malfoy und Snape die Verstärkung auf. Crouch“, für einen Moment fürchtete Barty, wieder nach Hause geschickt zu werden, doch dann sagte Dolohow: „Mit mir. Sorg dafür, dass sich die Information rumspricht. Noch warn die meisten zu feige, die Flüche tatsächlich einzusetzen.“ Barty nickte aufgeregt. Das Blut rauschte ihm in den Ohren und er spürte, wie Angst und Euphorie gleichermaßen durch seine Adern schossen. Er war dabei. Ohne weitere Zeit zu verschwenden, setzten sich die drei in Bewegung. Dolohow brachte Barty zu einer offenen Wiese in der unmittelbaren Nähe des Dorfes. Im Schein des Feuers konnte er gut ein Dutzend Gestalten ausmachen, die sich erbittert duellierten. Sofort fiel Barty in den Kampf mit ein, wirbelte herum und verteilte Flüche, während er geschickt den übrigen Angriffen auswich. Hinter ihm hörte er einen der seinen mit einem Schmerzensschrei zu Boden gehen, doch war für Furcht kein Platz mehr. Seine Füße bewegten sich wie von selbst; zielsicher folgten sie dem lautlosen Takt des Gefechts, während sich alles andere in Bedeutungslosigkeit verlor. In einem flüchtigen Augenblick schaffte es Barty, Rookwood seine Informationen weiterzugeben, der wiederum selbst dafür sorgen wollte, dass sich die Neuigkeiten verbreiteten, dann war die Atempause wieder vorbei. Von allen Seiten stießen Gegner und Verbündete hinzu. Der Kampf um das Dorf war schon lange verloren und die großflächige Wiese der unmittelbaren Umgebung zum Schlachtfeld auserkoren. Barty konnte beobachten, wie sich die Todesser in der Überzahl befanden und wie der Widerstand trotz alledem keinen Zentimeter zurückwich. Geschickt suchte sich Barty einen Weg zwischen den Duellanten hindurch, tunlichst darauf bedacht, keinen verirrten Zauber abzufangen. Ein dumpfes Pochen pulsierte bereits in seiner linken Schulter, die irgendein Zauber erwischt hatte, und er war keineswegs erpicht darauf, sich weitere Verletzungen zuzuziehen oder gar sein Leben leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Nicht wenn er noch andere Möglichkeiten hatte, den feindlichen Reihen zu schaden. Etwas weiter entfernt konnte er die Potters entdecken, die sich in einem heftigen Kampf mit zwei Todessern befanden, deren Kampfstil sehr an die Lestranges erinnerte. Auf der anderen Seite des Schlachtfelds versuchte Moody zusammen mit den Longbottoms gleich mehrere Todesser in Schach zu halten, während sich um sie herum all die anderen Blutsverräter und Schlammblüter tummelten. „Wir versuchen sie einzukesseln“, hörte Barty auf einmal eine raue Stimme, die er Macnair zuordnete. Ihm folgte ein kleines Grüppchen von vier Todessern und Barty beschloss, sich ihnen anzuschließen. „Habt ihr’s bereits gehört?“, keuchte Barty, kaum dass sie einen Abschnitt etwas weiter außerhalb des Kampfes erreicht hatten. Dicker schwarzer Zaubernebel stieg empor und verbarg sie vor unerwünschten Blicken. „Was?“ „Die Unverzeihlichen werden gegen uns eingesetzt.“ „Hmpf“, schnaufte Macnair und spähte durch den verzauberten Nebel auf das Schlachtfeld. „Erklärt, warum ich zwei Leute verloren hab. Also“, damit wandte er sich an die übrigen Umstehenden. „Befehl von ganz oben, wir halten die Stellung, dass keiner versucht abzuhauen.“
Ein Nicken. Barty nutzte die Verschnaufpause, um zu überlegen, wie er weiter vorgehen konnte. Was noch geschehen würde. Wachsam blickte er sich um, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken. „Wir schwärmen gleich aus; auf den anderen Seiten befinden sich bereits einige unserer anderen Leute auf Position.“ „Verstanden“, ertönte es dumpf hinter einer Maske. „Hey du!“ Barty sah auf. „Geh schon mal vorwarnen. Nicht dass dieser schmutzige Haufen von Muggelfreunden auf die Idee kommt, Todesflüche gegen uns zu benutzen.“ „In Ordnung“, sagte Barty und apparierte zur nächsten Nebelwand, die aus dem knöchelhohen Gras stieg. Vorsichtshalber hob Barty die Hände in die Luft, um zu zeigen, dass er in friedlicher Absicht kam. Sein Dunkles Mal hätte er unter der ledernen Armschiene vorerst nicht zeigen können. Aber das brauchte er auch nicht. Sofort rief ihm die blasierte Stimme von Malfoy ein „Was gibt’s?“ entgegen. Erneut berichtete Barty von der potentiellen Gefahr, die ihnen durch den neuen Erlass des Ministeriums drohte. Das gleiche wollte er gerade bei der dritten Gruppe tun, als er plötzlich glaubte, eine Bewegung aus der Richtung des Dorfes zu sehen. Angestrengt spähte er in die Schatten, die sich gegen die ersterbenden Flammen abhoben. Mehrere Umrisse schienen sich langsam und träge aus dem Dorf heraus zu bewegen und direkt auf das Gefecht zuzuhalten. „Was geht da vor?“, fragte er unwillkürlich und erntete kurz darauf die Antwort von Rodolphus: „Der Dunkle Lord schlägt zum Angriff.“ Ehrfürchtig stand Barty neben dem großen Lestrange und beobachtete, wie die Kämpfenden teilweise innehielten, wie der kleine Pulk aus unkoordiniert stolpernden Körpern auf die Duellanten zusetzte. Bartys Augen weiteten sich bei der Erkenntnis, um was es sich bei ihnen handelte. „Inferi“, stieß er leise hervor. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken bei dem bloßen Gedanken an die schwarze Magie, die am Werk sein musste, um so etwas zu vollbringen. Ähnlich erging es auch den Widerständlern, denn allmählich wichen sie zurück. Ihre Zauber schienen wirkungslos gegen die toten Leiber der kürzlich Verstorbenen. Zur gleichen Zeit machte sich Rodolphus kampfbereit. „Wenn die Feinde kommen, haltet sie zurück und lasst sie auf keinen Fall apparieren“, wies er die vier Todesser unter seinem Kommando an. Ein entschlossenes Nicken ging durch die kleine Reihe. Dann spürte Barty, wie sich eine große Hand auf seine Schulter legte. „Du bleibst hier“, bestimmte Rodolphus. „Für das, was jetzt kommt, können wir niemand Herumstreunendes gebrauchen.“ „Verstanden.“ Neugierig glitt Bartys Blick wieder zu dem Schlachtfeld, das sich vor ihm auftat. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich die meisten Todesser zurückgezogen hatten und die Mehrheit der Widerständler mit dem Kampf gegen die Untoten beschäftigt war. Er wartete. Beobachtete die Reihe der verkohlten Inferi näherrücken. In quälender Langsamkeit stießen sie vor. Flüche zischten durch die aufgewühlte Nacht. Das Feuer im Dorf war wieder zurückgegangen und beschwor mehr Schatten als Licht. Plötzlich loderte eine Flammenwand aus der Mitte des Feindes auf und wälzte auf die Inferi zu. Unwillkürlich kniff Barty bei dem gleißenden Licht des Feuers die Augen zusammen. Bunte Flecken wimmelten auf seinem Blickfeld, während er angestrengt zu erfassen versuchte, was geschehen war. Doch eigentlich brauchte er das nicht. Er spürte die Anspannung in der Luft. Sie legte sich auf alle Anwesenden, nahm ihnen den Atem, erdrückte sie. Der eigentliche Teil der Schlacht hatte begonnen. Eine gewaltige Wassermasse gebot dem Feuer schließlich Einhalt. Blitze zuckten durch die Nachtluft, Zauber prallten aufeinander von solcher Macht, dass sie die Umstehenden ehrfürchtig erstarren ließen. Eine Gestalt in schwarzen Roben war aus den Reihen der Inferi hervorgetreten. Sie schien nicht nur mit den nächtlichen Schatten zu verschmelzen, sondern sie geradezu aufzusaugen. Ihr hatte sich eine kleine Reihe törichter Hexen und Zauberer entgegengestellt. In ihrer Mitte stand die hochgewachsene Gestalt Albus Dumbledores, den Zauberstab hoch erhoben, während sich über ihr eine große, helle Kugel sammelte. Es war eine Atempause, die Ruhe vor dem Sturm. Niemand sagte etwas oder rührte sich gar. Alle Blicke waren auf die beiden Zauberer geheftet, die sich gegenüberstanden. Die wahrscheinlich mächtigsten Zauberer von ganz England. Dann lachte Lord Voldemort ein höhnisches Lachen, das in der plötzlichen Stille laut über die Felder hallte. „Ich gebe euch eine letzte Chance“, wisperte seine Stimme in den Köpfen der Anwesenden. „Ergebt euch. Ihr sollt für eure Untreue bestraft werden, doch will ich Gnade denen walten lassen, die Einsicht zeigen.