Zeiten des Schreckens von SweeneyLestrange ================================================================================ Kapitel 11: Die Schlacht ------------------------ Der Schein unzähliger Feuer erhellte die Nacht. Bunte Blitze zerrissen die Dunkelheit und den Schutz des Waldes. Um sich herum konnte Barty den Lärm des Kampfes hören. Schreie drangen an seine Ohren, Schmerzensschreie, Todesschreie, sie alle vermengten sich unter hastig ausgestoßenen Flüchen zu einem Aufschrei des Leids, das über das kleine Dorf hergefallen war. Hektisch sah sich Barty um. Er hatte beschlossen, zu der Stelle zurückzukehren, von der er mit seiner Mutter nach Hause appariert war. Es erschien ihm sicherer, von da aus vorzustoßen — schließlich wusste er nicht, wie die derzeitige Lage aussah. Bisher hatte er jedoch nichts Verdächtiges ausmachen können. Dann hörte er ein leises Stöhnen. Misstrauisch spähte er in das dichte Gehölz, bis ihm aufging, dass die Geräuschquelle zu seinen Füßen lag. Langsam verzogen sich Bartys Lippen zu einem breiten Grinsen. Wenn das nicht der Todesser war, der seine Mutter angegriffen hatte… „Lumos“, murmelte er und betrachtete die dunkle Gestalt, auf dem Boden. Er hatte ganz vergessen, dass sich unter seinen Flüchen auch eine Ganzkörperklammer befunden hatte. Einem Impuls folgend, ließ er den regungslosen Körper in die Luft schweben und beobachtete nachdenklich, wie die silberne Maske das grünliche Licht am Nachthimmel reflektierte. „Zeig deinen Arm“, befahl Barty kalt, wobei er seinen Unbeweglichkeitsfluch aufhob. Angestrengt tat der Todesser, wie ihm geheißen und entblößte die nackte Unterseite seines linken Arms. Barty schnaubte verächtlich und ließ seinen Mitstreiter unsanft zu Boden fallen. Er musste sich zusammenreißen. Er durfte seine Wut nicht an einem der ihren auslassen — selbst wenn es nur irgendein armseliger kleiner Zauberer war, der dem Dunklen Lord nie im Leben solch eine große Unterstützung sein würde, wie er es war. „Wo sind die anderen?“, fragte Barty stattdessen knapp. „I-im Dorf“, brachte der Todesser schmerzerfüllt hervor. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte sich Barty ab und machte sich auf den Weg zur Geräuschquelle. Seine Anspannung nahm zu, beraubte ihn fast seines Atems, wenn er an das dachte, was ihn erwartete. Würde heute der Moment gekommen sein, in dem die Verräter fielen? Seine Schritte beschleunigten sich, während er wachsam seine Umgebung beobachtete. Ob Lupin noch irgendwo hier war oder hatte er es geschafft, den beiden Todessern zu entkommen? Die Geräusche wurden lauter, die Schreie nahmen zu. Barty glaubte, das Knistern von lodernden Flammen zu hören. Und plötzlich zerriss ein grüner Blitz die Dunkelheit. Erschrocken sprang Barty zurück, den Zauberstab entschlossen auf die Gefahrenquelle gerichtet. Zwischen den Bäumen trat eine verhüllte Gestalt hervor, die die Arme spöttisch in der Luft erhoben hatte. Ein Blick auf das Muster der Maske verriet Barty, dass es sich um Rabastan Lestrange handelte, der ihm entgegenkam. „Dachte ich’s mir, dass du dir das hier nicht entgehen lässt“, meinte er und gesellte sich zu Barty. „Was machst du hier?“, zischte Barty, während er seinen Blick aufmerksam über das Geäst schweifen ließ. „Hab den ein oder anderen Muggel erledigt, der abhauen wollte. Nichts Dolles. Ich wollt nur mal schauen, wie du dich so schlägst.“ „Danke.“ Rabastan winkte ab und setzte sich in Bewegung. „Jetzt sind wir wirklich quitt.“ Gemeinsam liefen sie das restliche Stück zum Waldrand, wobei sie sorgfältig nach Feinden oder flüchtenden Muggeln Ausschau hielten. „Was ist mit dem Haus der Longbottoms?“, wollte Barty schließlich wissen. „Hat Bella mit ’nem ordentlichen Bombarda gesprengt. Das meiste Kampfgeschehen hat sich auf das Dorf verteilt. Zumindest scheinen die flüchtenden Blutsverräter entweder entkommen oder tot zu sein“, meinte Rabastan und starrte nachdenklich in die Richtung, in die Lily mit den anderen geflohen war. Dann zuckte er die Achseln. „Na ja, was soll’s. Hier scheint sich ja auch niemand mehr rumzutreiben, was?