Zeiten des Schreckens von SweeneyLestrange ================================================================================ Epilog: -------- 1. November 1981 Das freudige Gelächter der ausgelassenen Feier umbrandete Barty und riss ihn mit fort. Wie benommen blickte er in die freudestrahlenden Gesichter, die sich überall um ihn herum befanden. Sie strahlten ihn an, nickten ihm entgegen. Verspotteten ihn. Brachten sein Blut zum Kochen. Er bemerkte kaum, wie er unwillkürlich die Flasche Butterbier fester umschloss, als er ein weiteres breites Lächeln zum besten geben musste. Es schmerzte in seinen Mundwinkeln und er war sich sicher, dass er sich jeden Augenblick verraten musste, wenn nicht endlich etwas geschah. Doch es geschah nichts. Die fröhliche Musik plärrte durch den Pub, das Geschwätz wollte nicht verstummen und die bittere Tatsache, dass der Dunkle Lord gefallen war, würde sich nicht als Lüge entpuppen. „Barty, warum stehst du hier so alleine rum?“ Frank Longbottom. Verwirrt sah Barty zu dem Auror und setzte automatisch das breite Grinsen auf, das er an diesem Tag schon viel zu viele Male hatte tragen müssen. „Ich weiß nicht“, meinte er nur und zuckte etwas linkisch die Schultern. Dann entschied er sich Frank zu folgen. „Ich bin so froh, dass es endlich vorbei ist“, hörte er eine Stimme dicht neben ihm. Seine Hand zuckte. Es war nicht vorbei. Als er aufsah erkannte Barty eine hellblonde junge Frau, die in einem kleinen Grüppchen mit den Longbottoms sowie Arthur Weasley stand. „Ich fürchte, so leicht ist das nicht“, seufzte Alice. „Ab sofort werden wir die Anhänger von Du-weißt-schon-wem ausfindig machen müssen. Noch können wir nicht abschätzen, wie sie auf den Sturz des Dunklen Lords reagieren werden.“ „Barty!“, rief die hellblonde Frau plötzlich und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Wie schön, dass du auch hier bist!“ Es brauchte einen Moment, bis Barty das Gesicht der Frau zuordnen konnte. Er war viel zu sehr in Gedanken verloren, als dass ihn irgendwelche alten Mitschüler interessiert hätten. Doch da stand sie: Pandora Alya Lovegood und freut sich darüber ihn wieder zu sehen. Ihn, den Abtrünnigen. Am liebsten hätte Barty freudlos aufgelacht. Stattdessen beließ er es bei einem zurückhaltenden Nicken und schenkte Alya ein leichtes Lächeln. Sein Blick irrte durch die Runde bereits auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Er sah so viele vertraute Gesichter. Und dann wurde ihm bewusst, wie viele tatsächlich fehlten. „Mein Beileid“, sagte er unvermittelt zu Weasley. Verwirrt sah Arthur Weasley ihn an. „Das mit Fabian und Gideon. Schreckliche Sache“, fügte Barty hinzu. Vergnügt beobachtete er, wie sich ein Schatten über die glücklichen Mienen der Anwesenden legte. „Immerhin sind sie nicht umsonst gestorben“, meinte Alice und plötzlich stellte sie ihr Butterbierglas ab. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass Lily und James…“ „Und habt ihr gehört, dass Sirius Black durchgedreht ist?“, mischte sich eine weitere Stimme ein. „Hat den armen Pettigrew und zwölf Muggel am helllichten Tag einfach in die Luft gejagt!“ „Dieser elende Verräter.“ „Ein Black bleibt nun mal ein Black.“ Barty fiel es schwer, den Stimmen weiter zu folgen. In seinem Kopf hämmerte einzig der Gedanke, dass sein Dunkler Lord fort war. Fort! Was kümmerte ihn da Sirius Black, der seine Familie aufs schlimmste verraten hatte? „Warum reden wir nicht über schönere Dinge? Heute sollte ein Tag zum Feiern sein.“ „Du hast recht, Reginald.“ „Also dann, ich würde sagen, wir sollten anstoßen“, meinte Frank und hob sein Glas. Barty beobachtete die vielen Hexen und Zauberer, die es ihm gleichtaten und hob seins ebenfalls. Sein Arm fühlte sich so schwer dabei an. „Auf Harry Potter“, erklärte Longbottom feierlich. „Der Junge-der-überlebt-hat.