“ Für einen flüchtigen Augenblick herrschte Schweigen. Für einen flüchtigen Augenblick keimte die Hoffnung auf, diesem unsinnigen, zerstörerischen Treiben den Rücken kehren zu können, zurückzukehren zu Freunden und Familie. Doch es war eine Illusion, die von einem lauten „Niemals!“ zerbrochen wurde. Barty wusste nicht, wer geschrieen hatte. Es mochte Potter gewesen sein, vielleicht war es aber auch Black oder einer der anderen Verräter. Er wusste nur, wie er beim Klang dieses Wortes, seinen Zauberstab automatisch fester umschloss, es den anderen nachtat und ihn gen Himmel reckte. Ein grüner Blitz schoss hervor; immer mehr und mehr dieser Blitze wanden sich aus den Stäben der umstehenden Todesser in den Himmel, wo sie krachend gegeneinander trafen und auf den Feind niederregneten. Schreie erklangen. Schwarze Nebelwolken waren mit einem Mal zu sehen, als die Widerständler zu apparieren begannen. „Jetzt!“, brüllte Rodolphus. Ein Schild erschien über ihren Köpfen, bildete eine Kuppel um sie herum und schloss sie mit dem Feind ein. Irgendwo schrie jemand schmerzerfüllt auf. Als Barty genauer hinsah, erkannte er eine Gestalt, deren Glieder merkwürdig weit voneinander entfernt lagen. Bei der Erkenntnis, dass es sich um jemand Gesplintertes handeln musste, spürte er einen leichten Brechreiz, doch bekam er den schnell wieder unter Kontrolle. Es gab anderes, das seiner Aufmerksamkeit bedurfte. Der Kampf hatte eingesetzt. Dieses Mal wütete er heftiger und stärker denn je über das Schlachtfeld. Um die Ordensmitglieder herum hatte sich ein Kreis von Todessern gebildet, der sich langsam enger zog, während eine Vielzahl an Flüchen auf die Widerständler prasselte. Irgendetwas kam Barty jedoch merkwürdig vor. Die Gruppe, die sich ihnen erbittert zur Wehr setzte, schien kleiner zu sein… „Umdrehen!“, hörte er da eine Stimme über den Lärm hinweg. Automatisch folgte Barty dem Befehl und erkannte, dass sich eine Gruppe von Auroren und Mitgliedern der Magischen Strafpatrouille hinter ihnen befand. „Mist“, fluchte Barty hinter seiner Maske und wich in letzter Sekunde einem Fluch aus. Etwas weiter zu seiner rechten Seite ging ein Todesser schreiend in die Knie und stieß markerschütternde Laute aus, die sich in dem Tosen der Schlacht verloren. Jetzt wurde es ernst. Und es gab keinerlei Möglichkeit der Deckung! Konzentriert parierte Barty weitere Angriffe immer auf der Suche nach einem Schlupfloch. In seinem Rücken konnte er das gewaltige Donnern hören, als zwei Zauber aufeinandertrafen. Blaugrünes Licht erhellte für einen Augenblick das Feld, dann verloren sich die Kämpfenden wieder in dem düsteren Zwielicht dieser Nacht. Erst da fiel Barty auf, dass Rodolphus verschwunden war. Angestrengt spähte er in das Getümmel und versuchte in all der Hektik die große Gestalt des Schwarzmagiers ausmachen zu können. „Hier ist das Geschehen!“, rief plötzlich jemand hinter ihm. In letzter Sekunde konnte sich Barty vor dem Schockzauber schützen und schaffte es dafür, seinen Gegner mit einem gezielten Todesfluch außer Gefecht zu setzen. Er rannte weiter, weg von den Feinden in seinem Rücken und tiefer in den Kern der Schlacht. Um ihn herum stürzten Feinde und Verbündete zu Boden, manche leblos manche unter peinvollen Qualen. Barty sah den lilanen Flammenstrahl Dolohows durch die Luft peitschen und gleich mehrere Widerständler zu Fall bringen, bevor er sich einem anderen Auror widmete, der seinen Freunden zu Hilfe hatte kommen wollen. Barty musste lachen bei dem berauschenden Triumphgefühl, das ihn überkam. Sie würden gewinnen! Für einen Moment wagte er es zu seinem Herr und Meister zu sehen. Die Macht, mit der sich sein Dunkler Lord gegen Dumbledore widersetzte, raubte ihm den Atem. Er konnte sehen, wie sich die Longbottoms und Potters zu beiden Seiten von Hogwarts’ Schulleiter positioniert hatten, dessen Rücken deckten und ebenfalls klägliche Angriffsversuche gegen Lord Voldemort machten. Sie waren jedoch nichts im Vergleich zu der Kraft, der sie sich entgegenstellten. Dann fiel Barty eine zweite Gestalt auf, die sich an der Seite des Dunklen Lords befand. Stolz erhoben stand sie da und wich keinen Millimeter zurück. Ein paar Strähnen schwarzer Locken waren unter der Kapuze hervorgequollen und tanzten im Wind, während Bellatrix Lestrange unermüdlich die Stellung hielt. Bartys Herzschlag beschleunigte sich bei diesem Anblick. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Das Schlachtfeld schien seltsam fern, als er sich wieder dem Geschehen um sicher herum widmete. Eine junge Hexe tauchte vor ihm und schwang den Zauberstab in seine Richtung. In einer geübten Handbewegung parierte Barty den Angriff und nahm grinsend den Kampf mit der Hexe auf. Er glaubte sie zu kennen. Es war ein vertrautes Gesicht, das ihm irgendwann auf den Gängen von Hogwarts begegnet war zu einer Zeit, in der alles anders gewesen war. Doch solche Sentimentalitäten hatten auf dem Schlachtfeld keinen Platz. Siegesgewiss hob Barty den Zauberstab, auf den Lippen bereits die Formel des Todesfluchs, als ein Schockzauber ihn zurückriss. Taumelnd schaffte er es, Halt zu gewinnen, bevor er zu Boden stürzen konnte. Dennoch kochte in ihm heißer Zorn über dieses Missgeschick auf. Blind vor Wut wirbelte Barty herum und feuerte einen Entwaffnungszauber in die Richtung seiner Gegnerin, während er zur Seite stolperte, um eventuellen Angriffen auszuweichen. „Hab ich dich“, murmelte er schließlich. Er würde an einem solch glorreichen Tag nicht fallen. Nein, er würde treu sein und als Sieger aus dieser Schlacht hervorkehren! Ein Ganzkörperklammerfluch verdammte seine Kontrahentin zur Bewegungslosigkeit. Sein Opfer, das ihm trotzig entgegenblickte. Plötzlich schrie Barty auf. Eine rote Welle des Schmerzes brach über ihn herein und beraubte ihn all seiner Sinne. Er merkte gar nicht mehr, wie er sich bereits in dem feuchten Gras wälzte und die Pein zu ertragen versuchte. Der Zauberstab entglitt seinen Fingern; er konnte nur froh sein, dass die Maske fast seinen gesamten Schädel umschloss, sonst hätte sie sich gelöst und … Barty holte rasselnd Luft. Ein zerfurchtes Gesicht ragte in den Schatten über ihm auf. „Immer wachsam“, donnerte es voller Abscheu. Moody holte ein weiteres Mal aus. Barty tastete hektisch nach seinem Zauberstab, doch alles, was seine Finger fanden, war feuchte Erde und Gras. Im letzten Moment warf er sich zur Seite, während neben ihm der Fluch gegen ein Schild prallte. Ohne nachzudenken, sah Barty auf den Boden, fand seinen Zauberstab, griff danach, rappelte sich auf und beschwor einen Protego. Rodolphus stand neben ihm und hatte das Duell mit Moody aufgenommen. Zuerst wollte Barty seinem Instinkt folgen und fliehen, doch beim Anblick des Aurors wallte eine Woge des Zorns in ihm auf. Er würde heute nicht besiegt werden. Er würde siegen! Sein Körper handelte ganz von selbst, zeichnete komplexe Bewegungen in die Luft und wich weiteren Angriffen aus. Ehe Barty es sich versah, befand er sich inmitten eines Pulks aus Auroren und Todessern. Er hatte kaum eine Chance. Schlimmer noch: Erschöpfung begann allmählich in seine Glieder zu kriechen und verlangte ihren Tribut. Seine Arme fühlten sich von Minute zu Minute schwerer an und seine Bewegungen verloren an Leichtigkeit. Wenn er eine Verschnaufpause haben würde, konnte er an seinen Stärkungstrank kommen! Aber die gab es nicht. Lupin war vor ihm aufgetaucht und lieferte