“ Barty schüttelte den Kopf, nachdem ein weiterer seiner Zauber keine Regung in der unmittelbaren Umgebung entdecken konnte. „Sieht nicht so aus“, fügte er hinzu und wandte sich wieder dem Geschehen in seinem Rücken zu. Er sah auf die brennenden Häuser, sah auf die Gestalten, die sich auf dem weiten Feld einen erbitterten Kampf lieferten. Immer wieder apparierten Feinde und Verbündete und machten es unmöglich abzuschätzen, um wie viele Kämpfende es sich tatsächlich handelte, doch soweit Barty erkennen konnte, waren sie deutlich in der Überzahl. Aus allen Ecken waren die muggelfeindlichen Zauberer und Opportunisten hervorgekrochen und hatten sich dem nächtlichen Spektakel angeschlossen, das Ruhm und Erfolg versprach. Barty holte noch einmal tief Luft, ein glückseliges Lächeln im Gesicht. „Bereit?“, fragte Rabastan an seiner Seite. Barty nickte. „Na, dann auf in die Action!“, rief Rabastan und war verschwunden. Ohne zu zögern, folgte Barty. Hitze war das Erste, das ihm entgegenschlug. Sengende Hitze von einem der lichterloh brennenden Gebäude. Vorsichtig sah er sich um und entdeckte zwei erbittert duellierende Zauberer. Eine Explosion zerriss krachend den Lärm des Kampfes und ein Feuerball schoss aus einem der Fenster. Zu seinen Füßen lagen Glasscherben und auf den Straßen befanden sich die verkohlten Überreste von Muggeln. Zumindest war Barty sich ziemlich sicher, dass es sich bei ihnen um Muggel handeln musste. Grünes Licht blitzte etwas weiter entfernt auf, woraufhin ein gellender Todesschrei über das prasselnde Feuer hinweg tönte. In dem Moment wurde Barty klar, dass er einen gewaltigen Fehler gemacht hatte. Er musste doch die anderen warnen! „Rabastan“, zischte Barty und folgte dem älteren Todesser eilig, der bereits abenteuerlustig in eine Gasse vorgedrungen war. „Warte kurz!“ „Was ist?“ „Hör mir zu, es ist wichtig!“, sagte er eindringlich und versuchte Rabastans Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. „Die Auroren, sie dürfen die Unverzeihlichen benutzen. Das wurde heute vom Ministerium erlassen. Und ich glaube, alle anderen auch. Wir müssen unsere Leute warnen.“ Rabastan stockte. Hinter der Maske glaubte Barty ein leises Lachen hören zu können. „Glaubst du wirklich, dass das ’ne Gefahr sein wird?“ „Ich weiß nicht, ich kann mir vorstellen, dass…“ „Mach dir mal nicht ins Hemd“, meinte Rabastan und widmete sich wieder dem Geschehen am Straßenende. „Pass auf, siehst du da vorne den Typen? Ich würde sagen, du von rechts, ich von links, ja?“ Barty gefiel das Ganze nicht sonderlich, doch nickte er. Was hatte er in dem Moment für eine Wahl? Es galt für seine Seite zu kämpfen! Auf Rabastans Zeichen hin apparierten sie erneut. Diesmal fand sich Barty hinter einem dieser blechernen, lauten Muggelgefährte wieder und duckte sich hastig, als der feindliche Zauberer zu ihm sah. Im Licht des Feuers glaubte Barty, Dädalus Diggel erkennen zu können, sicher war er sich jedoch nicht. Dann konnte er drei weitere Gestalten ausmachen, die sich etwas weiter von dem Zauberer entfernt zusammengedrängt hatten. Keiner von ihnen trug einen Umhang oder hielt gar einen Zauberstab in der Hand. Panisch und völlig verstört irrten ihre Blicke über das Ausmaß der Zerstörung, während sie mit einem Anflug von Hoffnung auf Diggel sahen. Wie süß, dachte Barty. In der Ferne konnte er Rabastan sehen, der hinter seiner Deckung hervor stürzte und zum Angriff ansetzte. Barty tat es ihm jedoch nicht gleich. Während Diggel damit beschäftigt war, Rabastans Flüchen auszuweichen, richtete Barty seinen Zauberstab auf die ältere Frau, die schützend von einem Mann im Arm gehalten wurde und ihrerseits ein jugendliches Mädchen festhielt. „Imperio“, flüsterte Barty und beobachtete vergnügt, wie sich die Frau auf einmal aus der schützenden Umarmung des Mannes befreite und wie hypnotisiert mitten auf die zwei duellierenden