“ Mitte November 1981 Vor ihm erhob sich der vertraute Anblick des Lestrange-Anwesens aus der Dunkelheit. Wie ein Schlafwandler folgte Barty dem gewundenen Weg hinauf zur Eingangstür. Den kalten Nachtwind, der ihm ins Gesicht schnitt, spürte er nicht. Er spürte rein gar nichts. Alles in ihm fühlte sich taub an, noch immer unfähig das Undenkbare zu begreifen. Der Dunkle Lord war fort… Barty holte tief Luft und versuchte sich zu konzentrieren. Entschlossen heftete er den Blick auf die kunstvollen Schnitzereien der Tür, die ihm den Zutritt zur erhofften Erlösung verwehrte. Dann griff er nach dem silbernen Türklopfer und ließ ihn dreimal kräftig gegen das schwere Holz schlagen. Er konnte hören, wie das Geräusch laut im Hausinneren widerhallte und von den Bewohnern eigentlich vernommen werden musste. Doch würden sie tatsächlich reagieren? Bartys Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen. Seine Kehle begann sich zuzuschnüren und er glaubte, zu ersticken. Was wenn sie fort waren? Wenn er zurückgelassen worden war in einer Welt, in die er nicht gehörte? Er hatte nichts mehr von ihnen gehört. Sie konnten schon längst geflohen sein, sie konnten es anderen nachgetan haben und … doch den Gedanken wollte Barty nicht zu Ende denken. Niemals würden die Lestranges Verrat begehen. Niemals! „Bitte, bitte, bitte.“ Er bemerkte gar nicht, wie sich sein Flehen einen Weg über seine Lippen gesucht hatte und leise in einer kleinen Atemwolke in die dunkle Nacht aufstieg. Ihm antwortete einzig eisige Stille. Sein Körper begann wie von selbst auf und abzuwippen im Kampf gegen die Kälte, die ihn allmählich befiel. Er wollte nicht gehen, wollte nicht umkehren und sich eingestehen, dass vielleicht nichts mehr wie vorher sein konnte. Irgendjemand musste doch da sein! Verzweifelt legte Barty den Kopf in den Nacken und suchte nach Licht in einem der hohen Fenster. Alles, was er jedoch vorfand, war gähnende Dunkelheit. Plötzlich wurde die Haustür langsam aufgezogen und eine Hauselfe stecke den Kopf zwischen dem schmalen Spalt hervor. „Wer da?“, piepste sie. „Bartemius Crouch Junior.“ Bartys Stimme klang hohl. Zu spät wurde ihm klar, dass er in eine Falle laufen und sich verraten konnte. Wenn man bereits von der Aktivität der Lestranges bei den Todessern wusste und ihn nun dort fand… Aber was spielte das eigentlich noch für eine Rolle? „Bitte kommt herein, Sir.“ In einem Anflug von Unwirklichkeit schlüpfte Barty durch den Türspalt und hörte, wie die Tür hinter ihm mit einem lauten Geräusch ins Schloss fiel. Vorsichtig sah er sich in dem großen, einladenden Foyer um, spähte die gewundene Treppe hinauf und ertappte sich bei dem brennenden Wunsch, dass ihm jeden Moment ein bekanntes Gesicht aus der Dunkelheit begegnen würde. „Hallo?“, sprach er leise in die erdrückende Stille hinein. Doch alles, was ihm antwortete, war die piepsige Stimme der Hauselfe: „Der Herr möge bitte in den Salon kommen. Er wird dort bereits erwartet.“ Es waren so einfache Worte und dennoch entfachten sie Hoffnung in Barty. Eilig folgte er einem dunklen Flur, an dessen Ende sich eine offen stehende Tür befand, durch die er bereits unzählige Male in den Salon gegangen war. Nichts erinnerte jedoch mehr an die ausgelassenen Gespräche und Nächte, die Barty dort verbracht hatte. Das Kaminfeuer war fast heruntergebrannt und sein schwächliches Licht warf tiefe Schatten an die Wände. Auf dem Sofa erkannte Barty eine einsame Gestalt, die gedankenverloren auf ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit starrte. „Rabastan?“ Unsicher wagte Barty einen Schritt tiefer in den Raum hinein. Er spürte, das etwas nicht stimmte. Der Angesprochene hob langsam den Blick von seinem Getränk. „Barty? Verdammt was machst du hier?