ihm ein erbittertes Duell. Auch ihm war die Erschöpfung anzusehen. Sein Haar war vom Schweiß völlig durchnässt und klebte ihm an der Stirn. Wild entschlossen versuchte er seinen Freunden beizustehen, wehrte Bartys Zauber ab und wich dessen Flüchen aus. Währenddessen wurde es um sie herum dunkler. Die Temperatur schien tiefer und tiefer zu sinken und ließ den Atem der Kämpfenden in weißen Wolken kondensieren. Barty schauderte unwillkürlich und hielt wachsam inne. Nicht nur ihm war der merkwürdige Umschwung aufgefallen. Überall auf dem Schlachtfeld verloren die Kämpfe an Härte und wurden langsamer, als hätte sich ein Impediementa-Zauber auf alle Anwesenden gelegt. Nachdem sich Barty versichert hatte, für ein paar Sekunden vor Angriffen geschützt zu sein, wagte er einen Blick in den Nachthimmel hinauf und erkannte voller Unbehagen die verhüllten Umrisse der Dementoren. Ihm wurde schlecht. Er verabscheute diese Viecher — da half auch der Gedanke wenig, dass sie sich auf seiner Seite befanden. Einen kurzen Augenblick verharrten die Kreaturen unheilvoll über dem Schlachtfeld, dann stürzten sie sich auf ihre Opfer herab. Die ersten begannen zu schreien; wimmernd und jammernd krümmten sich andere unter dem Einfluss zusammen, während sie all ihrer glücklichen Erinnerungen beraubt wurden. Barty konnte beobachten, wie in seiner unmittelbaren Nähe ein Vergiss-Mich ohnmächtig zusammenbrach und spürte einen Anflug Schadenfreude. Dieser währte jedoch nicht lange, denn da hatte der Widerstand bereits die ersten Patroni heraufbeschworen. Ein stattlicher Hirsch gefolgt von einer Hirschkuh galoppierte über das Schlachtfeld und ließ die Dementoren aufgebracht auseinander stoben. „Pf, Angeber!“, schnaubte es neben ihm dumpf. Barty wandte sich ab und erkannte Rabastan, der aus dem Schlachtgetümmel aufgetaucht war. Auch ihm war die Erschöpfung anzusehen. „Das wird ihnen auch nichts mehr nützen“, erwiderte Barty und deutete auf ein paar Dementoren, die erneut zum Angriff ansetzten und über eine ungeschützte Gruppe herfielen. „Sie verlieren an Leute, die sich auf den Patronus konzentrieren müssen.“ „Schätze, dann sollten wir ihnen den Rest geben, was?“ Barty nickte und folgte Rabastan durch das schwächer werdenden Kampfgeschehen. Überall lagen Verletzte und Tote. Die wenigen, die sich noch auf den Beinen halten konnte, schafften es kaum sich gegen die verbliebenen Todesser zur Wehr zu setzen, geschweige denn gegen die Dementoren anzukommen. Die Niederlage des Widerstands war eigentlich nur noch eine Frage der Zeit. Barty selbst wollte die verbliebene Zeit nutzen und sich im Hintergrund halten. Es hatte keinen Zweck, in seinem Verfassungszustand an vorderster Front zu kämpfen. In etwas weiter Ferne konnte er erkennen, wie der Dunkle Lord noch immer in einem erbitterten Kampf mit Dumbledore verwickelt war. Unermüdlich beschworen die beiden Zauberer Flüche, parierten sie, konterten den Angriff des anderen oder griffen an, ohne dabei auch nur einen Zentimeter Grund zu verlieren. Es war deutlich, dass die heutige Nacht vom Ausgang der Schlacht abhing, die die beiden Zauberer umtoste. Und der stand ausgesprochen gut für die Todesser. Mit plötzlicher Gewissheit sah Barty zu den wenigen Widerständlern, die noch immer tapfer die Stellung hielten. Sie würden sie vernichten! Just in diesem Moment gellte ein hohes Kreischen über das Schlachtfeld hinweg und zog die Aufmerksamkeit der Kämpfenden auf sich. „Was soll das denn jetzt?“, hörte Barty Rabastan, als ein Phönix einem flammenden Ball gleich vom Nachthimmel hinunter stieß und damit anfing enge Kreise um die Kämpfenden zu ziehen. Verwirrung machte sich breit, Flüche wurden auf den Vogel gefeuert, der ihnen geschickt auswich. Zu spät wurde den Todessern klar, dass es sich um eine Ablenkung handelte. Um sie herum hatten die Widerständler zu apparieren begonnen. Einer nach dem anderen löste sich in der kalten Nachtluft auf. Barty tat es den anderen Todessern gleich und versuchte etwas dagegen zu unternehmen, sie zu verhexen und verfluchen und gestand sich schließlich ein, dass es zwecklos war. Der Feind war geflohen. Etwas benommen blinzelte Barty. Sein Blick suchte die schwarz gekleidete Gestalt Lord Voldemorts, dessen Gegner feige den anderen Widerständlern gefolgt war. Noch immer dröhnte der Kampfeslärm in Bartys Ohren, obwohl sich eisige Stille über die Felder gelegt hatte. Einzig das leise Wimmern der Gefallenen durchbrach sie gelegentlich. Es dauerte, bis sich die Erkenntnis einen Weg in Bartys Gedanken gesucht hatte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, der schwere Stoff klebte ihm auf der verschwitzten Haut und sein Atem kam in erschöpften Stößen. Dumpf registrierte er die vielen Körper; die vielen reglosen und die wenigen, die sich noch regten. Über ihnen zogen die Dementoren bedächtig ihre Kreise, während sich einige an den Unglücklichen gütig taten, die nicht mehr hatten fliehen können. Mit einer Spur Unglauben spähte Barty zu den noch stehenden Todesser, die schweigend aus den Schatten zu wachsen schienen und folgte ihren Blicken zu der erhabenen Gestalt des Dunklen Lords. Dieser sah auf. Die Arme hatte er im Genuss des Sieges ausgebreitet, während sich seine kalte Stimme über die Felder hinweg erhob: „Der Sieg für diese Nacht ist der unsere!“ Kapitel 12: Verblendung ----------------------- Barty verlor sich im Siegestaumel. Jubelrufe wurden laut und schwellten über das große Anwesen hinweg, das man für diese Nacht als Stützpunkt auserkoren hatte. Das dunkle Mal prangte grün und unheilschwanger am Himmel, während die ehemaligen Besitzer mehr tot als lebendig in der Luft schwebten und mit glasigem Blick auf die fröhliche Versammlung stierten. Hinter seiner Maske war es heiß. Das triumphierende Grinsen blieb ungesehen, doch blitzte das manische Funkeln seiner Augen unter ihr hervor und spiegelte sich in den Blicken so vieler Anwesenden wider. Berauscht von der Euphorie, die in der Luft lag, suchte sich Barty einen Weg durch die feiernde Menge, lachte und scherzte und glaubte sich trunken vor Glück. Neben ihm war Rabastan aufgetaucht. Er teilte das Lachen, die Scherze und das Leuchten in den Augen. Sie wussten, dass es eine lange Nacht werden würde, jeder Atemzug unvergesslich und jeder Augenblick von der unerschütterlichen Gewissheit erfüllt, dass ihr Sieg in greifbare Nähe rückte. „Diese Schwachköpfe haben keine Chance!“ „Bald kriegen sie endlich, was sie verdient haben.“ Die Stimmen wurden laut, begleitet von bekräftigenden Rufen der Zustimmung. Barty spürte, wie er nickte und begeistert die Faust in die Luft stieß. Sie schrieen ihren Triumph in die Nacht hinaus, erfüllt von einem unglaublichen Machtgefühl. Und inmitten dieses Festes weilte er, gewährte ihnen die Ehre seiner Anwesenheit. Barty konnte beobachten, wie Bellatrix es vermochte an seiner Seite zu sein. Mit aufrechtem Gang und doch einem Hauch von Demut und Ehrfurcht folgte sie ihm, sprach mit ihm, während der Dunkle Lord seine feiernden Diener betrachtete. Nicht weit entfernt entdeckte Barty die breitschultrige Gestalt von Rodolphus Lestrange. Auch er hielt sich in der Nähe seines Herrn auf und schien sich von Zeit zu Zeit sogar in Konversation mit diesem zu befinden. Bartys Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen, bei der Vorstellung, wie er an der Stelle der Lestranges stehen würde, wie er … Doch versuchte er diesen Gedanken schnell wieder zu verwerfen und nicht allzu aufdringlich in die Richtung seines Herr und Meisters zu starren. Stattdessen begab er sich in eine Konversation, die neben ihm gehalten wurde und lachte über Rabastans derbe Scherze. Es war einer der Momente, in denen er sich selbst fast vergessen und sich vom wilden Rausch der Feier hatte mitreißen lassen, als Bellatrix neben ihm stand. Ungefragt griff sie nach seinem Handgelenk und presste den Kopf gegen seine Kapuze. Durch den dicken Stoff hörte er ihre dunkle Stimme sagen: „Komm mit.