Zauberer zuhielt. Die beiden Muggel brüllten und kreischten und versuchten sie zurückzuhalten. Doch als der Mann die Frau erneut packen wollte, ging er schreiend zu Boden. Dort wand er sich unter den furchtbaren Qualen des Cruciatus-Fluchs, der von Sekunde zu Sekunde unerträglicher wurde. Bartys Ablenkung zeigte Wirkung. Diggel schien in die Enge getrieben und erlag dem hoffnungslosen Unterfangen, die Muggel nun vor Rabastans Angriffen zu schützen. Verzweifelt versuchte er die Muggelfrau aus dem Kreuzfeuer zu bringen, indem er selbst in eine denkbar ungünstige Sackgasse zurückwich, dicht gefolgt von Rabastan, der die Ausweglosigkeit seines Gegners merklich auskostete. Während Barty am Überlegen war, welchen Zeitpunkt er abpassen sollte, um sein Imperius-Opfer einen von Rabastans Flüchen abfangen zu lassen, hörte er auf einmal ein Zischen. In letzter Sekunde fuhr Barty herum und schaffte es, den Angriff mit einem Schild-Zauber abzuwehren. Überall um ihn herum apparierten Abgeordnete des Zaubererministeriums. An ihren Uniformen konnte Barty erkennen, dass es sich um Mitglieder der Magischen Strafpatrouille handelte ebenso wie Vergiss-Michs, die nun mit gezückten Zauberstäben auf ihn und Rabastan zielten. Er fluchte leise. „Keine Bewegung!“, sagte eine Stimme. „Lasst die Muggel in Ruhe.“ Auch das noch! Grimmig starrte Barty auf die sieben Gestalten und rechnete sich seine Chancen aus, heil dort rauszukommen. Sein Blick huschte unbemerkt zu Rabastan, der von Diggel abgelassen hatte. Wenn sie beide eine Ablenkung herbeizaubern konnten, sollten sie problemlos davon kommen. Rabastan schien den gleichen Gedanken zu haben, denn unvermittelt stieß er seinen Zauberstab vor und sprengte mit einem gewaltigen Bombarda einen Teil der Straße in die Luft. Betonbrocken regneten auf die Umstehenden herab und hüllten sie in eine dichte Staubwolke ein. Während sich Barty hustend zu schützen versuchte, spürte er auf einmal Rabastans Hand, die ihn fest am Arm packte. Dann waren sie appariert. „Das kam unerwartet“, sagte Rabastan. „Und ziemlich knapp“, fügte Barty hinzu, wobei er auf die dicke Staubwolke sah, die sich weiter entfernt mit der übrigen Rauchwolke vermengte. „Hätte nicht gedacht, dass das Ministerium so schnell mit Verstärkung ist.“ „Na ja, is ja auch ’n ziemlich ordentlicher Kampf hier. Die werden jetzt wahrscheinlich allerlei Vorkehrungen treffen, damit das auch ja nicht die Muggelwelt mitbekommt.“ Barty beobachtete, wie sich Rabastans Augen weiteten. Sadistisches Vergnügen funkelte in ihnen. „Diesen Schwachköpfen werden wir’s ordentlich geben.“ Plötzlich apparierte eine weitere Gestalt direkt neben ihnen. Hastig sprang Barty zurück und richtete seinen Zauberstab auf sie, bereit jederzeit zu töten. „Was steht ihr hier so dumm rum?“, hörte er die barsche Stimme Dolohows. Schnell senkte er wieder seinen Zauberstab. „Ich habe wichtige Informationen“, sagte Barty eilig. „Das Ministerium hat den Einsatz der Unverzeihlichen Flüche gegen uns erlaubt.“ „Ach?“ Ebenso wie Rabastan schien Dolohow das völlig unbeeindruckt zu lassen. „Dann wollen wir sehen, wie weit sie das bringt. Lestrange, du hältst mit Malfoy und Snape die Verstärkung auf. Crouch“, für einen Moment fürchtete Barty, wieder nach Hause geschickt zu werden, doch dann sagte Dolohow: „Mit mir. Sorg dafür, dass sich die Information rumspricht. Noch warn die meisten zu feige, die Flüche tatsächlich einzusetzen.