“ Verwirrt wich Barty zurück. Tief in sich drin fühlte er seinen letzten Funken Hoffnung ersticken. „Ich musste weg“, erklärte er. Seine Gedanken begannen mit einem Mal zu rasen. „Ich … ich konnte keinen Tag länger bei diesem Dreckspack aushalten. Überall reden sie davon.“ Seine Stimme begann zu zittern. Hastig holte Barty Luft und sah abwartend zu Rabastan. Dieser schwieg. Er hatte sich im Polster zurückgelehnt und den Kopf in den Nacken gelegt. „Tja, sieht ganz so aus, als wär’s das.“ „Sag das nicht“, schoss es reflexartig aus Barty hervor. Seine Hände hatten sich unwillkürlich zu Fäusten geballt. „Was?“ „Du weißt, was ich meine!“ Alles verkrampfte sich in Barty, als er beobachtete, wie Rabastan mit einem leisen, verächtlichen Lachen sein Glas Feuerwhisky leerte und es nachlässig in eine Ecke warf. Ihm schwindelte. Seine Gedanken verloren sich. Alles in ihm schrie, dass es das nicht sein konnte. Rabastan hatte sich ihm nun gänzlich zugewandt, die dünnen Lippen umspielte ein zynisches Lächeln. „Warum sollte ich’s nicht sagen, hm?“, fragte er. „Ändert doch eh nichts mehr dran. Die ganzen Wichser dort draußen bestätigen’s doch nur.“ Barty hielt unwillkürlich die Luft an. Sein Blick bohrte sich in den von Rabastan mit dem stummen Flehen, dass er still sein möge. Doch Rabastan dachte nicht daran zu schweigen. Seine Stimme bekam etwas Abfälliges, als er sagte: „Wir sollten’s einfach einsehen. Der Dunkle Lord ist fort.“ Nein. Barty glaubte den Halt zu verlieren. Er machte einen Ausfallschritt, wie um sich zu fangen. Rabastan konnte das nicht sagen. Er konnte das nicht gesagt haben! Barty war hierher gekommen, weil er weg von dieser elenden Aussage wollte. Er war nicht hier, damit man es ihm wieder und wieder sagen konnte. Immer wieder. Das Unmögliche. „Ich meine, sieh’s ein. Diesen ganzen Scheiß hätte der Dunkle Lord doch nie zugelassen.“ Barty wollte das nicht hören. „Ernsthaft mal, guck dir doch nur diese kriecherischen Verräter an, die jetzt alle zu deinem Vater kommen. Er ist fort, okay? Der Dunkle Lord hat gegen dieses Potter-Blag verloren.“ „Halt die Klappe!“ Barty zitterte. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er wusste nur, dass er das nicht hören wollte, dass er Rabastan so nicht sehen wollte, dass das alles nicht sein durfte. „Das ist nicht wahr. Das sind verdammte Lügen!“ „Ja, sicher…“ „Und ob es die sind!“ Etwas krachte. Feinstes Porzellan zerschellte klirrend auf dem steinernen Boden. Bartys Fuß schmerzte. Brennende Wut pulsierte durch seine Adern und beraubte ihn jeglichen klaren Gedankens. „Du Verräter“, schrie er. „Wie kannst du so etwas sagen? Der Dunkle Lord wird nicht einfach von so einem mickerigen kleinen Kind vernichtet worden sein!“ „Hast du die Nachrichten nicht gelesen?“ Schwankend erhob sich Rabastan von dem Sofa. „Hast du nicht mitbekommen, wie die feinen Arschlöcher die letzten Tage feiern? Wie blöd kann man eigentlich sein?“ Das reichte. Barty gab seinem Impuls nach und schlug zu. „Halt die Klappe“, rief er erneut und spürte, wie ihn seinerseits ein Schlag traf. Der Schmerz, der dabei in seinem Kiefer explodierte, war so unglaublich willkommen. Er durchdrang all die Taubheit, die Barty in den letzten Tagen befallen hatte und verhalf ihm wieder zu dem trügerischen Gefühl von Lebendigkeit zurück. Dennoch merkte Barty, wie er die Kontrolle verlor, wie er sich verlor. Wie er nicht einsehen wollte, was geschah, wie er seine Unfähigkeit, nichts dagegen unternehmen zu können, hasste, wie er das alles nicht mehr ertragen konnte. Wie er einfach zuschlug, wieder und wieder. Zwei große Hände hatten ihn plötzlich beim Kragen gepackt und drückten ihn gegen die Wand. „Bist du noch ganz bei Sinnen?