“ Barty sah auf und folgte. Wehrte sich nicht gegen den Griff, mit dem sie ihn zielstrebig durch die Menge führte, sondern versuchte seine Atmung zu beruhigen. Das Blut rauschte ihm in den Ohren, während alles um ihn herum immer mehr die Gestalt eines Traumes anzunehmen schien. Er war ein Schlafwandler, dem die Kontrolle über seinen Körper entglitten war. Dann kamen sie zum Halt. Rodolphus stand in der Nähe, Barty glaubte unter den maskierten Anwesenden Rookwood, Dolohow und Malfoy erkennen zu können, sicher war er sich jedoch nicht. Und eigentlich spielte es auch keine Rolle. Denn vor ihm befand sich der Dunkle Lord, die katzenhaften Augen fest auf ihn gerichtet. „Leiste mir Gesellschaft“, sagte er und Barty spürte, wie seine Knie nachgaben und er ehrfürchtig den Kopf senkte. Eine flüchtige Handbewegung forderte ihn auf, sich wieder zu erheben. „Es ist viel passiert; ich hörte, du hast dich tapfer geschlagen“, erklang da wieder die Stimme des Dunklen Lords. Für Barty gab es in dem Moment niemand anderes mehr. Das Fest war verstummt, die Feiernden verloren sich im finsteren Farbenrausch, in dessen Mittelpunkt sich klar und deutlich der Dunkle Lord abhob. „Wie wäre es, wenn du mich ein Stück begleitest und mir von den Ereignissen dieses Abends berichtest?“ Die erhabenen Diener wichen zur Seite, Bartys Füße bewegten sich wie von selbst und plötzlich befand er sich fernab des Trubels an der Seite seines Herr und Meisters und erzählte mit vor Aufregung belegter Stimme, was er in Erfahrung hatte bringen können. Jedes Detail über die Potters beschrieb er in der Hoffnung, das es seinem Dunklen Lord von Nutzen sein würde. Er erzählte von den bruchstückhaften Strategien, die er mitbekommen hatte, ergänzte sie mit seinen eigenen Überlegungen und berichtete auch von der Aufhebung des Verbots der Unverzeihlichen Flüche. Sein Herr und Meister hörte ihm aufmerksam zu, unterbrach nur hier und da und bedachte ihn letztlich mit einem Blick, den Barty all die Jahre lang in den strengen Augen seines Vaters zu sehen gehofft hatte. Anerkennung. „Ich danke dir, Bartemius“, sagte er. Es waren diese Worte, die den Abend vervollkommneten. Ein breites, glückliches Grinsen brach hervor, als Barty sich verneigte und antwortete: „Es ist mir eine Ehre.“ Danach waren sie wieder zu den anderen zurückgekehrt. Barty gehörte nun der Respekt der Umstehenden. Er verlor sich in gewitzter Konversation und durfte Pläne mit anhören, die den meisten Anwesenden verwehrt blieben. Mit Voranschreiten der Nacht begann sich das Fest allmählich zu lösen. Der Dunkle Lord begab sich wieder fort und all die kleinen Fische krochen in ihre Löcher zurück. Ein fester Kern aus einem Dutzend Gestalten blieb jedoch zusammen und machte sich zum Anwesen der Lestranges auf, endlich befreit von den schweren Masken, die sie voreinander verbargen, um den letzten Rausch auszukosten. Ein prasselndes Feuer erhellte den prächtig eingerichteten Salon und tauchte die verbliebenen Todesser in flackernde Schatten. Hauselfen waren beflissen mit Speis und Trank herangetreten; auf einem runden Tisch leuchteten die Spirituosen im Licht des Kaminfeuers bunt auf und rundherum waren Sessel, Sofas und Stühle herangeschoben worden, auf denen es sich die Todesser bequem gemacht hatten. Ein ausgelassenes Gespräch erfüllte den Raum. Angetrunken saß Barty auf einer ledernen Couch neben Rabastan und lauschte den Worten, die von ihrem Triumph erzählten. Das raue Lachen von Dolohow gesellte sich zum leisen Knistern der Flammen. Mit blitzenden Augen beugte er sich in dem großen Sessel vor und nahm einen langen Schluck aus seiner Wodkaflasche. „Da haben die Scheißer im Ministerium bestimmt ’ne Menge zu tun“, grinste er. Barty wusste gar nicht so recht, worauf das die Antwort war, doch erfüllte sie ihn mit Schadenfreude. Er fiel in das Lachen ein und zog so die Aufmerksamkeit des älteren Todessers auf sich. „Was meinste, Crouch? Werden die ’ne gescheite Erklärung dafür finden?“ „Hmm, es könnte ’ne Gasleitung explodiert sein“, überlegte Barty. Triumph und Alkohol hatten sich einer schweren Decke gleich über ihn gelegt und ließen seine Gedanken träge werden. Dennoch war sein Tatendrang bei dieser Frage augenblicklich geweckt. „Ne Menge Überlebende, gibt’s ja nicht, die das bestätigen können.“ „Sieht so, als hätten wir den Vergiss-Michs ziemlich viele Überstunden gemacht“, lächelte Rookwood amüsiert. „Da bin ich froh, das meine Abteilung von sowas nicht betroffen ist.“ „Es ist wahrlich bedauerlich, dass wir diese Vergiss-Michs überhaupt brauchen. Heute Nacht war bloß ein weiterer Beweis dafür, wie schwach und hilflos diese … Kreaturen sind. Es wird Zeit, dass wir uns nicht mehr verstecken müssen und die Muggel erkennen, wer der Stärkere ist.“ Zustimmendes Murmeln folgte auf Malfoys Worte. „Bald wird das Werk des Dunklen Lords vollendet sein!“, hauchte Bellatrix mit geweiteten Augen und löste einen Schauer der Erregung in Barty aus. Der bloße Gedanke war köstlich. Sein Herz beschleunigte sich bei der Vorstellung, wenn er die Maske fallen lassen konnte und… „Davor müssen wir erst einmal das Zaubereiministerium in unserer Kontrolle haben“, warf Rodolphus nüchtern ein. „Rodolphus, ich bitte dich.“ Malfoys Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. „Die meisten Positionen haben wir doch schon längst auf unserer Seite und der Rest ist käuflich.“ „Die Auroren sind aber noch problematisch“, hörte Barty sich sagen. Frust lag in seiner Stimme und etwas Defensives, da er unwillkürlich für Rodolphus Partei ergriffen hatte. „Und Bagnold haben wir auch noch nicht in der Hand.“ „Hah!“ Mit spöttischem Lächeln sah Bellatrix zu Barty. „Der Dunkle Lord wird diese Blutsverräter bald zu Fall bringen. Oder zweifelst du etwa daran?“ „Natürlich nicht!“ Barty sprang auf und hätte dabei beinahe sein Glas Feuerwhisky umgeworfen. Mit flammendem Blick sah er zu den Umstehenden, während er heftiger als gewollt verkündete: „Diese erbärmlichen Widerstandsversuche werden wir dem Erdboden gleich machen. Sie haben keine Chance.“ Schweigen kehrte ein, in dem Barty auf wackligen Beinen wieder Platz nahm. Blut rauschte ihm in den Ohren und ein winziges bisschen Angst flackerte auf, dass man seinen Einwand als Untreue deutete. Aber da machte Dolohow auf sich aufmerksam. „Ganz recht“, meinte er mit einem grausamen Grinsen. „Ihr hättet diesen Prewett-Scheißer sehen sollen, wie der sich am Boden gewunden hat. Man hätte meinen können, der Hurensohn stirbt schon an ’nem Cruciatus. Schade dass wir ihn brauchten; ich hätte gerne mehr von seiner Brut plattgemacht.“ „Immerhin sind uns diese dummen Verräter dadurch direkt in die Arme gelaufen“, fügte Rabastan vergnügt hinzu und meinte dann an Barty gewandt: „Du hättest sehen sollen, wie erschrocken die alle waren, dass ihr treuer Freund sie verraten und eine falsche Richtung genannt hatte.“ Nun verstand Barty auch, warum ihm bei seiner Flucht auf einmal Todesser aufgelauert hatten. Aber er konnte sich nicht darüber ärgern, denn es war ein erster Triumph für sie in dieser Schlacht gewesen. „Und ihre Gesichter, als sie so tief in der Patsche saßen, dass einer von ihnen einen Unverzeihlichen herausgebracht hat…“, warf Evan Rosier ein. Rodolphus schnaubte. „Ich dachte die kleine Göre hätte ’nen Kitzelfluch benutzt.