“ Barty nickte aufgeregt. Das Blut rauschte ihm in den Ohren und er spürte, wie Angst und Euphorie gleichermaßen durch seine Adern schossen. Er war dabei. Ohne weitere Zeit zu verschwenden, setzten sich die drei in Bewegung. Dolohow brachte Barty zu einer offenen Wiese in der unmittelbaren Nähe des Dorfes. Im Schein des Feuers konnte er gut ein Dutzend Gestalten ausmachen, die sich erbittert duellierten. Sofort fiel Barty in den Kampf mit ein, wirbelte herum und verteilte Flüche, während er geschickt den übrigen Angriffen auswich. Hinter ihm hörte er einen der seinen mit einem Schmerzensschrei zu Boden gehen, doch war für Furcht kein Platz mehr. Seine Füße bewegten sich wie von selbst; zielsicher folgten sie dem lautlosen Takt des Gefechts, während sich alles andere in Bedeutungslosigkeit verlor. In einem flüchtigen Augenblick schaffte es Barty, Rookwood seine Informationen weiterzugeben, der wiederum selbst dafür sorgen wollte, dass sich die Neuigkeiten verbreiteten, dann war die Atempause wieder vorbei. Von allen Seiten stießen Gegner und Verbündete hinzu. Der Kampf um das Dorf war schon lange verloren und die großflächige Wiese der unmittelbaren Umgebung zum Schlachtfeld auserkoren. Barty konnte beobachten, wie sich die Todesser in der Überzahl befanden und wie der Widerstand trotz alledem keinen Zentimeter zurückwich. Geschickt suchte sich Barty einen Weg zwischen den Duellanten hindurch, tunlichst darauf bedacht, keinen verirrten Zauber abzufangen. Ein dumpfes Pochen pulsierte bereits in seiner linken Schulter, die irgendein Zauber erwischt hatte, und er war keineswegs erpicht darauf, sich weitere Verletzungen zuzuziehen oder gar sein Leben leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Nicht wenn er noch andere Möglichkeiten hatte, den feindlichen Reihen zu schaden. Etwas weiter entfernt konnte er die Potters entdecken, die sich in einem heftigen Kampf mit zwei Todessern befanden, deren Kampfstil sehr an die Lestranges erinnerte. Auf der anderen Seite des Schlachtfelds versuchte Moody zusammen mit den Longbottoms gleich mehrere Todesser in Schach zu halten, während sich um sie herum all die anderen Blutsverräter und Schlammblüter tummelten. „Wir versuchen sie einzukesseln“, hörte Barty auf einmal eine raue Stimme, die er Macnair zuordnete. Ihm folgte ein kleines Grüppchen von vier Todessern und Barty beschloss, sich ihnen anzuschließen. „Habt ihr’s bereits gehört?“, keuchte Barty, kaum dass sie einen Abschnitt etwas weiter außerhalb des Kampfes erreicht hatten. Dicker schwarzer Zaubernebel stieg empor und verbarg sie vor unerwünschten Blicken. „Was?“ „Die Unverzeihlichen werden gegen uns eingesetzt.“ „Hmpf“, schnaufte Macnair und spähte durch den verzauberten Nebel auf das Schlachtfeld. „Erklärt, warum ich zwei Leute verloren hab. Also“, damit wandte er sich an die übrigen Umstehenden. „Befehl von ganz oben, wir halten die Stellung, dass keiner versucht abzuhauen.“
Ein Nicken. Barty nutzte die Verschnaufpause, um zu überlegen, wie er weiter vorgehen konnte. Was noch geschehen würde. Wachsam blickte er sich um, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken. „Wir schwärmen gleich aus; auf den anderen Seiten befinden sich bereits einige unserer anderen Leute auf Position.“ „Verstanden“, ertönte es dumpf hinter einer Maske. „Hey du!“ Barty sah auf. „Geh schon mal vorwarnen. Nicht dass dieser schmutzige Haufen von Muggelfreunden auf die Idee kommt, Todesflüche gegen uns zu benutzen.“ „In Ordnung“, sagte Barty und apparierte zur nächsten Nebelwand, die aus dem knöchelhohen Gras stieg. Vorsichtshalber hob Barty die Hände in die Luft, um zu zeigen, dass er in friedlicher Absicht kam. Sein Dunkles Mal hätte er unter der ledernen Armschiene vorerst nicht zeigen können. Aber das brauchte er auch nicht. Sofort rief ihm die blasierte Stimme von Malfoy ein „Was gibt’s?“ entgegen. Erneut berichtete Barty von der potentiellen Gefahr, die ihnen durch den neuen Erlass des Ministeriums drohte. Das gleiche wollte er gerade bei der dritten Gruppe tun, als er plötzlich glaubte, eine Bewegung aus der Richtung des Dorfes zu sehen. Angestrengt spähte er in die Schatten, die sich gegen die ersterbenden Flammen abhoben. Mehrere Umrisse schienen sich langsam und träge aus dem Dorf heraus zu bewegen und direkt auf das Gefecht zuzuhalten. „Was geht da vor?“, fragte er unwillkürlich und erntete kurz darauf die Antwort von Rodolphus: „Der Dunkle Lord schlägt zum Angriff.