“ War er das? „Lass mich los!“, brüllte Barty und wehrte sich gegen den Griff. Doch er hatte keine Chance. Blindlings schlug er auf die große Gestalt ein, bis er merkte, was er tat. Jegliche Wut entfloh seinen Gliedern und ließ ein unbändiges Gefühl der Schwäche zurück. Beinahe fassungslos starrte Barty Rodolphus an, dann sackte er einfach in sich zusammen. Rodolphus hatte ihn wieder losgelassen und so fiel er unsanft zu Boden, doch das war Barty egal. Das Blut, was ihm noch immer aus der Nase floss, war ihm egal, die schmerzenden Knöchel, die Tränen. „Das kann nicht wahr sein“, schluchzte er und vergrub den Kopf in den Händen. All der aufgestaute Frust, die Angst, die Wut flossen aus ihm heraus. So saß er da ein Häuflein Elend zu den Füßen von Rodolphus Lestrange, der schweigend auf ihn herabsah. Etwas Weiches traf Barty schließlich am Kopf und brachte ihn wieder dazu aufzusehen. Ein großes weißes Stofftuch lag auf seinen Knien, die er an den Körper gezogen hatte. „Mach dich sauber“, meinte Rabastan. Er hatte seinerseits ein Tuch gegen seine aufgeplatzte Lippe gedrückt. Doch zu Bartys Erstaunen konnte er wieder das vertraute Funkeln in den grünen Augen finden. „Wird Zeit, dass wir was gegen diesen erbärmlichen Zustand hier tun, oder Brüderchen?“ Rodolphus schenkte Rabastan einen genervten Blick, nickte jedoch müde. „So ein Verhalten bringt uns nicht weiter“, sagte er. „Wenn der Dunkle Lord noch am Leben ist und das wird er sein, dann haben wir die besten Chancen, ihn zu finden, indem wir die Nerven behalten.“ Etwas beschämt senkte Barty den Kopf und rappelte sich langsam wieder auf. Vorsichtig strich er sich über die zerknitterte Robe und tat eigentlich alles, um Blickkontakt zu meiden. Dabei fiel ihm auf, dass sich irgendjemand bereits um den kaputten Sofatisch gekümmert und ihn repariert hatte. „Was jetzt?“, fragte er leise. „Wir machen weiter“, erklärte Rodolphus. „Wir haben auch gar keine andere Wahl, oder? Wenn die Scheißer uns in Gewahrsam nehmen, müssen wir da wieder rauskommen. Wir werden uns nicht stellen, sondern wir werden da weitermachen, wo wir aufgehört haben.“ Langsam wagte Barty zu Rodolphus zu sehen. Seine Worte klangen so simpel. Doch tief in sich drin wusste er, dass sie das nicht waren und er konnte sehen, dass Rodolphus das ebenso klar war. Das erste Mal in seinem Leben konnte Barty erkennen, wie etwas von der Bestimmtheit, mit der der große Schwarzmagier durchs Leben zu gehen schien, verschwunden war. Dann bemerkte Barty jemand Viertes den Raum betreten. Bellatrix Lestrange. Sie war ein Schatten ihrer selbst. Ihre Augen waren zwei dunkle Abgründe, in denen Barty sich wiederfinden konnte. „Wir werden ihn finden“, hörte sich Barty unvermittelt sagen. Seine Stimme klang fremd, doch seine Worte waren klar. Da sah Bellatrix auf. Der Anflug des vertrauten Spotts huschte über ihr bleiches Gesicht, als sie die Hand ausstreckte und Barty durch das strohblonde Haar wuschelte. „Das werden wir“, hauchte sie gegen seine Ohrmuschel. Einen Moment lang wollte sich Barty in die Umarmung aus Verständnis fallen lassen. Er spürte, wie etwas wieder in seinen Platz fiel und seine Lebensgeister zum Erwachen brachte. „Das werden wir!