“ Wieder erfüllte Lachen den erhitzten Raum. „Ich glaube auch nicht, dass die ganzen kleinen Moralapostel die Unverzeihlichen für ihre Zwecke einsetzen werden“, durchdrang Bellatrix’ Stimme die Ausgelassenheit und sie verstellte sie voller Hohn, als sie hinzufügte: „Dafür sind sie doch viel zu gut!“ Spöttisches Gelächter folgte, in das Barty berauscht mit einfiel. Insgeheim fragte er sich, wie er diesen Erlass so ernst hatte nehmen können. Rabastan hatte recht gehabt. Das war nichts, worüber sie sich Sorgen machen mussten. Mit einem breiten Grinsen Barty legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Der trostlose Alltag, der ihm am nächsten Morgen bevorstehen würde, verlor sich in tiefster Bedeutungslosigkeit angesichts seines Erfolgs. Mit offenen Armen empfing er die Hybris der anderen und stürzte sich in sie hinein. In dieser Nacht hatten sie gesiegt. Sie hatten all den Verrätern ein Mahnmal des Schreckens gesetzt. Es sollte nur noch eine Frage der Zeit sein, dann würde nicht nur die Schlacht geschlagen, sondern der Krieg gewonnen sein. Epilog: -------- 1. November 1981 Das freudige Gelächter der ausgelassenen Feier umbrandete Barty und riss ihn mit fort. Wie benommen blickte er in die freudestrahlenden Gesichter, die sich überall um ihn herum befanden. Sie strahlten ihn an, nickten ihm entgegen. Verspotteten ihn. Brachten sein Blut zum Kochen. Er bemerkte kaum, wie er unwillkürlich die Flasche Butterbier fester umschloss, als er ein weiteres breites Lächeln zum besten geben musste. Es schmerzte in seinen Mundwinkeln und er war sich sicher, dass er sich jeden Augenblick verraten musste, wenn nicht endlich etwas geschah. Doch es geschah nichts. Die fröhliche Musik plärrte durch den Pub, das Geschwätz wollte nicht verstummen und die bittere Tatsache, dass der Dunkle Lord gefallen war, würde sich nicht als Lüge entpuppen. „Barty, warum stehst du hier so alleine rum?“ Frank Longbottom. Verwirrt sah Barty zu dem Auror und setzte automatisch das breite Grinsen auf, das er an diesem Tag schon viel zu viele Male hatte tragen müssen. „Ich weiß nicht“, meinte er nur und zuckte etwas linkisch die Schultern. Dann entschied er sich Frank zu folgen. „Ich bin so froh, dass es endlich vorbei ist“, hörte er eine Stimme dicht neben ihm. Seine Hand zuckte. Es war nicht vorbei. Als er aufsah erkannte Barty eine hellblonde junge Frau, die in einem kleinen Grüppchen mit den Longbottoms sowie Arthur Weasley stand. „Ich fürchte, so leicht ist das nicht“, seufzte Alice. „Ab sofort werden wir die Anhänger von Du-weißt-schon-wem ausfindig machen müssen. Noch können wir nicht abschätzen, wie sie auf den Sturz des Dunklen Lords reagieren werden.“ „Barty!“, rief die hellblonde Frau plötzlich und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Wie schön, dass du auch hier bist!“ Es brauchte einen Moment, bis Barty das Gesicht der Frau zuordnen konnte. Er war viel zu sehr in Gedanken verloren, als dass ihn irgendwelche alten Mitschüler interessiert hätten. Doch da stand sie: Pandora Alya Lovegood und freut sich darüber ihn wieder zu sehen. Ihn, den Abtrünnigen. Am liebsten hätte Barty freudlos aufgelacht. Stattdessen beließ er es bei einem zurückhaltenden Nicken und schenkte Alya ein leichtes Lächeln. Sein Blick irrte durch die Runde bereits auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Er sah so viele vertraute Gesichter. Und dann wurde ihm bewusst, wie viele tatsächlich fehlten. „Mein Beileid“, sagte er unvermittelt zu Weasley. Verwirrt sah Arthur Weasley ihn an. „Das mit Fabian und Gideon. Schreckliche Sache“, fügte Barty hinzu. Vergnügt beobachtete er, wie sich ein Schatten über die glücklichen Mienen der Anwesenden legte. „Immerhin sind sie nicht umsonst gestorben“, meinte Alice und plötzlich stellte sie ihr Butterbierglas ab. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass Lily und James…“ „Und habt ihr gehört, dass Sirius Black durchgedreht ist?“, mischte sich eine weitere Stimme ein. „Hat den armen Pettigrew und zwölf Muggel am helllichten Tag einfach in die Luft gejagt!“ „Dieser elende Verräter.“ „Ein Black bleibt nun mal ein Black.“ Barty fiel es schwer, den Stimmen weiter zu folgen. In seinem Kopf hämmerte einzig der Gedanke, dass sein Dunkler Lord fort war. Fort! Was kümmerte ihn da Sirius Black, der seine Familie aufs schlimmste verraten hatte? „Warum reden wir nicht über schönere Dinge? Heute sollte ein Tag zum Feiern sein.“ „Du hast recht, Reginald.“ „Also dann, ich würde sagen, wir sollten anstoßen“, meinte Frank und hob sein Glas. Barty beobachtete die vielen Hexen und Zauberer, die es ihm gleichtaten und hob seins ebenfalls. Sein Arm fühlte sich so schwer dabei an. „Auf Harry Potter“, erklärte Longbottom feierlich. „Der Junge-der-überlebt-hat.“ Mitte November 1981 Vor ihm erhob sich der vertraute Anblick des Lestrange-Anwesens aus der Dunkelheit. Wie ein Schlafwandler folgte Barty dem gewundenen Weg hinauf zur Eingangstür. Den kalten Nachtwind, der ihm ins Gesicht schnitt, spürte er nicht. Er spürte rein gar nichts. Alles in ihm fühlte sich taub an, noch immer unfähig das Undenkbare zu begreifen. Der Dunkle Lord war fort… Barty holte tief Luft und versuchte sich zu konzentrieren. Entschlossen heftete er den Blick auf die kunstvollen Schnitzereien der Tür, die ihm den Zutritt zur erhofften Erlösung verwehrte. Dann griff er nach dem silbernen Türklopfer und ließ ihn dreimal kräftig gegen das schwere Holz schlagen. Er konnte hören, wie das Geräusch laut im Hausinneren widerhallte und von den Bewohnern eigentlich vernommen werden musste. Doch würden sie tatsächlich reagieren? Bartys Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen. Seine Kehle begann sich zuzuschnüren und er glaubte, zu ersticken. Was wenn sie fort waren? Wenn er zurückgelassen worden war in einer Welt, in die er nicht gehörte? Er hatte nichts mehr von ihnen gehört. Sie konnten schon längst geflohen sein, sie konnten es anderen nachgetan haben und … doch den Gedanken wollte Barty nicht zu Ende denken. Niemals würden die Lestranges Verrat begehen. Niemals! „Bitte, bitte, bitte.“ Er bemerkte gar nicht, wie sich sein Flehen einen Weg über seine Lippen gesucht hatte und leise in einer kleinen Atemwolke in die dunkle Nacht aufstieg. Ihm antwortete einzig eisige Stille. Sein Körper begann wie von selbst auf und abzuwippen im Kampf gegen die Kälte, die ihn allmählich befiel. Er wollte nicht gehen, wollte nicht umkehren und sich eingestehen, dass vielleicht nichts mehr wie vorher sein konnte. Irgendjemand musste doch da sein! Verzweifelt legte Barty den Kopf in den Nacken und suchte nach Licht in einem der hohen Fenster. Alles, was er jedoch vorfand, war gähnende Dunkelheit. Plötzlich wurde die Haustür langsam aufgezogen und eine Hauselfe stecke den Kopf zwischen dem schmalen Spalt hervor. „Wer da?“, piepste sie. „Bartemius Crouch Junior.“ Bartys Stimme klang hohl. Zu spät wurde ihm klar, dass er in eine Falle laufen und sich verraten konnte. Wenn man bereits von der Aktivität der Lestranges bei den Todessern wusste und ihn nun dort fand… Aber was spielte das eigentlich noch für eine Rolle? „Bitte kommt herein, Sir.“ In einem Anflug von Unwirklichkeit schlüpfte Barty durch den Türspalt und hörte, wie die Tür hinter ihm mit einem lauten Geräusch ins Schloss fiel. Vorsichtig sah er sich in dem großen, einladenden Foyer um, spähte die gewundene Treppe hinauf und ertappte sich bei dem brennenden Wunsch, dass ihm jeden Moment ein bekanntes Gesicht aus der Dunkelheit begegnen würde. „Hallo?“, sprach er leise in die erdrückende Stille hinein. Doch alles, was ihm antwortete, war die piepsige Stimme der Hauselfe: „Der Herr möge bitte in den Salon kommen. Er wird dort bereits erwartet.