“ Ehrfürchtig stand Barty neben dem großen Lestrange und beobachtete, wie die Kämpfenden teilweise innehielten, wie der kleine Pulk aus unkoordiniert stolpernden Körpern auf die Duellanten zusetzte. Bartys Augen weiteten sich bei der Erkenntnis, um was es sich bei ihnen handelte. „Inferi“, stieß er leise hervor. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken bei dem bloßen Gedanken an die schwarze Magie, die am Werk sein musste, um so etwas zu vollbringen. Ähnlich erging es auch den Widerständlern, denn allmählich wichen sie zurück. Ihre Zauber schienen wirkungslos gegen die toten Leiber der kürzlich Verstorbenen. Zur gleichen Zeit machte sich Rodolphus kampfbereit. „Wenn die Feinde kommen, haltet sie zurück und lasst sie auf keinen Fall apparieren“, wies er die vier Todesser unter seinem Kommando an. Ein entschlossenes Nicken ging durch die kleine Reihe. Dann spürte Barty, wie sich eine große Hand auf seine Schulter legte. „Du bleibst hier“, bestimmte Rodolphus. „Für das, was jetzt kommt, können wir niemand Herumstreunendes gebrauchen.“ „Verstanden.“ Neugierig glitt Bartys Blick wieder zu dem Schlachtfeld, das sich vor ihm auftat. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich die meisten Todesser zurückgezogen hatten und die Mehrheit der Widerständler mit dem Kampf gegen die Untoten beschäftigt war. Er wartete. Beobachtete die Reihe der verkohlten Inferi näherrücken. In quälender Langsamkeit stießen sie vor. Flüche zischten durch die aufgewühlte Nacht. Das Feuer im Dorf war wieder zurückgegangen und beschwor mehr Schatten als Licht. Plötzlich loderte eine Flammenwand aus der Mitte des Feindes auf und wälzte auf die Inferi zu. Unwillkürlich kniff Barty bei dem gleißenden Licht des Feuers die Augen zusammen. Bunte Flecken wimmelten auf seinem Blickfeld, während er angestrengt zu erfassen versuchte, was geschehen war. Doch eigentlich brauchte er das nicht. Er spürte die Anspannung in der Luft. Sie legte sich auf alle Anwesenden, nahm ihnen den Atem, erdrückte sie. Der eigentliche Teil der Schlacht hatte begonnen. Eine gewaltige Wassermasse gebot dem Feuer schließlich Einhalt. Blitze zuckten durch die Nachtluft, Zauber prallten aufeinander von solcher Macht, dass sie die Umstehenden ehrfürchtig erstarren ließen. Eine Gestalt in schwarzen Roben war aus den Reihen der Inferi hervorgetreten. Sie schien nicht nur mit den nächtlichen Schatten zu verschmelzen, sondern sie geradezu aufzusaugen. Ihr hatte sich eine kleine Reihe törichter Hexen und Zauberer entgegengestellt. In ihrer Mitte stand die hochgewachsene Gestalt Albus Dumbledores, den Zauberstab hoch erhoben, während sich über ihr eine große, helle Kugel sammelte. Es war eine Atempause, die Ruhe vor dem Sturm. Niemand sagte etwas oder rührte sich gar. Alle Blicke waren auf die beiden Zauberer geheftet, die sich gegenüberstanden. Die wahrscheinlich mächtigsten Zauberer von ganz England. Dann lachte Lord Voldemort ein höhnisches Lachen, das in der plötzlichen Stille laut über die Felder hallte. „Ich gebe euch eine letzte Chance“, wisperte seine Stimme in den Köpfen der Anwesenden. „Ergebt euch. Ihr sollt für eure Untreue bestraft werden, doch will ich Gnade denen walten lassen, die Einsicht zeigen.“ Für einen flüchtigen Augenblick herrschte Schweigen. Für einen flüchtigen Augenblick keimte die Hoffnung auf, diesem unsinnigen, zerstörerischen Treiben den Rücken kehren zu können, zurückzukehren zu Freunden und Familie. Doch es war eine Illusion, die von einem lauten „Niemals!“ zerbrochen wurde. Barty wusste nicht, wer geschrieen hatte. Es mochte Potter gewesen sein, vielleicht war es aber auch Black oder einer der anderen Verräter. Er wusste nur, wie er beim Klang dieses Wortes, seinen Zauberstab automatisch fester umschloss, es den anderen nachtat und ihn gen Himmel reckte. Ein grüner Blitz schoss hervor; immer mehr und mehr dieser Blitze wanden sich aus den Stäben der umstehenden Todesser in den Himmel, wo sie krachend gegeneinander trafen und auf den Feind niederregneten. Schreie erklangen. Schwarze Nebelwolken waren mit einem Mal zu sehen, als die Widerständler zu apparieren begannen. „Jetzt!