“, sagte Bellatrix laut und hatte sich Rodolphus zugewandt. Einvernehmliches Verständnis war in ihren Gesichtsausdrücken zu erkennen und es war einer der seltenen Momente, in denen Barty sah, wie Rodolphus den Arm um die Hüfte seiner Frau schlang. Seine Miene war voll grimmiger Entschlossenheit. Rabastan nickte bloß zustimmend im Hintergrund. Alles, was ihnen nun fehlte, war ein Hinweis. Ende November 1981 - Anfang Dezember 1981 Angst wurde zu Bartys ständigem Begleiter. Es war keine Vorsicht mehr, mit der er sich durch den Alltag bewegte, darauf bedacht sich seine feindliche Gesinnung nicht anmerken zu lassen. Es war nackte Angst, die selbst vor dem lodernden Hass auf all die Verräter nicht mehr von ihm lassen wollte. Die ersten Todesser waren gefasst worden. Lucius Malfoy hatte die feinen Herren des Ministeriums überzeugt, ganz bedauerlich unter dem Imperius-Fluch gestanden zu haben. Und wie könnte das Ministerium auch einem seiner großzügigsten Geldgeber eine solche Aussage nicht glauben? Selbst Bartemius Crouch Senior, der am liebsten jeden einzelnen Verdächtigen in Askaban sehen würde, konnte dagegen nichts unternehmen. Wenige Tage später war auch Macnair begnadigt worden, wieder mit der Begründung unter dem Imperius-Fluch gestanden zu haben. In der stickigen Hitze, die aufgrund der vielen Zuschauer den sonst kalten Gerichtsraum Nummer zehn erfüllte, musste Barty verfolgen, wie Snape, dieser elende Verräter, nicht nur begnadigt wurde, sondern sein Leben fortan bequem als Schoßhündchen von Dumbledore verbringen sollte. Doch trotz der unbändigen Wut, die Barty beim Anblick dieser treulosen Dreckskerle überkam, wuchs die Angst. Die Angst, dass Namen fallen würden. Mittlerweile war sein Vater dazu übergangen, viele der Anhänger einfach nach Askaban zu werfen, ohne sich erst die Mühe zu machen, ihnen einen Prozess zu gewähren. Er war ein Vorbild für die Zauberergesellschaft, die sich nichts anderes wünschte, als dass alles endlich sein Ende finden und wieder seiner friedlichen Ordnung nachgehen würde. Namen wurden im Verborgenen genannt. Sie waren das kostbarste Gut, das den verbliebenen Todessern noch die Aussicht auf Freiheit verheißen konnte. Immer wieder ging Barty im Kopf die Namen derer durch, die von ihm wussten. Und jedes Mal schnürte die Angst ihm etwas mehr Luft ab. Es waren zu viele. Als plötzlich die Rede von Antonin Dolohow war, den man gefasst hatte und wegen der grausamen Ermordungen der Prewetts nach Askaban werfen würde, stand Bartys Welt für einen kurzen Moment Kopf. Mit schweißnassen Händen füllte er Anträge aus und wartete nur darauf, dass man in sein Büro stürmen und ihn fassen würde. Doch es kam niemand. Stattdessen lud man ihn zur Feier ein, denn ein weiterer Todesser war unschädlich gemacht worden: Evan Rosier. Die Nachricht grub sich schmerzhaft in Bartys Eingeweide. Er hatte den ehemaligen Vertrauensschüler von Slytherin gemocht. Nun dazu gezwungen zu sein, den Mörder eines Freundes zu feiern, stieß ihm säuerlich auf. Es wurde schwierig, Moody nicht mit hasserfüllten Blicken zu erdolchen, wenn er den selbstgefälligen Auror auf den Gängen der Strafabteilung sah. Stattdessen bemühte sich Barty darum, sich darüber zu freuen, dass Rosier das Gesicht des Aurors auf immer entstellt hatte und konzentrierte sich auf das klaffende Loch an dessen Nase. Allmählich begann sich die Angst wieder zu legen und machte der Verzweiflung Platz, die seit dem Sturz des Dunklen Lords nicht mehr von ihm gelassen hatte. So sehr Barty auch suchte, er konnte keinen Hinweis auf den Verbleib seines Herr und Meisters finden. Von den Lestranges wusste er, dass sie ebenso wenig Erfolg zu verzeichnen hatten. Dann war jedoch Igor Karkaroff geschnappt worden. Ihm war ein Prozess im Austausch von Namen gewährt worden. Barty machte sich keine große Sorgen, da er sich nicht vorstellen konnte, was Karkaroff noch zu sagen hatte. Viele Todesser waren mittlerweile gefasst oder hatten ein Alibi. Selbst den Lestranges hatte man nichts nachweisen können, weshalb sie schließlich ohne weiteres wieder ihres Weges ziehen konnten. Welche Gefahr sollte nun der Russe darstellen? Zumal Barty sich sicher war, dass Karkaroff nichts von ihm wissen konnte. Fast schon gelangweilt