“ Es waren so einfache Worte und dennoch entfachten sie Hoffnung in Barty. Eilig folgte er einem dunklen Flur, an dessen Ende sich eine offen stehende Tür befand, durch die er bereits unzählige Male in den Salon gegangen war. Nichts erinnerte jedoch mehr an die ausgelassenen Gespräche und Nächte, die Barty dort verbracht hatte. Das Kaminfeuer war fast heruntergebrannt und sein schwächliches Licht warf tiefe Schatten an die Wände. Auf dem Sofa erkannte Barty eine einsame Gestalt, die gedankenverloren auf ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit starrte. „Rabastan?“ Unsicher wagte Barty einen Schritt tiefer in den Raum hinein. Er spürte, das etwas nicht stimmte. Der Angesprochene hob langsam den Blick von seinem Getränk. „Barty? Verdammt was machst du hier?“ Verwirrt wich Barty zurück. Tief in sich drin fühlte er seinen letzten Funken Hoffnung ersticken. „Ich musste weg“, erklärte er. Seine Gedanken begannen mit einem Mal zu rasen. „Ich … ich konnte keinen Tag länger bei diesem Dreckspack aushalten. Überall reden sie davon.“ Seine Stimme begann zu zittern. Hastig holte Barty Luft und sah abwartend zu Rabastan. Dieser schwieg. Er hatte sich im Polster zurückgelehnt und den Kopf in den Nacken gelegt. „Tja, sieht ganz so aus, als wär’s das.“ „Sag das nicht“, schoss es reflexartig aus Barty hervor. Seine Hände hatten sich unwillkürlich zu Fäusten geballt. „Was?“ „Du weißt, was ich meine!“ Alles verkrampfte sich in Barty, als er beobachtete, wie Rabastan mit einem leisen, verächtlichen Lachen sein Glas Feuerwhisky leerte und es nachlässig in eine Ecke warf. Ihm schwindelte. Seine Gedanken verloren sich. Alles in ihm schrie, dass es das nicht sein konnte. Rabastan hatte sich ihm nun gänzlich zugewandt, die dünnen Lippen umspielte ein zynisches Lächeln. „Warum sollte ich’s nicht sagen, hm?“, fragte er. „Ändert doch eh nichts mehr dran. Die ganzen Wichser dort draußen bestätigen’s doch nur.“ Barty hielt unwillkürlich die Luft an. Sein Blick bohrte sich in den von Rabastan mit dem stummen Flehen, dass er still sein möge. Doch Rabastan dachte nicht daran zu schweigen. Seine Stimme bekam etwas Abfälliges, als er sagte: „Wir sollten’s einfach einsehen. Der Dunkle Lord ist fort.“ Nein. Barty glaubte den Halt zu verlieren. Er machte einen Ausfallschritt, wie um sich zu fangen. Rabastan konnte das nicht sagen. Er konnte das nicht gesagt haben! Barty war hierher gekommen, weil er weg von dieser elenden Aussage wollte. Er war nicht hier, damit man es ihm wieder und wieder sagen konnte. Immer wieder. Das Unmögliche. „Ich meine, sieh’s ein. Diesen ganzen Scheiß hätte der Dunkle Lord doch nie zugelassen.“ Barty wollte das nicht hören. „Ernsthaft mal, guck dir doch nur diese kriecherischen Verräter an, die jetzt alle zu deinem Vater kommen. Er ist fort, okay? Der Dunkle Lord hat gegen dieses Potter-Blag verloren.“ „Halt die Klappe!“ Barty zitterte. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er wusste nur, dass er das nicht hören wollte, dass er Rabastan so nicht sehen wollte, dass das alles nicht sein durfte. „Das ist nicht wahr. Das sind verdammte Lügen!“ „Ja, sicher…“ „Und ob es die sind!“ Etwas krachte. Feinstes Porzellan zerschellte klirrend auf dem steinernen Boden. Bartys Fuß schmerzte. Brennende Wut pulsierte durch seine Adern und beraubte ihn jeglichen klaren Gedankens. „Du Verräter“, schrie er. „Wie kannst du so etwas sagen? Der Dunkle Lord wird nicht einfach von so einem mickerigen kleinen Kind vernichtet worden sein!“ „Hast du die Nachrichten nicht gelesen?“ Schwankend erhob sich Rabastan von dem Sofa. „Hast du nicht mitbekommen, wie die feinen Arschlöcher die letzten Tage feiern? Wie blöd kann man eigentlich sein?“ Das reichte. Barty gab seinem Impuls nach und schlug zu. „Halt die Klappe“, rief er erneut und spürte, wie ihn seinerseits ein Schlag traf. Der Schmerz, der dabei in seinem Kiefer explodierte, war so unglaublich willkommen. Er durchdrang all die Taubheit, die Barty in den letzten Tagen befallen hatte und verhalf ihm wieder zu dem trügerischen Gefühl von Lebendigkeit zurück. Dennoch merkte Barty, wie er die Kontrolle verlor, wie er sich verlor. Wie er nicht einsehen wollte, was geschah, wie er seine Unfähigkeit, nichts dagegen unternehmen zu können, hasste, wie er das alles nicht mehr ertragen konnte. Wie er einfach zuschlug, wieder und wieder. Zwei große Hände hatten ihn plötzlich beim Kragen gepackt und drückten ihn gegen die Wand. „Bist du noch ganz bei Sinnen?“ War er das? „Lass mich los!“, brüllte Barty und wehrte sich gegen den Griff. Doch er hatte keine Chance. Blindlings schlug er auf die große Gestalt ein, bis er merkte, was er tat. Jegliche Wut entfloh seinen Gliedern und ließ ein unbändiges Gefühl der Schwäche zurück. Beinahe fassungslos starrte Barty Rodolphus an, dann sackte er einfach in sich zusammen. Rodolphus hatte ihn wieder losgelassen und so fiel er unsanft zu Boden, doch das war Barty egal. Das Blut, was ihm noch immer aus der Nase floss, war ihm egal, die schmerzenden Knöchel, die Tränen. „Das kann nicht wahr sein“, schluchzte er und vergrub den Kopf in den Händen. All der aufgestaute Frust, die Angst, die Wut flossen aus ihm heraus. So saß er da ein Häuflein Elend zu den Füßen von Rodolphus Lestrange, der schweigend auf ihn herabsah. Etwas Weiches traf Barty schließlich am Kopf und brachte ihn wieder dazu aufzusehen. Ein großes weißes Stofftuch lag auf seinen Knien, die er an den Körper gezogen hatte. „Mach dich sauber“, meinte Rabastan. Er hatte seinerseits ein Tuch gegen seine aufgeplatzte Lippe gedrückt. Doch zu Bartys Erstaunen konnte er wieder das vertraute Funkeln in den grünen Augen finden. „Wird Zeit, dass wir was gegen diesen erbärmlichen Zustand hier tun, oder Brüderchen?“ Rodolphus schenkte Rabastan einen genervten Blick, nickte jedoch müde. „So ein Verhalten bringt uns nicht weiter“, sagte er. „Wenn der Dunkle Lord noch am Leben ist und das wird er sein, dann haben wir die besten Chancen, ihn zu finden, indem wir die Nerven behalten.“ Etwas beschämt senkte Barty den Kopf und rappelte sich langsam wieder auf. Vorsichtig strich er sich über die zerknitterte Robe und tat eigentlich alles, um Blickkontakt zu meiden. Dabei fiel ihm auf, dass sich irgendjemand bereits um den kaputten Sofatisch gekümmert und ihn repariert hatte. „Was jetzt?“, fragte er leise. „Wir machen weiter“, erklärte Rodolphus. „Wir haben auch gar keine andere Wahl, oder? Wenn die Scheißer uns in Gewahrsam nehmen, müssen wir da wieder rauskommen. Wir werden uns nicht stellen, sondern wir werden da weitermachen, wo wir aufgehört haben.“ Langsam wagte Barty zu Rodolphus zu sehen. Seine Worte klangen so simpel. Doch tief in sich drin wusste er, dass sie das nicht waren und er konnte sehen, dass Rodolphus das ebenso klar war. Das erste Mal in seinem Leben konnte Barty erkennen, wie etwas von der Bestimmtheit, mit der der große Schwarzmagier durchs Leben zu gehen schien, verschwunden war. Dann bemerkte Barty jemand Viertes den Raum betreten. Bellatrix Lestrange. Sie war ein Schatten ihrer selbst. Ihre Augen waren zwei dunkle Abgründe, in denen Barty sich wiederfinden konnte. „Wir werden ihn finden“, hörte sich Barty unvermittelt sagen. Seine Stimme klang fremd, doch seine Worte waren klar. Da sah Bellatrix auf. Der Anflug des vertrauten Spotts huschte über ihr bleiches Gesicht, als sie die Hand ausstreckte und Barty durch das strohblonde Haar wuschelte. „Das werden wir“, hauchte sie gegen seine Ohrmuschel. Einen Moment lang wollte sich Barty in die Umarmung aus Verständnis fallen lassen. Er spürte, wie etwas wieder in seinen Platz fiel und seine Lebensgeister zum Erwachen brachte. „Das werden wir!