“, brüllte Rodolphus. Ein Schild erschien über ihren Köpfen, bildete eine Kuppel um sie herum und schloss sie mit dem Feind ein. Irgendwo schrie jemand schmerzerfüllt auf. Als Barty genauer hinsah, erkannte er eine Gestalt, deren Glieder merkwürdig weit voneinander entfernt lagen. Bei der Erkenntnis, dass es sich um jemand Gesplintertes handeln musste, spürte er einen leichten Brechreiz, doch bekam er den schnell wieder unter Kontrolle. Es gab anderes, das seiner Aufmerksamkeit bedurfte. Der Kampf hatte eingesetzt. Dieses Mal wütete er heftiger und stärker denn je über das Schlachtfeld. Um die Ordensmitglieder herum hatte sich ein Kreis von Todessern gebildet, der sich langsam enger zog, während eine Vielzahl an Flüchen auf die Widerständler prasselte. Irgendetwas kam Barty jedoch merkwürdig vor. Die Gruppe, die sich ihnen erbittert zur Wehr setzte, schien kleiner zu sein… „Umdrehen!“, hörte er da eine Stimme über den Lärm hinweg. Automatisch folgte Barty dem Befehl und erkannte, dass sich eine Gruppe von Auroren und Mitgliedern der Magischen Strafpatrouille hinter ihnen befand. „Mist“, fluchte Barty hinter seiner Maske und wich in letzter Sekunde einem Fluch aus. Etwas weiter zu seiner rechten Seite ging ein Todesser schreiend in die Knie und stieß markerschütternde Laute aus, die sich in dem Tosen der Schlacht verloren. Jetzt wurde es ernst. Und es gab keinerlei Möglichkeit der Deckung! Konzentriert parierte Barty weitere Angriffe immer auf der Suche nach einem Schlupfloch. In seinem Rücken konnte er das gewaltige Donnern hören, als zwei Zauber aufeinandertrafen. Blaugrünes Licht erhellte für einen Augenblick das Feld, dann verloren sich die Kämpfenden wieder in dem düsteren Zwielicht dieser Nacht. Erst da fiel Barty auf, dass Rodolphus verschwunden war. Angestrengt spähte er in das Getümmel und versuchte in all der Hektik die große Gestalt des Schwarzmagiers ausmachen zu können. „Hier ist das Geschehen!“, rief plötzlich jemand hinter ihm. In letzter Sekunde konnte sich Barty vor dem Schockzauber schützen und schaffte es dafür, seinen Gegner mit einem gezielten Todesfluch außer Gefecht zu setzen. Er rannte weiter, weg von den Feinden in seinem Rücken und tiefer in den Kern der Schlacht. Um ihn herum stürzten Feinde und Verbündete zu Boden, manche leblos manche unter peinvollen Qualen. Barty sah den lilanen Flammenstrahl Dolohows durch die Luft peitschen und gleich mehrere Widerständler zu Fall bringen, bevor er sich einem anderen Auror widmete, der seinen Freunden zu Hilfe hatte kommen wollen. Barty musste lachen bei dem berauschenden Triumphgefühl, das ihn überkam. Sie würden gewinnen! Für einen Moment wagte er es zu seinem Herr und Meister zu sehen. Die Macht, mit der sich sein Dunkler Lord gegen Dumbledore widersetzte, raubte ihm den Atem. Er konnte sehen, wie sich die Longbottoms und Potters zu beiden Seiten von Hogwarts’ Schulleiter positioniert hatten, dessen Rücken deckten und ebenfalls klägliche Angriffsversuche gegen Lord Voldemort machten. Sie waren jedoch nichts im Vergleich zu der Kraft, der sie sich entgegenstellten. Dann fiel Barty eine zweite Gestalt auf, die sich an der Seite des Dunklen Lords befand. Stolz erhoben stand sie da und wich keinen Millimeter zurück. Ein paar Strähnen schwarzer Locken waren unter der Kapuze hervorgequollen und tanzten im Wind, während Bellatrix Lestrange unermüdlich die Stellung hielt. Bartys Herzschlag beschleunigte sich bei diesem Anblick. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Das Schlachtfeld schien seltsam fern, als er sich wieder dem Geschehen um sicher herum widmete. Eine junge Hexe tauchte vor ihm und schwang den Zauberstab in seine Richtung. In einer geübten Handbewegung parierte Barty den Angriff und nahm grinsend den Kampf mit der Hexe auf. Er glaubte sie zu kennen. Es war ein vertrautes Gesicht, das ihm irgendwann auf den Gängen von Hogwarts begegnet war zu einer Zeit, in der alles anders gewesen war. Doch solche Sentimentalitäten hatten auf dem Schlachtfeld keinen Platz. Siegesgewiss hob Barty den Zauberstab, auf den Lippen bereits die Formel des Todesfluchs, als ein Schockzauber ihn zurückriss. Taumelnd schaffte er es, Halt zu gewinnen, bevor er zu Boden stürzen konnte. Dennoch kochte in ihm heißer Zorn über dieses Missgeschick auf. Blind vor Wut wirbelte Barty herum und feuerte einen Entwaffnungszauber in die Richtung seiner Gegnerin, während er zur Seite stolperte, um eventuellen Angriffen auszuweichen. „Hab ich dich“, murmelte er schließlich. Er würde an einem solch glorreichen Tag nicht fallen. Nein, er würde treu sein und als Sieger aus dieser Schlacht hervorkehren! Ein Ganzkörperklammerfluch verdammte seine Kontrahentin zur Bewegungslosigkeit. Sein Opfer, das ihm trotzig entgegenblickte. Plötzlich schrie Barty auf. Eine rote Welle des Schmerzes brach über ihn herein und beraubte ihn all seiner Sinne. Er merkte gar nicht mehr, wie er sich bereits in dem feuchten Gras wälzte und die Pein zu ertragen versuchte. Der Zauberstab entglitt seinen Fingern; er konnte nur froh sein, dass die Maske fast seinen gesamten Schädel umschloss, sonst hätte sie sich gelöst und … Barty holte rasselnd Luft. Ein zerfurchtes Gesicht ragte in den Schatten über ihm auf. „Immer wachsam“, donnerte es voller Abscheu. Moody holte ein weiteres Mal aus. Barty tastete hektisch nach seinem Zauberstab, doch alles, was seine Finger fanden, war feuchte Erde und Gras. Im letzten Moment warf er sich zur Seite, während neben ihm der Fluch gegen ein Schild prallte. Ohne nachzudenken, sah Barty auf den Boden, fand seinen Zauberstab, griff danach, rappelte sich auf und beschwor einen Protego. Rodolphus stand neben ihm und hatte das Duell mit Moody aufgenommen. Zuerst wollte Barty seinem Instinkt folgen und fliehen, doch beim Anblick des Aurors wallte eine Woge des Zorns in ihm auf. Er würde heute nicht besiegt werden. Er würde siegen! Sein Körper handelte ganz von selbst, zeichnete komplexe Bewegungen in die Luft und wich weiteren Angriffen aus. Ehe Barty es sich versah, befand er sich inmitten eines Pulks aus Auroren und Todessern. Er hatte kaum eine Chance. Schlimmer noch: Erschöpfung begann allmählich in seine Glieder zu kriechen und verlangte ihren Tribut. Seine Arme fühlten sich von Minute zu Minute schwerer an und seine Bewegungen verloren an Leichtigkeit. Wenn er eine Verschnaufpause haben würde, konnte er an seinen Stärkungstrank kommen! Aber die gab es nicht. Lupin war vor ihm aufgetaucht und lieferte ihm ein erbittertes Duell. Auch ihm war die Erschöpfung anzusehen. Sein Haar war vom Schweiß völlig durchnässt und klebte ihm an der Stirn. Wild entschlossen versuchte er seinen Freunden beizustehen, wehrte Bartys Zauber ab und wich dessen Flüchen aus. Währenddessen wurde es um sie herum dunkler. Die Temperatur schien tiefer und tiefer zu sinken und ließ den Atem der Kämpfenden in weißen Wolken kondensieren. Barty schauderte unwillkürlich und hielt wachsam inne. Nicht nur ihm war der merkwürdige Umschwung aufgefallen. Überall auf dem Schlachtfeld verloren die Kämpfe an Härte und wurden langsamer, als hätte sich ein Impediementa-Zauber auf alle Anwesenden gelegt. Nachdem sich Barty versichert hatte, für ein paar Sekunden vor Angriffen geschützt zu sein, wagte er einen Blick in den Nachthimmel hinauf und erkannte voller Unbehagen die verhüllten Umrisse der Dementoren. Ihm wurde schlecht. Er verabscheute diese Viecher — da half auch der Gedanke wenig, dass sie sich auf seiner Seite befanden. Einen kurzen Augenblick verharrten die Kreaturen unheilvoll über dem Schlachtfeld, dann stürzten sie sich auf ihre Opfer herab. Die ersten begannen zu schreien; wimmernd und jammernd krümmten sich andere unter dem Einfluss zusammen, während sie all ihrer glücklichen Erinnerungen beraubt wurden. Barty konnte beobachten, wie in seiner unmittelbaren Nähe ein Vergiss-Mich ohnmächtig zusammenbrach und spürte einen Anflug Schadenfreude. Dieser währte jedoch nicht lange, denn da hatte der Widerstand bereits die ersten Patroni heraufbeschworen. Ein stattlicher Hirsch gefolgt von einer Hirschkuh galoppierte über das Schlachtfeld und ließ die Dementoren aufgebracht auseinander stoben. „Pf, Angeber!