starrte er also auf den erbärmlichen Schwarzmagier, der auf einem Holzstuhl in der Mitte des Gerichtsaals saß und zu den Reihen aufsah, die sich vor ihm die Wände hinauf erhoben. Wie Barty es sich gedacht hatte, nannte er seinem Vater Namen, die sie alle schon längst kannten. Ein kleines Lächeln kroch hervor, das die Angst jedoch nicht ganz aus ihm vertreiben konnte. Vielleicht wusste er mehr… Was wenn jemand anderes geplaudert hatte? Nervös leckte sich Barty über die ausgetrockneten Lippen, protokollierte eilig die nächsten Sätze Karkaroffs und wäre beinahe mit der Feder ausgerutscht. Rookwood. Dieser Verräter hatte Augustus Rookwood genannt! Innerlich fluchend sah Barty zu seinem Vater und erkannte, wachsendes Interesse in den harten Gesichtszügen. Plötzlich schlug die Angst wieder wie eine gewaltige Flutwelle über ihm zusammen. Das durfte nicht wahr sein! Völlig aufgebracht hatte man den unscheinbaren Rookwood in den folgenden Tagen gefasst. Den sympathischen Rookwood, mit dem so viele so gut auskamen. Ein Todesser, den niemand für einen solchen gehalten hatte, war die ganze Zeit in ihren Reihen gewesen! Ein Todesser, der noch mehr Namen wusste… Dieses Mal war Barty schlecht, als er auf der unbequemen Holzbank direkt neben seinem Vater saß und auf den pockennarbigen Zauberer hinabsah, der trotz der Anschuldigung sein freundliches, gelassenes Wesen nicht verloren hatte. „Augustus Rookwood!“, donnerte die barsche Stimme Bartemius Crouch Seniors durch den Gerichtsraum Nummer zehn. „Sie sind der Todesserei bezichtigt worden. Eine solche Anschuldigung verlangt die Höchststrafe: Den Aufenthalt in Askaban.“ Rookwood schaffte es trotz des drohenden Urteils ein Lächeln aufzubringen. „Das ist richtig.“ „Sie haben ein Netzwerk aus gut platzierten Informanten gehabt, mit Hilfe dessen Sie Informationen für Du-weißt-schon-wen gesammelt haben.“ „Auch das ist richtig“, erwiderte Rookwood ungerührt. Barty kam nicht umhin, die Gelassenheit des älteren Zauberers zu bewundern. Doch wahrscheinlich war dies noch immer die beste Option in dieser ausweglosen Situation. Eilig schrieb er weiter, während er gegen das unkontrollierte Zittern in seinen Fingern ankämpfte. Er wusste, dass ein falsches Wort von Rookwood sein Schicksal besiegeln konnte. Es wäre ein Leichtes für den Todesser mit dem Finger auf ihn zu zeigen und sich die Freiheit zu erkaufen. „Ihnen sei die Möglichkeit gewährt, im Austausch für die Namen Ihrer Informanten die Strafe zu mindern.“ Die Worte ließen alles in Barty erstarren. Er glaubte kaum mehr Luft zu bekommen, als er mit klopfendem Herzen aufsah und zu Rookwood hinabblickte. Einen flüchtigen Moment trafen sich ihre Blicke und Barty glaubte, ein Zwinkern zu sehen. Dann hatte sich Rookwood an Crouch gewandt und hob bedauernd die Schultern. „Ich fürchte, das ist mir nicht möglich. Sie kennen die Namen schon und was wäre ich für jemand, der einfach so seine Informanten hintergeht?“ Eine Ader auf Crouchs Schläfe war drohend angeschwollen. „Sie sind eine Schande für die Zauberergesellschaft“, spie er. „Mögen Sie in Askaban bekommen, was Ihr Pack verdient.“ Das Urteil war gefällt und der Applaus groß, denn ein gemeingefährlicher Zauberer, der sich unter dem Deckmäntelchen des freundlichen Kollegen versteckt hatte, war unschädlich gemacht worden. Barty war froh um die Möglichkeit, bei den Lestranges Zuflucht zu suchen und mit ihnen über die erdrückende Entwicklung der Ereignisse reden zu können. Er hatte Rookwood gemocht. Und an diesem Abend hatte er ihn für seine Treue schätzen gelernt. Rookwood hatte sein Leben in der Hand gehabt und sich für Askaban entschieden, statt sein eigenes zu retten. Ob Barty das gleiche getan hätte? Ganz bestimmt! Er spürte des Brennen