“, sagte Bellatrix laut und hatte sich Rodolphus zugewandt. Einvernehmliches Verständnis war in ihren Gesichtsausdrücken zu erkennen und es war einer der seltenen Momente, in denen Barty sah, wie Rodolphus den Arm um die Hüfte seiner Frau schlang. Seine Miene war voll grimmiger Entschlossenheit. Rabastan nickte bloß zustimmend im Hintergrund. Alles, was ihnen nun fehlte, war ein Hinweis. Ende November 1981 - Anfang Dezember 1981 Angst wurde zu Bartys ständigem Begleiter. Es war keine Vorsicht mehr, mit der er sich durch den Alltag bewegte, darauf bedacht sich seine feindliche Gesinnung nicht anmerken zu lassen. Es war nackte Angst, die selbst vor dem lodernden Hass auf all die Verräter nicht mehr von ihm lassen wollte. Die ersten Todesser waren gefasst worden. Lucius Malfoy hatte die feinen Herren des Ministeriums überzeugt, ganz bedauerlich unter dem Imperius-Fluch gestanden zu haben. Und wie könnte das Ministerium auch einem seiner großzügigsten Geldgeber eine solche Aussage nicht glauben? Selbst Bartemius Crouch Senior, der am liebsten jeden einzelnen Verdächtigen in Askaban sehen würde, konnte dagegen nichts unternehmen. Wenige Tage später war auch Macnair begnadigt worden, wieder mit der Begründung unter dem Imperius-Fluch gestanden zu haben. In der stickigen Hitze, die aufgrund der vielen Zuschauer den sonst kalten Gerichtsraum Nummer zehn erfüllte, musste Barty verfolgen, wie Snape, dieser elende Verräter, nicht nur begnadigt wurde, sondern sein Leben fortan bequem als Schoßhündchen von Dumbledore verbringen sollte. Doch trotz der unbändigen Wut, die Barty beim Anblick dieser treulosen Dreckskerle überkam, wuchs die Angst. Die Angst, dass Namen fallen würden. Mittlerweile war sein Vater dazu übergangen, viele der Anhänger einfach nach Askaban zu werfen, ohne sich erst die Mühe zu machen, ihnen einen Prozess zu gewähren. Er war ein Vorbild für die Zauberergesellschaft, die sich nichts anderes wünschte, als dass alles endlich sein Ende finden und wieder seiner friedlichen Ordnung nachgehen würde. Namen wurden im Verborgenen genannt. Sie waren das kostbarste Gut, das den verbliebenen Todessern noch die Aussicht auf Freiheit verheißen konnte. Immer wieder ging Barty im Kopf die Namen derer durch, die von ihm wussten. Und jedes Mal schnürte die Angst ihm etwas mehr Luft ab. Es waren zu viele. Als plötzlich die Rede von Antonin Dolohow war, den man gefasst hatte und wegen der grausamen Ermordungen der Prewetts nach Askaban werfen würde, stand Bartys Welt für einen kurzen Moment Kopf. Mit schweißnassen Händen füllte er Anträge aus und wartete nur darauf, dass man in sein Büro stürmen und ihn fassen würde. Doch es kam niemand. Stattdessen lud man ihn zur Feier ein, denn ein weiterer Todesser war unschädlich gemacht worden: Evan Rosier. Die Nachricht grub sich schmerzhaft in Bartys Eingeweide. Er hatte den ehemaligen Vertrauensschüler von Slytherin gemocht. Nun dazu gezwungen zu sein, den Mörder eines Freundes zu feiern, stieß ihm säuerlich auf. Es wurde schwierig, Moody nicht mit hasserfüllten Blicken zu erdolchen, wenn er den selbstgefälligen Auror auf den Gängen der Strafabteilung sah. Stattdessen bemühte sich Barty darum, sich darüber zu freuen, dass Rosier das Gesicht des Aurors auf immer entstellt hatte und konzentrierte sich auf das klaffende Loch an dessen Nase. Allmählich begann sich die Angst wieder zu legen und machte der Verzweiflung Platz, die seit dem Sturz des Dunklen Lords nicht mehr von ihm gelassen hatte. So sehr Barty auch suchte, er konnte keinen Hinweis auf den Verbleib seines Herr und Meisters finden. Von den Lestranges wusste er, dass sie ebenso wenig Erfolg zu verzeichnen hatten. Dann war jedoch Igor Karkaroff geschnappt worden. Ihm war ein Prozess im Austausch von Namen gewährt worden. Barty machte sich keine große Sorgen, da er sich nicht vorstellen konnte, was Karkaroff noch zu sagen hatte. Viele Todesser waren mittlerweile gefasst oder hatten ein Alibi. Selbst den Lestranges hatte man nichts nachweisen können, weshalb sie schließlich ohne weiteres wieder ihres Weges ziehen konnten. Welche Gefahr sollte nun der Russe darstellen? Zumal Barty sich sicher war, dass Karkaroff nichts von ihm wissen konnte. Fast schon gelangweilt starrte er also auf den erbärmlichen Schwarzmagier, der auf einem Holzstuhl in der Mitte des Gerichtsaals saß und zu den Reihen aufsah, die sich vor ihm die Wände hinauf erhoben. Wie Barty es sich gedacht hatte, nannte er seinem Vater Namen, die sie alle schon längst kannten. Ein kleines Lächeln kroch hervor, das die Angst jedoch nicht ganz aus ihm vertreiben konnte. Vielleicht wusste er mehr… Was wenn jemand anderes geplaudert hatte? Nervös leckte sich Barty über die ausgetrockneten Lippen, protokollierte eilig die nächsten Sätze Karkaroffs und wäre beinahe mit der Feder ausgerutscht. Rookwood. Dieser Verräter hatte Augustus Rookwood genannt! Innerlich fluchend sah Barty zu seinem Vater und erkannte, wachsendes Interesse in den harten Gesichtszügen. Plötzlich schlug die Angst wieder wie eine gewaltige Flutwelle über ihm zusammen. Das durfte nicht wahr sein! Völlig aufgebracht hatte man den unscheinbaren Rookwood in den folgenden Tagen gefasst. Den sympathischen Rookwood, mit dem so viele so gut auskamen. Ein Todesser, den niemand für einen solchen gehalten hatte, war die ganze Zeit in ihren Reihen gewesen! Ein Todesser, der noch mehr Namen wusste… Dieses Mal war Barty schlecht, als er auf der unbequemen Holzbank direkt neben seinem Vater saß und auf den pockennarbigen Zauberer hinabsah, der trotz der Anschuldigung sein freundliches, gelassenes Wesen nicht verloren hatte. „Augustus Rookwood!“, donnerte die barsche Stimme Bartemius Crouch Seniors durch den Gerichtsraum Nummer zehn. „Sie sind der Todesserei bezichtigt worden. Eine solche Anschuldigung verlangt die Höchststrafe: Den Aufenthalt in Askaban.“ Rookwood schaffte es trotz des drohenden Urteils ein Lächeln aufzubringen. „Das ist richtig.“ „Sie haben ein Netzwerk aus gut platzierten Informanten gehabt, mit Hilfe dessen Sie Informationen für Du-weißt-schon-wen gesammelt haben.“ „Auch das ist richtig“, erwiderte Rookwood ungerührt. Barty kam nicht umhin, die Gelassenheit des älteren Zauberers zu bewundern. Doch wahrscheinlich war dies noch immer die beste Option in dieser ausweglosen Situation. Eilig schrieb er weiter, während er gegen das unkontrollierte Zittern in seinen Fingern ankämpfte. Er wusste, dass ein falsches Wort von Rookwood sein Schicksal besiegeln konnte. Es wäre ein Leichtes für den Todesser mit dem Finger auf ihn zu zeigen und sich die Freiheit zu erkaufen. „Ihnen sei die Möglichkeit gewährt, im Austausch für die Namen Ihrer Informanten die Strafe zu mindern.“ Die Worte ließen alles in Barty erstarren. Er glaubte kaum mehr Luft zu bekommen, als er mit klopfendem Herzen aufsah und zu Rookwood hinabblickte. Einen flüchtigen Moment trafen sich ihre Blicke und Barty glaubte, ein Zwinkern zu sehen. Dann hatte sich Rookwood an Crouch gewandt und hob bedauernd die Schultern. „Ich fürchte, das ist mir nicht möglich. Sie kennen die Namen schon und was wäre ich für jemand, der einfach so seine Informanten hintergeht?“ Eine Ader auf Crouchs Schläfe war drohend angeschwollen. „Sie sind eine Schande für die Zauberergesellschaft“, spie er. „Mögen Sie in Askaban bekommen, was Ihr Pack verdient.