“, schnaubte es neben ihm dumpf. Barty wandte sich ab und erkannte Rabastan, der aus dem Schlachtgetümmel aufgetaucht war. Auch ihm war die Erschöpfung anzusehen. „Das wird ihnen auch nichts mehr nützen“, erwiderte Barty und deutete auf ein paar Dementoren, die erneut zum Angriff ansetzten und über eine ungeschützte Gruppe herfielen. „Sie verlieren an Leute, die sich auf den Patronus konzentrieren müssen.“ „Schätze, dann sollten wir ihnen den Rest geben, was?“ Barty nickte und folgte Rabastan durch das schwächer werdenden Kampfgeschehen. Überall lagen Verletzte und Tote. Die wenigen, die sich noch auf den Beinen halten konnte, schafften es kaum sich gegen die verbliebenen Todesser zur Wehr zu setzen, geschweige denn gegen die Dementoren anzukommen. Die Niederlage des Widerstands war eigentlich nur noch eine Frage der Zeit. Barty selbst wollte die verbliebene Zeit nutzen und sich im Hintergrund halten. Es hatte keinen Zweck, in seinem Verfassungszustand an vorderster Front zu kämpfen. In etwas weiter Ferne konnte er erkennen, wie der Dunkle Lord noch immer in einem erbitterten Kampf mit Dumbledore verwickelt war. Unermüdlich beschworen die beiden Zauberer Flüche, parierten sie, konterten den Angriff des anderen oder griffen an, ohne dabei auch nur einen Zentimeter Grund zu verlieren. Es war deutlich, dass die heutige Nacht vom Ausgang der Schlacht abhing, die die beiden Zauberer umtoste. Und der stand ausgesprochen gut für die Todesser. Mit plötzlicher Gewissheit sah Barty zu den wenigen Widerständlern, die noch immer tapfer die Stellung hielten. Sie würden sie vernichten! Just in diesem Moment gellte ein hohes Kreischen über das Schlachtfeld hinweg und zog die Aufmerksamkeit der Kämpfenden auf sich. „Was soll das denn jetzt?“, hörte Barty Rabastan, als ein Phönix einem flammenden Ball gleich vom Nachthimmel hinunter stieß und damit anfing enge Kreise um die Kämpfenden zu ziehen. Verwirrung machte sich breit, Flüche wurden auf den Vogel gefeuert, der ihnen geschickt auswich. Zu spät wurde den Todessern klar, dass es sich um eine Ablenkung handelte. Um sie herum hatten die Widerständler zu apparieren begonnen. Einer nach dem anderen löste sich in der kalten Nachtluft auf. Barty tat es den anderen Todessern gleich und versuchte etwas dagegen zu unternehmen, sie zu verhexen und verfluchen und gestand sich schließlich ein, dass es zwecklos war. Der Feind war geflohen. Etwas benommen blinzelte Barty. Sein Blick suchte die schwarz gekleidete Gestalt Lord Voldemorts, dessen Gegner feige den anderen Widerständlern gefolgt war. Noch immer dröhnte der Kampfeslärm in Bartys Ohren, obwohl sich eisige Stille über die Felder gelegt hatte. Einzig das leise Wimmern der Gefallenen durchbrach sie gelegentlich. Es dauerte, bis sich die Erkenntnis einen Weg in Bartys Gedanken gesucht hatte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, der schwere Stoff klebte ihm auf der verschwitzten Haut und sein Atem kam in erschöpften Stößen. Dumpf registrierte er die vielen Körper; die vielen reglosen und die wenigen, die sich noch regten. Über ihnen zogen die Dementoren bedächtig ihre Kreise, während sich einige an den Unglücklichen gütig taten, die nicht mehr hatten fliehen können. Mit einer Spur Unglauben spähte Barty zu den noch stehenden Todesser, die schweigend aus den Schatten zu wachsen schienen und folgte ihren Blicken zu der erhabenen Gestalt des Dunklen Lords. Dieser sah auf. Die Arme hatte er im Genuss des Sieges ausgebreitet, während sich seine kalte Stimme über die Felder hinweg erhob: „Der Sieg für diese Nacht ist der unsere!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)