des Feuerwhiskys, der seine Kehle hinunterfloss, während er sich in seinen Gedanken verlor. Wenn sie ihn nun fanden, dann würde alles wieder gut werden. Nicht nur das. Sie würden belohnt werden. All die treuen Diener würden vom Dunklen Lord belohnt werden. Und die feigen Verräter würden ihre gerechte Strafe erhalten. Dieser Gedanke gab Barty ein seltsames Gefühl von Hoffnung, an das er sich klammerte. Wie ein Mantra sagte er es sich immer wieder und wieder. Er würde sie für ihre Treue belohnen. Er würde sie für ihre Treue belohnen. Und die ganzen dreckigen Verräter würden bestraft werden. Irgendwann hatte er sich die Worte so oft gesagt, dass sie Realität zu sein schienen. Sie waren zum Greifen nah. Es fehlte nur noch der letzte Schritt. „Hey Barty, hast du einen Moment?“ Es war wie ein Déjà-vu. Barty sah von seiner Schreibarbeit auf und blickte Franks lächelndem Gesicht entgegen. Er nickte. „Gut. Alice und ich, wir wollten dich einladen. Wir möchten eine Weihnachtsfeier machen, die hoffentlich ein besseres Ende als letztes Mal nimmt.“ Frank grinste und Barty sah sich gezwungen es zu erwidern. „Jedenfalls haben wir all unsere Freunde eingeladen. Deshalb hier“, er legte einen Briefumschlag auf Bartys Schreibtisch, „ich würde mich freuen, wenn du kommst. Deine Eltern sind auch eingeladen. Aber ich glaube, meine Mutter hat deiner schon geschrieben.“ Niemand sprach aus, dass die Feier anders sein würde. Kleiner. Sie würde sie an die Verluste erinnern. Plätze würden leer sein, an denen ein Jahr zuvor noch Schulfreunde gesessen hatten, gelacht hatten, das Haus mit Freude und Leben gefüllt hatten. „Danke“, sagte Barty nach längerem Schweigen und griff langsam nach dem Umschlag. Erst dann erwiderte er Franks Blick. „Ich denke, ich werden kommen.“ „Das freut mich!“ Irgendwie wirkte Frank erleichtert und — wie Barty feststellte — ehrlich erfreut. Plötzlich zog sich Frank einen Stuhl heran. „Weißt du, Barty, eigentlich sollte ich jetzt nicht so darüber reden, da alles auf dem Weg zum Guten ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich einfach so vorbei ist.“ Alles in Barty verkrampfte sich. Beinahe ruckartig blickte er wieder zu Frank. „Keine Sorge, ich glaube nicht, dass sofort wieder Krieg ausbrechen wird“, meinte Frank mit einem gekünstelten Lachen, der Bartys Reaktion falsch gedeutet hatte. „Aber mir kommt der Frieden sehr zerbrechlich vor. Moody ist der gleichen Meinung, aber … na ja Moody ist immer ein bisschen übervorsichtig, was?“ Frank Longbottom bemerkte den beinahe raubtierhaften Glanz, der bei seinen Worten in die Augen des jungen Manns getreten war, nicht. Leichthin versuchte er seinen Sorgen Luft zu machen und erlag dem Irrglauben, vor sich einen Jungen zu haben, der einfach nur etwas Gesellschaft brauchte. „Auf jeden Fall haben Alice und ich beschlossen die Augen offenzuhalten.“ „Das ist wahrscheinlich vernünftig“, brachte Barty heraus, in dem Versuch das Gespräch am Leben zu erhalten. „Glaubt ihr, ihr könnt … na ja also was ausrichten?“ Frank zuckte die Achseln und lehnte sich zurück. Sein Blick wanderte zur Decke, als würden dort all die Antworten auf seine Fragen stehen. „Wer weiß. Zumindest sind wir uns sicher, dass Du-weißt-schon-wer nicht einfach fort sein kann. Irgendwo dort draußen wird er sein und wenn wir es am wenigsten erwarten zurückschlagen.“ Schmerz durchzuckte Bartys Handflächen, so fest hatte er seine Hände zu Fäusten geballt. Sein Blick war starr auf Frank fixiert, während in seinem Kopf ein Wirbelsturm zu toben schien. Sein Mund war trocken, während sein Herz raste. Er wusste etwas! Er wusste etwas! Barty konnte und wollte sein Glück kaum fassen. Am liebsten hätte er vor Ort seinen Zauberstab gezückt und ihn auf diesen Blutsverräter gerichtet und jedes bisschen Informationen mit einem Cruciatus aus ihm herausgekitzelt. Aber das konnte er nicht. Noch nicht. „… dauert noch und bis dahin werden wir vorbereitet sein, da bin ich mir sicher.