“ Das Urteil war gefällt und der Applaus groß, denn ein gemeingefährlicher Zauberer, der sich unter dem Deckmäntelchen des freundlichen Kollegen versteckt hatte, war unschädlich gemacht worden. Barty war froh um die Möglichkeit, bei den Lestranges Zuflucht zu suchen und mit ihnen über die erdrückende Entwicklung der Ereignisse reden zu können. Er hatte Rookwood gemocht. Und an diesem Abend hatte er ihn für seine Treue schätzen gelernt. Rookwood hatte sein Leben in der Hand gehabt und sich für Askaban entschieden, statt sein eigenes zu retten. Ob Barty das gleiche getan hätte? Ganz bestimmt! Er spürte des Brennen des Feuerwhiskys, der seine Kehle hinunterfloss, während er sich in seinen Gedanken verlor. Wenn sie ihn nun fanden, dann würde alles wieder gut werden. Nicht nur das. Sie würden belohnt werden. All die treuen Diener würden vom Dunklen Lord belohnt werden. Und die feigen Verräter würden ihre gerechte Strafe erhalten. Dieser Gedanke gab Barty ein seltsames Gefühl von Hoffnung, an das er sich klammerte. Wie ein Mantra sagte er es sich immer wieder und wieder. Er würde sie für ihre Treue belohnen. Er würde sie für ihre Treue belohnen. Und die ganzen dreckigen Verräter würden bestraft werden. Irgendwann hatte er sich die Worte so oft gesagt, dass sie Realität zu sein schienen. Sie waren zum Greifen nah. Es fehlte nur noch der letzte Schritt. „Hey Barty, hast du einen Moment?“ Es war wie ein Déjà-vu. Barty sah von seiner Schreibarbeit auf und blickte Franks lächelndem Gesicht entgegen. Er nickte. „Gut. Alice und ich, wir wollten dich einladen. Wir möchten eine Weihnachtsfeier machen, die hoffentlich ein besseres Ende als letztes Mal nimmt.“ Frank grinste und Barty sah sich gezwungen es zu erwidern. „Jedenfalls haben wir all unsere Freunde eingeladen. Deshalb hier“, er legte einen Briefumschlag auf Bartys Schreibtisch, „ich würde mich freuen, wenn du kommst. Deine Eltern sind auch eingeladen. Aber ich glaube, meine Mutter hat deiner schon geschrieben.“ Niemand sprach aus, dass die Feier anders sein würde. Kleiner. Sie würde sie an die Verluste erinnern. Plätze würden leer sein, an denen ein Jahr zuvor noch Schulfreunde gesessen hatten, gelacht hatten, das Haus mit Freude und Leben gefüllt hatten. „Danke“, sagte Barty nach längerem Schweigen und griff langsam nach dem Umschlag. Erst dann erwiderte er Franks Blick. „Ich denke, ich werden kommen.“ „Das freut mich!“ Irgendwie wirkte Frank erleichtert und — wie Barty feststellte — ehrlich erfreut. Plötzlich zog sich Frank einen Stuhl heran. „Weißt du, Barty, eigentlich sollte ich jetzt nicht so darüber reden, da alles auf dem Weg zum Guten ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich einfach so vorbei ist.“ Alles in Barty verkrampfte sich. Beinahe ruckartig blickte er wieder zu Frank. „Keine Sorge, ich glaube nicht, dass sofort wieder Krieg ausbrechen wird“, meinte Frank mit einem gekünstelten Lachen, der Bartys Reaktion falsch gedeutet hatte. „Aber mir kommt der Frieden sehr zerbrechlich vor. Moody ist der gleichen Meinung, aber … na ja Moody ist immer ein bisschen übervorsichtig, was?“ Frank Longbottom bemerkte den beinahe raubtierhaften Glanz, der bei seinen Worten in die Augen des jungen Manns getreten war, nicht. Leichthin versuchte er seinen Sorgen Luft zu machen und erlag dem Irrglauben, vor sich einen Jungen zu haben, der einfach nur etwas Gesellschaft brauchte. „Auf jeden Fall haben Alice und ich beschlossen die Augen offenzuhalten.“ „Das ist wahrscheinlich vernünftig“, brachte Barty heraus, in dem Versuch das Gespräch am Leben zu erhalten. „Glaubt ihr, ihr könnt … na ja also was ausrichten?“ Frank zuckte die Achseln und lehnte sich zurück. Sein Blick wanderte zur Decke, als würden dort all die Antworten auf seine Fragen stehen. „Wer weiß. Zumindest sind wir uns sicher, dass Du-weißt-schon-wer nicht einfach fort sein kann. Irgendwo dort draußen wird er sein und wenn wir es am wenigsten erwarten zurückschlagen.“ Schmerz durchzuckte Bartys Handflächen, so fest hatte er seine Hände zu Fäusten geballt. Sein Blick war starr auf Frank fixiert, während in seinem Kopf ein Wirbelsturm zu toben schien. Sein Mund war trocken, während sein Herz raste. Er wusste etwas! Er wusste etwas! Barty konnte und wollte sein Glück kaum fassen. Am liebsten hätte er vor Ort seinen Zauberstab gezückt und ihn auf diesen Blutsverräter gerichtet und jedes bisschen Informationen mit einem Cruciatus aus ihm herausgekitzelt. Aber das konnte er nicht. Noch nicht. „… dauert noch und bis dahin werden wir vorbereitet sein, da bin ich mir sicher.“ Eine Pause entstand. Frank hatte aufgehört zu reden und Barty bemerkte, wie er ihn erwartungsvoll ansah. „Barty?“ „Ähm ja. Doch. Das glaube ich auch“, brachte er mit heiserer Stimme heraus und bemühte sich den Verlegenen zu spielen, der nicht mitbekommen hatte, was sein Gegenüber gesagt hatte. „Aber wir schaffen das. Da bin ich mir sicher. Alles wird seine Ordnung haben.“ Ein Lächeln verzerrte seine Lippen. Der Gedanke verzückte ihn, dass Hoffnung da war. Unglaublich große Hoffnung. „Denken wir lieber nicht weiter drüber nach“, meinte Frank. Ein beunruhigendes Gefühl hatte ihn beschlichen, das er sich nicht ganz erklären konnte. „Denken wir lieber an die Feier. Also wie gesagt, deine Mutter müsste schon bescheid wissen, aber ansonsten wäre es lieb, wenn du ihr einfach noch einmal die Einladung ausrichtest, ja?“ Barty nickte und erinnerte sich daran, Frank ein freundliches, sympathisches Lächeln zu schenken. „Natürlich. Ich bin mir sicher, dass sich meine Mutter freuen wird.“ „Das ist schön. Also dann ich war eigentlich viel zu lange hier. Kingsley wollte noch was von mir, ich sollte ihn wirklich nicht so lange warten lassen. Ich würde sagen, man sieht sich, was?“ Mit diesen Worten rückte Frank den Stuhl unter lautem Scharren zurück. Dann verließ er mit einem lässigen Wink Bartys Bürozelle. Den Blick, mit dem Bartemius Crouch Junior ihn bedachte, bemerkte er nicht mehr. ~*~ Barty konnte sich nicht daran erinnern, wann er es zuletzt so eilig gehabt hatte, von seiner Arbeit wegzukommen. Es schien in einem anderen Leben gewesen zu sein. Völlig überstürzt rannte er die letzten Meter zum Lestrange Anwesen und hoffte, dass er sie alle dort antreffen würde. Er musste diese wundervollen Neuigkeiten verkünden. Er wollte keine Sekunde mehr länger warten. Die Hauselfe brauchte viel zu lange, um ihm zu öffnen. Beinahe stürzte Barty über sie, als sie sich nicht schnell genug zur Seite bewegte, damit er eintreten konnte. Ein manisches Glimmen war in seinen Augen. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, während er dem vertrauten Weg in das Wohnzimmer folgte, in dem Bellatrix ihn empfing. Sie war auf einer Chaiselongue drapiert. Ihre einstige Eleganz schien von der zunehmenden Hoffnungslosigkeit verschluckt zu werden, die die Räume dieses Hauses befallen hatte. Als sie aufsah und sich ihre Blicke trafen, erkannte sie, dass etwas von folgenschwerer Bedeutung geschehen war. Bartys Aufregung war ansteckend. Smaragdgrünes Licht erfüllte kurze Zeit später das düstere Wohnzimmer und aus dem Feuerplatz traten die Gebrüder Lestrange heraus. Der eine lässig und sorglos, der andere ruhig und ehrfurchtgebietend. Dennoch hatte die bittere Niederlage auch in ihren Gesichtern ihre Spuren hinterlassen. Etwas von der einstigen Selbstsicherheit war abgefallen. Einen Augenblick wartete Barty. Er spürte, wie drei Paar Augen abwartend auf ihm ruhten. Flüchtig erinnerte er sich an damals, als er vor Jahren das erste Mal dieses Zimmer betreten hatte, wie er sich nach der Anerkennung dessen Bewohner gesehnt hatte, wie er ein Teil hatte sein wollen. Und hier stand er nun. Er, Bartemius Crouch Junior, mit ganz und gar wundervollen Neuigkeiten. „Sie wissen es“, sagte er. Er verschwendete keine Zeit damit, die Spannung noch länger aufrecht zu erhalten. Er musste es sagen, musste es aussprechen, wollte diese Hoffnung versprechenden Worte auskosten. „Die Longbottoms wissen, wo der Dunkle Lord ist.“ ENDE (Zeiten des Schreckens) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)