“ Eine Pause entstand. Frank hatte aufgehört zu reden und Barty bemerkte, wie er ihn erwartungsvoll ansah. „Barty?“ „Ähm ja. Doch. Das glaube ich auch“, brachte er mit heiserer Stimme heraus und bemühte sich den Verlegenen zu spielen, der nicht mitbekommen hatte, was sein Gegenüber gesagt hatte. „Aber wir schaffen das. Da bin ich mir sicher. Alles wird seine Ordnung haben.“ Ein Lächeln verzerrte seine Lippen. Der Gedanke verzückte ihn, dass Hoffnung da war. Unglaublich große Hoffnung. „Denken wir lieber nicht weiter drüber nach“, meinte Frank. Ein beunruhigendes Gefühl hatte ihn beschlichen, das er sich nicht ganz erklären konnte. „Denken wir lieber an die Feier. Also wie gesagt, deine Mutter müsste schon bescheid wissen, aber ansonsten wäre es lieb, wenn du ihr einfach noch einmal die Einladung ausrichtest, ja?“ Barty nickte und erinnerte sich daran, Frank ein freundliches, sympathisches Lächeln zu schenken. „Natürlich. Ich bin mir sicher, dass sich meine Mutter freuen wird.“ „Das ist schön. Also dann ich war eigentlich viel zu lange hier. Kingsley wollte noch was von mir, ich sollte ihn wirklich nicht so lange warten lassen. Ich würde sagen, man sieht sich, was?“ Mit diesen Worten rückte Frank den Stuhl unter lautem Scharren zurück. Dann verließ er mit einem lässigen Wink Bartys Bürozelle. Den Blick, mit dem Bartemius Crouch Junior ihn bedachte, bemerkte er nicht mehr. ~*~ Barty konnte sich nicht daran erinnern, wann er es zuletzt so eilig gehabt hatte, von seiner Arbeit wegzukommen. Es schien in einem anderen Leben gewesen zu sein. Völlig überstürzt rannte er die letzten Meter zum Lestrange Anwesen und hoffte, dass er sie alle dort antreffen würde. Er musste diese wundervollen Neuigkeiten verkünden. Er wollte keine Sekunde mehr länger warten. Die Hauselfe brauchte viel zu lange, um ihm zu öffnen. Beinahe stürzte Barty über sie, als sie sich nicht schnell genug zur Seite bewegte, damit er eintreten konnte. Ein manisches Glimmen war in seinen Augen. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, während er dem vertrauten Weg in das Wohnzimmer folgte, in dem Bellatrix ihn empfing. Sie war auf einer Chaiselongue drapiert. Ihre einstige Eleganz schien von der zunehmenden Hoffnungslosigkeit verschluckt zu werden, die die Räume dieses Hauses befallen hatte. Als sie aufsah und sich ihre Blicke trafen, erkannte sie, dass etwas von folgenschwerer Bedeutung geschehen war. Bartys Aufregung war ansteckend. Smaragdgrünes Licht erfüllte kurze Zeit später das düstere Wohnzimmer und aus dem Feuerplatz traten die Gebrüder Lestrange heraus. Der eine lässig und sorglos, der andere ruhig und ehrfurchtgebietend. Dennoch hatte die bittere Niederlage auch in ihren Gesichtern ihre Spuren hinterlassen. Etwas von der einstigen Selbstsicherheit war abgefallen. Einen Augenblick wartete Barty. Er spürte, wie drei Paar Augen abwartend auf ihm ruhten. Flüchtig erinnerte er sich an damals, als er vor Jahren das erste Mal dieses Zimmer betreten hatte, wie er sich nach der Anerkennung dessen Bewohner gesehnt hatte, wie er ein Teil hatte sein wollen. Und hier stand er nun. Er, Bartemius Crouch Junior, mit ganz und gar wundervollen Neuigkeiten. „Sie wissen es“, sagte er. Er verschwendete keine Zeit damit, die Spannung noch länger aufrecht zu erhalten. Er musste es sagen, musste es aussprechen, wollte diese Hoffnung versprechenden Worte auskosten. „Die Longbottoms wissen, wo der Dunkle Lord ist.“ ENDE (Zeiten des Schreckens) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)